ReiterRevue-05/2017

PRAXIS
Was der Schweif verrät
Stimmungsgeladen
Er kann klemmen, schief sein oder auch wild hin und her schlagen
– keine Schweifhaltung ist Zufall. Was das Pferd damit zum Ausdruck
bringt, übersetzen Experten.
TEXT: SINA EBERHARDT
Wie ein Propeller wirbelt
der Schweif des
Wallachs umher. Immer
wieder zischt er
energisch durch die
Luft. „Mein Pferd verjagt doch nur die
Fliegen. Im Gegensatz zum Mensch
hat er schließlich keine Hand, um sie
zu vertreiben“, ist die Reiterin überzeugt.
Doch angelegte Ohren und verkrampftes
Zähneknirschen lassen anderes
erahnen. Wie Pferde mit ihrem
Schweif kommunizieren, was die
wichtigsten Bewegungen und ihre
Hintergründe sind – ein Überblick.
Wie ein Pendel
Tatsächlich liegt die biologische
Hauptfunktion des Schweifes in der
Abwehr von Fliegen. „Deshalb ist die
Amputation auch tierschutzrelevant“,
mahnt Dr. Enno Allmers, Fachtierarzt
der Tierärztlichen Klinik für Pferde
und Kleintiere in Isernhagen. Rein
anatomisch ist der Schweif die Verlängerung
der Wirbelsäule, wobei sich
die zentral gelegenen Schweifwirbel
zur Schweifspitze hin verjüngen. „Die
Anzahl der Schweifwirbel variiert individuell
zwischen 15 und 21. Sie selber
enthalten aber kein Rückenmark
mehr“, weiß der Fachtierarzt. Für die
Bewegung des Schweifes sorgen die
umgebenden Muskeln.
Bei Auffälligkeiten in der Schweifhaltung
lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
„Ein losgelassenes Pferd
zeigt einen gleichmäßig pendelnden
Schweif als Zeichen dafür, dass die
Bewegung durch die Wirbelsäule hindurchfließt“,
erklärt Dressurausbilderin
Isabelle von Neumann-Cosel.
„Hält sich das Pferd im Rücken fest,
spiegelt sich die Spannung im Schweif
wider und das Pendeln geht verloren.“
Zeig‘ her den Schweif
Trägt das Pferd den Schweif dauerhaft
unnatürlich hoch, kann dies auf
Verspannungen im Rückenbereich
hindeuten, so Barbara Welter-Böller,
Leiterin der Fachschule für Osteopathische
Pferdetherapie in Overath.
Manche Pferderassen wie Araber tragen
den Schweif aber von Natur aus
höher. Bei Aufregung überstrecken
ihn alle Pferde und er kippt zur Seite,
wie bei einem Hund mit Ringelrute.
„Ängstliche oder unsichere Pferde
klemmen den Schweif dagegen ein“,
weiß die Pferdeosteopathin. Aber
auch Schmerz und Unwohlsein können
so geäußert werden. „Alles was
einem weh tut, zieht man zum Körper
hin. Das Pferd möchte den schmerzhaften
Punkt ruhig stellen.“ In diesem
Fall sollte ein Fachmann zu Hilfe
gerufen werden.
Ist der hintere Schweifbereich komplett
schlaff, liegt ein Verlust des Muskeltonus
vor. „Die Ursache können
Traumata im Bereich des Kreuzbeines
sein. Es gibt aber auch Infektionskrankheiten
wie Herpes, bei de-
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FOTO: R. KOSECKI FOTO: PRIVAT
FOTO: S. EBERHARDT
UNSERE
EXPERTEN
Isabelle von
Neumann-
Cosel
Die Dressurausbilderin,
Richterin
und Reitsport-Fachautorin
aus Mannheim
legt bei der Pferdeausbildung
viel Wert auf feine
Hilfengebung des Reiters.
Dr. Enno
Allmers
ist Fachtierarzt
der Tierärztlichen
Klinik für Pferde
und Kleintiere in
Isernhagen. Seine Schwerpunkte
sind Orthopädie und
Chiropraktik.
Barbara
Welter-Böller
Die Pferdeosteopathin,
Dozentin
und Leiterin der
Fachschule für
Osteopathische Pferdetherapie
in Overath weiß, welche
Signale Pferde mit dem
Schweif geben.
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REITER REVUE INTERNATIONAL 5/2017 69