26.04.2017 Aufrufe

COMPACT-Magazin 05-2017

Der Osten leuchtet. Was der Westen lernen kann

Der Osten leuchtet. Was der Westen lernen kann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Jenseits des Sunset Boulevard<br />

_ von Stefan Allgaier<br />

60<br />

Die Gangster von Las Vegas trauern den alten Zeiten hinterher: In<br />

der Ära der großen Kartelle herrschte noch eine gewisse Ordnung,<br />

jetzt kämpft jeder gegen jeden – und der Staat will über die Legalisierung<br />

von Haschisch beim Drogengeschäft mitverdienen.<br />

Las Vegas ist nicht nur ein Spielerparadies.<br />

Die Stadt beherbergt<br />

auch rund 610.000 Einwohner. Foto:<br />

picture-alliance/ chromorange<br />

«Die Mafia hat<br />

überall Zucht und<br />

Ordnung durchgesetzt.»<br />

_ Stefan Allgaier schrieb in<br />

<strong>COMPACT</strong> 4/<strong>2017</strong> über das<br />

mysteriöse Zeugensterben im<br />

NSU-Verfahren.<br />

Mutterseelenallein stehe ich in Downtown Las<br />

Vegas, weitab von den Glitzerpalästen der Glücksspiel-Oase:<br />

Hier ist das wahre Großstadtamerika –<br />

abseits vom Mittleren Westen, vom Bible Belt, von<br />

den Mormonen und von unberührten Landschaften.<br />

Hier sieht man – wie in Baltimore, Chicago und Detroit<br />

und vielen anderen abgewrackten Metropolen –<br />

jede Menge verlassene Gebäude, welche die Drogendealer<br />

als sogenannte Stash-Houses benutzen,<br />

in denen sie ihren Stoff herstellen, abpacken und natürlich<br />

auch verkaufen. Überall hängen junge Kids<br />

mit teuren Smartphones und schweren Goldketten<br />

an den Straßenecken herum. Für einen Hunni schieben<br />

sie für ein paar Stunden Wache und halten nach<br />

Repräsentanten der Staatsmacht Ausschau, um ihre<br />

Bosse im Ernstfall zu warnen, damit diese sich rechtzeitig<br />

vom Acker machen können.<br />

Vor allem gibt es hier in Downtown jede Menge<br />

hardcore Süchtige. Die Crack-Konsumenten laufen<br />

im verschlissenen Schlafanzug mit Exkrementen-verschmiertem<br />

Mickey-Mouse-Motiv und in<br />

pinkfarbenen Croquiletten wie auf rohen Eiern über<br />

die Gehwege. Der Fixer kratzt seinen Körper mit irrem<br />

Blick gnadenlos wund und versucht im nächsten<br />

Augenblick, dem Nodding (Sekundenschlaf) zu widerstehen.<br />

Und der Crystal-Meth-Abhängige schaut<br />

paranoid alle paar Millisekunden in eine andere<br />

Richtung, während er unflätige Sätze wie Maschinengewehrsalven<br />

ausstößt. Direkt vor einem Laden<br />

zieht er seinen verschlissenen und verschi***n Slip<br />

herunter und pinkelt am helllichten Tag an die Bushaltestelle.<br />

Hunderte Autos fahren vorbei, zahllose Passanten<br />

müssen als unfreiwillige Zuschauer herhalten.<br />

Es war einmal in Amerika<br />

Dann begebe ich mich wie vereinbart zum Redaktionsbüro<br />

der Las Vegas Tribune, nach eigenem<br />

Bekunden nur der Wahrheit verpflichtet und weit<br />

weg von den Mainstream-Medien. Rolando Larraz<br />

und Chris Garcia sind zwei Schwerstkriminelle<br />

mit jahrzehntelanger Mafia-Erfahrung, die sich zur<br />

Ruhe gesetzt haben und heute die Zeitung machen.<br />

Die zwei Old-School-Gangster stammen aus unterschiedlichen<br />

Generationen, sind sich aber über die<br />

Notwendigkeit eines strikten Gangster-Ehrenkodex’<br />

einig, auf Deutsch eher lapidar mit Gaunerehrenwort<br />

und Ganovenehre bezeichnet. Beide zusammen haben<br />

etliche Jahre Gefängnis auf dem Buckel – beide<br />

sind also weiß Gott keine Waisenknaben. Ihr Strafregister<br />

umfasst Mord, Totschlag, räuberische Er-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!