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<strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong> Nr. <strong>621</strong> 13. April 2017 Seite 16<br />
Das Unglück ereignete sich am<br />
28. April 1967. An einem Freitag<br />
gegen 12.15 Uhr. Ein Lockheed<br />
F-104 „Starfighter“-Jagdflugzeug<br />
der Bundeswehr war in ein Haus an<br />
der Moorstraße gestürzt. Schuld für<br />
den Absturz soll ein Vogel gewesen<br />
sein. Dabei ist ein siebenjähriger<br />
Junge unter den Trümmern ums<br />
Leben gekommen. Während des<br />
Unglücks befanden sich noch<br />
seine kleinere Schwester und der<br />
Großvater im Haus, während sich<br />
die Mutter im Garten aufhielt. Wie<br />
Rückblick auf ein schreckliches Ereignis vor 50 Jahren: dem Starfighter-Absturz in Bad Meinberg, bei dem ein Kind starb<br />
Mitgefühl und Anteilnahme wirken bis heute nach<br />
Von Arnold Pöhlker<br />
durch ein Wunder blieb eine Außenwand<br />
mit dem Balkon, auf dem die<br />
Schwester in ihrem Kinderwagen<br />
schlief, unversehrt. Auf dem Dach<br />
des Nachbarhauses arbeitete ein<br />
Dachdecker. Sie alle hatten einen<br />
Schutzengel. Ebenso auch der<br />
31-jährige Bundeswehrpilot, der sich<br />
mit dem Fallschirm über Fissenknick<br />
retten konnte.<br />
Bereits zum zweiten Mal nach<br />
dem verheerenden Brandunglück in<br />
Wehren am 27. Juli 1911, bei dem<br />
sechs Menschen den Tod fanden,<br />
Der nächste <strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong><br />
erscheint am 18. Mai 2017!<br />
wurde Bad Meinberg von einem<br />
schrecklichen Unglück heimgesucht.<br />
Das Ehepaar Erich und Gisela Dohm,<br />
die in Sichtweite zirka 120 Meter<br />
entfernt vom Absturzort wohnen,<br />
erinnert sich an das schreckliche<br />
Geschehen vor 50 Jahren. Bei<br />
frühlingshaftem Wetter spielte eine<br />
ihrer Töchter unter den Augen von<br />
Gisela Dohm fröhlich auf der Wiese<br />
im Garten. Erich Dohm beendete<br />
gerade vor seiner Werkstatt auf dem<br />
Kreuzenstein einen Smalltalk mit<br />
Hermann Töberich und wollte zum<br />
Mittagessen nach Hause fahren. Da<br />
sah er über dem Bergwinkel einen<br />
Düsenjäger wie eine Rakete in ein<br />
Haus stürzen.<br />
„Mit rasender Geschwindigkeit<br />
bin ich nach Haus gefahren. Als<br />
ich sah, dass unser Haus unversehrt<br />
war, ging‘s gleich weiter zum Feuerwehrgerätehaus<br />
am Busbahnhof“,<br />
erklärt Dohm.<br />
Nun musste er gemeinsam mit Kameraden<br />
der freiwilligen Feuerwehr<br />
Bad Meinberg schnell Hilfe leisten.<br />
Mit Karl-Heinz Henze am Steuer<br />
des Feuerwehrwagens „Opel Blitz“<br />
verschaffte sich die Crew aber nur<br />
mit Mühe und unter Zeitverlust,<br />
trotz Lichthupe, Martinshorn und<br />
Blaulicht, einen freien Durchgang<br />
zur Unglücksstelle. Denn inzwischen<br />
waren die Straßen mehr und mehr<br />
verstopft durch Schaulustige. „In<br />
dem Augenblick habe ich das erste<br />
Mal so richtig gemerkt, wie wichtig<br />
Rettungswege für Helfer sind“, so<br />
Dohm. Nach und nach eilte ein Großaufgebot<br />
an Rettungskräften zu dem<br />
Erich und Gisela Dohm auf der Terrasse ihres Hauses am Bergwinkel. Im Hintergrund, zwei Häuserreihen<br />
tiefer, befand sich die Absturzstelle.<br />
Foto: Arnold Pöhlker<br />
Unglücksort, der auch schnell von der<br />
Polizei abgeriegelt worden war. „Gemeinsam<br />
mit vielen anderen Helfern<br />
haben wir teilweise mit bloßen Händen<br />
ganz vorsichtig Trümmer beiseite<br />
geschafft, um nach Verschütteten zu<br />
suchen. Gegen Abend gab es dann<br />
die schreckliche Gewissheit: Der<br />
vermisste Junge konnte nur noch tot<br />
geborgen werden“, zeigt sich Erich<br />
Dohm auch 50 Jahre danach noch tief<br />
erschüttert über dieses schreckliche<br />
Geschehen. „Wir alle waren sehr<br />
Bürger treffen sich spontan auf dem Marktplatz und setzen ein Zeichen gegen Rechts<br />
Mickel: „Hier ist kein Platz für<br />
Rassismus und Intoleranz“<br />
Von Arnold Pöhlker<br />
Sie wollten ein Zeichen<br />
setzen. Eins für eine bunte,<br />
weltoffene und tolerante<br />
<strong>Stadt</strong> Horn-Bad Meinberg.<br />
Eins aber auch gegen<br />
eine AfD-Veranstaltung,<br />
die zeitgleich in der Sky<br />
Sportsbar „Machpoint“ in<br />
Horn stattfand. Das gelang<br />
auf Anhieb, ohne große<br />
Vorbereitung. Spontan<br />
waren etwa 80 Bürgerinnen<br />
und Bürger, Ratsmitglieder,<br />
Vertreter aus den<br />
Kirchen und dem Arbeitskreis<br />
gegen Nazis sowie<br />
hier lebende Geflüchtete<br />
auf dem „Marktplatz der<br />
Toleranz“ in Horn zusammengekommen.<br />
Nach<br />
einer Ausschusssitzung gesellten<br />
sich auch noch Bürgermeister Stefan<br />
Rother und Ausschussmitglieder<br />
hinzu. Überschaubare Polizeipräsenz<br />
beobachtete im Hintergrund das<br />
Geschehen am Marktplatz und an<br />
der Sportsbar.<br />
Es war eine bunte Schar aus Alt und<br />
Jung und über Parteigrenzen hinweg,<br />
ebenso Christen und Muslime, die<br />
sich vor dem Rathaus zu einem fröhlichen<br />
Miteinander eingefunden hatte.<br />
Das Drumherum war abwechslungsreich:<br />
Knackige und nachdenkliche<br />
Statements, aufsteigende Luftballons<br />
als friedliches Zeichen, Getränke zu<br />
kleinen Preisen – und am Abend der<br />
musikalische Höhepunkt mit Daniel<br />
Wahren und seiner Band „Flügelsang“.<br />
„Wir wollen zeigen, dass es<br />
in unserer <strong>Stadt</strong> vielfältig und bunt<br />
zugeht und dass hier kein Platz für<br />
Rassismus und Intoleranz ist“, betonte<br />
Andreas Mickel als Mitinitiator.<br />
Alt-Bürgermeister Eberhard Block<br />
sieht etwa 90 Prozent der Bevölkerung<br />
in Deutschland als demokratisch<br />
und weltoffen. Diese große Mehrheit<br />
respektiere das Grundgesetz. „Doch<br />
es gibt einige unter uns, die ausgrenzen<br />
und Tendenzen beleben, die aus<br />
einem verbrecherischen Urständ<br />
herrühren“, so Block. Dieser Entwicklung<br />
gelte es Einhalt zu gebieten.<br />
Für Diana Ammer, ebenfalls im<br />
Organisationsteam, steht Horn<br />
nicht rechts. Sie sieht den Zeitpunkt<br />
der Veranstaltung richtig gewählt.<br />
Damit meinte sie das zeitgleich in<br />
der Sportsbar an der Externsteiner<br />
Straße stattfindende AfD-Treffen.<br />
Dort erklärte AfD-Kreisvorstand<br />
traurig und fühlten mit der Familie“.<br />
In einem spontanen Brief forderten<br />
Pastoren der Lippischen Landeskirche<br />
am 30. April 1967 den Bundesverteidigungsminister<br />
auf, die<br />
Truppe anzuweisen, künftig keine<br />
Wohngebiete mehr zu überfliegen.<br />
Der Starfighter-Absturz in Bad Meinberg<br />
fügte sich in eine lange Reihe<br />
von ähnlichen Unglücken dieses<br />
Flugzeugtyps. Von 916 Maschinen<br />
verlor die Bundeswehr 292 durch<br />
Unfälle. Dabei wurden viele zivile<br />
Diese Bürger treten auf dem „Markplatz der Toleranz“ in Horn für eine demokratische<br />
und weltoffene <strong>Stadt</strong> ein.<br />
Foto: Arnold Pöhlker<br />
Ernst-Ulrich Frank aus Lemgo auf<br />
Nachfrage des <strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong>s<br />
den Grund seines Kommens: „Auf<br />
Einladung unseres Mitgliedes Thomas<br />
Gaub sind wir hier, um Bürger<br />
über das Parteiprogramm der AfD<br />
zu informieren“. Er betonte, dass<br />
es sich um eine Informations- und<br />
Diskussionsveranstaltung handelt.<br />
Die Gründung einer AfD-Ortsgruppe<br />
sei nicht vorgesehen. Bei weiteren<br />
Fragen gab sich der AfD-Funktionär<br />
schmallippig und war zu einem<br />
spontanen Kurzinterview mit dem<br />
<strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong> nicht bereit. Zu der<br />
Opfer beklagt. Auch 116 Piloten<br />
starben. 1982 wurde der „Starfighter“<br />
ausgemustert und durch den „Tornado“<br />
ersetzt. Wie jetzt zu hören ist,<br />
wird der Standort Holloman im dünn<br />
besiedelten New Mexico (USA) für<br />
die Tornado-Ausbildung der Bundeswehr<br />
aus Kostengründen aufgegeben<br />
und nach Jagel bei Schleswig verlegt.<br />
Das bedeutet mehr Flugbewegungen<br />
für die Region Norddeutschland<br />
und damit wieder mehr Lärm und<br />
Risiken.<br />
zeitgleich stattfindenden Gegenveranstaltung<br />
von Bürgern auf dem<br />
Markplatz sagte er: „Das ist doch<br />
ihr gutes Recht“. Widerspruch ergab<br />
sich im Gespräch mit dem Inhaber<br />
der Sportsbar. Thomas Gaub erklärte,<br />
nicht er sei auf die AfD zugegangen,<br />
sondern die sei auf ihn zugekommen.<br />
Gäste hätten ihn um diese Informationsveranstaltung<br />
gebeten. „Bei mir<br />
ist jeder willkommen. Mein Lokal<br />
steht allen offen – von der FDP bis<br />
zu irakischen Flüchtlingen, die im<br />
vergangenen Jahr hier waren und sehr<br />
nett und freundlich gewesen sind“.<br />
Der aktuelle Kommentar von Arnold Pöhlker<br />
Argumente benötigen einen<br />
langen Atem<br />
Fakt ist: Die AfD ist nicht verboten. Fakt ist ebenso: Schnelle Rezepte,<br />
sich mit dieser Partei mit inhaltlichen Argumenten sachlich auseinanderzusetzen,<br />
gibt es nicht. Dafür braucht es einen längeren Atem, um<br />
zumindest Zweifler und Enttäuschte zur Umkehr zu bewegen. Vielleicht<br />
holen wir in Deutschland nach, was andere Länder seit Jahren erleben,<br />
und was die USA gerade erleiden: eine rechtspopulistische Entwicklung<br />
als Folge einer wirtschaftlichen und sozialen Kluft. Erfreulich: Die<br />
weitaus große Mehrheit der Bevölkerung hierzulande findet sich mit<br />
den rechten Biedermännern und rechtsextremen Brandstiftern nicht<br />
ab. Was hinter einigen in der AfD steckt, ist spätestens durch Björn<br />
Höckes Demaskierung offen zu Tage getreten. Erfreulich: Die weitaus<br />
große Mehrheit der Menschen steht zum Grundgesetz und zu Europa,<br />
trotz mancher Unvollkommenheit. Erfreulich: Bisherige Nichtwähler<br />
gehen just aus dem Grund wieder zur Wahl. Sie lassen sich meist auch<br />
nicht von „Alternativen“ einlullen. Sie wählen bewusst die Parteien,<br />
die für Weltoffenheit und Toleranz eintreten und sich gegen Rassismus<br />
und Antisemitismus wenden. Erfreulich: Auch in Horn-Bad Meinberg<br />
wird weithin so gedacht und gehandelt – nicht erst neuerdings und doch<br />
wieder einmal sichtbar beim Spontantreffen auf dem „Marktplatz der<br />
Toleranz“ – ein starkes Argument für eine weltoffene <strong>Stadt</strong>.