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Der Vortrag von Ulrich Kober, Bertelsmann Stiftung

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4. Workshop SWA-Programm: Lernen aus SWA – Transferstrategien entwickeln:<br />

<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “ 14.10.2005<br />

Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung<br />

am Beispiel des Projekts „Selbstständige Schule“<br />

<strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong> (<strong>Bertelsmann</strong> <strong>Stiftung</strong>)<br />

Die Schule in Deutschland steht auf dem Prüfstand. Alle Verantwortlichen spüren, dass es einen<br />

gravierenden Modernisierungsrückstand im deutschen Schulsystem gibt und der Reformbedarf<br />

dringlich ist. Dabei blicken viele in einer Mischung aus Bewunderung und Neid auf Länder, die<br />

im PISA-Ranking oben stehen. Konsens ist, dass deutsche Schulen sich entwickeln müssen.<br />

Aber wie soll das gehen? Hilft dabei z.B. die finnische Praxis als Orientierungshilfe?<br />

Eine gewisse Skepsis ist angeraten, denn<br />

die kontextblinde Extrapolation vermeintlicher<br />

Gelingensbedingungen ist nicht unbedingt<br />

ein Erfolg versprechendes Unternehmen.<br />

Die Warnung der alten Volksweisheit,<br />

wonach der Weg in die Hölle mit<br />

guten Vorsätzen gepflastert ist, lässt sich<br />

für unsere Fragestellung dahingehend variieren,<br />

dass der Weg zum Scheitern mit<br />

guten Beispielen gepflastert sein kann ...<br />

Denn es gibt keine Blaupause für Entwicklung,<br />

da wir es mit handelnden Akteuren<br />

und spezifischen Rahmenbedingungen zu<br />

tun haben. Gleichwohl macht es Sinn, sich<br />

mit den Erfahrungen derer auseinander zu<br />

setzen, die sich auf das Wagnis <strong>von</strong> umfassenden<br />

Veränderungsprozessen eingelassen<br />

haben und dabei zu fragen, was<br />

sich in diesen Fällen als förderlich oder<br />

hinderlich erwiesen hat.<br />

Die Erfahrungen, die hier dargestellt werden, reflektieren die Praxis des Modellvorhabens<br />

„Selbstständige Schule“, des zurzeit wohl umfassendsten Projekts zur Schulentwicklung in<br />

Deutschland. Ob es sich dabei wirklich um „good practice“ bzw. ein gutes Beispiel oder gar ein<br />

Modell handelt, ist abschließend noch nicht zu beurteilen. Allerdings gibt es – vor allem vor dem<br />

Hintergrund der Projekt begleitenden Befragungen der Projektbeteiligten – tragfähige Hinweise<br />

dafür, dass in diesem Projekt ein Weg der Schulentwicklung beschritten wird, der Erfolg verspricht.<br />

Zunächst werden einige Grunddaten des Projekts „Selbstständige Schule“ dargestellt, dann das<br />

dem Projekt zugrunde liegende Konzept <strong>von</strong> Schulentwicklung erläutert, drittens vor diesem<br />

Hintergrund wichtige Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung abgeleitet und schließlich einige Gedanken<br />

zum Übergang <strong>von</strong> der Schule in den Beruf erörtert, die sich aus dem beschriebenen<br />

Ansatz regionaler Schulentwicklung ergeben. Damit dieser Übergang gelingt, braucht es – so<br />

die abschließende These – eine systematische regionale Schulentwicklung.<br />

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4. Workshop SWA-Programm: Lernen aus SWA – Transferstrategien entwickeln:<br />

<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “ 14.10.2005<br />

1. Fakten zum Projekt „Selbstständige Schule“<br />

1.1. Kooperationsprojekt zwischen nordrhein-westfälischem Schulministerium<br />

und <strong>Bertelsmann</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

Das Projekt ist Ausdruck der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der nordrhein-westfälischen<br />

Landesregierung und der <strong>Bertelsmann</strong> <strong>Stiftung</strong> im Bereich der Schulentwicklung. <strong>Der</strong><br />

Stifter Reinhard Mohn war Mitglied der Kommission des damaligen Ministerpräsidenten Johannes<br />

Rau, die Mitte der 90er Jahre Empfehlungen zu einem zukunftsfähigen Schulwesen aussprachen<br />

(vgl. Bildungskommission NRW 1995). Seit dieser Zeit gab und gibt es vielfältige Kooperationsprojekte<br />

zwischen Landesregierung und <strong>Bertelsmann</strong> <strong>Stiftung</strong>, z.B. das Projekt “Schule<br />

& Co.“ (1997-2002) und aktuell das Modellvorhaben „Selbstständige Schule“.<br />

Das Projekt, das im Schuljahr 2002/03 begann, hat mit sechs Jahren eine lange Laufzeit, was<br />

allerdings für Schulentwicklungsprojekte angemessen ist. Entwicklung braucht Zeit – das zeigen<br />

die erfolgreichen PISA-Länder, die ihre zentralen Reformen in den 70er und 80er Jahren durchführten.<br />

1.1. Projektbeteiligte Schulen und Regionen<br />

Abbildung 1: Schulen und Regionen<br />

Es handelt sich um ein Projekt der regionalen<br />

Schulentwicklung: Schulen konnten<br />

sich nicht einzeln bewerben, sondern<br />

nur gemeinsam mit dem Schulträger<br />

(vgl. Abbildung 1).<br />

278 Schulen aller Schulformen in Nordrhein-Westfalen<br />

nehmen teil. Diese Zahl<br />

ist vor dem Hintergrund <strong>von</strong> landesweit<br />

über 6.700 Schulen nicht besonders eindrucksvoll.<br />

Wenn man aber an die regionale<br />

Beteiligung denkt, so wird das strukturelle<br />

Veränderungspotenzial des Projekts<br />

deutlich: denn es nehmen mehr als<br />

ein Drittel der Flächenkreise in Nordrhein-Westfalen<br />

teil. Als Region im Projekt<br />

gilt – wie in den Empfehlungen der<br />

Rau-Kommission – i.d.R. eine Gebietskörperschaft,<br />

d.h. ein Kreis oder eine<br />

kreisfreie Stadt.<br />

<strong>Der</strong> Durchdringungsgrad der Regionen mit Modellschulen ist sehr unterschiedlich: er reicht <strong>von</strong><br />

fast 40 Prozent bis unter 10 Prozent. <strong>Der</strong> Kreis Herford spielt eine Sonderrolle, weil dort das<br />

Projekt „Selbstständige Schule“ in das regionale Schulentwicklungsprogramm integriert ist, das<br />

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<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “ 14.10.2005<br />

durch “Schule & Co.“ angestoßen wurde und fast alle Schulen der Region in einen regional vermittelten<br />

Entwicklungsprozess einbezieht.<br />

Das Projekt verfolgt das Ziel, die Qualität schulischer Arbeit, vor allem des Unterrichts, zu<br />

verbessern (vgl. Brabeck/ Lohre 2004). Das setzt Anstrengungen auf der einzelschulischen Ebene,<br />

aber auch auf der regionalen Ebene voraus. Im Einzelnen werden im Projekt folgende Ziele<br />

angestrebt:<br />

- im Bereich der qualitätsorientierten Selbststeuerung der Modellschulen:<br />

- systematische Unterrichtsentwicklung zur Förderung der Lernkompetenz bei<br />

Schülerinnen und Schülern,<br />

- Verbesserung des schulinternen Managements,<br />

- eigenverantwortliches und effizientes Arbeiten im Rahmen größerer Gestaltungsfreiräume<br />

in den Bereichen Personalentwicklung, Ressourcenbewirtschaftung,<br />

Unterrichtsorganisation und Mitwirkung bzw. Partizipation,<br />

- Aufbau eines Systems der Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Rechenschaftslegung<br />

auf schulischer Ebene;<br />

- und im Bereich der Entwicklung regionaler Bildungslandschaften in den Modellregionen:<br />

- Aufbau regionaler Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für selbstständige<br />

Schulen,<br />

- Aufbau einer qualitativen Schulentwicklung in der Region, insbesondere durch die<br />

Kooperation zwischen Schulträgern, Schulaufsicht, Schulen gleicher und verschiedener<br />

Schulformen und die Vernetzung der Bildungsakteure in der Region,<br />

- Aufbau eines regionalen Systems der Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung<br />

und Rechenschaftslegung.<br />

Grundlage der Projektteilnahme sind Kooperationsvereinbarungen zwischen den Projektträgern<br />

<strong>Bertelsmann</strong> <strong>Stiftung</strong> und Landesregierung, vertreten durch die Bezirksregierungen, sowie den<br />

projektbeteiligten Schulen und Schulträgern (vgl. Hoppe/ <strong>Kober</strong> 2004). In den Kooperationsvereinbarungen<br />

sind die schulindividuellen und regionalen Entwicklungsvorhaben im Rahmen der<br />

gemeinsamen Projektziele und Arbeitsfelder aufgeführt und die Leistungen der Vertragspartner<br />

geregelt: im Jahr werden vom Land und vom Schulträger jeweils 2.500 Euro pro Schule in den<br />

regionalen Entwicklungsfonds eingezahlt, die Schulen erhalten für ihre Entwicklungsarbeit eine<br />

halbe Zeitbudgetstelle, sie bekommen die Möglichkeit, nicht-besetzte Lehrerstellen zu kapitalisieren<br />

und verpflichten sich zu Fortbildung und Rechenschaftslegung.<br />

Rechtliche Grundlage des Projekts ist das Schulentwicklungsgesetz vom 27.11.2001 und die<br />

entsprechende „Verordnung für die Durchführung des Modellvorhabens ‚Selbstständige Schule’“<br />

(VOSS) vom 12.4.2002: hier sind die neuen Gestaltungsräume der Modellschulen im Bereich<br />

der Unterrichtsorganisation und -gestaltung, der Schulleitung – Schulleiterinnen und Schulleiter<br />

werden Dienstvorgesetzte –, der Mitwirkung und des Lehrerrates aufgeführt.<br />

2.1. Perspektiven für den Transfer<br />

Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet. Das Schulministerium beauftragte nach einer bundesweiten<br />

Ausschreibung und einem Begutachtungsverfahren durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) ein Konsortium aus Wissenschaftlern der Universitäten Dortmund und<br />

Duisburg/ Essen mit der Begleitforschung. Im ersten Jahr des Projektes 2002/03 wurde eine<br />

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4. Workshop SWA-Programm: Lernen aus SWA – Transferstrategien entwickeln:<br />

<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “ 14.10.2005<br />

Bestandsaufnahme durchgeführt, die auch Leistungstests in zufällig ausgewählten Schulen umfasste.<br />

Eine Zwischenerhebung wurde im Schuljahr 2004/05 durchgeführt und eine Abschlusserhebung<br />

ist für das Schuljahr 2006/07 geplant. Beide Erhebungen arbeiten mit jeweils demselben<br />

Instrumentarium und den gleichen Schul-Stichproben wie die Anfangserhebung. Die Leistungstests<br />

werden in einem Längsschnitt erhoben. Zwischen diesen Erhebungswellen werden<br />

qualitative Fallstudien durchgeführt, die sich sowohl auf die Entwicklung <strong>von</strong> Einzelschulen als<br />

auch auf die Entwicklung regionaler Bildungslandschaften beziehen werden.<br />

<strong>Der</strong> Zwischenbericht wird voraussichtlich Anfang 2006, der Abschlussbericht 2008 vorgelegt<br />

werden. Von der wissenschaftlichen Begleitforschung werden wichtige Aufschlüsse über die<br />

Bedeutung <strong>von</strong> Selbstständigkeit für die Schulentwicklung erwartet. Bereits jetzt sind Impulse<br />

aus dem Projekt zur größeren Selbstständigkeit der Schulen in das neue Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen<br />

vom 1.8.2005 eingegangen. Auch in den Regionen gibt es bereits eine Dynamik<br />

zur Ausweitung und zum Transfer des Projekts. Zum 1.8.2003 wurden noch einmal 41 weitere<br />

Schulen in den Modellregionen in das Projekt aufgenommen. Ein Schritt in den Transfer ist die<br />

Aufnahme <strong>von</strong> „Korrespondenzschulen“: diese werden vor allem in die Fortbildungsangebote<br />

des Projekts einbezogen. Die Stadt Dortmund mit ihren 27 Modellschulen hat z.B. zum neuen<br />

Schuljahr 2005/06 mit 20 Korrespondenzschulen Kooperationsvereinbarungen geschlossen.<br />

Ebenfalls unter Transfergesichtspunkten ist die Einrichtung regionaler Bildungsbüros in den Modellregionen<br />

<strong>von</strong> Interesse: sie können zu institutionellen Garanten für die Verstetigung der mit<br />

dem Projekt eingeleiteten regionalen Schulentwicklung werden, sofern das Land und die jeweiligen<br />

Kommunen dies politisch wollen.<br />

2. Schulentwicklung im Projekt „Selbstständige Schule“<br />

2.1. Die Bedeutung <strong>von</strong> Selbstständigkeit für die Qualitätsentwicklung <strong>von</strong><br />

Schulen<br />

Die Ergebnisse der ersten PISA-Studie zeigen einen Zusammenhang zwischen Schülerleistungen<br />

und Schulautonomie (vgl. Abbildung 2). Allerdings bedeutet Korrelation nicht gleich Kausalität<br />

und der Zusammenhang ist auch nicht eindeutig, wie der Vergleich zwischen Deutschland<br />

und Portugal bzw. Italien zeigt. Diese Länder verfügen über einen höheren Grad an Schulautonomie,<br />

erzielen aber schlechtere Schülerleistungen als Deutschland.<br />

Gleichwohl scheint der Grad der Selbstständigkeit prima facie ein wichtiger Ansatzpunkt für die<br />

Qualität einer Schule und damit für Schulentwicklung zu sein.<br />

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4. Workshop SWA-Programm: Lernen aus SWA – Transferstrategien entwickeln:<br />

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Schulautonomie<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Portugal Italien<br />

Spanien<br />

Deutschland<br />

OECD<br />

Schweden UK<br />

440 460 480 500 520 540 560<br />

Schülerleistungen<br />

Finnland<br />

Japan<br />

Abbildung 2: Korrelation zwischen Schülerleistungen und Schulautonomie (PISA I)<br />

Denn Selbstständigkeit spannt einen hilfreichen Rahmen auf, in dem sie den Akteuren vor Ort<br />

mehr Verantwortung gibt. Entscheidend ist aber dann, worauf die Akteure in diesem Rahmen<br />

den Fokus legen. Dabei spielen der Unterricht und die Lern- und Lehrkultur einer Schule die<br />

zentrale Rolle. Michael Fullan, der renommierte kanadische Schulentwicklungsforscher, unterstreicht<br />

dies folgendermaßen: „Bildungsreformen schlagen hauptsächlich aus zwei Gründen<br />

fehl: Zum einen sind die Probleme komplex und hartnäckig. Es ist schwer, sich wirksame Lösungen<br />

einfallen zu lassen, und noch schwerer, sie tatsächlich in die Praxis umzusetzen. <strong>Der</strong><br />

zweite Grund ist, dass die verwendeten Strategien nicht die Dinge in Angriff nehmen, die wirklich<br />

wichtig wären. Sie sind weder auf eine grundlegende Unterrichtsreform noch auf die damit verbundene<br />

Entwicklung einer neuen pädagogischen Teamkultur ausgerichtet“ (Fullan 1999: S.85).<br />

Im Projekt „Selbstständige Schule“ ist Selbstständigkeit kein Selbstzweck, sondern ein Mittel<br />

zum Zweck, Qualität schulischer Arbeit und insbesondere des Unterrichts zu verbessern. Was<br />

meint in diesem Zusammenhang eigentlich Qualität? Für das Projekt „Selbstständige Schule“<br />

bemisst sich die Qualität der Schule daran, was sie zur Förderung optimaler Lern- und Lebenschancen<br />

für Kinder und Jugendliche in einer Region beiträgt. Sie macht sich zuallererst an dem<br />

fest, was Schülerinnen und Schüler lernen – im Verhältnis zu dem, was sie lernen sollen und<br />

können. Diese Qualität wird in erster Linie im Unterricht, d.h. durch Teams <strong>von</strong> Lehrerinnen und<br />

Lehrern erzeugt. In einer einzelnen Schule kann die geforderte Qualität des Lernens nicht allein<br />

erzeugt werden. Vielmehr erfordert dies die Zusammenarbeit der Schulen untereinander und mit<br />

anderen Bildungsakteuren in der Region. Die Qualität der einzelnen Schule im Projekt „Selbstständige<br />

Schule“ orientiert sich am Leitbild des „Hauses des Lernens“ (vgl. Abbildung 3). Schule<br />

ist demnach ein Ort,<br />

- an dem Schülerinnen und Schüler lernen, eigenverantwortlich zu lernen und zu handeln,<br />

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- die notwendigen Kompetenzen erwerben, die sie für die Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben benötigen und<br />

- die im lebendigen Austausch mit anderen Schulen und dem gesellschaftlichen Umfeld in<br />

der Region steht.<br />

Das Haus des Lernens<br />

Methodenkompetenz<br />

Erwerb <strong>von</strong><br />

Schlüsselkompetenzen<br />

Fachkompetenz<br />

Sozialkompetenz<br />

Persönliche<br />

Kompetenz<br />

Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen<br />

der Schülerinnen und Schüler<br />

(Aufbau <strong>von</strong> Lernkompetenz)<br />

Unterrichtsentwicklung<br />

• ist verbunden mit pädagogischer Teamentwicklung<br />

• ist systematisch aufgebaut<br />

• erfasst nach und nach die ganze Schule<br />

Abbildung 3: Das Haus des Lernens<br />

2.2. Schulentwicklung als Zusammenspiel <strong>von</strong><br />

Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung<br />

Schule entwickelt sich auf verschiedenen Ebenen: als Organisation, in ihren Handlungsfeldern,<br />

vor allem dem Unterricht, und durch ihre zentralen Akteure, die Lehrerinnen und Lehrer. Im<br />

Konzept der Schulentwicklung im Projekt „Selbstständige Schule“ liegt, wie erwähnt, der Fokus<br />

auf dem Unterricht. Unterrichtsqualität zu verbessern bedeutet, die Lernkompetenzen <strong>von</strong> Schülerinnen<br />

und Schülern kontinuierlich zu fördern. Dazu wird eine teamorientierte und zugleich<br />

systematische Unterrichtsentwicklung angestoßen, die die ganze Schule erfasst.<br />

Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung greifen in diesem Konzept ineinander. Die<br />

gemeinsame Arbeit am Unterricht ist der zentrale Bezugspunkt. Von daher werden die Maßnahmen<br />

zur Personalentwicklung konzipiert, die nicht mehr vom Bedarf der einzelnen Lehrkraft<br />

her gedacht sind, sondern sich vom Bedarf der Schule ableiten und sich an alle Lehrkräfte wenden.<br />

Personalentwicklung ist also systemisch angelegt.<br />

Nun kommt die Organisationsentwicklung ins Spiel. Damit sich diese kollektiven Fortbildungen<br />

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im Bereich der Unterrichtsentwicklung nachhaltig auf die Lehr- und Lernkultur einer Schule auswirken<br />

können, werden entsprechende Lernstrukturen aufgebaut (vgl. Abbildung 4).<br />

Schulentwicklung als Lernprozess<br />

© “Selbstständige Schule“<br />

teamorientiert - systematisch - die ganze Schule erfassend<br />

individuell<br />

individuelle<br />

Entwicklung<br />

führt nicht zur<br />

Schulentwicklung<br />

zielgerichtetes<br />

Lernen<br />

Trainings und<br />

Fortbildungen<br />

(intern/extern)<br />

individuelle<br />

Entwicklung<br />

führt nicht zwingend zur<br />

Schulentwicklung<br />

kollektiv<br />

Trainings<br />

und Fortbildungen<br />

(intern/extern)<br />

+<br />

Aufbau<br />

<strong>von</strong> (Lern-)<br />

Strukturen<br />

(intern)<br />

Schule als lernende<br />

Organisation<br />

führt zur<br />

Schulentwicklung<br />

Abbildung 4: Schulentwicklung als Lernprozess<br />

Eine so verstandene, systematische Schulentwicklung beinhaltet konkret kollektive Lernprozesse<br />

und sichernde Strukturen auf folgenden Ebenen (vgl. Abbildung 5):<br />

- im Bereich der Schulleitung und des Schulmanagements werden die Schulleiterin bzw.<br />

der Schulleiter gestärkt sowie das Kollegium in den systematischen Prozess der Schulentwicklung<br />

über die Einrichtung schulischer Steuergruppen mit entsprechenden Fortbildungen<br />

eingebunden;<br />

- im Bereich der Unterrichtsentwicklung werden systematische Trainings durchgeführt, die<br />

durch die Einrichtung <strong>von</strong> Klassen- und Fachteams flankiert werden mit dem Ziel, eine<br />

professionelle pädagogische Teamkultur zu entwickeln;<br />

- im Bereich der Qualitätssicherung wird eine Evaluationskultur aufgebaut, die u.a. durch<br />

Evaluationsberaterinnen und -berater in der Schule gefördert wird.<br />

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Strukturen einzelschulischer Entwicklung<br />

Fortbildung<br />

Schulentwicklungsmanagement<br />

Steuergruppe<br />

Schulleitung<br />

Klassenteams<br />

Fortbildung<br />

Leiten und Führen<br />

Fachteams<br />

Qualitätsarbeit<br />

Trainings zur Unterrichtsentwicklung<br />

Fortbildung<br />

Interne Evaluation<br />

Evaluationsberater<br />

Abbildung 5: Strukturen einzelschulischer Entwicklung<br />

2.3. Regionale Schulentwicklung: <strong>von</strong> der regionalen Schul- zur<br />

Bildungslandschaft<br />

Wie schon mehrfach angeklungen, spielt der Aspekt der Regionalität im Konzept der Schulentwicklung<br />

im Projekt „Selbstständige Schule“ eine zentrale Rolle (vgl. Lohre/ <strong>Kober</strong> 2004).<br />

Diesem Ansatz liegt die Überzeugung zugrunde, dass Schulen Teil eines Systems <strong>von</strong> Lernmöglichkeiten<br />

und Bildungschancen sind, in dessen Mittelpunkt das Kind bzw. der oder die Jugendliche<br />

stehen. Das Kind bzw. der oder die Jugendliche durchlaufen in ihren Bildungsbiografien<br />

verschiedene Schulen und Bildungsinstitutionen. Bildungsprozesse ereignen sich natürlich<br />

nicht nur in Schule. Aber Schule spielt für die Kinder und Jugendlichen eine herausragende Bedeutung<br />

für ihre Bildungsbiografie, weil sie die einzige Institution ist, die alle Kinder und Jugendlichen<br />

einer Region erreicht. Deshalb setzt das Schulentwicklungskonzept im Projekt „Selbstständige<br />

Schule“ bei der Schule an und versucht eine Dynamik zu initialisieren, die <strong>von</strong> der<br />

Schule andere Bildungsinstitutionen in der Region erfasst.<br />

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Im Projekt treibt die regionale Steuergruppe<br />

die regionale Schulentwicklung voran<br />

(vgl. Abbildung 6). Sie setzt sich aus<br />

Vertreterinnen und Vertretern der Schulaufsicht,<br />

bzw. des Schulträgers und der<br />

Modellschulen zusammen. Sie ist damit<br />

Ausdruck einer neuen Kooperationskultur,<br />

in der eine staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft<br />

wachsen soll. Die<br />

regionale Steuergruppe steuert über einen<br />

regionalen Entwicklungsfonds, in den Mittel<br />

des Landes und der beteiligten Kommunen<br />

einfließen, und entscheidet im Konsens<br />

über die für die regionale Schulentwicklung<br />

erforderlichen Maßnahmen.<br />

Abbildung 6: Die regionale Steuergruppe<br />

Die in der regionalen Steuergruppe angezielte staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft<br />

lässt sich mit dem Konzept der „regional governance“ begreifen (Fürst 2004). „Regional<br />

governance“ steht für eine Form regionaler Selbststeuerung, die<br />

- jenseits der formalen Zuständigkeiten funktional im Blick auf besondere Herausforderungen<br />

entsteht<br />

- deren Basis Vertrauen ist,<br />

- die netzwerkartig organisiert ist,<br />

- über Verhandlungen und „Tauschgeschäfte“ steuert und<br />

- auf Freiwilligkeit beruht.<br />

Eine solche Form der regionalen Selbststeuerung ist mithin hoch voraussetzungsreich. Sie ist<br />

auf die Motivation und Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten angewiesen. Sie setzt vielfältige<br />

Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse voraus. Im Fall der regionalen Steuergruppe im<br />

Projekt organisieren die Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Institutionen komplexe<br />

Kommunikationsprozesse in ihren „Herkunftsinstitutionen“, um handlungs- und sprachfähig zu<br />

sein. Organisationstheoretisch ist die regionale Steuergruppe schwach aufgestellt: vor allem das<br />

Konsensprinzip kann Vetopositionen erzeugen, die angesichts der Heterogenität der Interessen<br />

der unterschiedlichen Institutionen in der Steuergruppe erwartbar sind (vgl. Fürst 2004).<br />

Gleichwohl ist die regionale Steuergruppe der erste Schritt zu einer neuen Gewichtung der Verantwortung<br />

im Schulwesen. <strong>Der</strong> weitere Weg hin zu einer Schul- und Bildungslandschaft ist<br />

langwierig und nicht unbedingt geradlinig. „Governance-Prozesse“, so Fürst, brauchen eine sehr<br />

lange Zeit, weil sie auf kollektivem Lernen und Vertrauensbildung beruhen“ (Fürst 2004: 53).<br />

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<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “ 14.10.2005<br />

Wenn die Zeit reif ist, wird sich eine gewachsene Kooperationskultur auch stärker strukturell<br />

verankern. Welche Rolle dabei die regionalen Bildungsbüros spielen, die in vielen Regionen<br />

eingerichtet worden sind, wird sich im Projektverlauf zeigen.<br />

3. Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung<br />

Vor dem Hintergrund des dargelegten Konzepts <strong>von</strong> Schulentwicklung im Projekt „Selbstständige<br />

Schule“ werden im Folgenden wichtige Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung abgeleitet. Diese<br />

Ableitung stützt sich auf die evaluierten Erfahrungen des Projekts „Schule & Co.“ (Bastian/ Rolff<br />

2002), das mit einem ähnlichen Ansatz zur Schulentwicklung wie das Projekt „Selbstständige<br />

Schule“ gearbeitet hat, und auf die weiteren Entwicklungen in der Modellregion Herford, die die<br />

vom Projekt angestoßene regionale Entwicklung auch nach Projektende weiter vorantreibt bzw.<br />

verstetigt hat (vgl. Curländer/ Engelking 2004). Ebenfalls relevant sind dabei die Erfahrungen<br />

des laufenden Projekts „Selbstständige Schule“: erste Fallstudien über selbstständige Schulen<br />

geben wichtige Anhaltspunkte für Gelingensbedingungen für Schulentwicklung (vgl. Herrmann<br />

2005). Und schließlich spielen Erkenntnisse aus der modernen internationalen Schulentwicklungsforschung<br />

eine Rolle (vgl. Brüsemeister/ Eubel 2003).<br />

Faktor 1: Verantwortung neu gestalten<br />

Schulen brauchen ein neues Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Bildungschancen der Kinder<br />

und Jugendlichen. Selbstständigkeit <strong>von</strong> Schule, wie immer sie rechtlich ausgestaltet ist, hilft<br />

dabei, dass ein solches Bewusstsein entsteht und die Akteure in den Schulen tatsächlich mehr<br />

Verantwortung übernehmen. Schulisches Handeln in neuer Verantwortung wird nicht mehr auf<br />

ein enges bürokratisches Regelwerk bezogen und danach beurteilt, ob es da<strong>von</strong> abweicht, sondern<br />

verfolgt strategische Ziele und wird daran bemessen, ob und wie es diese Ziele erreicht.<br />

Damit zusammen hängt ein neues Verständnis <strong>von</strong> Rechenschaftslegung, das eine systematische<br />

interne und externe Evaluationskultur für eine kontinuierliche Qualitätssicherung erfordert.<br />

Faktor 2: Fokus auf Unterricht<br />

Damit Schulentwicklung bei Kindern und Jugendlichen ankommt, braucht es den Fokus auf das<br />

Kerngeschäft <strong>von</strong> Schule, den Unterricht. Hier werden die Kompetenzen erworben, die Kinder<br />

und Jugendliche für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe benötigen. Vieles mag im Rahmen<br />

<strong>von</strong> Schulentwicklung wichtig sein, aber zentral ist der Unterricht. Guter Unterricht ist auf<br />

das selbstständige Lernen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet, fördert fachliche und<br />

überfachliche Kompetenzen und zielt vor allem auf den Erwerb <strong>von</strong> Lernkompetenz als Grundlage<br />

für lebenslanges Lernen.<br />

Faktor 3: Verzahnung <strong>von</strong> Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung<br />

Vom Unterricht und dem Bemühen, ihn weiterzuentwickeln, ist das ganze Feld der einzelschulischen<br />

Entwicklung mit der Organisations- und Personalentwicklung in den Blick zu nehmen. Auf<br />

Schulebene müssen also Unterrichtsentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalent-<br />

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<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “ 14.10.2005<br />

wicklung miteinander verzahnt werden. Die notwendige Fortbildung im Rahmen der Personalentwicklung<br />

ist vom Bedarf der Schule her zu konzipieren und braucht, um zu neuen Alltagsroutinen<br />

zu führen, im Bereich der Organisationsentwicklung absichernde Strukturen. Um diese<br />

zielführend zu etablieren und professionell zu managen, braucht es eine systematische Steuerung<br />

auf schulischer Ebene. Nur in einem intelligenten Zusammenspiel <strong>von</strong> Unterrichts-, Personal-<br />

und Organisationsentwicklung entsteht eine nachhaltige pädagogische Teamkultur.<br />

Faktor 4: Ohne Unterstützung und Partizipation keine systematische Entwicklung<br />

Schulentwicklung braucht einerseits Unterstützung in Gestalt <strong>von</strong> Fortbildung und Beratung. Das<br />

erfordert personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen. Wer glaubt, Schulentwicklung sei umsonst<br />

zu haben, verkennt die Wirklichkeit <strong>von</strong> Schulen.<br />

Schulentwicklung braucht andererseits die Partizipation. Zentral ist der Schulleiter bzw. die<br />

Schulleiterin, aber ohne die Einbindung des Kollegiums, beispielsweise in den schulischen<br />

Steuergruppen oder im Lehrerrat, wird es nicht zu nachhaltigen Veränderungen kommen. Und<br />

schließlich brauchen auch Schülerinnen und Schüler und Eltern Räume für substanzielle Mitgestaltung,<br />

die über die formalen Mitwirkungsgremien hinausgehen. 1<br />

Faktor 5: Autonomie der Einzelschule und regionale Einbindung müssen zusammengedacht<br />

werden<br />

Selbstständigkeit <strong>von</strong> Schule ist ein zentraler Hebel dafür, dass die Akteure in der Schule Verantwortung<br />

für Qualität übernehmen. Aber das kann nicht heißen, dass Schule völlig autonom<br />

betrachtet wird. Gerade selbstständige Schulen brauchen ortsnahe Unterstützung und regionale<br />

Vernetzung und Koordination. Nur so können sie ihren Beitrag zum Erfolg der Bildungschancen<br />

<strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen leisten. Denn für diese zählt der regionale Raum als Bezugsrahmen,<br />

in dem sich ihre Bildungsbiografie abspielt. Das bedeutet, dass auch Regionen bzw.<br />

Kommunen mehr Verantwortung für Bildung übernehmen und die regionale Schul- und Bildungslandschaft<br />

stärker mitgestalten können.<br />

Faktor 6: Regionale Schulentwicklung gibt es nur, wenn sie politisch gewollt wird<br />

Neue Verantwortlichkeiten für die Schulen in der Region müssen im Sinn <strong>von</strong> „regional governance“<br />

arrangiert und eingeübt werden – das braucht, wie dargelegt, Zeit und langen Atem.<br />

Damit allerdings überhaupt eine Entwicklung in Gang kommt, bedarf es der politischen Unterstützung.<br />

Die Stadt oder der Landkreis müssen dem Thema Bildung und Schule eine wichtige<br />

Priorität geben und daher eine mitgestaltende Schulträgerschaft wollen. Sonst bleibt die staatlich<br />

-kommunale Verantwortungsgemeinschaft Rhetorik. Schließlich muss die regionale Entwicklung<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt auch institutionell abgesichert werden, damit sie nachhaltig wirken<br />

kann.<br />

1 Die bisherige hohe Akzeptanz des Projekts „Selbstständige Schule“ hängt damit zusammen, dass beide Faktoren berücksichtigt<br />

werden: es handelt sich um eine Fortbildungsoffensive in zentralen Bereichen der Schulentwicklung und bindet die schulischen<br />

Akteure zugleich in den Veränderungsprozess ein.<br />

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4. Workshop SWA-Programm: Lernen aus SWA – Transferstrategien entwickeln:<br />

<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “ 14.10.2005<br />

4. Aspekte für ein erfolgreiches Übergangsmanagement <strong>von</strong> der Schule in<br />

den Beruf<br />

<strong>Der</strong> Übergang der Jugendlichen <strong>von</strong> der Schule in den Beruf bzw. die Berufsausbildung ist in<br />

Zeiten eines beschleunigten sozio-ökonomischen Strukturwandels prekär geworden. Besonders<br />

gravierend ist der steigende Mangel an Ausbildungsplätzen. Das duale System der Berufsausbildung<br />

in Deutschland scheint nicht mehr richtig zu funktionieren. Weitere krisenhafte Phänomene<br />

sind die mangelnde Ausbildungsfähigkeit vieler Jugendlicher, steigende Zahlen <strong>von</strong><br />

Schulabgängern ohne Abschluss und hohe Abbrecherquoten in der Berufsausbildung.<br />

Diese Krise stellt alle allgemein bildenden Schulen vor tiefgreifende Herausforderungen. Schulen<br />

brauchen heute ein umfassendes Konzept, das Ausbildungsfähigkeit und Berufsorientierung<br />

als Bildungsaufgabe <strong>von</strong> Anfang an mitdenkt. Aber nicht nur die Schulen sind herausgefordert.<br />

Sie allein wären mit der Situation auch völlig überfordert. Das regionale Umfeld der Schulen ist<br />

gefordert. Insofern ist ein erfolgreiches Übergangsmanagement der Ernstfall für die regionale<br />

Schulentwicklung: nur wenn Schulen sich im Kontext einer regionalen Schul- und Bildungslandschaft<br />

entwickeln, werden die Voraussetzungen für einen gelingenden Übergang aller Jugendlichen<br />

in den Beruf bzw. die berufliche Bildung geschaffen.<br />

Regionen wie der Kreis Herford, in dem eine regionale Schul- und Bildungslandschaft durch eine<br />

jahrelang betriebene systematische regionale Schulentwicklung Kontur gewinnt, zeigen, welche<br />

konkreten Aspekte dabei für ein erfolgreiches Übergangsmanagement wichtig sein können (vgl.<br />

<strong>Kober</strong>/ Lohre 2005).<br />

Auf der schulischen Ebene geht es darum, die Lernkompetenz der Jugendlichen über Jahre im<br />

Unterricht systematisch zu fördern. Denn Lernkompetenz ist die Basis der Ausbildungsfähigkeit<br />

der Jugendlichen. <strong>Der</strong> Unterricht muss weiter stärker <strong>von</strong> der beruflichen Praxis beeinflusst werden:<br />

darauf müssen die notwendigen Kooperationen zwischen Schulen und Betrieben ausgerichtet<br />

sein. Betriebspraktika sind wichtig, aber die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft<br />

muss auch Auswirkungen auf den Unterricht haben.<br />

Die schulische Berufsorientierung muss konsequent an den Stärken der Jugendlichen ansetzen.<br />

Dabei sind Assessmentverfahren hilfreich, die z.B. im Kreis Herford vom regionalen Bildungsbüro<br />

für Schulen organisiert werden. Dabei findet auch der Berufsnavigator Verwendung, der mit<br />

dem Instrument des „peer feedback“ ebenfalls an den Stärken der Jugendlichen ansetzt.<br />

Schließlich geht es darum, das Übergangsmangement <strong>von</strong> der Schule in den Beruf regional zu<br />

begleiten, zu unterstützen und zu steuern. Die gegenwärtige Situation ist <strong>von</strong> einem Nebeneinander<br />

unterschiedlichster Initiativen und Akteure geprägt. Für die Jugendlichen und ihre Eltern<br />

ist das völlig intransparent. Es bedarf dringend einer regionalen Steuerung und Koordination,<br />

was die Mitgestaltung der Kommunen voraussetzt. <strong>Der</strong> Kreis Herford zeigt, wie das gelingen<br />

kann.<br />

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4. Workshop SWA-Programm: Lernen aus SWA – Transferstrategien entwickeln:<br />

<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Kober</strong>: „Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts ‚Selbständige Schule’ “14.10.2005Seite<br />

Literaturverzeichnis:<br />

Bastian, Johannes; Rolff, Hans-Günter: Abschlussevaluation des Projekts „Schule & Co.“, Gütersloh<br />

2002.<br />

Brabeck, Heribert; Lohre, Wilfried: Bildung gestalten – Selbstständige Schule.nrw, Verantwortung<br />

für Qualität, Band 1: Grundlagen des Projekts, herausgegeben <strong>von</strong>: Projektleitung „Selbstständige<br />

Schule“, Troisdorf 2004.<br />

Brüsemeister, Thomas; Eubel, Klaus-Dieter: Zur Modernisierung der Schule. Bielefeld 2003.<br />

Curländer, Lieselore; Engelking, Gerhard: Regionale Bildungslandschaft Kreis Herford, in: Regionale<br />

Bildungslandschaften, herausgegeben <strong>von</strong>: Projektleitung „Selbstständige Schule“, Troisdorf<br />

2004.<br />

Fürst, Dietrich: Chancen der Regionalisierung im Bildungsbereich, in: Regionale Bildungslandschaften,<br />

herausgegeben <strong>von</strong>: Projektleitung „Selbstständige Schule“, Troisdorf 2004.<br />

Fullan, Michael: Die Schule als lernendes Unternehmen: Konzepte für eine neue Kultur<br />

in der Pädagogik, dt. Stuttgart 1999.<br />

Hermann, Joachim: „Ich glaube, wir sind im Denken selbstständiger geworden“. Fallstudien zur<br />

Schulentwicklung im Modellvorhaben „Selbstständige Schule NRW“, Hamburg 2005 (unveröffentlicht).<br />

Hoppe, Claudia; <strong>Kober</strong>, <strong>Ulrich</strong>: Schulentwicklung auf der Grundlage <strong>von</strong> Vereinbarungen, in: Verantwortung<br />

für Qualität, Band 1: Grundlagen des Projekts, herausgegeben <strong>von</strong>: Projektleitung<br />

„Selbstständige Schule“, Troisdorf 2004.<br />

<strong>Kober</strong>, <strong>Ulrich</strong>; Lohre, Wilfried: Lernen für die Zukunft, in: Junge Generation und Arbeit, herausgegeben<br />

<strong>von</strong>: <strong>Bertelsmann</strong> <strong>Stiftung</strong>, Gütersloh 2005.<br />

Lohre, Wilfried; <strong>Kober</strong>, <strong>Ulrich</strong>: Gemeinsame Verantwortung für die Bildungschancen <strong>von</strong> Kindern<br />

und Jugendlichen, in: Regionale Bildungslandschaften, herausgegeben <strong>von</strong>: Projektleitung<br />

„Selbstständige Schule“, Troisdorf 2004.<br />

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