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COMPACT-Magazin 05-2017

Der Osten leuchtet. Was der Westen lernen kann

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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Tatsächlich ging auch im Osten nur eine Minderheit<br />

auf die Straße – konnte dabei jedoch auf die<br />

schweigende Mehrheit bauen. An der Wahlurne<br />

zeigten die Ostdeutschen dem Establishment zumindest<br />

die gelbe Karte. Bei den Landtagswahlen<br />

in Sachsen-Anhalt am 13. März 2016 avancierte die<br />

Alternative für Deutschland (AfD) mit 24,3 Prozent<br />

vor der SPD zur zweitstärksten Kraft. Am 4. September<br />

zog die neue Partei in Mecklenburg-Vorpommern<br />

mit 20,8 Prozent an der CDU vorbei.<br />

Insbesondere in Sachsen lebt nicht erst seit der<br />

Asylkatastrophe ein rebellischer Geist. Bereits die<br />

1989er Montagsdemonstrationen in der DDR hatten<br />

dort ihren Ursprung. Und am 17. Juni 1953 gehörten<br />

Dresden, Leipzig und die Chemieregion um Halle zu<br />

den Schwerpunktgebieten des Arbeiteraufstandes.<br />

Das gleiche Bild im 19. Jahrhundert: Während sich<br />

der Rest Deutschlands erst ab März 1848 gegen die<br />

reaktionären Monarchien auf die Barrikaden begab,<br />

versuchten es die Sachsen bereits acht Jahre zuvor.<br />

Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass sowohl Reformation<br />

als auch Bauernkrieg ihren Ausgangspunkt<br />

in Mitteldeutschland hatten.<br />

Selbstgespräche der Saturierten<br />

Dabei ist auffällig, dass die Volksbewegung gegen<br />

Überfremdung und Islamisierung nie ernsthaft<br />

auf den Westen übergriff. Statt Erklärungen zu suchen,<br />

griff das westdeutsche Establishment zumeist<br />

auf die Nazikeule zurück. «Die Ostdeutschen sind<br />

für braune Parolen gegen Wirtschaftsflüchtlinge<br />

viel anfälliger als Westdeutsche», pöbelte im August<br />

2015 der langjährige Chef des Meinungsforschungsinstituts<br />

Emnid Klaus-Peter Schöpper.<br />

Insbesondere die Bionade-Bourgeoisie betrachtete<br />

den ihr fernen Osten stets mit wohliger Abscheu.<br />

«Die Meinungsmacher der Süddeutschen<br />

Zeitung oder der Zeit produzieren das immergleiche<br />

Selbstgespräch des linksliberal-saturierten westdeutschen<br />

Milieus, das auch der bequemen Selbstvergewisserung<br />

darüber dient, dass man selbst ja<br />

moralisch viel integrer ist», beschreibt es der Publizist<br />

Gunnar Hinck.<br />

Elite gegen Dunkeldeutsche<br />

Mit dem Beginn der Volksbewegung geriet dieses<br />

Juste Milieu in Panik. Im Kampf gegen das nationale<br />

Fanal aus dem Osten schien nun auch der tiefste<br />

Griff in die Rumpelkiste der Ressentiments recht<br />

und billig – während ansonsten jedwedes Vorurteil<br />

sogleich unter Rassismusverdacht steht. Zwar war<br />

die Schmähung Dunkeldeutschland bereits zu Beginn<br />

der 1990er Jahre entstanden – 1994 schaffte<br />

es die Vokabel gar als «sprachliche Demütigung» auf<br />

die Vorschlagsliste zum Unwort des Jahres. Doch<br />

erst der – selbst aus der DDR stammende – Bundespräsident<br />

Joachim Gauck verlieh ihr im August 2015<br />

offiziellen Charakter. «Es gibt ein helles Deutschland,<br />

das sich leuchtend darstellt gegenüber dem Dunkeldeutschland»,<br />

salbaderte das damalige Staatsoberhaupt.<br />

Flankierend titelte der Spiegel «Helles<br />

Deutschland / Dunkles Deutschland». Der Hamburger<br />

Morgenpost war es vorbehalten, Sachsen auf<br />

ihrer Titelseite als «Schandfleck» zu bezeichnen<br />

und die Geografie des Freistaates in Exkrementfarbe<br />

auszumalen. «Seit Monaten ist Sachsen das<br />

unsympathischste deutsche Bundesland», pöbelte<br />

auch die Zeit und sinnierte über einen Austritt des<br />

Freistaates aus der Bundesrepublik.<br />

Der Spiegel machte sich im August<br />

2015 zum Sturmgeschütz der Hetze<br />

gegen das «Dunkeldeutschland» im<br />

Osten. Fotos: Der Spiegel<br />

Auch heute noch demonstriert<br />

Pegida fast jeden Montag in Dresden<br />

– und es kommen 2.000 bis<br />

5.000 Menschen. Foto: picture alliance<br />

/ AP Photo<br />

«Hasserfüllte Fratzen…, die nichts<br />

anderes im Sinn hatten, als die<br />

Leipziger anzugreifen.» <br />

<br />

Polizei Dortmund<br />

War den antideutschen Aufpassern die Stimmung<br />

der Ostdeutschen vorher tatsächlich verborgen<br />

geblieben? Wahrscheinlich nicht völlig. Der Einwanderungslobbyist<br />

und frühere SPD-Regierungssprecher<br />

Uwe-Karsten Heye erregte sich bereits<br />

2006 über angeblich ausländerfreie Zonen. Sieben<br />

Jahre zuvor hatte der niedersächsische Kriminologe<br />

Christian Pfeiffer einen Zusammenhang zwischen<br />

dem gemeinsamen Toilettengang von Kindergartenkindern<br />

in der DDR und angeblicher Fremdenfeindlichkeit<br />

halluziniert.<br />

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