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COMPACT-Magazin 05-2017

Der Osten leuchtet. Was der Westen lernen kann

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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

pressung, Drogenhandel im Tonnenbereich und Zuhälterei,<br />

auch wenn sie dies nicht alles im Detail erzählen<br />

wollen. Trotzdem machen beide keinen Hehl<br />

daraus, dass sie ihre kriminelle Karriere in vollen Zügen<br />

genossen haben, ihr ein wenig hinterhertrauern<br />

und nichts von all dem bereuen, was sie getan haben.<br />

Es gibt einen Werteverfall in unserer<br />

Gesellschaft, auch bei den Kriminellen.<br />

Rolando, um die 80 Jahre alt, erzählt von den guten<br />

alten Zeiten – Sammy Davis Junior und andere<br />

Show-Größen zählten zu seinen Freunden. «Als die<br />

Mafia Las Vegas noch unter Kontrolle hatte, herrschte<br />

hier viel mehr Ordnung», wiederholt er immer wieder<br />

seine Kernthese. «Der Mob hat überall Zucht<br />

und Ordnung durchgesetzt. Das war ausgezeichnet<br />

so. Sie haben dafür gesorgt, dass all die Leute aus<br />

dem Mittleren Westen hier tun konnten, was sie zu<br />

Hause nicht tun konnten oder wollten: Glücksspiel,<br />

Drogen und Orgien feiern. Alles war perfekt organisiert.<br />

Keiner musste Angst haben, auf der Straße<br />

überfallen zu werden, egal wie besoffen er war, oder<br />

schlechtes Zeug angedreht zu bekommen. Es gab<br />

auch keine Erpressergeschichten nach den Orgien,<br />

die Mädchen waren alle sauber. Das ist der Grund,<br />

warum es auch organisiertes Verbrechen heißt. Und<br />

wenn jemand dagegen verstieß, weil er sich für einen<br />

klugen Arsch hielt und dachte, Geschäfte auf<br />

eigene Rechnung machen zu können, dann hatte er<br />

eben Pech. Die Hitmänner des Mobs schnappten ihn,<br />

fuhren hinaus in die Wüste und ließen ihn von der<br />

Bildfläche verschwinden. So einfach war das früher.<br />

Deshalb war der Strip [Las-Vegas-Boulevard] damals<br />

so sauber, gepflegt und unter vollständiger Aufsicht.<br />

Heute gerät alles außer Kontrolle, ich sehe da nur<br />

noch viele Punks, Crack-, Meth- und Heroinsüchtige<br />

sowie andere kriminelle Schmeißfliegen. Die gehören<br />

da einfach nicht hin. Das ist einfach ekelhaft.<br />

Das liegt unter anderem daran, dass die internationalen<br />

Konzerne und die Geschäfte sowie kleine Betriebe<br />

auf dem Strip versuchen, aus allem und jedem<br />

auch noch den letzten Cent herauszuquetschen.<br />

Langfristig ist das aber ein großer Fehler, denke ich.»<br />

Lauter Weicheier<br />

alten Zeiten nach: «Es gibt ganz allgemein einen<br />

Werteverfall in unserer Gesellschaft, und damit meine<br />

ich auch bei den sogenannten Kriminellen. Aber<br />

bei uns gab es noch einen strikten Ehrenkodex, gegen<br />

den nichts und niemand verstoßen durfte. Wir<br />

waren wie La Familia. Die Gang war meine Familie,<br />

meine neue Heimat, so wie für Hunderte anderer<br />

auch. Wenn einer von uns geschnappt wurde, ließ<br />

man ihn nicht hängen – sofern er keinen verpfiff.<br />

Heute singen die Kids schon bei den Cops, wenn<br />

man ihnen nur mit einem halben Jahr ohne Bewährung<br />

droht. Das ist lächerlich, und so etwas hätte<br />

es früher nicht gegeben. Aber auch 40-jährige, gestandene<br />

Männer heulen heute schon wie die Tunten<br />

und verpfeifen alles und jeden, wenn ihnen jemand<br />

mit Knast droht. Dann nennen sie der Staatsmacht<br />

jedes einzelne Stash-Haus, das sie kennen<br />

und wer was wann und wo gemacht hat. Manchmal<br />

erfinden sie sogar noch etwas dazu, das ist einfach<br />

der Hammer. Die Bullen lieben das. So können sie<br />

Leute für lange Zeit wegsperren, manchmal auch<br />

für Straftaten, die sie gar nicht begangen haben.<br />

Zu meiner Zeit hätte es das alles nicht gegeben. Da<br />

herrschte wie gesagt ein strengerer Ehrenkodex und<br />

die Verräter wären sofort eliminiert worden, manchmal<br />

auch noch deren ganze Familie dazu, je nachdem,<br />

über was und wie viel sie ausgepackt hatten.<br />

Das Zauberwort lautete früher Respekt.»<br />

Buddy Trump<br />

Dann sprechen wir über das Business von heute<br />

und die Frage, was die vollständige Legalisierung<br />

von Marihuana bedeutet, die in einigen US-Bundesstaaten<br />

anläuft. «Zunächst muss einmal betont werden,<br />

dass der Staat auch seinen Teil vom Kuchen ab-<br />

Angst vor El Chapo<br />

Chris und Rolando haben ein<br />

ganz besonderes Verhältnis zu<br />

Joaquin «El Chapo» Guzman,<br />

dem legendären Drogenkönig.<br />

Rolando: «In Chicago gab es<br />

ganze Blocks, die ihn wie einen<br />

Heiligen verehrt haben. Die<br />

sehen ihn als positive Figur. Er<br />

verschafft den Menschen Arbeit<br />

und ist karitativ tätig. Warum<br />

also sollten die Leute Angst vor<br />

ihm haben? Da gibt es keinen<br />

Grund. Außerdem sorgen Guzmans<br />

Leute für Ordnung im Viertel.<br />

Das gibt Stabilität, die die<br />

Cops nicht herstellen können.»<br />

Als ich nachfrage, ob es stimmt,<br />

dass sich Guzman mit den Taliban<br />

und dem IS angelegt hat,<br />

lacht Rolando: «Das hat er todernst<br />

gemeint. Er ist Geschäftsmann.<br />

Und wenn jemand seine<br />

Geschäfte stört, dann macht<br />

er ihn fertig. Er hat ihnen sogar<br />

gedroht, dass seine Leute die<br />

Taliban und den IS jagen und die<br />

Typen dann enthaupten werden.»<br />

Gleichzeitig haben die beiden<br />

einen Heidenrespekt vor Guzman.<br />

Nicht ohne Grund: Obwohl sich<br />

der Obergangster – nach zweimaligem<br />

Ausbruch aus den besten<br />

Hochsicherheitsgefängnissen<br />

Mexikos – inzwischen in den<br />

Händen der US-Behörden und in<br />

einem amerikanischen Gefängnis<br />

befindet, besteht kein Zweifel<br />

daran, dass er jederzeit auf jeden<br />

ein Hit-Team loslassen kann, der<br />

ihm irgendwie blöd kommt…<br />

Sein Kumpel Chris, zehn Jahre jünger, kommt eigentlich<br />

aus Chicago. Der Vater war beim US-Militär,<br />

und die Familie lebte einige Zeit in einer Kaserne<br />

in Süddeutschland. Kein Wunder, dass er sich nach<br />

dieser langweiligen Zeit nach etwas Aufregendem<br />

sehnte und sein Glück in der gefährlichsten Gang Illinios`fand,<br />

den Latin Kings. Auch Chris trauert den<br />

Die in Las Vegas berühmten Gangster in einer Art Ehrengalerie. Foto: Kremerbi, CC BY-SA 3.0, Wikimedia<br />

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