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COMPACT-Magazin 05-2017

Der Osten leuchtet. Was der Westen lernen kann

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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Dazu passt, dass die Wünsche der Bürger vor Ort<br />

nicht zu zählen scheinen. Im Februar demonstrierten<br />

600 Menschen für den Erhalt des Namens Ernst Moritz<br />

Arndt. Sie bildeten eine Menschenkette, die Universität<br />

und Rathaus sozusagen «umarmte»: eine bewegende<br />

Geste der Liebe zum Eigenen. Zwar sucht<br />

die Universität nach eigener Aussage das Gespräch –<br />

am 21. April war ein sogenannter offener Dialog im<br />

Audimax anberaumt –, doch ein Abrücken von den<br />

Plänen ist nicht erkennbar. Es handelt sich ganz offensichtlich<br />

nur um den taktischen Versuch, der anderen<br />

Seite Gelegenheit zum Dampf ablassen zu geben.<br />

Koste es, was wolle<br />

Dass die ungeliebte Maßnahme in einer Zeit<br />

ständiger Kürzung von Universitätsbudgets auch<br />

noch Kosten mit sich bringt, spielt für die Eiferer<br />

mit dem langen Atem ebenso wenig eine Rolle wie,<br />

man höre und staune, die Reaktion von Angela Merkel,<br />

die sich beim diesjährigen Neujahrsempfang der<br />

heimischen CDU «einigermaßen fassungslos» zeigte<br />

und die Umbenennung als «wenig demokratisch»<br />

kritisierte. Kein Wunder: Greifswald gehört zum Direktwahlkreis<br />

der Kanzlerin, sie will ihre bisherige<br />

Klientel nicht der AfD zutreiben… Während die Universität<br />

von Kosten unter 100.000 Euro spricht und<br />

das ironischerweise «kostenneutral» nennt, rechnet<br />

die vermutlich realistischere AfD mit einem Betrag<br />

von etwa 300.000 Euro.<br />

Die Frage ist, welcher Gewinn so viel scheinbar<br />

selbstlose Hartnäckigkeit rechtfertigt. Die Antwort<br />

ist einfach: Es geht um die Hoheit über unsere<br />

Vergangenheit, um Durchideologisierung nach dem<br />

Muster westdeutscher Linksliberaler. Diese wollen<br />

dem gesamten Land ihr einseitiges Geschichtsbild<br />

ohne Rücksicht auf lokale oder sonstige Gegebenheiten<br />

aufzwingen und es zum einzig gültigen erheben.<br />

Die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Universitätsleitung<br />

an ihren Plänen festhält, trägt unmissverständlich<br />

Züge eines Kulturkampfs. Wie das Zitat<br />

von Zeit-Redakteur Erenz und die Berufung auf die<br />

«Weltoffenheit» der Universität anklingen lassen,<br />

geht es letztlich auch darum, alles, was der totalen<br />

Globalisierung der Mentalität im Wege steht, rücksichtslos<br />

beiseitezuräumen. Und dazu gehört die Anhänglichkeit<br />

an die eigene Geschichte, besonders<br />

die unmittelbare Heimatgeschichte, an erster Stelle.<br />

Die Hochschulen im Osten sind<br />

fest in Wessi-Hand.<br />

Diese wird durch einen Namensgeber wie Arndt,<br />

der an der Uni Greifswald sowohl studierte wie später<br />

als Professor lehrte, exemplarisch repräsentiert.<br />

Eine Umbenennung in «Universität Greifswald»,<br />

nach der kein Patron mehr auf die lästige deutsche<br />

Geschichte verweist, trifft zwei Fliegen mit einer<br />

Klappe: Sie erledigt die Erinnerung an die ungeliebten,<br />

weil von patriotischem Feuer zeugenden, Befreiungskriege<br />

gegen Napoleon zusammen mit dem<br />

Bewusstsein, dass die Kulturpolitik der DDR bei allen<br />

Mängeln eben auch eine patriotische war und<br />

damit Muster für ein ganz anderes Verhältnis zur eigenen<br />

Tradition bieten könnte, als es der Bevölkerungsmehrheit<br />

heute aufgezwungen wird.<br />

Was DDR-Schüler<br />

lernten<br />

«Obwohl Napoleon auf dem<br />

Höhepunkt seiner Macht stand,<br />

wurden die deutschen Patrioten<br />

nicht mutlos. (…) In Berlin hielt<br />

Johann Gottlieb Fichte furchtlos<br />

seine ”Reden an die deutsche<br />

Nation”. Er entfachte damit<br />

nationale Begeisterung. (…)<br />

Nicht weniger vorbildlich wirkte<br />

der Dichter Ernst Moritz Arndt.<br />

Er war der Sohn eines ehemaligen<br />

Leibeigenen und verstand<br />

daher die Sorgen und Nöte der<br />

Bauern besonders gut. Wegen<br />

seiner patriotischen Schriften<br />

wurde er von den Franzosen verfolgt.<br />

1812 ging er nach Russland,<br />

wo sich auch der Freiherr<br />

vom Stein aufhielt. Gemeinsam<br />

setzten sie ihre nationalen<br />

Bestrebungen fort.»<br />

(Geschichte, Lehrbuch für Klasse<br />

7, Volk und Wissen Volkseigener<br />

Verlag, Berlin/DDR, 1971,<br />

S.164/65)<br />

Der auf Rügen geborene Ernst<br />

Moritz Arndt (links,1769–1860)<br />

habilitierte sich im April 1800 an<br />

der damals namenlosen Universität<br />

Greifswald (rechts). Noch im selben<br />

Jahr lehrte er Geschichte und Philologie<br />

an der Alma Mater. Fotos:<br />

Carl Wildt, Public domain, Wikimedia<br />

Commons // Jan Meßerschmidt,<br />

Universität Greifswald<br />

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