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VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2015

Spiel - Gynäkologie/Schmerz 24000 Unterschriften

Spiel - Gynäkologie/Schmerz 24000 Unterschriften

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Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />

Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />

INHALT<br />

Titelbild: aebi, grafik & illustration, bern<br />

EDITORIAL<br />

5 Homo faber, homo ludens<br />

POLITIK<br />

6 Gesundheitspolitik –<br />

24 198 Unterschriften sagen alles<br />

WEITERBILDUNG /<br />

ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

10 Wandel der Lehr- und Lernkultur<br />

13 Auf den Punkt gebracht:<br />

Vom Kühlschrank zum E-Logbuch<br />

14 Lesen lernen: Eine Frage des Vertrauens<br />

15 Eine Rose für Genf<br />

16 Chaos ordnen und Rücken stärken<br />

FOKUS ▶ SPIEL<br />

22 Spiel und blutiger Ernst<br />

25 Mehr als ein Kinderspiel<br />

27 Das ist ja wie im Film ...<br />

30 Spiel und Therapie zugleich<br />

32 Ohne «Spiel» keine Entwicklung<br />

PERSPEKTIVEN<br />

38 Fachserie – Aktuelles aus der Gynäkologie<br />

– Postmenopausale Hormontherapie:<br />

Entlastung in wechselhaften Zeiten<br />

41 Aus der «Therapeutischen Umschau»:<br />

Der nichtkardiale Thoraxschmerz<br />

44 Das erlesene Objekt:<br />

Berauschender Rauch<br />

<strong>VSAO</strong><br />

18 Sektion Bern<br />

19 <strong>VSAO</strong>-Rechtsberatung<br />

21 <strong>VSAO</strong>-Inside<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

45 Versicherungen verstehen:<br />

die Berufshaftpflicht<br />

47 Briefkasten<br />

48 Marderschäden lassen sich verhindern<br />

49 Besteuerungsregeln im<br />

Vorsorgedschungel<br />

50 Impressum<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

3


EDITORIAL<br />

Foto: Severin Novacki<br />

Catherine Aeschbacher<br />

Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />

Homo faber, homo ludens<br />

24 198 Menschen fordern mit ihrer Unterschrift die Einhaltung<br />

des Arbeitsgesetzes in den Spitälern und damit bessere Arbeitsbedingungen<br />

für Assistenzärztinnen und -ärzte. Die Unterzeichnenden<br />

stammen aus der breiten Bevölkerung und zeigen<br />

sich solidarisch mit den Anliegen unserer Mitglieder. Bleibt<br />

zu hoffen, dass dieser Appell nicht ungehört verhallt, sondern<br />

endlich die überfälligen Verbesserungen bringt. Mehr zu dieser<br />

Aktion und zur Übergabe der Unterschriften ist im Politikteil<br />

nachzulesen. An dieser Stelle sei allen Unterzeichnenden und<br />

jenen, welche die Unterschriften gesammelt haben, herzlich<br />

gedankt.<br />

Selbst wenn es angesichts der Missstände beim Arbeitsgesetz<br />

ironisch anmuten mag: Noch nie hatten so viele Menschen so<br />

viel freie Zeit wie heute. Aufgrund der arbeitsteiligen Gesellschaft<br />

und des Zusammenlebens in grossen Staatsgebilden<br />

haben wir uns vieler Pflichten unserer Urahnen entledigt.<br />

«Modern humans may be the only species that have some form<br />

of leisure time. We spend large amounts of time in the pursuit<br />

of pleasure; pastimes, games and activities that we find fun»,<br />

stellen die britischen Wissenschafter Nathan J. Emery und Nicola<br />

S. Clayton fest. Eine der ältesten Formen des Zeitvertreibs<br />

rücken wir diesmal in den Fokus, das Spiel. Während Erwachsene<br />

– von Spielsüchtigen abgesehen – meist aus purer Freude<br />

spielen, dient das kindliche Spielen vielen unterschiedlichen<br />

Zwecken. Wie vielschichtig Kinderspiele sind, zeigt die Psychologin<br />

Carine Burkhardt Bossi anhand zweier Spielformen auf.<br />

Dass die Spieltheorie nur bedingt mit Spiel zu tun hat, aber<br />

unsern Alltag ziemlich mitbestimmt und sogar physische Prozesse<br />

erklären kann, belegt ein Beitrag des Soziologen Andreas<br />

Diekmann. Während traditionelle Spiele etwas in den Hintergrund<br />

rücken, boomen Games unvermindert. Waren frühere<br />

Games zuweilen von Spielfilmen inspiriert, hält heute umgekehrt<br />

Pac-Man auf der Breitleinwand Einzug. Selbst wenn das<br />

gelbe Was-auch-Immer 35 Jahre auf sein Hollywood-Debüt<br />

warten musste, ist die Konvergenz der Medien nicht zu übersehen.<br />

Der Frage, wer hier wen wie beeinflusst, geht der Journalist<br />

und Cyberculturist Marc Bodmer nach. Zeitlich sehr viel<br />

weiter zurück begibt sich die Archäologin Beate Maria Pomberger<br />

bei ihrer Suche nach urzeitlichen Spielsachen und andern<br />

Zeugen von Freizeitaktivitäten. Schliesslich berichtet der<br />

Theaterschaffende Fidelio Lippuner von einem ungewöhnlichen<br />

Theaterprojekt.<br />

Wenig mit Spiel und Vergnügen haben Versicherungen zu tun.<br />

Wer liest schon gerne seitenlange Vertragsbestimmungen? Im<br />

MEDISERVICE-Teil beginnen wir mit einer Serie; unter dem<br />

Titel «Versicherungen verstehen» werden die wichtigsten Versicherungen<br />

kurz und verständlich erklärt.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

5


POLITIK<br />

Gute Laune bei der nächtlichen Mahnwache<br />

GESUNDHEITSPOLITIK<br />

24 198 Unterschriften sagen alles<br />

Die Einhaltung des Arbeitsgesetzes ist nicht nur ein Anliegen der Assistenzärztinnen und<br />

-ärzte. Mehr als 24 000 Unterschriften konnten Anfang September an das Staatssekretariat für<br />

Wirtschaft (Seco) übergeben werden. Die Unterschreibenden waren meist Männer und<br />

Frauen aus der Bevölkerung. Nach zehn langen Jahren einer harzigen Umsetzung und vielen<br />

Beteuerungen müssen nun endlich Taten folgen.<br />

Nico van der Heiden, stv. Geschäftsführer/Leiter Politik und Kommunikation <strong>VSAO</strong>, Lisa Loretan, Projektassistentin Politik<br />

und Kommunikation <strong>VSAO</strong>. Bilder: Riechsteiner Fotografie.<br />

Die Ausgangslage ist denkbar einfach: Seit<br />

2005 gilt das eidgenössische Arbeitsgesetz<br />

für alle Assistenzärzte (und auch für fast<br />

alle Oberärzte). Bei einem nationalen Gesetz<br />

würde man vermuten, dass es in der<br />

ganzen Schweiz eingehalten werde. Leider<br />

weit gefehlt! Die Mitgliederbefragung des<br />

<strong>VSAO</strong> hat aufgezeigt, dass das Arbeitsgesetz<br />

in den Schweizer Spitälern vielfach<br />

missachtet wird. Deshalb engagiert sich<br />

der <strong>VSAO</strong> seit mehreren Jahren noch stärker<br />

für die Einhaltung des Arbeitsgesetzes,<br />

beispielsweise im Jahre 2013 mit einer<br />

breit angelegten Informationskampagne<br />

in der Öffentlichkeit.<br />

Protestkarten<br />

Was kann man tun, wenn Gesetze nicht<br />

eingehalten werden? Leider ist es so, dass<br />

ohne Kontrollen die Wahrscheinlichkeit<br />

sinkt, dass man sich an die Regeln hält<br />

(man denke nur an die Geschwindigkeitslimite<br />

auf der Autobahn). Deshalb verlangt<br />

der <strong>VSAO</strong> seit Jahren, dass die kantonalen<br />

Arbeitsinspektorate die Spitäler<br />

flächendeckend und regelmässig kontrollieren.<br />

Der <strong>VSAO</strong> lancierte denn auch Ende April<br />

die Folgekampagne zu «spital.illegal.legal!».<br />

Anlass bot ein unrühmliches Jubiläum:<br />

Zehn Jahre Arbeitsgesetz für alle<br />

Assistenzärztinnen und -ärzte – zehn<br />

6 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


POLITIK<br />

Aufkleber auf den Spitzbuben, welche an die<br />

Seco-Mitarbeitenden verteilt wurden<br />

Jahre Gesetzesverstösse auf breiter Ebene.<br />

Aus diesem Grund hat der <strong>VSAO</strong> eine Protestkartenaktion<br />

lanciert, mit der die Bevölkerung<br />

zum Ausdruck bringen konnte,<br />

dass sie ebenfalls die Einhaltung des Arbeitsgesetzes<br />

in den Spitälern verlangt. Als<br />

(potenzielle) Patienten haben alle ein<br />

Interesse an Spitalmitarbeitenden, die<br />

nicht übermüdet und ausgebrannt sind.<br />

Zu unserer grossen Freude war die Aktion<br />

ein voller Erfolg: Mehr als 24000 Personen<br />

haben die Protestpostkarte unterschrieben<br />

und fordern somit Bundesrat Johann<br />

Schneider-Ammann zum Handeln auf. Er<br />

ist als Vorsteher des Seco oberster Verantwortlicher<br />

in der Schweiz für die Einhaltung<br />

des Arbeitsgesetzes. Eine eindrückliche<br />

Zahl an Unterschriften, welche in<br />

etwas mehr als drei Monaten gesammelt<br />

werden konnten. Damit wird deutlich,<br />

dass unsere Forderungen auch seitens der<br />

Bevölkerung breit unterstützt werden.<br />

Nächtliche Mahnwache<br />

Natürlich liess es sich der <strong>VSAO</strong> nicht nehmen,<br />

die stolze Zahl von Unterschriften<br />

mit einer symbolträchtigen Aktion zu<br />

verbinden. So starteten Mitarbeitende des<br />

Zentralsekretariats und engagierte Ärzte<br />

am 1. September nachmittags eine Mahnwache<br />

in der Nähe des Seco. Wir wollten<br />

die Seco-Mitarbeitenden am nächsten<br />

Morgen nach einer «erlebten» Nachtschicht<br />

ordentlich müde begrüssen. Während<br />

der Nachtschicht trafen wir unter<br />

anderem morgens um 3 Uhr auf ein<br />

<strong>VSAO</strong>-Mitglied, das gerade von einem<br />

Notfall-Kaiserschnitt im Spital auf dem<br />

Nachhauseweg war, bei uns noch einen<br />

Kaffee trank und von seinen Überstunden<br />

erzählte.<br />

Tatkräftige<br />

Übergabeaktion<br />

Total unausgeschlafen starteten wir dann<br />

morgens gegen 6.30 Uhr mit dem Verteilen<br />

von Spitzbuben an die Mitarbeitenden<br />

des Seco. Die Spitzbuben waren mit der<br />

klaren Botschaft unserer Kampagne «spital.<br />

illegal. seit 10 Jahren!» versehen und<br />

es entstanden spontan einige spannende<br />

Diskussionen.<br />

Die einzelnen Unterschriften wurden,<br />

verpackt in Kartons, am frühen Morgen<br />

in Form einer «ungeniessbaren» Torte<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

7


POLITIK<br />

geknüpften Kontakt werden wir in Zukunft<br />

bestimmt nutzen können. In der<br />

Feststellung ist es sicherlich richtig: Gefordert<br />

sind die kantonalen Arbeitsinspektorate,<br />

die den Spitälern sehr unterschiedlich<br />

ihre Aufmerksamkeit widmen …<br />

Formelle Übergabe der Unterschriften (v. l. n. r.: Valentin Lagger, Leiter Eidgenössische<br />

Arbeitsinspektion; Daniel Schröpfer, Präsident <strong>VSAO</strong>; Pascal Richoz, Leiter Arbeitsbedingungen<br />

Seco; Rosmarie Glauser, Geschäftsführerin <strong>VSAO</strong> Bern; Nationalrätin Marianne Streiff-<br />

Feller; Nico van der Heiden, Leiter Politik und Kommunikation <strong>VSAO</strong><br />

Eine medienwirksame<br />

Aktion<br />

Dass die Übergabeaktion eine hohe Medienwirksamkeit<br />

erzielen wird, stellten wir<br />

bereits im Laufe des Nachmittags fest, als<br />

der Westschweizer Radiosender TSR auf die<br />

Schnelle noch einen Assistenzarzt für die<br />

abendliche Livesendung suchte (und in der<br />

Person von Anja Zyska dann glücklicherweise<br />

auch fand). Verschiedene Newsplattformen,<br />

darunter auch «blick.ch», stellten<br />

unsere Medienmitteilung sofort online. Am<br />

Abend wurde dann noch eine 11-minütige<br />

Reportage in der Sendung «Rundschau»<br />

des Deutschschweizer Fernsehens ausgestrahlt,<br />

welche sich dem Thema «Assistenzärzte<br />

am Limit: Kampf gegen illegale<br />

Überstunden» widmete (und die online<br />

angeschaut werden kann). Eine Sendung,<br />

an welcher der <strong>VSAO</strong> in der Vorbereitung<br />

nicht ganz unbeteiligt war und die anhand<br />

einzelner krasser und eindrücklicher Beispiele<br />

zeigt, dass wir nicht einfach nur<br />

Behauptungen aufstellen, sondern dass die<br />

Verstösse gegen das Arbeitsgesetz ganz real<br />

(und mit realen Folgen) sind.<br />

Die Unterschriften werden ins Seco transportiert.<br />

zum unrühmlichen 10-Jahres-Jubiläum<br />

vor dem Seco aufgebaut. Für die anschliessende<br />

Übergabe gesellte sich auch die<br />

Berner Nationalrätin Marianne Streiff-<br />

Feller dazu, welche den <strong>VSAO</strong> schon seit<br />

mehreren Jahren in seinem Engagement<br />

für die Einhaltung des Arbeitsgesetzes in<br />

den Schweizer Spitälern unterstützt. Entgegennehmen<br />

mussten die ungeniessbare<br />

Torte der Leiter Arbeitsbedingungen des<br />

Seco sowie der Leiter der Eidgenössischen<br />

Arbeitsinspektion, welche uns im Anschluss<br />

zu einem konstruktiven Gespräch<br />

empfingen. Inhalt des Gesprächs waren<br />

die beschränkten Möglichkeiten des Bundes,<br />

auf die kantonalen Arbeitsinspektorate<br />

einzuwirken. Auch wenn diese ausweichende<br />

respektive abschiebende Antwort<br />

uns nicht befriedigt, so war es doch<br />

gut, das Gespräch mit den Verantwortlichen<br />

im Seco führen zu können. Den nun<br />

Fazit<br />

Der <strong>VSAO</strong> bleibt an allen Fronten dran:<br />

national, kantonal, politisch und praktisch.<br />

Nur so erreichen wir, dass das Arbeitsgesetz<br />

endlich bei allen Assistenzund<br />

Oberärztinnen und -ärzten eingehalten<br />

wird. Dies nicht nur zum Schutz der<br />

Gesundheit der Ärzte und Ärztinnen,<br />

sondern auch für die Gesundheit der Patienten.<br />

■<br />

Zulassungs steuerung auf gutem Kurs<br />

Der Nationalrat hat am 7. September erfreulicherweise mit deutlicher Mehrheit beschlossen,<br />

die bisherige Zulassungssteuerung weiterzuführen. Dies entsprach auch<br />

dem Antrag von FMH und <strong>VSAO</strong>. Das komplizierte Projekt kantonaler Zulassungssteuerungen<br />

des Bundesrates versenkte der Nationalrat diskussionslos. Ebenfalls<br />

chancenlos war ein Antrag von SVP und FDP, anstelle der Zulassungssteuerung den<br />

Vertragszwang aufzuheben. Nun ist noch der Ständerat gefragt, den Kompromiss zu<br />

bestätigen, bevor unsere Mitglieder endgültige Sicherheit haben über das Zulassungsregime,<br />

das ab Juli 2016 gelten soll.<br />

8 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Wandel der Lehr- und Lernkultur<br />

Arbeitsplatzbasierte Assessments sind ein Mittel, dank gezielter Beobachtungen einzelner<br />

Tätigkeiten ein Feedback zu geben. Weiterbildner und Weiterzubildende erhalten dadurch<br />

Angaben zum jeweiligen Stand von Wissen und Fertigkeiten. Um dieses Instrument erfolgreich<br />

einzusetzen, müssen jedoch gewisse Vorgaben beachtet werden.<br />

Reto A. Thomasin, Leitender Arzt, Weiterbildungsverantwortlicher; Hannes Rich, Assistenzarzt; Michael T. Ganter, Chefarzt,<br />

Weiterbildungsstättenleiter Institut für Anästhesiologie und Schmerztherapie Kantonsspital Winterthur<br />

Arbeitsplatzbasierte Assessments (AbA)<br />

sind strukturierte Feedbackinstrumente 1 ,<br />

die im angelsächsischen Raum schon lange<br />

im Einsatz stehen. Sie helfen, die Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte bei ihren klinischen<br />

Tätigkeiten gezielter zu beobachten<br />

und ihnen eine strukturierte Rückmeldung<br />

zu geben. AbA sind nicht als eigentliche<br />

Prüfungen gedacht, können aber<br />

eine wichtige Diskussionsgrundlage bei<br />

den wiederkehrenden Qualifikations- bzw.<br />

Evaluationsgesprächen darstellen. Ausserdem<br />

wird durch die AbA der Weiterbildungsstand<br />

der einzelnen Assistenten von<br />

mehreren verschiedenen Weiterbildnern<br />

dokumentiert und es wird ermöglicht,<br />

neue Weiterbildungsziele zu definieren.<br />

Es kommen unterschiedliche AbA-Instrumente,<br />

wie die «Mini Clinical Evaluation<br />

Exercise (Mini-CEx)» oder die «Direct<br />

Observation of Procedural Skills (DOPS)»<br />

bzw. die «Direct Observation of Clinical<br />

Encounter (DOCE)» zum Einsatz. Die<br />

Mini-CEx dienen eher der Beurteilung der<br />

Kommunikation mit dem Patienten, während<br />

die DOPS bzw. DOCE zur Beurteilung<br />

von Fertigkeiten dienen. Das Schweizerische<br />

Institut für ärztliche Weiter- und<br />

Fortbildung SIWF sieht vor, dass vier AbA<br />

pro Kalenderjahr durchgeführt werden. 2<br />

Wie eine nicht repräsentative Umfrage<br />

unter den an unserem Institut neu eingetretenen<br />

Assistenzärzten ergab, wird diese<br />

Vorgabe noch nicht flächendeckend umgesetzt.<br />

Einige Fachgesellschaften wie<br />

auch einige Weiterbildungsstätten sind<br />

dabei weiter fortgeschritten als andere<br />

und führen die AbA bereits seit längerem<br />

erfolgreich durch. Andere beginnen sich<br />

erst mit dem Thema auseinanderzusetzen.<br />

Dieser Artikel soll über unsere Erfahrungen<br />

bei der Einführung an unserer<br />

Weiterbildungsstätte berichten. Dabei<br />

möchten wir auf mögliche Schwierigkeiten<br />

bei der Durchführung, aber auch auf<br />

die unschätzbaren Vorteile beim Einsatz<br />

dieser Evaluationswerkzeuge hinweisen.<br />

Durchführung eines AbA<br />

Für die Durchführung eines AbA wendet<br />

sich der Assistenzarzt an einen Kaderarzt<br />

und schlägt eine zu beurteilende Tätigkeit<br />

3 vor. Alternativ kann die Beurteilung<br />

auch durch den Kaderarzt angeregt werden.<br />

Die Handlung soll wie gewohnt<br />

durchgeführt werden. Es wird empfohlen,<br />

dass sich der Beobachtende Notizen<br />

macht, um für das Feedback konkrete<br />

Beispiele zur Hand zu haben. Nach Abschluss<br />

soll eine möglichst zeitnahe Besprechung<br />

an einem ungestörten Ort erfolgen.<br />

Dies kann im klinischen Regelbetrieb<br />

mit dem entsprechenden Zeitdruck<br />

Schwierigkeiten bereiten. Eine Lösungsmöglichkeit<br />

besteht darin, die Besprechung<br />

erst nach Abschluss des Arbeitstages<br />

durchzuführen. Umso wichtiger ist,<br />

sich bei diesem Vorgehen relevante Punkte<br />

zu notieren.<br />

Der erste Schritt besteht in einer Selbstbeurteilung<br />

durch den Assistenzarzt. Anschliessend<br />

erfolgt das strukturierte Feedback<br />

durch den beurteilenden Kaderarzt,<br />

entsprechend den gängigen Feedbackregeln.<br />

Dabei kann bereits auf Diskrepanzen<br />

zwischen der Selbst- und der Fremdwahrnehmung<br />

eingegangen werden.<br />

Beide Beurteilungen werden auf dem<br />

Formular zusammengefasst festgehalten.<br />

Im letzten Schritt werden gemeinsam die<br />

nächsten Weiterbildungsziele festgelegt.<br />

Wichtig ist, dass die Ziele realistisch zu<br />

erreichen sind und möglichst konkret formuliert<br />

werden. Ausserdem soll eine Frist<br />

bis zur Zielerreichung bzw. bis zur nächsten<br />

Beurteilung vereinbart werden. Das ist<br />

speziell bei Assistenzärzten mit flacher<br />

Lernkurve («underperforming trainees»)<br />

für beide Seiten wichtig. So können diese<br />

verbindlicher begleitet und betreut werden.<br />

Obwohl die Beurteilung durch einen Vorgesetzten<br />

erfolgt, soll grundsätzlich im<br />

Dialog auf Probleme und deren mögliche<br />

Ursachen sowie entsprechende Lösungsansätze<br />

eingegangen werden. Wichtig erscheint<br />

uns, dass nicht nur auf Defizite<br />

fokussiert wird. Besonders gutes Verhalten<br />

soll ebenfalls gewürdigt und damit gefestigt<br />

werden.<br />

AbA an unserem Institut<br />

Wir verwenden an unserer Weiterbildungsstätte<br />

das DOCE auf Basis der Vorlage<br />

unserer Fachgesellschaft für Anästhesiologie<br />

und Reanimation SGAR 4 .<br />

Zwischenzeitlich haben wir das allgemein<br />

gehaltene Formular für einzelne klinische<br />

Tätigkeiten bzw. Fertigkeiten angepasst.<br />

Parallel zu der Einführung der AbA fand<br />

an unserem Institut ein Kurs zu den Themen<br />

«Clinical Teaching» und Erteilung<br />

von strukturiertem Feedback 5 statt. Des<br />

Weiteren besuchen jedes Jahr zwei unserer<br />

Kaderärzte einen der vom SIWF empfohlenen<br />

Workshops des «Royal College of<br />

Physicians» 6 zu den vorgenannten Themen.<br />

Bei der Einführung ergaben sich Fragen<br />

zu den Rahmenbedingungen: Wer soll das<br />

DOCE initiieren? Muss das DOCE angekündigt<br />

werden? In der Anfangsphase<br />

musste regelmässig an die Durchführung<br />

erinnert werden, was zu einer unregelmässigen<br />

zeitlichen Verteilung der DOCE führte.<br />

Inzwischen hat sich jedoch eine gewisse<br />

Regelmässigkeit etabliert. Da alle<br />

Kaderärzte unseres Instituts an der Weiterbildung<br />

der Assistenzärzte beteiligt<br />

sind, führen auch alle Kaderärzte AbA<br />

durch.<br />

An unserem Institut werden die DOCE in<br />

der Regel spontan und unvorbereitet im<br />

normalen Klinikbetrieb durchgeführt. Sie<br />

sind nicht als Prüfung zu verstehen und<br />

werden auch nicht als solche wahrgenommen.<br />

Vielmehr ist ihr Ziel eine realistische<br />

Bestandsaufnahme der klinischen Performance<br />

des Assistenzarztes. Die Durchführung<br />

soll grundsätzlich von den Assistenzärzten<br />

initiiert werden. Diese sind angehal-<br />

10 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

ten, pro halbjährliche Beurteilungsperiode<br />

mindestens zwei DOCE durchzuführen.<br />

Die Resultate der AbA fliessen in die<br />

halbjährlichen Evaluationsgespräche ein.<br />

Um die Fortschritte in der Weiterbildung<br />

und die korrekte Anwendung einzelner<br />

anästhesiologischer Techniken und Fertigkeiten<br />

überprüfen zu können, kommen<br />

neben den DOCE noch weitere Evaluationsinstrumente<br />

zum Einsatz: Die Assistenzärzte<br />

führen ein Testatheft, in dem sie<br />

Art und Anzahl der durchgeführten Massnahmen<br />

dokumentieren. Sind Assistenzarzt<br />

oder weiterbildender Kaderarzt der<br />

Meinung, dass der Assistenzarzt ein ausreichendes<br />

Mass an Sicherheit und Selbständigkeit<br />

in der entsprechenden Tätigkeit<br />

aufweist, wird eine sogenannte Freigabeprüfung<br />

durchgeführt. Dabei werden<br />

neben der eigentlichen manuellen Tätigkeit<br />

auch Hintergrundwissen zu Anatomie,<br />

Physiologie und Pharmakologie<br />

sowie Patientenführung und Teaminteraktion<br />

beurteilt. Neben dem Nachweis<br />

einer festgelegten Mindestzahl von Durchführungen<br />

einer Technik ist das Bestehen<br />

dieser Prüfung Voraussetzung für die<br />

selbständige Tätigkeit ohne unmittelbare<br />

Supervision durch einen Kaderarzt (z.B.<br />

in einer Aussenklinik).<br />

AbA bieten die Möglichkeit einer regelmässigen,<br />

formalisierten und strukturierten<br />

Rückmeldung zu beobachteten Tätigkeiten<br />

des Assistenzarztes. Dabei werden<br />

konkrete, weiterführende Lernziele erarbeitet<br />

und festgelegt, was die Weiterbildung<br />

für beide Seiten verbindlicher gestaltet.<br />

Der Vorteil für den Assistenzarzt besteht<br />

darin, dass sich der Weiterbildner für<br />

eine persönliche Beurteilung und eine<br />

ausführliche Rückmeldung Zeit nimmt.<br />

Ein entscheidender Punkt betrifft die<br />

Möglichkeit der Selbstbeurteilung durch<br />

den Assistenzarzt und die Diskussion von<br />

Unterschieden zur Wahrnehmung seitens<br />

des Beobachters. Ziel ist eine zunehmende<br />

Angleichung der Selbst- und der Fremdwahrnehmung<br />

(realistische Selbstbeurteilung<br />

in unterschiedlichen Situationen).<br />

Auch erfahrene Assistenzärzte profitieren<br />

bei der Beurteilung ihnen geläufiger<br />

Techniken, da sich hilfreiche Inputs und<br />

Tipps zur Optimierung ergeben können.<br />

Ausserdem kann ein Austausch über unterschiedliche<br />

Vorgehensweisen stattfinden.<br />

Des Weiteren sollen auch fortgeschrittene<br />

Assistenzärzte ihre Handlungen<br />

regelmässig kritisch reflektieren.<br />

Die AbA stellen wie oben genannt eine<br />

Standortbestimmung und keine Evaluation<br />

im Sinne einer Prüfung dar. Aus<br />

diesem Grund können und sollen sie unangemeldet<br />

und unvorbereitet im normalen<br />

Klinikbetrieb durchgeführt werden.<br />

Das bedeutet auch, dass sie im Prinzip<br />

durch jeden Weiterbildner durchgeführt<br />

werden können und keiner zusätzlichen<br />

Vorbereitung bedürfen. Sie bieten dem<br />

Assistenzarzt so auch eine gute Möglichkeit<br />

zu einer realistischen Beurteilung der<br />

eigenen Stärken und Schwächen sowie<br />

zum Erkennen von Verbesserungsmöglichkeiten.<br />

Die Beurteilungen müssen und sollen sich<br />

nicht nur auf die zu beurteilende Fertigkeit<br />

beschränken, sondern können auch<br />

genutzt werden, um theoretische Grundlagen<br />

und Zusammenhänge zu erfragen.<br />

Ebenso bietet sich die Gelegenheit, die<br />

Interaktion mit dem Patienten zu evaluieren.<br />

Die Beurteilung durch verschiedene<br />

Weiterbildner generiert ein breit abgestütztes<br />

Bild der Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

des Assistenzarztes. Voraussetzung<br />

ist, dass ein gewisser Konsens besteht, wie<br />

eine definierte klinische Tätigkeit korrekt<br />

durchgeführt werden soll.<br />

Die AbA können zu einer verbesserten Zusammenarbeit<br />

zwischen Kaderarzt und<br />

Assistenzarzt führen, indem Teachingsituationen<br />

bewusster wahrgenommen<br />

und besser genutzt werden.<br />

Für den Weiterbildungsstättenleiter ergibt<br />

die Summe der Beobachtungen ein Gesamtbild<br />

mit verschiedenen Facetten,<br />

welche den Vorteil haben, dass die Beurteilungen<br />

durch unterschiedliche Weiterbildner<br />

erfolgen. Ausserdem wird der<br />

Weiterbildungsstand für beide Seiten verbindlich<br />

notiert: Der Assistenzarzt erfährt<br />

schwarz auf weiss, wo er steht.<br />

Möglichkeiten und<br />

Stärken<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

11


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Risiken und Schwächen<br />

Ein mögliches Risiko besteht in der fehlenden<br />

Akzeptanz durch die Beteiligten.<br />

Das Formular könnte lediglich als weiteres<br />

Element einer zunehmenden Bürokratisierung<br />

und Formalisierung unseres Berufs<br />

wahrgenommen und mit möglichst<br />

geringem Aufwand abgearbeitet werden.<br />

Dann würde keine echte Auseinandersetzung<br />

mit den Lernzielen und den Fortschritten<br />

des Assistenzarztes stattfinden.<br />

Dies scheint aus Sicht der Assistenzärzte<br />

an unserem Institut jedoch eine geringe<br />

Gefahr darzustellen, da sich der administrative<br />

Aufwand in engen Grenzen hält.<br />

Je nach Ausgestaltung des Formulars werden<br />

die technischen Fertigkeiten überbewertet,<br />

da diese in der Regel mit geringerem<br />

Zeitaufwand einfacher beobachtet<br />

und beurteilt werden können. Gerade bei<br />

komplexen Situationen oder Tätigkeiten<br />

ist aber der Lerneffekt häufig grösser.<br />

Ein AbA stellt eine Momentaufnahme dar,<br />

bei der die Performance durch verschiedene<br />

Faktoren beeinflusst sein kann.<br />

Möglicherweise kann das dazu führen,<br />

dass nicht die maximale Leistung widerspiegelt<br />

wird.<br />

Da die Themen zufällig ausgewählt werden,<br />

besteht kein eigentliches Curriculum<br />

mit klar definierten Zielen, welche in der<br />

Folge überprüft werden. Eine klare Lernkurve<br />

ist somit nicht direkt ersichtlich.<br />

Die beurteilten Fähigkeiten können durch<br />

den Assistenzarzt teilweise selektiv beeinflusst<br />

werden, indem er sich durch einen<br />

ihm genehmen Kaderarzt beurteilen lässt.<br />

Dies kann dadurch umgangen werden,<br />

dass die AbA auch von Seiten der Kaderärzte<br />

initiiert werden.<br />

AbA durch verschiedene Weiterbildner<br />

können beim gleichen Assistenzarzt unterschiedlich<br />

ausfallen, falls nicht klar<br />

festgelegt ist, nach welchen Kriterien beurteilt<br />

wird bzw. was stufenentsprechend<br />

vom Assistenzarzt erwartet werden kann.<br />

Fehlende Erfahrungen im Erteilen von<br />

strukturierten Feedbacks durch die Weiterbildner<br />

können ebenfalls eine Schwierigkeit<br />

darstellen. Dieses Problem stellt<br />

sich nicht nur bei den arbeitsplatzbasierten<br />

Assessments, dürfte aber bei Anwendung<br />

derselben eher zutage treten. Abhilfe<br />

geschaffen wird diesem Umstand dadurch,<br />

dass sich zunehmend mehr in der<br />

Weiterbildung tätige Kaderärzte in klinischem<br />

Teaching weiterbilden.<br />

Der Zwang zur Einhaltung des zeitlichen<br />

Rahmens (z.B. eines Operationsprogramms)<br />

kann die Durchführung eines<br />

AbA erschweren, indem beispielsweise die<br />

Wiederholung einer misslungenen Intervention<br />

zu nicht mehr tolerierbaren Verspätungen<br />

führen würde und deshalb<br />

vom beobachtenden Kaderarzt übernommen<br />

werden muss. Auch die unmittelbar<br />

anschliessende Rückmeldung ist im laufenden<br />

Betrieb nicht immer möglich.<br />

Speziell bei fortgeschrittenen Assistenzärzten<br />

bietet sich die Möglichkeit, die Bewertungsperiode<br />

auf einen grösseren<br />

Zeitraum auszudehnen (z.B. mehrere<br />

Interventionen am gleichen Tag oder Abfolge<br />

von mehreren Nachtdiensten). Bewertet<br />

wird dann neben den technischen<br />

Fertigkeiten die Gesamtleistung mit Patienteninteraktion,<br />

Arbeitsorganisation<br />

und Teamarbeit. Insbesondere für die<br />

«Non Technical Skills» wäre dieses Vorgehen<br />

besser geeignet als z.B. die Begleitung<br />

eines einzelnen Aufklärungsgesprächs.<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden,<br />

dass die Vorteile der AbA unbestritten sind,<br />

was auch die hohe Akzeptanz sowohl bei<br />

den Weiterbildnern als auch bei den Weiterzubildenden<br />

erklärt. Die AbA helfen<br />

eine Lernkultur zu etablieren, bei der die<br />

klinische Tätigkeit der Weiterzubildenden<br />

nicht nur beobachtet wird, sondern bei der<br />

auch eine gezielte Rückmeldung erfolgt.<br />

Gleichzeitig wird durch die geforderte<br />

Selbstbeurteilung die Wahrnehmung des<br />

Assistenzarztes in die Beurteilung einbezogen<br />

und es werden nächste Weiterbildungsziele<br />

definiert. Es ist wichtig, mithilfe<br />

der AbA die Beobachtungen (Selbst- und<br />

Fremdbeurteilung), das Potential des<br />

Weiterzubildenden sowie die zukünftigen<br />

Lernziele strukturiert und schriftlich festzuhalten.<br />

So behält das Instrument den<br />

Stellenwert und die nötige Akzeptanz.<br />

Obwohl die strukturierte Durchführung<br />

und die schriftliche Dokumentation der<br />

AbA aus heutiger Perspektive einen wichtigen<br />

Beitrag für die Mitarbeiterbeurteilung<br />

durch den Weiterbildungsstättenleiter<br />

darstellt, wäre es langfristig wünschenswert,<br />

dass die Bedeutung der AbA<br />

als formales Beurteilungsinstrument in<br />

den Hintergrund treten könnte. Vielmehr<br />

sollte es das Ziel sein, durch die Implementierung<br />

dieses regelmässigen konstruktiven<br />

Austausches zwischen Kaderund<br />

Assistenzärzten zu einem Wandel der<br />

Lehr- und Lernkultur an Schweizer Spitälern<br />

beizutragen.<br />

■<br />

1 http://www.jrcptb.org.uk/assessment/workplace-based-assessment<br />

2 http://www.fmh.ch/bildung-siwf/weiterbildung/fuer-facharztanwaerter/arbeitsplatzbasiertes_assement.html<br />

3 In unserem Fachgebiet z.B. Durchführung<br />

einer Spinalanästhesie, Einleitung einer Allgemeinanästhesie,<br />

Einlage eines zentralvenösen<br />

Katheters, aber auch Führen eines<br />

Aufklärungsgespräches oder Halten einer<br />

internen Fortbildung<br />

4 http://www.sgar-ssar.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/Weiterbildung/DOCE_<br />

V2.4.2014.pdf<br />

5 http://sfdc.stanford.edu/clinical_teaching.<br />

html<br />

6 http://www.fmh.ch/files/pdf16/Workshop-<br />

Broschuere_Apr-Sep_<strong>2015</strong>.pdf (Beispiel)<br />

12 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Auf den PUNKT gebracht<br />

Vom Kühlschrank zum E-Logbuch<br />

Die Frau eines Cousins hat kürzlich auf<br />

Sulawesi (Indonesien) ihre ärztliche Weiterbildung<br />

begonnen. Um an eine Assistenzarztstelle<br />

in der Dermatologie zu gelangen,<br />

hat sie das heimatliche Surabaya<br />

verlassen und arbeitet nun 800 Kilometer<br />

von zu Hause entfernt in XY. Auch in Indonesien<br />

erfreuen sich Stellen in der Dermatologie<br />

offenbar grösster Beliebtheit.<br />

Soweit die Gemeinsamkeiten zwischen<br />

Indonesien und der Schweiz. Die Arbeitsbedingungen<br />

könnten jedoch unterschiedlicher<br />

nicht sein. Für ihre Arbeit<br />

bezieht sie keinen Lohn. Ganz im Gegenteil:<br />

Für die Möglichkeit, in der Klinik<br />

arbeiten zu dürfen, bezahlt sie einen stattlichen<br />

Betrag. Ihre Kernaufgaben bestehen<br />

darin, dafür zu sorgen, dass der Kühlschrank<br />

stets mit genügend Lebensmitteln<br />

gefüllt ist, die Mobilfunkabonnements der<br />

älteren Ärztinnen und Ärzte bezahlt sind<br />

und die kleinen Besorgungen (von Kopien<br />

bis Geschenke für Verwandte) erledigt<br />

werden. Die Präsenzzeit ist hoch und Ferien<br />

sind nicht vorgesehen.<br />

Wer für solch abstruse Bedingungen im<br />

ersten Assistenzjahr nun eine gute klinische<br />

Tätigkeit, viel Patientenkontakt oder<br />

gar eine gutes Teaching erwartet, wird<br />

leider enttäuscht. Von einem E-Logbuch<br />

oder arbeitsplatzbasierten Assessments hat<br />

die junge Assistenzärztin auch noch nie<br />

etwas gehört.<br />

Gute Weiterbildung ist eine Investition in<br />

die Zukunft und erzielt keinen direkten<br />

Profit. Die Erfahrungen aus Indonesien<br />

zeigen, dass selbst dermassen unattraktive<br />

Assistenzarztstellen enorm begehrt<br />

sind. Nicht zuletzt die langfristig ökonomischen<br />

Aussichten – guter Lohn für die<br />

Ärzte, aber dadurch auch hohe Preise für<br />

die Patienten – übersteigen die Investitionskosten<br />

des einzelnen Arztes. Am Ende<br />

sind es also die Patienten, die für die sehr<br />

fragwürdigen Aufwände dieser «Weiterbildungsstelle»<br />

aufkommen werden – umso<br />

pikanter, dass die von Patienten hauptsächlich<br />

bezahlte Fachkompetenz während<br />

der ersten Jahre nicht geschult wird.<br />

Dieses sehr krasse Beispiel verdeutlicht vor<br />

allem, dass die Weiterbildung häufig anderen<br />

Interessen geopfert werden muss.<br />

Selbst wenn in der Schweiz derartige Zustände<br />

nicht (mehr) zum Alltag gehören,<br />

sind auch wir noch nicht so weit, dass eine<br />

gute ärztliche Weiterbildung selbstverständlich<br />

ist.<br />

Allzu oft steht auch bei uns die Weiterbildung<br />

in Konkurrenz zu anderen Interessen<br />

– wenn der leere Kühlschrank auch<br />

nicht den grössten Druck ausübt – so sind<br />

doch häufig die kurzfristig ökonomischen<br />

Zwänge grösser als die Einsicht, dass langfristig<br />

in eine gute Weiterbildung investiert<br />

werden müsste. Die hoffentlich bald flächendeckende<br />

Einführung von kantonalen<br />

Weiterbildungsbeiträgen vermag die<br />

Situation wohl zum Teil zu entschärfen.<br />

Die ärztliche Weiterbildung in der Schweiz<br />

darf im internationalen Vergleich als sehr<br />

gut bezeichnet werden. Dies befreit uns<br />

aber explizit nicht davon, die Qualität in<br />

der Weiterbildung zu sichern und auszubauen.<br />

Die Weiterbildung benötigt an den<br />

Spitälern genügend Raum. Dabei sind<br />

nicht nur die Weiterbildner in Pflicht, sondern<br />

auch die Weiterzubildenden haben<br />

ihren Anteil zu leisten, um die Weiterbildung<br />

auf hohem Niveau halten zu können.<br />

■<br />

Ryan Tandjung,<br />

Vizepräsident <strong>VSAO</strong>,<br />

Leiter Ressort Weiterbildung<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

13


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

A B C D E F ...<br />

a b c d e f ...<br />

LESEN LERNEN<br />

Eine Frage des Vertrauens<br />

Lukas Staub, Redaktionsmitglied <strong>VSAO</strong>-Journal<br />

Das Hauptresultat von klinischen Studien<br />

ist üblicherweise die Punktschätzung<br />

des Effektes, z.B. der Therapieeffekt in<br />

einer klinischen Studie. Es ist die auf den<br />

Studiendaten beruhende bestmögliche<br />

Schätzung für die wahre Grösse des Effektes.<br />

Da es sich aber eben nur um eine<br />

Schätzung handelt, ist es unwahrscheinlich,<br />

dass die Punktschätzung exakt den<br />

wahren Wert des Effektes trifft. Wenn wir<br />

den Luxus hätten, die Studie mehrmals<br />

zu wiederholen, erhielten wir durch Zufallsschwankungen<br />

jedes Mal ein etwas<br />

anderes Ergebnis. Da wir die Studie aber<br />

meist nur einmal durchführen können,<br />

brauchen wir ein zusätzliches Mass, welches<br />

die statistische Genauigkeit der<br />

Punktschätzung angibt.<br />

Die Präzision der beobachteten Punktschätzung<br />

wird mit einem sogenannten<br />

Konfidenzintervall ausgedrückt. In<br />

der Regel ist dies ein 95-Prozent-Konfidenzintervall,<br />

welches folgendermassen<br />

interpretiert wird: Falls die Studie unverzerrt<br />

(frei von Bias) ist, besteht eine<br />

95-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass<br />

das Intervall den wahren Wert des Effektes<br />

einschliesst.<br />

Je schmaler das Konfidenzintervall ist,<br />

desto sicherer sind wir hinsichtlich der<br />

wahren Effektgrösse. Der wahre Wert liegt<br />

sehr wahrscheinlich in der Nähe der<br />

Punktschätzung, weniger wahrscheinlich<br />

an den Rändern des Intervalls. Nur<br />

in 5 von 100 Fällen wäre der wahre Effekt<br />

aus serhalb des Konfidenzintervalls zu<br />

erwarten.<br />

■<br />

14 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Eine Rose für Genf<br />

Der <strong>VSAO</strong> zeichnet den Service de médecine de premier recours des Universitätsspitals Genf<br />

mit der Spitalrose 2014 aus. Dies entschieden die Delegierten des Zentralvorstands im Frühling.<br />

Ende August fand nun im Beisein von Prof. Jean-Michel Gaspoz die feierliche Übergabe statt.<br />

Lisa Loretan Krummen, Projektassistentin Politik und Kommunikation <strong>VSAO</strong>. Bilder: Michel Perret, Perret Photos.<br />

chener Weiterbildungsgarantie für den<br />

Erwerb des FMH-Titels.<br />

• Ärztinnen und Ärzte haben die Möglichkeit,<br />

ein Coaching zur Vermeidung<br />

von Burnout in Anspruch zu nehmen:<br />

Diese vertrauliche Konsultation wird<br />

von einem Psychiater angeboten, der<br />

auf Verlangen des Chefarztes regelmässig<br />

in der Abteilung vorbeischaut.<br />

• Im Konsultationsterminplan werden<br />

vorgeschriebene Pausenzeiten geplant<br />

und eingetragen mit dem Ziel, den Tag<br />

durch Ruhepausen zu strukturieren<br />

und aufzulockern.<br />

• Es besteht eine Arbeitsgruppe «Abteilungsspirit»,<br />

deren explizites Ziel es ist,<br />

das Zusammengehörigkeitsgefühl in<br />

der Abteilung zu stärken und die gute<br />

Stimmung zu fördern.<br />

• Eine weitere Arbeitsgruppe bestehend<br />

aus Assistenzärzten, Oberärzten und<br />

Leitenden Ärzten arbeitet an den im<br />

Rahmen der SIWF-Beurteilung beanstandeten<br />

Punkten.<br />

• Damit es den Angestellten möglich ist,<br />

an internen Projekten im Bereich der<br />

Forschung, Lehre, Qualität etc. teilzunehmen,<br />

werden ihnen zusätzliche<br />

Stunden zur Verfügung gestellt und ein<br />

abteilungsinterner Fonds soll die Assistenzärzte,<br />

Oberärzte und Leitenden<br />

Ärzte für die Entwicklung von Forschungsprojekten<br />

motivieren.<br />

• Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe ist<br />

darum besorgt, dass die gemäss interner<br />

Zufriedenheitsumfrage identifizierten<br />

Probleme unter Einbezug der Personalabteilung<br />

gelöst werden.<br />

(v. l. n. r.) Christophe Fehlmann, Präsident <strong>VSAO</strong>-Sektion Genf, Prof. Jean-Michel Gaspoz<br />

(Hôpitaux Universitaires de Genève), Nico van der Heiden, Stv. Geschäftsführer <strong>VSAO</strong>/Leiter<br />

Politik und Kommunikation<br />

Bereits zum zweiten Mal konnte der <strong>VSAO</strong><br />

ein Spital oder eine Klinik für herausragende<br />

Leistungen auszeichnen. Nachdem<br />

der Preis letztes Jahr an das Kantonsspital<br />

St. Gallen für seinen Einsatz im Bereich<br />

ärztlicher Weiterbildung ging, entschied<br />

der Zentralvorstand an seiner Frühjahrssitzung,<br />

dieses Jahr die Spitalrose dem<br />

Service de médecine de premier recours<br />

des Universitätsspitals Genf für seine Leistungen<br />

im Bereich Arbeitsbedingungen<br />

zukommen zu lassen.<br />

Unter der Leitung von Prof. Jean-Michel<br />

Gaspoz hat die Klinik zahlreiche Projekte<br />

zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

der Assistenz- und Oberärztinnen und<br />

-ärzte initiiert und umgesetzt:<br />

• Eine Teilzeitanstellung wird explizit<br />

unterstützt, die Angestellten wählen ihr<br />

Pensum zwischen 50 und 100 Prozent.<br />

• Die wöchentliche Zeit für Weiterbildung<br />

wird bei reduziertem Pensum nicht<br />

gekürzt (und fix im Dienstplan eingetragen).<br />

• Teilzeitarbeit ist auch vor Erlangung<br />

des FMH-Titels möglich, mit ausgespro-<br />

Christophe Fehlmann, Präsident der<br />

<strong>VSAO</strong>-Sektion Genf, würdigte diese Punkte<br />

in seiner Ansprache. Der <strong>VSAO</strong> hofft,<br />

dass diese Beispiele auch andernorts<br />

Schule machen werden. Jean-Michel Gaspoz<br />

bedankte sich in seiner Ansprache<br />

sehr herzlich für die Anerkennung. Man<br />

spürte gut, wie wichtig ihm die Anliegen<br />

der jungen Ärzteschaft sind, beispielsweise<br />

macht er sich aktuell grosse Sorgen um<br />

die wieder angestiegene Quote von Burnouts<br />

bei den Assistenzärzten. Er zeigte sich<br />

im Weiteren davon überzeugt, dass eine<br />

gute Weiterbildung auch bei Teilzeitanstellungen<br />

möglich ist. ■<br />

Nomination für die<br />

<strong>VSAO</strong>-Spitalrose<br />

Die Spitalrose wird vom <strong>VSAO</strong> in der<br />

Regel jährlich an ein Spital, eine Klinik<br />

oder eine Weiterbildungsstätte vergeben,<br />

welches bzw. welche mit einem<br />

Projekt oder besonderen Leistungen<br />

zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

der Ärzte oder der ärztlichen Weiterbildung<br />

beiträgt. Die <strong>VSAO</strong>-Sektionen<br />

sind laufend aufgefordert, ihnen<br />

bekannte und für würdig befundene<br />

Projekte oder Leistungen zu nominieren.<br />

Im Frühling entscheidet dann der<br />

Zentralvorstand über die Vergabe der<br />

Spitalrose.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

15


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Chaos ordnen und Rücken stärken<br />

2013 führte der <strong>VSAO</strong> eine neue Dienstleistung ein: das Coaching. Die Fachstelle UND<br />

berät Ratsuchende in Fragen bezüglich Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beraterin und<br />

Personal fachfrau Sandra Zurbuchen Eichenberger versucht mit Betroffenen, deren<br />

Situation zu klären und verloren geglaubte Kräfte zu mobilisieren. Sie zieht eine erste<br />

Bilanz und rät zum Überdenken des Berufsbildes.<br />

Mit Sandra Zurbuchen Eichenberger, Personalfachfrau und Beraterin der Fachstelle UND, sprach Simone Burkhard Schneider,<br />

Stabsjuristin/Stv. Geschäftsführerin <strong>VSAO</strong><br />

Seit rund zwei Jahren führen<br />

Sie im Auftrag des <strong>VSAO</strong><br />

Coachings durch. Wie sieht<br />

der oder die durchschnittliche<br />

Ratsuchende aus?<br />

Sandra Zurbuchen Eichenberger:<br />

Es wäre sicher eine Frau, wahrscheinlich<br />

im Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Drei<br />

Viertel der Ratsuchenden sind nämlich<br />

Frauen. Und obgleich die Altersspanne<br />

von 28 bis zu 50 Jahren reicht, ist die<br />

Mehrheit zwischen 35 und 45 Jahre alt.<br />

Funktionsmässig lassen sich zwei ungefähr<br />

gleich grosse Gruppen bilden: Die<br />

eine Hälfte der Anrufenden sind Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte, die andere Hälfte<br />

Oberärztinnen bzw. Leitende Ärztinnen<br />

und Ärzte.<br />

Wie läuft ein solches Coaching<br />

in der Praxis ab?<br />

Interessierte können sich per Mail oder<br />

Telefon bei der Fachstelle UND melden.<br />

Die Beraterinnen und Berater erkundigen<br />

sich nach den konkreten Anliegen und<br />

vereinbaren anschliessend einen Termin<br />

für ein telefonisches Gespräch. Aufgrund<br />

der ersten Angaben bereiten sich die Beratenden<br />

auf ihre Aufgabe vor. Zusätzlich<br />

beantworten sie Fragen nach dem Ablauf<br />

des Coachings.<br />

Ausgehend von den genannten Anliegen<br />

bzw. der Problemstellung wird beim vereinbarten<br />

Gesprächstermin gemeinsam<br />

nach einem möglichen Vorgehen und<br />

gangbaren Lösungen gesucht. Hat sich die<br />

ratsuchende Person für die weiteren<br />

Schritte entschieden und sind die Fragen<br />

geklärt, ist die erste kostenlose Beratung<br />

abgeschlossen. Bei Bedarf können sich<br />

Interessierte für ein weiteres Coaching bei<br />

uns anmelden. Vier bis sechs Wochen<br />

nach der Beratung richten wir eine Feedbackanfrage<br />

an die gecoachten Personen.<br />

Welche Themen kommen<br />

beim Coaching hauptsächlich<br />

zur Sprache?<br />

Der Arbeitsalltag im Spital ist für Ärztinnen<br />

und Ärzte mit Kindern oder pflegebedürftigen<br />

Angehörigen sehr herausfordernd.<br />

Dementsprechend oft wird gefragt,<br />

wie sich die vom Arbeitgeber geforderte<br />

Flexibilität bezüglich Dienstplänen, Ferien<br />

vertretungen, ungewisser Dauer eines<br />

Dienstes etc. besser mit den privaten Verpflichtungen<br />

vereinbaren lässt. Auch mit<br />

dem «Berufsbild» verbundene Erwartungshaltungen<br />

und entsprechende Rollenverständnisse<br />

der Vorgesetzten sind<br />

Feedback-Pool<br />

(D)ein kleiner, aber wertvoller<br />

Beitrag für eine gute<br />

Weiter- und Fortbildung<br />

Um im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung Meinungen<br />

unserer Mitglieder zu einem Thema einholen zu<br />

können, wurde der Feedback-Pool eingerichtet.<br />

Macht mit, und helft dem <strong>VSAO</strong> damit, den Horizont im Ressort<br />

Weiterbildung etwas zu erweitern und Überlegungen<br />

breiter abzustützen.<br />

Weitere Infos unter www.vsao.ch und Anmeldung per E-Mail<br />

an bertschi@vsao.ch.<br />

Deine Erfahrung zählt!<br />

Visitationen bilden ein Element für das Überprüfen und Sicherstellen<br />

der Weiterbildungsqualität an einer Weiterbildungsstätte.<br />

Ein Visitationsteam, bestehend aus Vertretern des<br />

SIWF, der entsprechenden Fachgesellschaft und des <strong>VSAO</strong>,<br />

besucht die Klinik; vor Ort können die Umsetzung des Weiterbildungskonzeptes<br />

und die Verhältnisse überprüft werden. Ziel<br />

ist es, im Sinne einer positiv-konstruktiven Rückmeldung<br />

mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.<br />

Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, die gerne für den<br />

<strong>VSAO</strong> Visitationen begleiten möchten, melden sich bei Béa trice<br />

Bertschi, unserer Sachbearbeiterin für Weiterbildung/Visitationen<br />

im <strong>VSAO</strong> (bertschi@vsao.ch).<br />

16 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

häufig Thema. Weitere Fragen betreffen<br />

Informationen zu familienfreundlichen<br />

Kliniken oder Spitälern. Diese kommen in<br />

erster Linie von Stellensuchenden, die sich<br />

auf dem Arbeitsmarkt orientieren und<br />

positionieren möchten. Verhandlungen<br />

und Gesprächsführung mit vorgesetzten<br />

Personen werden besprochen. Zum Beispiel,<br />

wenn eine Ärztin nach der Geburt<br />

des zweiten Kindes mit einem Teilzeitpensum<br />

weiterarbeiten möchte und Widerstände<br />

bei ihrem Vorgesetzten wahrnimmt.<br />

Immer wieder geht es um konkrete<br />

Konfliktsituationen mit Vorgesetzten<br />

oder in der Partnerschaft.<br />

Unterscheiden sich Ärztinnen<br />

und Ärzte von anderen Berufsgruppen?<br />

Wir beobachten eine grosse Identifikation<br />

mit der Tätigkeit und dem Beruf an sich,<br />

ausgeprägte Reflexionsfähigkeit und intellektuelle<br />

sowie emotionale Kompetenzen.<br />

Dazu gehören eine rasche Auffassungsgabe<br />

und die Fähigkeit, sich kurz zu fassen<br />

ohne Wesentliches auszulassen. Charakteristisch<br />

ist die grosse Bereitschaft, sehr viel<br />

zu leisten. Das Berufsbild ist ausgeprägt<br />

leistungsorientiert mit verhältnismässig<br />

wenig Rücksichtnahme auf eigene Grenzen<br />

bei sehr hoher Belastbarkeit.<br />

Sie holen Feedbacks ein.<br />

Wie sehen diese aus?<br />

Wer sich coachen lässt, befindet sich meistens<br />

in einer schwierigen Situation. Für<br />

Ratsuchende ist es einerseits wichtig, wieder<br />

Selbstvertrauen aufzubauen und ermutigt<br />

zu werden. Anderseits wird die<br />

Möglichkeit geschätzt, über die eigene<br />

Situation nachzudenken und diese durch<br />

eine Fachperson beurteilen zu lassen. Oft<br />

melden uns Betroffene, wie hilfreich es sei,<br />

mit gestärktem Rücken in ein Gespräch<br />

zu gehen und sich nicht einschüchtern zu<br />

lassen oder in übertriebene Dankbarkeit<br />

zu verfallen, wenn das Gegenüber auf die<br />

geäusserten Bedürfnisse eingehe.<br />

In den Feedbacks wird auch erwähnt, dass<br />

es nach den Coachings gelungen sei, Blockaden<br />

zu lösen und Prioritäten klarer zu<br />

setzen. So sind eigenständige Entscheidungen<br />

wieder möglich, und die freigewordene<br />

Energie kann in den Beruf und<br />

die Familie investiert werden. Viele Personen<br />

berichten, dass sie nach dem Coaching<br />

ihre Ressourcen und ihr Potenzial<br />

wieder erkannt hätten.<br />

Was muss auf Arbeitgeberseite<br />

geschehen, damit das Coaching<br />

überflüssig wird?<br />

Spitaldirektionen müssen grundsätzlich<br />

ein Verständnis für die Bedürfnisse der<br />

Mitarbeitenden im 21. Jahrhundert entwickeln.<br />

Nachhaltige und wiederkehrende<br />

Massnahmen zur Förderung einer familienfreundlichen<br />

Führungskultur im<br />

Unternehmen sind unerlässlich. Wichtig<br />

sind möglichst viele Involvierte, die sich<br />

für das Thema verantwortlich fühlen,<br />

idealerweise aus der Linie. Es ist unabdingbar,<br />

das Kaderpersonal zu schulen,<br />

zu unterstützen und in die Verantwortung<br />

zu nehmen. Ein spezifisches Controlling,<br />

welches die Auswirkungen von Massnahmen<br />

misst und aus dessen Erkenntnissen<br />

sich weitere Massnahmen ableiten lassen,<br />

ist hilfreich. Ferner müssen Strukturen<br />

und Abläufe überdacht werden. Auf der<br />

Suche nach tragfähigen Lösungen, z.B.<br />

bei der Dienstplanung, müssen die Betroffenen<br />

einbezogen werden. Schliesslich<br />

sollte das Berufsbild hinterfragt werden.<br />

Realistisch sind heute kompetente Teamplayer<br />

und nicht mehr omnipräsente und<br />

-potente «Halbgötter bzw. -göttinnen in<br />

Weiss».<br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

17


<strong>VSAO</strong><br />

SEKTION BERN<br />

Finanzierung<br />

Weiterbildung<br />

Zurzeit läuft das Vernehmlassungsverfahren<br />

zur Frage, ob der Kanton Bern der<br />

Interkantonalen Weiterbildungsfinanzierungsvereinbarung<br />

(was für ein Wort!)<br />

beitreten soll. Die WFV legt einen Mindestbeitrag<br />

von aktuell 15 000 Franken fest,<br />

mit dem sich die Standortkantone an den<br />

Kosten der Spitäler für die strukturierte<br />

Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten<br />

beteiligen sollen. Sie regelt zudem den<br />

Ausgleich des unterschiedlichen Kostenaufwands<br />

der Kantone.<br />

Der <strong>VSAO</strong> Bern befürwortet den Beitritt zur<br />

WFV, obwohl sie nicht mehr dem ursprünglichen<br />

Modell entspricht, das die<br />

Themengruppe «Finanzierung ärztliche<br />

Weiterbildung» des BAG, in der auch der<br />

<strong>VSAO</strong> mitgearbeitet hat, ausgearbeitet hat.<br />

Es fehlen nun sämtliche Qualitätsanforderungen<br />

für die Ausrichtung der Beiträge.<br />

Unter dem finanziellen Druck der<br />

geltenden Spitalfinanzierung ist aber<br />

nicht die Zahl der Weiterbildungsstellen<br />

gefährdet, sondern die Weiterbildungsleistungen<br />

der Spitäler. Für uns sind deshalb<br />

die Qualitätsanforderungen des ursprünglichen<br />

Modells zentral, damit nicht<br />

ein zusätzlicher Anreiz geschaffen wird,<br />

mehr Assistenzärzte einzustellen, als die<br />

Weiterbildungskapazität bzw. die Fallzahlen<br />

zulassen würden. Ausserdem sollte<br />

sichergestellt werden, dass die Gelder<br />

zweckgebunden verwendet werden. Unsere<br />

Stellungnahme mit den entsprechenden<br />

Anträgen finden Interessierte auf<br />

unserer Website (www.vsao-bern.ch).<br />

Auslagerung<br />

Psychiatrie<br />

Bekanntlich sollen die drei kantonalen<br />

psychiatrischen Kliniken UPD, PZM und<br />

SPJBB (Bellelay) per 1.1.2017 aus der kantonalen<br />

Verwaltung ausgegliedert werden.<br />

Das ist eine Monsteraufgabe, da zahlreiche<br />

Fragen wie Nutzung der Liegenschaften,<br />

Kapitalisierung, Pensionskasse, Personalrecht,<br />

IT usw. geklärt und gelöst<br />

werden müssen. Bereits entschieden wurde,<br />

dass sich die drei Kliniken dem bestehenden<br />

Spital-GAV (Gesamtarbeitsvertrag<br />

für das Personal bernischer Spitäler) anschliessen<br />

werden. Zurzeit verhandeln<br />

wir Personalverbände mit<br />

den Klinken und dem Kanton die<br />

Anschluss- und Übergangsbestimmungen.<br />

Gemäss GAV ist gewährleistet,<br />

dass allfällig günstigere Bedingungen<br />

im bisherigen Personalrecht während<br />

mindestens 12 Monaten weiter zur Anwendung<br />

kommen. 2017 gilt also je die für das<br />

Personal günstigere Lösung.<br />

Der Regierungsrat hat im August ausserdem<br />

bekannt gegeben, dass es im Zusammenhang<br />

mit der Verselbständigung der<br />

psychiatrischen Kliniken zu Einsparungen<br />

von 34 Millionen Franken kommen<br />

muss. Nur so könnten die drei Kliniken<br />

nach der Privatisierung nachhaltig ausgeglichene<br />

Rechnungen realisieren.<br />

Der <strong>VSAO</strong> Bern und die anderen<br />

betroffenen Personalverbände<br />

lehnen diese Sparübung, die vor<br />

allem auf dem Buckel des Personals<br />

erfolgen soll und die zudem<br />

die Versorgung gefährdet, ab.<br />

Nacht- und<br />

Wochenendzulagen<br />

UPD,<br />

PZM, SPJBB<br />

(Bellelay)<br />

Seit 1.1.<strong>2015</strong> müssen gemäss kantonalem<br />

Personalrecht, welches in den psychiatrischen<br />

Kliniken UPD, PZM und SPJBB gilt,<br />

die Nacht- und Wochenendzulagen von<br />

5 Franken pro Stunde bis und mit Gehaltsklasse<br />

23 bezahlt werden (vorher nur<br />

bis GK 18). Leider wird den Assistenzärztinnen<br />

und -ärzten diese Zulage mit der<br />

Begründung verweigert, für sie gelte – im<br />

Gegensatz zu den anderen Berufsgruppen<br />

– das Arbeitsgesetz. Diese Argumentation<br />

ist aus unserer Sicht unhaltbar:<br />

• Das Arbeitsgesetz regelt den Arbeitnehmerschutz<br />

und definiert deshalb nur<br />

Minimalstandards. Es ersetzt keinesfalls<br />

arbeitsvertragliche Regelungen<br />

oder Personalrecht.<br />

• Die «Verordnung über die Anstellung<br />

der Assistenzärztinnen und Assistenzärzte<br />

sowie der Oberärztinnen und<br />

Oberärzte an den kantonalen Psychiatrieinstitutionen»<br />

(AAOPV) hält fest,<br />

dass sich das Arbeitsverhältnis nach<br />

kantonalem Personalgesetz und Personalverordnung<br />

richtet, soweit die Verordnung<br />

nichts abweichend regelt.<br />

Zusätzlich gelten die Bestimmungen<br />

des ArG, angesichts der Formulierung<br />

«sind einzuhalten» aber eindeutig nur<br />

subsidiär, als Mindeststandard.<br />

• Bei der Erarbeitung der AAOPV gab es<br />

Nacht- und Wochenendzulagen nur bis<br />

Gehaltsklasse 18. Es bestand deshalb<br />

keine Veranlassung, diesen Punkt in<br />

der Spezialgesetzgebung zu regeln.<br />

• Im Moment wird die Frage vom Rechtsdienst<br />

der GEF geprüft. Sollte dies zu<br />

keiner befriedigenden Lösung führen,<br />

müsste ein Gericht entscheiden. Betroffene<br />

können sich bei uns melden.<br />

GAV 18<br />

Die Verhandlungen über einen neuen<br />

Spital-GAV (Gesamtarbeitsvertrag), der für<br />

alle öffentlichen Spitäler im Kanton Bern<br />

gelten soll, haben begonnen. Wir nehmen<br />

Wünsche und Anregungen unserer Mitglieder<br />

gerne entgegen. ■<br />

Rosmarie Glauser,<br />

Geschäftsführerin Sektion Bern<br />

Gut zu wissen<br />

Unsere Filmclips «Arbeitsplatz Spital»<br />

helfen bei vielen arbeitsrechtlichen<br />

Fragen weiter. Du findest sie auf unserer<br />

Website www.vsao-bern.ch auf der<br />

linken Seite. Auch unter der Rubrik<br />

«Gut zu wissen» gibt es nützliche Hinweise.<br />

18 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


<strong>VSAO</strong><br />

§<br />

Rechtsberatung<br />

Sandra P. Leemann, Juristin der Sektionen<br />

Aargau, Solothurn, St. Gallen/Appenzell, Thurgau<br />

und Zentralschweiz<br />

Ich bin Assistenzarzt an<br />

einem Kantonsspital und<br />

Vater von zwei Kindern im<br />

Kindergarten- bzw. Schulalter.<br />

Aufgrund dieser<br />

Familienpflichten bin ich<br />

darauf angewiesen, meinen<br />

Dienstplan möglichst frühzeitig<br />

zu kennen. Gibt es<br />

im Gesetz eine Regelung,<br />

wie viele Wochen im<br />

Voraus mein Arbeitgeber<br />

verpflichtet ist, den Dienstplan<br />

bekanntzugeben?<br />

Probleme bei der Dienstplanung und<br />

kurzfristige Änderungen der Dienstpläne<br />

sind ein allgemein verbreitetes Ärgernis.<br />

Grundsätzlich hält das Arbeitsgesetz fest,<br />

dass die Arbeitnehmenden möglichst<br />

frühzeitig, in der Regel zwei Wochen vor<br />

einem geplanten Einsatz, über den neuen<br />

Dienstplan zu informieren sind (Art. 69<br />

Abs. 1 ArGV 1 i.V.m. Art. 47 Abs. 1 ArG).<br />

Diese Frist darf ohne zwingenden Grund<br />

nicht verkürzt werden. Sie soll den Arbeitnehmenden<br />

die Planung ihrer Zeit in<br />

Abhängigkeit von Familie, Arbeit und<br />

Freizeit ermöglichen. Es gilt also: Je früher<br />

die Information erfolgt, desto besser.<br />

Das Gesetz geht aber noch weiter, so sind<br />

die Arbeitnehmenden bei der Planung und<br />

bei Änderungen des Dienstes stets beizuziehen<br />

(Art. 69 ArGV 1 i.V.m. Art. 48 ArG).<br />

Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet,<br />

die Vorschläge seiner Arbeitnehmenden zu<br />

befolgen, es genügt aber nicht, dass er die<br />

Anliegen der betroffenen Arbeitnehmenden<br />

bloss zur Kenntnis nimmt, sondern er<br />

muss sich damit auch konkret auseinandersetzen<br />

und deren Ablehnung entsprechend<br />

begründen.<br />

Arbeitnehmende mit Familienpflichten<br />

werden im Gesetz speziell erwähnt. Der<br />

Arbeitgeber hat ihnen gegenüber eine besondere<br />

Verpflichtung bei der Festsetzung<br />

der Arbeits- und Ruhezeit (Art. 46 lit. d<br />

ArGV 1). Zu den Familienpflichten gehören<br />

die Erziehung und die Betreuung von<br />

minderjährigen Kindern bis zum vollendeten<br />

15. Altersjahr sowie die Betreuung<br />

von pflegebedürftigen Angehörigen oder<br />

anderen nahestehenden Personen. Laut<br />

Gesetz dürfen Arbeitnehmende mit Familienpflichten<br />

nur mit ihrem Einverständnis<br />

zur Leistung von Überzeitarbeit herangezogen<br />

werden. Sie haben somit das<br />

Recht, Überzeitarbeit abzulehnen. Kommt<br />

es nun kurzfristig aus betrieblicher Notwendigkeit<br />

(z.B. Unfälle, Krankheiten)<br />

zur Änderung des Dienstplanes, so dürfen<br />

Arbeitnehmende mit Familienpflichten<br />

nur beigezogen werden, wenn sie damit<br />

ausdrücklich einverstanden sind und für<br />

den Betrieb keine zumutbare Alternative<br />

besteht. Ausserdem ist ihnen auf Verlangen<br />

eine Mittagspause von wenigstens<br />

1½ Stunden zu gewähren.<br />

Kurzfristig darf der Dienstplan nur aus<br />

zwingenden Gründen geändert werden.<br />

Zwingende Gründe sind gegeben, wenn in<br />

dringenden Fällen Überzeitarbeit kurzfristig<br />

angeordnet werden muss (Art. 12<br />

ArG, 25 und 26 ArGV 1).<br />

Soweit die gesetzlichen Grundlagen. Leider<br />

sieht der Alltag oftmals anders aus.<br />

Folglich wurde das Thema auch von der<br />

Politik aufgegriffen: Im März dieses Jahres<br />

reichte Nationalrat Jacques-André<br />

Maire die Motion «Bekanntgabe der<br />

Arbeitszeiten. Verlängerung der Frist<br />

auf vier Wochen» ein. Leider fand er bei<br />

seinen Ratskollegen kein Gehör. Sie lehnten<br />

die Motion am 19.6.<strong>2015</strong> ab.<br />

Um den Missständen bei der Dienstplanung<br />

zu begegnen, stellt der <strong>VSAO</strong> den<br />

Spitälern bzw. den Zuständigen seit einiger<br />

Zeit verschiedene Instrumente<br />

(Dienstplanungsforum, Beratungen vor<br />

Ort) zu Verfügung. In Ihrem konkreten<br />

Fall empfehlen wir Ihnen, zunächst zu<br />

kontrollieren, ob die gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Mindestvorschriften (zwei<br />

Wochen im Voraus, Einbezug der Angestellten,<br />

Rücksichtnahme auf Arbeitnehmende<br />

mit Familienpflichten) eingehalten<br />

werden. Sollte das nicht der Fall sein,<br />

wenden Sie sich an Ihren Dienstplaner<br />

bzw. Vorgesetzten oder an die <strong>VSAO</strong>-<br />

Rechtsberatung Ihrer Sektion. ■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

19


<strong>VSAO</strong><br />

COACHING<br />

Arztberuf & Familie / Privatleben<br />

Telefonische Beratung:<br />

044 462 71 23 • info@und-online.ch<br />

Wie bringe ich Familie, Freizeit und Beruf unter einen Hut? Wie steige ich nach der Babypause wieder ein? Wie<br />

meistere ich die täglichen Herausforderungen? Antworten und Lösungsvorschläge auf diese und weitere Fragen<br />

bietet der <strong>VSAO</strong> seinen Mitgliedern im Rahmen eines kostenlosen Coachings an. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />

durch die Fachstelle UND.<br />

Erfahren Sie mehr über dieses Beratungsangebot des <strong>VSAO</strong> auf unserer Website www2.vsao.ch unter der Rubrik<br />

Arztberuf & Familie / Privatleben.<br />

Kitaplatz gesucht – der <strong>VSAO</strong> hilft<br />

Wenn Sie einen Betreuungsplatz für Ihr Kind suchen, denken Sie daran: Seit 2011 unterstützt<br />

Ihr Verband Sie bei dieser zeitaufwendigen Aufgabe. Eine Anfrage mittels Online-Formular beim <strong>VSAO</strong> genügt und Sie<br />

erhalten Informationen zu verfügbaren Plätzen in Ihrer Wunschregion und die entsprechenden Kontaktdaten<br />

der Tagesstätten. Weitere wichtige Informationen und das Formular finden Sie unter der neuen Rubrik Arztberuf und Familie<br />

auf der <strong>VSAO</strong>-Homepage www.vsao.ch.<br />

20 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


<strong>VSAO</strong><br />

-INSIDE<br />

Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />

Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />

Dina-Maria Jakob<br />

Wohnort: Bern<br />

Im <strong>VSAO</strong> seit: 8.7.2009<br />

Im Geschäftsausschuss:<br />

seit April <strong>2015</strong><br />

Arbeitsort und Funktion im<br />

Spital: Assistenzärztin Kinderkardiologie,<br />

Inselspital Bern<br />

Der <strong>VSAO</strong> für Dich in drei Worten:<br />

engagiert, kritisch, spannend<br />

Im November 2014 präsentierte Dina-<br />

Maria am MEDIfuture-Kongress des <strong>VSAO</strong><br />

ihre Arbeit für Médecins sans Frontières<br />

(msf). Im anschliessenden Gespräch zeigte<br />

sich, dass sie auch an einer Mitarbeit im<br />

Geschäftsausschuss <strong>VSAO</strong> interessiert<br />

wäre. Nach einer «Schnupperlehre» wurde<br />

sie anlässlich der Frühlingsversammlung<br />

des Zentralvorstandes <strong>2015</strong> gewählt.<br />

Seither beteiligt sie sich intensiv und rege<br />

an den Diskussionen. Sie sei von Anfang<br />

an angehört und ernst genommen worden,<br />

was sie sehr schätze, sagt Dina-Maria<br />

zu ihrem Einstieg. Inhaltlich möchte sie<br />

sich vor allem für das Thema Vereinbarkeit<br />

Familie/Privatleben und Beruf sowie<br />

Weiterbildung engagieren: So fordert sie<br />

mehr Teilzeitstellen, um den drohenden<br />

Ärztemangel zu verringern. «Mittlerweile<br />

arbeiten mehr Frauen in der Medizin und<br />

auch nicht alle Männer wollen 100 Prozent<br />

oder mehr arbeiten.» Das führt aus<br />

der Sicht von Dina-Maria dazu, «dass zu<br />

viele leider aus unserem tollen Beruf aussteigen,<br />

weil die Arbeitsbedingungen teilweise<br />

immer noch unmenschlich sind».<br />

Mitunter sieht sie die Rolle des <strong>VSAO</strong> als<br />

Mittler und Vermittler zwischen verschiedenen<br />

Fachrichtungen und als Kontaktstelle<br />

zwischen verschiedenen Generationen<br />

von Ärzten und Ärztinnen. Diese<br />

Rolle selber aktiv mitzugestalten, ist ein<br />

weiterer Punkt, wieso sie sich als Geschäftsausschussmitglied<br />

engagieren will:<br />

«Der <strong>VSAO</strong> versucht Lösungen zu finden,<br />

auf bestehende Missstände aufmerksam<br />

zu machen, immer auf dem Laufenden<br />

zu sein und hinter die Kulissen zu blicken.<br />

Dies finde ich reizvoll und ich möchte<br />

meinerseits einen Beitrag dazu leisten.»<br />

Aktuell arbeitet Dina-Maria als Assistenzärztin<br />

im Inselspital Bern und steht in der<br />

Weiterbildung zur Kinderkardiologin. Ab<br />

Januar 2016 wird sie ihre Weiterbildung in<br />

der Kinderkardiologie am Kinderspital<br />

Zürich weiterführen. Nach einem Jahr als<br />

Assistenzärztin auf der Herz- und Gefässchirurgie<br />

im Inselspital folgten zwei Jahre<br />

im Kinderspital Bern und ein Jahr in<br />

der Pädiatrie in Fribourg. Nach der Facharztprüfung<br />

im Jahr 2013 war sie dann<br />

zweimal für Médecins sans Frontières im<br />

Einsatz. Daneben treibt sie sehr viel Sport:<br />

Laufen, Tennis spielen, Segeln und Skifahren.<br />

Als Ausgleich zum Beruf kocht sie<br />

sehr gerne, trinkt mit Vorliebe guten Wein<br />

und trifft sich mit Freunden. Zur Horizonterweiterung<br />

besucht sie Theatervorstellungen,<br />

Konzerte oder Ausstellungen. Bei<br />

all dem ist nicht verwunderlich, dass ihr<br />

Tag manchmal 25 Stunden hat. Seit ihrer<br />

Kindheit reist sie sehr gerne, wenn möglich<br />

auch etwas unkonventioneller, denn<br />

nur so lerne man andere Kulturen, Menschen<br />

und Bräuche wirklich kennen. Sich<br />

selber bezeichnet Dina-Maria als neugierigen<br />

und offenen Menschen. Kein Wunder<br />

also, dass sie einem weiteren Einsatz<br />

mit Médecins sans Frontières offen gegenübersteht.<br />

<br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

21


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Spiel und blutiger Ernst<br />

Denkt die Verkäuferin nur an ihren Umsatz oder findet sie wirklich, dass mir das Kleid steht?<br />

Im Zentrum der Spieltheorie steht die strategische Interaktion. Dabei bedient sie sich<br />

mathematischer Modelle. Doch nicht nur gesellschaftliche Probleme lassen sich spieltheoretisch<br />

ergründen. In jüngerer Zeit macht vor allem die evolutionäre Spieltheorie von sich reden.<br />

Andreas Diekmann, Professor für Soziologie ETH Zürich<br />

Ein Arzt bringt sein Auto mit Motorschaden<br />

zur Reparaturwerkstätte. Nach einigen<br />

Tagen holt er das Auto wieder ab,<br />

wundert sich aber über die astronomisch<br />

hohe Rechnung. «Nun», sagt der Mechaniker,<br />

«es war nicht nur die Batterie. Wir<br />

mussten den Motor durchchecken lassen,<br />

der Anlasser war defekt und der Vergaser<br />

musste auch ausgetauscht werden –<br />

ganz zu schweigen von den Zylinderköpfen<br />

und der Hinterachse. Seien Sie froh,<br />

dass Sie rechtzeitig gekommen sind,<br />

sonst hätten Sie nach kurzer Zeit einen<br />

Totalschaden gehabt.» «Ach übrigens»,<br />

fährt der Mechaniker fort, «haben Sie<br />

nicht kürzlich meinen Bruder behandelt,<br />

zahlreiche Tests in Ihrem Labor gemacht,<br />

den Blinddarm entfernt und zu<br />

einer weiteren Operation geraten, obwohl<br />

er nur mit einer leichten Erkältung zu<br />

Ihnen gekommen ist?»<br />

Arzt und Mechaniker haben eines gemeinsam:<br />

Ihre Klienten sind mit einem<br />

doppelten Vertrauensproblem konfrontiert.<br />

Sie müssen zum einen in die Kompetenz<br />

vertrauen und sie müssen darüber<br />

hinaus vertrauen, dass sich ein Arzt oder<br />

Mechaniker im Konfliktfall zwischen der<br />

Mehrung seines Vermögens und dem<br />

Wohl des Klienten für Letzteres entscheidet.<br />

Das ist, trotz hippokratischem Eid,<br />

keineswegs selbstverständlich. Nicht selten<br />

sind gerade Privatpatienten gefährdet. In<br />

der Spieltheorie spricht man von einem<br />

Vertrauensspiel mit asymmetrischer Information.<br />

Denn weder der Patient noch<br />

der Werkstattkunde weiss, welche «therapeutischen»<br />

Massnahmen wirklich gerechtfertigt<br />

sind. Anders als beim Roulettespiel<br />

handelt es sich bei der Entscheidung<br />

für oder gegen die empfohlene<br />

Therapie um eine strategische Entscheidung,<br />

deren Ausgang vom Verhalten der<br />

Gegenpartei abhängt. Der Patient kann<br />

Vertrauen schenken oder entziehen, der<br />

Arzt kann ehrlich sein oder nur an seinen<br />

Geldbeutel denken. Beide treffen eine strategische<br />

Entscheidung; das Ergebnis<br />

hängt von der Kombination der Entscheidungen<br />

ab. Es handelt sich um strategische<br />

Interaktion, und genau damit befasst<br />

sich die Spieltheorie. Im Sinne der Spieltheorie<br />

ist Roulette dagegen kein Spiel.<br />

Wenn man 1000 Franken auf Rot setzt,<br />

kann man gewinnen oder verlieren, aber<br />

das Ergebnis hängt nicht von den Entscheidungen<br />

anderer Personen ab. Strategische<br />

Interaktion ist die Essenz der Spieltheorie.<br />

Zur Präzisierung und Lösung von<br />

Interaktionen stellt die Spieltheorie mathematische<br />

Modelle bereit; die Spieltheorie<br />

ist sozusagen die Mathematik sozialer<br />

Interaktionen.<br />

22 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Auktionen als Spielplatz<br />

Da Menschen, Firmen, Organisationen<br />

und Staaten tagtäglich millionenfach<br />

miteinander interagieren ist die Spieltheorie<br />

auf zahlreiche soziale, politische und<br />

ökonomische Aktivitäten anwendbar. Typische<br />

Fälle sind Kartelle und Auktionen,<br />

die Übernahme von Firmen, die Dauer<br />

von Patentrechten oder die Analyse von<br />

Problemen der Ressourcenausbeutung<br />

(Allmendeprobleme), um nur einige Beispiele<br />

zu nennen.<br />

Spieltheorie kann auch dazu beitragen,<br />

neue Regeln oder Institutionen zu erfinden.<br />

Betrachten wir ein Beispiel aus der<br />

Auktionstheorie. Fluggesellschaften bieten<br />

neuerdings gegen Aufpreis ein «Upgrade»<br />

von «Holzklassensitzen» an. Die offenbar<br />

nicht gebuchten Komfortsitze mit Beinfreiheit<br />

werden im Internet verdeckt versteigert;<br />

den Zuschlag bekommt das<br />

höchste Gebot. Nehmen wir der Einfachheit<br />

halber an, es gehe nur um einen<br />

Komfortsitz. Dieser Komfort ist einem<br />

Passagier auf einem Langstreckenflug<br />

einen Zuschlag von 150 Fr. wert. Unser<br />

hypothetischer Passagier bietet aber nun<br />

nicht 150, sondern nur 120 Fr., weil er<br />

glaubt, es würde vermutlich niemand ein<br />

höheres Gebot abgeben und er könne eine<br />

Art Extragewinn einstreichen. Denn die<br />

Differenz zwischen seiner Zahlungsbereitschaft<br />

von 150 Fr. und seinem Gebot ist im<br />

Erfolgsfall ein Gewinn. Leider geht die<br />

Rechnung nicht auf, denn ein Konkurrent<br />

bietet 140 Fr. Bei einer verdeckt englischen<br />

Auktion, um die es sich hier handelt, ist<br />

ein Bieter immer versucht, seine Gebote<br />

«abzuschwächen» und nicht bis zu seiner<br />

wahren Präferenz zu bieten.<br />

Der Ökonom und Spieltheoretiker William<br />

Vickrey (1914–1996) hat einen ebenso<br />

einfachen wie genialen Vorschlag gemacht,<br />

der rationale Spieler geradezu zu<br />

Geboten zwingt, die der wahren Präferenz<br />

entsprechen. Bei der Vickrey-Auktion oder<br />

auch Zweitpreisauktion bekommt zwar<br />

wieder das höchste Gebot den Zuschlag,<br />

aber der Bieter muss nur den Preis des<br />

zweithöchsten Gebots zahlen. Unser Passagier<br />

bietet nun 150 Fr., bekommt den<br />

Komfortsitz, zahlt dafür 140 Fr. und hat<br />

quasi 10 Fr. gewonnen. Man kann nun<br />

zeigen, dass im Unterschied zu anderen<br />

Auktionsverfahren bei der Zweitpreisauktion<br />

ein rationaler Bieter immer Gebote<br />

abgibt, die exakt seiner wahren Präferenz<br />

entsprechen. Deshalb hat man die Vickrey-Auktion<br />

auch als «Wahrheitsserum»<br />

bezeichnet. Man kann nämlich nachweisen,<br />

dass unabhängig von den Geboten<br />

anderer Spieler die Strategie, entsprechend<br />

der Präferenz zu bieten, immer besser<br />

oder mindestens gleich gut ist wie jede<br />

andere Bieterstrategie. Liegt das höchste<br />

Gebot über der eigenen Präferenz von<br />

150 Fr., dann hat man weder gewonnen<br />

noch verloren, denn mehr als 150 Fr. war<br />

die Bequemlichkeit nicht wert. Liegt aber<br />

das zweithöchste Gebot unter 150 Fr., gewinnt<br />

unser Flugpassagier immer die<br />

Differenz zwischen seinem und dem<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

23


FOKUS ▶ SPIEL<br />

zweithöchsten Gebot und kann es sich auf<br />

dem Flug bequem machen. Das Gleiche<br />

gilt natürlich auch für verdeckte Auktionen<br />

von Immobilien, die aber aller Auktionstheorie<br />

zum Trotz meist als Erstpreisauktion<br />

durchgeführt werden. Übrigens<br />

hat schon Goethe diese Idee gehabt und<br />

sein Manuskript «Hermann und Dorothea»<br />

per Zweitpreisauktion an seinen<br />

Verleger versteigert. Spieltheoretisch betrachtet<br />

ist die Strategie «biete gemäss<br />

deiner Präferenz» eine (schwach) dominante<br />

Strategie. Sie ist immer besser oder<br />

mindesten gleich gut wie jede andere<br />

Strategie, ganz gleich wie sich die Gegenspieler<br />

verhalten.<br />

Nash-Gleichgewicht<br />

Wählen alle Spieler eine dominante Strategie,<br />

dann erhält man ein Nash-Gleichgewicht,<br />

das ist ein zentraler Begriff der Spieltheorie.<br />

In einem Nash-Gleichgewicht hat<br />

kein Spieler einen Anreiz, seine Strategie<br />

einseitig zu ändern, sofern die anderen<br />

Spieler bei ihrer Strategie bleiben. Die wechselseitige<br />

Wahl von Geboten entsprechend<br />

der wahren Präferenz ist bei der Zweitpreisauktion<br />

ein Nash-Gleichgewicht.<br />

John Nash (1928–<strong>2015</strong>) hat nicht nur das<br />

nach ihm benannte Gleichgewicht definiert,<br />

sondern in einer berühmten Arbeit<br />

auch bewiesen, dass für jedes Spiel mit<br />

endlicher Anzahl von Strategien mindestens<br />

ein Nash-Gleichgewicht existiert.<br />

Zusammen mit John Harsanyi und Reinhard<br />

Selten hat Nash für seine mathematisch-spieltheoretischen<br />

Arbeiten 1994 den<br />

Nobelpreis erhalten. Leider gibt es einen<br />

Haken, denn sein Vorschlag liefert nicht<br />

immer eine eindeutige Lösung für einen<br />

rationalen Entscheider.<br />

Wenn Ihnen ein Auto auf der rechten Seite<br />

entgegenkommt, sind Sie gut beraten,<br />

ebenfalls rechts zu fahren. Die Strategienkombination<br />

rechts/rechts ist ein Nash-<br />

Gleichgewicht. Dasselbe gilt aber auch für<br />

die britische Verkehrsregel des Linksfahrgebots.<br />

Auf der Insel wird man im Eigeninteresse<br />

links, auf dem Kontinent rechts<br />

fahren. Hat das «Spiel» Links- oder<br />

Rechtsfahren eine dominante Strategie?<br />

Natürlich nicht, denn ob «links» oder<br />

«rechts» besser ist, hängt von der gewählten<br />

Strategie des Mitspielers ab. Das Koordinationsspiel<br />

mit den Optionen links und<br />

rechts hat zwei Nash-Gleichgewichte. Man<br />

sieht, dass Spiele mehrere Gleichgewichte<br />

haben können. So attraktiv der Begriff des<br />

Nash-Gleichgewichts auch ist, so stellt sich<br />

doch das Problem, dass damit nicht immer<br />

eine eindeutige Lösung eines interaktiven<br />

Entscheidungsproblems gegeben ist.<br />

Man benötigt also weitere Kriterien, um<br />

die Menge der Nash-Gleichgewichte einzuschränken.<br />

Soziale Paradoxe<br />

Mit dem Nash-Gleichgewicht verbindet<br />

sich noch ein weiteres Problem, das oft als<br />

Paradox bezeichnet wurde. Nehmen wir<br />

an, Diamantendiebe beabsichtigen ein<br />

illegales Geschäft mit einem Hehler. Sie<br />

vereinbaren, um Mitternacht im Park einen<br />

Beutel mit Diamanten auf einer Parkbank<br />

zu deponieren. Der Hehler soll seinerseits<br />

dort eine Tasche mit einer Million<br />

Franken abstellen. Beide profitieren von<br />

dem Geschäft. Werden sie kooperieren?<br />

Die Gauner überlegen sich, den Beutel mit<br />

Kieselsteinen zu füllen; der Hehler wiederum<br />

könnte die Tasche mit Papierschnitzeln<br />

füllen. Man kann sich überlegen,<br />

dass die Strategien «Kieselsteine» und<br />

«Papierschnitzel» dominant sind und ein<br />

Nash-Gleichgewicht ergeben, das in diesem<br />

Spiel sogar eindeutig ist. Zwei individuell<br />

rationale Spieler werden sich gegenseitig<br />

betrügen, obwohl sie beide durch<br />

wechselseitige Kooperation gewinnen<br />

könnten. Das ist die paradoxe Logik des<br />

Gefangenendilemmas und anderer Arten<br />

sozialer Fallen, die wir bei vielen ökonomischen<br />

und politischen Problemen in<br />

unserer Gesellschaft beobachten können.<br />

Dazu zählen Probleme wie die Überfischung<br />

in den Weltmeeren, die Abholzung<br />

von Regenwäldern und besonders<br />

das Problem der weltweiten Emissionen<br />

von Treibhausgasen. Diese Probleme lassen<br />

sich als «N-Personen-Spiele» beschreiben<br />

und sind Varianten sozialer<br />

Dilemmas. Denn was der Einzelne rational<br />

und eigeninteressiert anstrebt, muss<br />

nicht zwangsläufig das öffentliche Wohl<br />

befördern. Leider trifft es nicht immer zu,<br />

dass Adam Smith‘ «unsichtbare Hand»<br />

Eigeninteresse und Gemeinwohl zur<br />

Übereinstimmung bringt. Oft handeln die<br />

einzelnen Akteure rational, das Ergebnis,<br />

das unter dem Strich herauskommt,<br />

kann sich aber als höchst irrational erweisen<br />

und zum Schaden aller führen.<br />

Die Spieltheorie analysiert solche «sozialen<br />

Dilemmas» und kann Lösungswege<br />

aufzeigen, die zu kollektiv besseren Lösungen<br />

führen.<br />

Evolutionäre Spieltheorie<br />

Spieltheorie wird heute nicht nur auf die<br />

Probleme rationaler und vorausschauender<br />

Entscheider angewandt. Auch evolutionäre<br />

Dynamik kann zu einem Nash-<br />

Gleichgewicht führen, sofern weitere Bedingungen<br />

erfüllt sind. Der Durchbruch<br />

in der Theorie kam mit der Idee des evolutionär<br />

stabilen Gleichgewichts (ESS) von<br />

Maynard-Smith und Price. Der evolutionären<br />

Spieltheorie kommt damit eine<br />

bedeutende Rolle in der Verhaltensbiologie<br />

und neuerdings sogar in der Medizin zu.<br />

So lässt sich die Interaktion von zwei verschiedenen<br />

Zelltypen mit invasiven Tumorzellen<br />

mit spieltheoretischen Methoden<br />

analysieren, wie eine Forschungsgruppe<br />

der TU Dresden und der Universitätsklinik<br />

Bonn demonstrieren konnte<br />

(Basanta et al., 2008, Cell Proliferation).<br />

Eine zentrale Rolle spielen dabei die «Motilitätskosten»<br />

der invasiven Zellen sowie<br />

Zellen, die die Energieversorgung auf anaerobe<br />

Glykolyse umstellen. Werden gewisse<br />

Schwellenwerte überschritten, die<br />

sich mit den Gleichungen der evolutionären<br />

Spieltheorie berechnen lassen, wird<br />

das zunächst stabile Gleichgewicht gestört<br />

und es kommt zum Wachstum invasiver<br />

Tumorzellen.<br />

Die Spieltheorie hat sich in den vergangenen<br />

Jahren rasant entwickelt. John von<br />

Neumann, ein Pionier der Spieltheorie,<br />

hatte diese Anwendungen wohl kaum vor<br />

Augen, als er die Theorie der Nullsummenspiele<br />

in den zwanziger Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts entwickelt<br />

hatte.<br />

Mit der oben erwähnten Vickrey-Auktion<br />

haben wir eine Institution kennen gelernt,<br />

mit der sich Bieterverfahren verbessern<br />

lassen. Die Versteigerung von Telefonfrequenzen<br />

in England erfolgte unter<br />

Beratung von Spieltheoretikern. Der britische<br />

Staat erzielte unerwartet Rekordeinnahmen<br />

von 22,5 Milliarden Pfund<br />

Sterling. Die Eidgenossenschaft dagegen<br />

verzichtete auf gute Ratschläge und wurde<br />

prompt mit einem mageren Erlös von<br />

205 Mio. Fr. bestraft. Spieltheorie kann<br />

sich also auch für den Steuerzahler<br />

durchaus lohnen! <br />

■<br />

Wenn Sie mehr über Spieltheorie wissen<br />

möchten: A. Diekmann, Spieltheorie. Einführung,<br />

Beispiele, Methoden. 3. Aufl.<br />

2013: Rowohlt Taschenbuch.<br />

24 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Mehr als ein Kinderspiel<br />

Kinder bereiten sich spielerisch auf die Zukunft vor. Im Rollenspiel erschaffen und erleben<br />

sie alltägliche Situationen, aber mit einem Perspektivwechsel. Beim Bauen schulen sie neben den<br />

motorischen Fähigkeiten auch räumliches Denken oder das Kategorisieren von Materialien.<br />

Geschlechtsspezifische Präferenzen können durch Ausgestalten der Spielräume ein Stück weit<br />

ausgeglichen werden.<br />

Carine Burkhardt Bossi, dipl. Psych. FH/SBAP<br />

Das Kinderspiel wird in der Gesellschaft<br />

meist als Zeitvertreib und somit als Gegensatz<br />

zur Schule und dem Lernen gesehen.<br />

Dabei zeigen diverse Studien (z.B. Einsiedler,<br />

1999; Hughes, 2010) den Einfluss des<br />

Spiels auf die kindliche Entwicklung auf.<br />

Das kindliche Spiel ist sehr bunt und benötigt<br />

unterschiedliche Kompetenzen.<br />

Diese Vielfalt des Phänomens Spiel ist für<br />

die Forschung eine Herausforderung und<br />

bis heute gibt es keine klare Definition. Im<br />

Artikel werden die zwei Spielformen –<br />

Rollenspiel und Konstruktionsspiel – mit<br />

den jeweiligen Kompetenzbereichen und<br />

dem Geschlecht in Verbindung gebracht.<br />

Wie die Grossen<br />

Rollenspiele beinhalten gemeinsame<br />

Spielhandlungen mit Spielpartnern und<br />

Spielpartnerinnen. Die Spielhandlungen<br />

müssen mit den Partnern abgestimmt<br />

und koordiniert werden. Es werden meist<br />

Szenen aus dem Alltag gespielt, wie beispielsweise<br />

Mutter und Kind beim Einkaufen.<br />

Die spielenden Kinder tauschen sich<br />

dabei über die Bedeutung der Gegenstände<br />

aus und müssen sich bezüglich Rollenverteilung<br />

und Regeln einigen. Dies bedingt<br />

sprachliche und sozioemotionale<br />

Kompetenzen und trainiert die Meta-<br />

Kommunikation. Die Rollen- und Perspektivenübernahme<br />

hat auch einen positiven<br />

Einfluss auf die Entwicklung empathischer<br />

Fähigkeiten (Fisher et al., 2010).<br />

Nach Ogawa & Takahashi (2012) besteht<br />

gar ein Zusammenhang zwischen Rollenspielen<br />

und der Entwicklung sozialer Kognition.<br />

Im Rollenspiel regulieren die<br />

Kinder ihre Emotionen und müssen lernen,<br />

diese angemessen zu verbalisieren.<br />

Ferner integrieren sie imaginäre Inhalte<br />

und verfolgen eigene Ziele und Pläne, was<br />

eine kognitive Leistung darstellt. Somit<br />

kann zusammenfassend festgehalten werden,<br />

dass das Rollenspiel von grosser Bedeutung<br />

für die sprachliche und kognitive<br />

Entwicklung sowie insbesondere auch für<br />

die sozioemotionale Entwicklung ist.<br />

Burgen und Türme<br />

Konstruktionsspiele ermöglichen die Beschäftigung<br />

mit Material im vertikalen<br />

und horizontalen sowie später im dreidimensionalen<br />

Bauen. Dieses Bauen kann<br />

alleine oder mit Spielpartnern stattfinden<br />

und trainiert das räumliche Denken und<br />

könnte dadurch einen positiven Einfluss<br />

auf mathematische Leistungen haben<br />

(Einsiedler, 1999; Hughes, 2010). Ferner<br />

wird beim Bauen oft das Material sortiert<br />

und klassifiziert, was grundlegende Fähigkeiten<br />

schult.<br />

Wer sich das Spielverhalten im Kindergarten<br />

anschaut, wird schnell feststellen,<br />

dass oft gleichgeschlechtliche Spielpartner<br />

zusammen spielen und es geschlechtstypische<br />

Materialien und Spielorte gibt<br />

(Hughes, 2010). Buben sind eher in der<br />

Bauecke vertieft und Mädchen spielen<br />

häufiger in der Familienecke oder malen<br />

(Einsiedler, 1999). Pellegrini & Bjorklund<br />

(2004) stellen fest, dass Mädchen häufiger<br />

und länger im Rollenspiel verweilen und<br />

komplexere Spielthemen entwickeln. Dadurch,<br />

dass Buben vermehrt Konstruktionsspiele<br />

und Mädchen eher Rollenspiele<br />

wählen, werden räumliche, mathematische<br />

Aufgaben vermehrt von Buben und<br />

sprachliche und sozioemotionale Bereiche<br />

eher im Spiel der Mädchen geübt (Hughes,<br />

2010). Da das Spielverhalten der Kinder in<br />

Wechselbeziehung mit ihrer sozialen und<br />

räumlichen sowie materiellen Umwelt<br />

steht, sollte versucht werden, die sozialen<br />

Interaktionen zwischen den Geschlechtern<br />

durch bewusst gestaltete Settings zu<br />

ermöglichen. In der explorativen Studie<br />

von Mayer, Bernhard und Peters (2013)<br />

wurden die Auswirkungen von Spielumwelten<br />

auf das Spielverhalten der Ge-<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

25


FOKUS ▶ SPIEL<br />

schlechter und deren Entwicklung untersucht.<br />

Die typischen Spielbereiche wurden<br />

geschlechtsneutraler umgestaltet und<br />

zusammengelegt. Nach der Raumumgestaltung<br />

wurde signifikant mehr gemeinsam<br />

gespielt und die Geschlechterunterschiede<br />

waren kaum mehr zu beobachten.<br />

Die Buben verbesserten ihre sozioemotionalen<br />

Kompetenzen und die Mädchen ihr<br />

räumliches Denken (ebd., 2013).<br />

In der nachfolgenden Tabelle werden die<br />

unterschiedlichen Spielformen und ihre<br />

Auswirkungen dargestellt.<br />

Zeigen Kinder im Spielverhalten Vermeidungstendenzen,<br />

stellt sich die Frage,<br />

woran dies liegen könnte. In der Tabelle<br />

mit den Spielformen und deren Auswirkungen<br />

wird sichtbar, dass es durch<br />

Vermeidungstendenzen aufgrund von<br />

Schwierigkeiten, z.B. in der emotionalen<br />

Wahrnehmung, zu mangelnden Sozialund<br />

Sprachkompetenzerfahrungen kommen<br />

dürfte. Dies wiederum könnte zur<br />

verstärkten Isolation führen. Deshalb<br />

sollten Kinder im Spiel Erfahrungsräume<br />

bekommen, die es ihnen ermöglichen,<br />

mit anderen Kindern zu interagieren. Viele<br />

Kinder mögen Routinen und Rituale im<br />

Kinder(garten)alltag, welche ihnen Sicherheit<br />

geben, um Neues entdecken oder<br />

auf andere zugehen zu können. ■<br />

Literatur<br />

Einsiedler, W. (1999). Das Spiel der Kinder. Bad<br />

Heilbrunn: Klinkhardt, 3. Auflage.<br />

Hughes, F. (2010). Children, Play, and Development.<br />

SAGE Publications.<br />

Ogawa, M. & Takahashi, N. (2012). The developmental<br />

relationship between role play, pretend<br />

play, and theory of mind in young<br />

children. Japanese Journal of Developmental<br />

Psychology, 23 (1), 85–94.<br />

Fisher, K.; Hirsh-Pasek, K.; Golinkoff, R.; Singer,<br />

D. & Berk, L. (2010). Playing Around in<br />

School: Implications for Learning and Educational<br />

Policy. The Oxford Handbook of<br />

the Development of Play, 341–353.<br />

Mayer, M.; Bernhard C. und Peters, A. (2013).<br />

Spielumwelten im Kindergarten: Auswirkungen<br />

auf Geschlechterunterschiede in<br />

Spielverhalten und Kompetenzentwicklung.<br />

Frühe Bildung, 2 (4), 185–195.<br />

Stamm, M. (2014). Frühförderung als Kinderspiel.<br />

Ein Plädoyer für das Recht der Kinder<br />

auf das freie Spiel. Dossier 14/5. Online:<br />

http://www.netzwerk-kinderbetreuung.<br />

ch/files/KWPYLNA/stamm_2014_<br />

dossier_spiel.pdf (abgefragt am 08.06.15).<br />

Pellegrini, A. P. & Bjorklund, D. F. (2004). The<br />

ontogeny and phylogeny of children’s object<br />

and fantasy play. Human Nature, 15 (1),<br />

23–43.<br />

Spielformen Auswirkung von häufigem Spielen Auswirkung von seltenem (fehlendem) Spielen<br />

Bewegungsspiele – Training körperlicher Funktionen (Kraft, Ausdauer,<br />

Geschicklichkeit etc.)<br />

– Aggressionskontrolle und Beziehungsaufbau<br />

(z.B. beim Herumbalgen)<br />

– Motorische Ungeschicklichkeit<br />

– Tendenz zu Übergewicht<br />

– Isolation, Ängste<br />

Funktionsspiele<br />

Konstruktionsspiele<br />

Rollenspiele<br />

– Phänomene erfassen<br />

– Sensomotorische und taktile Erfahrungen<br />

– Technischer, künstlerischer und handwerklicher<br />

Kompetenzerwerb<br />

– Mengen erfassen und kategorisieren<br />

– Räumliche Beziehungen erfassen<br />

– Handlungsabläufe planen<br />

– Sprachlicher und sozialer Kompetenzerwerb<br />

(auch emotionale Intelligenz)<br />

– Gefühlskontrolle<br />

Tabelle 1: Spielformen und ihre Auswirkungen (adaptiert nach Stamm, 2014)<br />

– Wenige bis keine Experimentiererfahrungen<br />

– Wenige motorische, taktile Erfahrungen u.a. in<br />

der Aug-Hand-Koordination<br />

– Mangelhafte feinmotorische Fähigkeiten<br />

– Fehlende Erfahrungen im Sortieren<br />

– Mangelhafte Sprach- und Sozialkompetenzen bis<br />

hin zu Einsamkeit oder Isolation<br />

26 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Batman Arkham Knight © Warner Bros. Interactive<br />

Das ist ja wie im Film ...<br />

Moderne Computerspiele haben mit ihren Vorfahren Pac-Man oder Space Invaders etwa<br />

so viel gemeinsam wie ein TGV mit einem Trottinett. Kein Wunder, dass Games wenigstens<br />

kommerziell die Spielfilme bereits hinter sich gelassen haben. Aber selbst wenn die<br />

Grenzen zwischen Film und Videogame verschwimmen, wird doch jedes Medium weiterhin<br />

für sich bestehen.<br />

Marc Bodmer, Cyberculturist und Journalist BR<br />

Aus der nasskalten Dunkelheit löst sich ein<br />

Schatten. Lautlos stürzt er in die Tiefe. Die<br />

versammelten Schurken merken erst zu<br />

spät, was ihnen widerfährt. Grau-schwarz<br />

wirft sich Batman ihnen entgegen, duckt<br />

unter Schwingern und Schüssen weg und<br />

teilt Haken aus. Es ist ein fliessendes Ballett<br />

von Kicks und Schlägen. Wenn ich<br />

rechtzeitig reagiere und die korrekten<br />

Tasten drücke, denn ich bin Batman.<br />

«Das ist ja wie im Film ...» entfährt es manchem<br />

Laien, der einen Blick auf «Batman:<br />

Arkham Knight» erhascht, dem finalen<br />

Kapitel der preisgekrönten Arkham-Videospiele-Serie.<br />

Die fortschreitende Digitalisierung<br />

bringt es mit sich, dass Hollywood<br />

und die Game-Industrie sich immer näherkommen.<br />

Vor rund dreissig Jahren betrachteten<br />

die Filmemacher die interaktiven<br />

Emporkömmlinge mit einer Mischung aus<br />

Argwohn und Belustigung. Sie wollten die<br />

pixeligen Figuren wie Super Mario und<br />

Pac-Man, die über den Bildschirm ruckelten,<br />

nicht wirklich ernst nehmen. Das wäre<br />

aber gescheiter gewesen, denn inzwischen<br />

übertrumpft der kleine Bruder von damals<br />

den alten, zumindest was Umsatz und<br />

wachsende Beliebtheit anbelangt: 91 Milliarden<br />

Dollar wird die Game-Industrie gemäss<br />

den Marktforschern von Newzoo <strong>2015</strong><br />

umsetzen. Zum Vergleich: Die gesamte<br />

amerikanische Spielfilmindustrie wird sich<br />

– Kinokasseneinnahmen, Filmverkäufe,<br />

TV-Auswertungen etc. eingerechnet – mit<br />

62 Milliarden Dollar Umsatz zufrieden<br />

geben müssen.<br />

Gemeinsame Bildsprache<br />

Besonders wenn es um Computer Generated<br />

Images CGI, um vom Computer erstellte<br />

Grafiken und Bilder, geht in Animationsfilmen,<br />

aber auch in Action- und<br />

Fantasy-Streifen, dann bekommt man<br />

den Eindruck, dass sich die Medien Film<br />

und Videospiel vereinen. Tatsächlich<br />

kommen in gewissen Bereichen ähnliche<br />

Technologien zur Anwendung. Im Animationsfilm<br />

werden dank der verbesserten<br />

Rechenleistungen vermehrt Echtzeitwerkzeuge<br />

eingesetzt. In Computerspielen<br />

wird verstärkt auf eine cineastische Bildsprache<br />

gesetzt. Nicht zuletzt deshalb sind<br />

immer öfter Kameraleute aus Hollywood<br />

beratend in Game-Studios zugegen.<br />

Doch während beim Spielfilm einzig die<br />

Vision des Regisseurs umgesetzt werden<br />

muss und diese dann in bestmöglicher<br />

Qualität während Monaten von Hochleistungscomputern<br />

errechnet wird, sind bei<br />

einem Videospiel die Perspektiven der<br />

grafischen Darstellung abhängig vom<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

27


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Spieler. Es reicht also nicht, dass eine Figur<br />

von einer Seite toll aussieht in einem<br />

Game. Sie muss rundum ausgearbeitet<br />

sein und in Echtzeit dargestellt werden<br />

können, schlüpft doch der Spielende gewissermassen<br />

in die Rolle des Regisseurs<br />

und führt den Avatar nach seinem Gutdünken<br />

durch die virtuelle Umgebung.<br />

Unterschiedliche Nutzung<br />

Es ist auch dieser Umstand, der die Befürchtungen<br />

mancher Kinofans ins Leere<br />

laufen lässt, dass Videospiele einst den<br />

Film verdrängen werden. So wenig wie die<br />

Birne den Apfel vom Markt gejagt hat, so<br />

unwahrscheinlich ist es, dass Games den<br />

Kinomarkt kannibalisieren werden. Seit<br />

wir ums Lagerfeuer hocken, lieben wir es,<br />

Geschichten zu erzählen und vor allem<br />

erzählt zu bekommen. Das macht Hollywood<br />

immer noch besser als die Game-<br />

Industrie, auch wenn Letztere in den<br />

vergangenen Jahren grosse Fortschritte<br />

gemacht hat. Film ist ein klassisch narratives<br />

Medium und eignet sich perfekt, um<br />

einen Spannungsbogen aufzubauen. Aber<br />

er gibt ein Diktat vor, dem die Konsumenten<br />

zu folgen haben. Letztere haben keinen<br />

Entscheidungs- oder Handlungsspielraum,<br />

sind nicht frei, rechts oder links zu<br />

gehen, sondern müssen einfach Folge<br />

leisten. Dieser Umstand qualifiziert Film<br />

als so genanntes «lean back»-Medium,<br />

das eben entspannt im Sessel hängend<br />

genossen werden kann, während Games<br />

als «lean forward»-Medium eine Partizipation<br />

– nicht selten in angespannter<br />

Körperhaltung – erfordern. Ohne das<br />

Zutun des Spielenden geschieht nichts im<br />

Computergame und längst nicht alle mögen<br />

in der feierabendlichen Entspannung<br />

selber Hand anlegen.<br />

Batman Arkham Knight © Warner Bros. Interactive<br />

Passendes Medium finden<br />

Nichtsdestotrotz ist der Traum vom interaktiven<br />

Film lebendiger denn je. So wurde<br />

am diesjährigen Call for Projects: Swiss<br />

Games der Schweizer Kulturstiftung Pro<br />

Helvetia das innovative Projekt «CtrlMovie»<br />

eingereicht, das mit richtigen Schauspielern<br />

einen Krimi präsentiert, dessen<br />

Verlauf der Geschichte durch die Entscheidungen<br />

des Nutzers bestimmt wird. Während<br />

frühere Versuche zu unbefriedigenden<br />

Resultaten führten, verfügt «CtrlMovie»<br />

dank der heutigen Technologie und<br />

Halo 5 Guardians © Microsoft Studios<br />

28 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ SPIEL<br />

raffinierteren Erzählweise über ein grosses<br />

Potenzial.<br />

Doch den Atem anzuhalten, bis die grosse<br />

Welle von interaktiven Filmen heranrollt,<br />

ist keine gute Idee. So verlockend die Vorstellung,<br />

einen eigenen Film mitzugestalten,<br />

so angenehm ist es, einfach nichts zu<br />

tun. Auf Letzteres setzt dank ihres gewachsenen<br />

Einflusses die Game-Industrie.<br />

Prominente Verlage wie Ubisoft, Electronic<br />

Arts und Microsoft bringen ihre<br />

Bestseller wie «Assassin‘s Creed», «Need<br />

for Speed» oder «Halo» auf die Leinwand<br />

oder packen sie in TV-Serien. Dabei geht<br />

es nicht einfach um eine filmische Inszenierung<br />

eines Spielinhalts, sondern um<br />

ergänzende Elemente, die zum gesamten<br />

Storyverse gehören. So schlägt beispielsweise<br />

die von «Gladiator»-Regisseur Ridley<br />

Scott produzierte TV-Serie «Halo:<br />

Nightfall» eine narrative Brücke zwischen<br />

Teil 4 und 5 der Spielserie und trägt so<br />

zum Gesamterlebnis des Halo-Epos bei.<br />

Der oben geschilderte Ansatz wird unter<br />

dem Begriff «Transmedia» zusammengefasst,<br />

wo die verschiedenen medialen Inhalte<br />

wie Puzzlestücke eines grossen<br />

Ganzen ineinandergreifen, aber für sich<br />

alleine bestehen und genossen werden<br />

können. Ob Buch, Film, Game oder Comic,<br />

die darin erzählten Geschichten gehören<br />

zu einem Storyverse, einem narrativen<br />

Universum, dessen Grenzen immer<br />

fliessender werden. Doch der mediale<br />

Unterhaltungskanon und seine Ausdrucksformen<br />

bleiben bestehen. Entscheidend<br />

ist, für den jeweiligen Inhalt das am<br />

besten passende Medium zu finden. Steht<br />

die Geschichte und die hintergründige<br />

Ausgestaltung der Figuren im Vordergrund,<br />

so gewinnt das Buch die Wahl.<br />

Während der Spielfilm als audio-visuelles<br />

Erzählmedium besticht. Doch bei (Inter-)<br />

Action haben Games klar die Nase vorn.<br />

Sie machen die Geschichte zum Erlebnis<br />

und den Spielenden zum Helden, zum<br />

Superhelden, zu Batman. ■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

29


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Spiel und Therapie zugleich<br />

Kreatives Schaffen in all seinen Formen gehört seit längerem zum Bestand therapeutischer<br />

Massnahmen. Dass die Resultate einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden, ist<br />

hingegen nicht alltäglich. In Basel setzten Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung<br />

gemeinsam mit professionellen Schauspielern ein spezielles Theaterprojekt um.<br />

Fidelio Lippuner, Musiker und Theaterschaffender<br />

Prolog<br />

«ELFe (11e – ein Schreibprozess)» war ein<br />

Theaterprojekt zum Thema psychische<br />

Beeinträchtigung. Die Uraufführung fand<br />

am 20. November 2013 im Foyer des<br />

Schauspielhauses Basel statt. Mitwirkende<br />

waren Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen,<br />

welche in einem Angebot<br />

des Vereins Mobile Basel wohnen, sowie<br />

professionelle Schauspielerinnen und<br />

Schauspieler und Tänzer des Theaters<br />

Basel. Die Teilnehmenden konfrontierten<br />

sich und das Publikum mit den gesellschaftlichen<br />

Normen und Werten, indem<br />

sie fragten: «Was ist ‹normal›? Was ist<br />

‹anormal›»?<br />

Unter agogischer und künstlerischer Begleitung<br />

wurde im Rahmen von Workshops,<br />

Proben und schliesslich der Theateraufführung<br />

an dem Thema Umgang<br />

mit psychischen Beeinträchtigungen gearbeitet.<br />

Es entstand ein spannendes und<br />

spartenübergreifendes Projekt für Profis<br />

und Amateure, für Schauspieler und Tänzer.<br />

1. Akt: Entstehung<br />

Eine Bewohnerin des Vereins Mobile Basel<br />

schreibt seit vielen Jahren Prosa und Lyrik.<br />

In ihren Texten beschäftigt sie sich mit<br />

ihren Gefühlen und ihren Beobachtungen<br />

im Umgang mit psychischen Beeinträchtigungen.<br />

Ihre Arbeiten haben mich sehr<br />

berührt; mir gefielen ihre eindringliche,<br />

deutliche Sprache und die unerwartete,<br />

überraschende Leichtigkeit der Texte. Ausschlaggebend<br />

für das Projekt war die Absicht<br />

der Autorin, ein Thea terstück zu<br />

schreiben. Ich fand diese Idee sehr spannend<br />

und brachte meine Gedanken mit<br />

ein. In Absprache mit ihr versetzte ich die<br />

Handlung in eine andere Zeit und ergänzte<br />

das Stück mit Lyrik und Prosa aus den<br />

Werken der Autorin. So entstand ein spannender<br />

Bühnenstoff, der nicht so sehr auf<br />

die psychische Beeinträchtigung, sondern<br />

stärker auf allgemeinmenschliche Kon-<br />

30 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ SPIEL<br />

flikte fokussiert. Ich war überzeugt, dass<br />

der Inhalt jedermann in irgendeiner Form<br />

betrifft. Die Idee für ein übergreifendes<br />

Projekt war geboren: Die Rollen sollten<br />

professionellen Schauspielern und Tänzern<br />

sowie Bewohnern von Mobile Basel<br />

angeboten werden.<br />

2. Akt: Werkinhalt<br />

Das Stück beginnt mit einem Sommerfest.<br />

Unter den Gästen befindet sich eine<br />

42-jährige Frau, die sich im lockeren Bekanntenkreis<br />

amüsiert und unterhält. Im<br />

Laufe des Festes fühlt sie sich jedoch zunehmend<br />

unwohl und zieht sich schliesslich<br />

zurück. Damit beginnt ein Prozess,<br />

der sie in die vollständige Isolation führen<br />

wird. Sie ist nicht mehr gesellschaftsfähig.<br />

Ihr Lebenselixier, das Schreiben, wird für<br />

sie zur Sucht und Flucht vor der Wirklichkeit.<br />

Ihre Familie akzeptiert dieses Verhalten<br />

nicht und versucht, Einfluss auf sie zu<br />

nehmen. Alte Geister der Vergangenheit<br />

– wurzelnd in einer schwierigen Familienkonstellation,<br />

die aber nie konkret<br />

benannt wurde – kehren zurück. Was<br />

muss geschehen, damit sich ihre Lebenssituation<br />

verändert? Sie stellt sich den<br />

unbearbeiteten Themen der Vergangenheit<br />

und beginnt, die Muster ihres familiären<br />

Umfeldes und ihre eigenen aufzubrechen.<br />

In einer leisen und doch explosiven<br />

Öffnung ihrer Persönlichkeit sprengt sie<br />

ihre eigenen und die familiären Fesseln<br />

und beschreitet einen neuen Weg.<br />

3. Akt: Umsetzung<br />

Rollenbesetzungen: In erster Linie waren<br />

alle Betreuten von Mobile Basel angesprochen,<br />

die sich künstlerisch betätigen wollten.<br />

Einige Teilnehmende verfügten bereits<br />

über eine gewisse Sicherheit und<br />

Selbständigkeit im kreativen Schaffen,<br />

andere wollten diese Fähigkeit bei sich<br />

entdecken. Das Projekt sollte für möglichst<br />

viele psychisch Kranken nutzbar<br />

sein, deshalb war der Einstieg ins Projekt<br />

einfach zugänglich gestaltet. Eine konfrontative<br />

Agogik seitens der künstlerischen<br />

Leitung setzte auf die Auseinandersetzung<br />

mit problematischen Situationen,<br />

um mit diesen konstruktiver umzugehen<br />

als bis anhin. Die Teilnehmenden wurden<br />

durch die inhaltliche Vorgabe des Stückes<br />

mit einer Problematik konfrontiert, von<br />

welcher sie auch selber betroffen sein<br />

konnten. Die Auseinandersetzung auf der<br />

theatralischen Ebene und unter agogischer<br />

Anleitung ermöglichte es ihnen, sich<br />

neuen Erfahrungen mittels eines geschützten<br />

künstlerischen Wegs anzunähern.<br />

Die damit verbundenen Persönlichkeitsentwicklungen,<br />

die Herausforderungen<br />

und die Erfolgserlebnisse sowie<br />

möglicherweise auch das Scheitern, persönliche<br />

Rückschläge und die Überwindung<br />

von Phasen kreativer Widerstände,<br />

bewirkten viel bezüglich Selbsterfahrungen<br />

und Selbsterkenntnis. Diese Erfahrungen<br />

hinterliessen bei allen Teilnehmenden<br />

einen bleibenden Eindruck. Ich<br />

denke, dass einzelne Mitmachende dank<br />

des Projekts bei der Bewältigung von alltäglichen<br />

Krisen gestärkt worden sind,<br />

was sich insgesamt stabilisierend für den<br />

weiteren Lebensweg auswirkte.<br />

4. Akt: Rückblick<br />

Die Auseinandersetzung mit den hier geltenden<br />

gesellschaftlichen Normen, den<br />

alltagssprachlichen Begriffen «normal/<br />

anormal» beschäftigen mich seit vielen<br />

Jahren und sind für mich immer wieder<br />

sehr präsent: Welcher Weg ist der richtige?<br />

Was braucht es, um selbstverantwortlich<br />

sein Leben gestalten zu können? Wie gehen<br />

wir mit Menschen mit einer Beeinträchtigung<br />

um?<br />

Das Stück «ELFe» setzte sich mit solchen<br />

und weiteren Fragen auseinander: Wann<br />

weiss ich, dass ein nächster Schritt ansteht,<br />

und wie sieht er aus? Wer hilft mir<br />

dabei? Wer oder was hindert mich daran?<br />

Soll ich den Schritt wagen?<br />

Meine persönliche Auseinandersetzung<br />

mit ähnlichen Lebensthemen erlaubten<br />

mir – mit dem Einverständnis der Autorin<br />

– eigene Erfahrungen in das Werk einzubringen.<br />

Dadurch entstand ein Prozess<br />

mit dem Ziel, neue Wege zu gehen und<br />

Alternativen aufzuzeigen.<br />

Weshalb entstand die Idee, das Stück mit<br />

Laiendarstellern von Mobile Basel, die sich<br />

selber in einer ähnlichen Situation befinden,<br />

wie die Hauptfigur, aufzuführen?<br />

Diese Entscheidung basierte auf folgenden<br />

Überlegungen: Einerseits wollte ich ein<br />

authentisches und künstlerisch wertvolles<br />

Stück auf die Bühne bringen. Den Darstellern<br />

sollten weder Rollen «übergestülpt»<br />

noch sollten sie «ausgestellt» werden.<br />

Andererseits entstand für die Beteiligten<br />

die Chance, sich mit ihrer Problematik<br />

«spielerisch» zu befassen und durch diese<br />

Arbeit vielleicht einen anderen Zugang zu<br />

sich selbst zu finden. Das Spielerische,<br />

auch vermittelt durch professionelle<br />

Schauspieler und Tänzer, sollte Fähigkeiten<br />

freilegen, welche das Selbstwertgefühl<br />

stärken. Das Werk behandelte nicht die<br />

Täter-Opfer-Situation, sondern die Vergebung<br />

und das Loslassen. Am Schluss wurde<br />

bewusst offen gelassen, ob der gewählte<br />

Weg der richtige ist. Doch vielleicht<br />

konnte dieser Weg Blockaden lösen und<br />

einen nächsten Schritt ermöglichen. Ich<br />

bin im Nachhinein überzeugt, dass dies<br />

bei einigen Menschen eingetroffen ist. Zu<br />

Beginn des Projekts war es für mich ein<br />

zentrales Anliegen, den persönlichen Hintergrund<br />

dieser Menschen nicht zu kennen,<br />

um unbeeinflusst auf die Teilnehmenden<br />

zugehen zu können. Mir war<br />

bewusst, dass zu viel Hintergrundwissen<br />

die Beziehungsebene und die gemeinsame<br />

Arbeit behindern würde. So entstanden<br />

Begegnungen mit einem positiven Energiefluss,<br />

und ich wurde dadurch persönlich<br />

sehr bereichert.<br />

Epilog<br />

Nach der erfolgreichen Aufführung von<br />

ELFe kam von Seiten der Teilnehmenden<br />

des Vereins Mobile der Wunsch, weiterzumachen.<br />

Sie möchten ein eigenes Stück<br />

basierend auf ihren Ideen schreiben und<br />

umsetzen, was ich sehr begrüsse und gerne<br />

unterstütze. Seit Sommer 2014 leite ich<br />

einen Workshop, in welchem wir gemeinsam<br />

eine neue Stückfassung schreiben<br />

mit dem Ziel, das Ergebnis im Herbst 2016<br />

zur Aufführung zu bringen. Das Stück<br />

beschäftigt sich mit dem Thema Ausgrenzung<br />

oder eben dem Wunsch, diese nicht<br />

mehr erleben zu müssen und in unserer<br />

Gesellschaft akzeptiert und aufgenommen<br />

zu werden wie ein «normaler»<br />

Mensch. Mit dieser Philosophie machen<br />

wir uns auf den Weg ... ■<br />

Kontakt und Informationen:<br />

www.fideliolippuner.ch<br />

Danksagung<br />

Ein grosser Dank für die pädagogische<br />

und textliche Mitarbeit sowie die tägliche<br />

Unterstützung für meine Arbeit<br />

geht an Thekla Michel (Sozialarbeiterin<br />

/Sozialpädagogin).<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

31


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Ohne «Spiel» keine Entwicklung<br />

Womit spielten Kinder vor gut 40 000 Jahren? Und wie verbrachten Erwachsene ihre «Freizeit»?<br />

Angesichts der aus heutiger Sicht kurzen Lebenserwartung und der harschen Lebensbedingungen<br />

ist man verlockt zu denken, so etwas habe es damals kaum oder gar nicht gegeben. Funde jedoch<br />

zeigen, dass auch für die steinzeitlichen Menschen Leben weit mehr war als reines Überleben.<br />

Dr. Beate Maria Pomberger, Musikarchäologin und Sängerin, Wien<br />

Stellt man sich die Fragen nach «Spiel»<br />

und «Freizeitgestaltung» in prähistorischen<br />

Epochen, so dürften Begriffe wie<br />

«Arbeit» und «Freizeit» für die Lebensweise<br />

steinzeitlicher Menschen nicht passend<br />

sein, denn diese waren vor allem<br />

Jäger und Sammler, später Bauern. Es<br />

wird einen gleitenden Übergang von überlebensnotwendigen<br />

Tätigkeiten, die wir<br />

heute als «Arbeit» bezeichnen, zu nicht<br />

lebensnotwendigen Tätigkeiten, die wir<br />

mit Musse, Hobby und Freizeit verbinden,<br />

gegeben haben.<br />

In Epochen, von denen Artefakte und Befunde<br />

zeugen, aber keine schriftlichen<br />

Zeugnisse vorhanden sind, ist das Thema<br />

zunächst einmal schwer fassbar und erfordert<br />

eine intensive Spurensuche.<br />

Spiel – Musik –<br />

Tanz – Kunst<br />

Betrachtet man Spiel als einen «… Verhaltensbereich<br />

bei Mensch und Tier, der<br />

dadurch gekennzeichnet wird, dass die<br />

spielerische Aktivität eigenen, von allem<br />

anderen Verhalten abgegrenzten<br />

Regeln folgt, sich frei von Zwang vollzieht<br />

und damit für den Menschen einen<br />

Bereich der Freiheit und Offenheit<br />

Abb. 1: Bär – Dolní Vˇ estonice, Tschechien<br />

individuellen Handelns erschliesst …»<br />

und wird «… Spiel als ein schöpferisches<br />

Organisationsprinzip der Natur und<br />

der gesamten Evolution gesehen …» 1 ,<br />

so ist es durchaus möglich, Aussagen über<br />

urzeitliche Epochen zu tätigen. Der Philosoph<br />

Mircea Eliade ist der Auffassung:<br />

«… Lässt man einen sehr grossen Teil<br />

der Geschichte des menschlichen Geistes<br />

unerforscht, so begünstigt man die Vorstellung,<br />

während dieser Zeit habe sich<br />

die Aktivität des Geistes lediglich auf die<br />

Bewahrung und Weitergabe von Technologien<br />

beschränkt. Eine solche Auffassung<br />

ist nicht nur irrig, sondern sie<br />

ist auch verhängnisvoll hinsichtlich der<br />

Kenntnisse der Menschen. Der homo<br />

faber war auch ein homo ludens, sapiens<br />

und religiosus …» 2 – darüber<br />

hinaus ein homo musicus, saltans und<br />

artifex. In diesem Sinne lassen sich einige<br />

Aussagen tätigen.<br />

Innovation und Spiel:<br />

Altsteinzeit<br />

Vor ca. 43 500 Jahren wanderte der moderne<br />

Mensch nach Mitteleuropa in eine<br />

kalte Steppenlandschaft ein 3 . Kleine Menschengruppen<br />

lebten in Höhlen, unter<br />

Abris, in Freilandstationen. Sie bestritten<br />

ihren Lebensunterhalt durch jägerischsammlerische<br />

Tätigkeiten. Durch die<br />

neue Klingentechnik war es ihnen möglich<br />

geworden, eine Feuersteinknolle optimal<br />

zu nutzen und viele, feinere Werkzeuge<br />

wie Spitzen, Bohrer, Stichel, Schaber<br />

und Kratzer zu erzeugen. Damit liessen<br />

sich wiederum Knochenspitzen,<br />

Nähnadeln, Haken aus Knochen und<br />

Geweihen wie auch Holzgeräte herstellen.<br />

Man jagte mit dem Speer, mit Harpunen<br />

und wahrscheinlich auch mit dem Jagdbogen<br />

4 . Die Speerschleuder verlieh dem<br />

Wurf eine grössere Reichweite. War man<br />

nicht mit Nahrungssuche beschäftigt,<br />

widmete man sich wohl dem Ausbessern<br />

der Ausrüstung, dem Flechten von Behältnissen,<br />

dem Nähen der Kleidung, oder<br />

eben «spielerischen» Tätigkeiten. So<br />

konnten neue Erfindungen entstehen,<br />

Kleider verziert, Schmuck aus Tierzähnen,<br />

Molluskenschalen, Steinplättchen, Knochenstücken<br />

und Elfenbein kreiert und<br />

geschnitzt werden 5 . Die Venusfiguren des<br />

Gravettien 6 , z.B. aus Sandstein, wie die<br />

Venus von Willendorf, Österreich 7 , oder<br />

aus Elfenbein, wie die Venus vom «Hohle<br />

Fels», Deutschland 8 , aber auch aus gebranntem<br />

Lösslehm, wie die Venus von<br />

Dolní Vˇ estonice, Tschechien 9 , sind offensichtlich<br />

Produkte von «Freizeit». Auf<br />

letzterer sind noch die Fingerabdrücke der<br />

ca. 14-jährigen künstlerisch begabten<br />

Person zu sehen, die die beeindruckende<br />

Figurine hergestellt hat 10 . Die Statuetten<br />

werden unter anderem auch als Puppen/<br />

Figuren für rituelle Zwecke gedeutet 11 .<br />

Kleine aus Lösslehm geformte und im<br />

Feuer gehärtete Tierfiguren, wie die Löwen,<br />

Bären (Abb. 1), Mammuts, Nashörner<br />

oder Wildrinder aus Dolní Vˇ estonice,<br />

Tschechien 12 , und Krems-Wachtberg,<br />

Österreich, aber auch Tierfiguren aus Elfenbein,<br />

wie aus der Vogelherdhöhle,<br />

Deutschland 13 , sind bekannt. Diese kleinen<br />

Figuren werden ebenfalls mit Kult in<br />

Zusammenhang gebracht, jedoch haftet<br />

32 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


Abb. 2: Venusfigur von Stratzing, Österreich<br />

ihnen auch ein gewisser Spielzeugcharakter<br />

an.<br />

Formbare, knetbare Masse ist ein faszinierendes<br />

Material und vermutlich haben<br />

künstlerisch begabte Kinder sich dessen<br />

bedient und ihrer Phantasie freien Lauf<br />

gelassen. Faszinierend wird es auch gewesen<br />

sein, zu beobachten, wie aus einem<br />

Stück Elfenbein ein Mammut oder ein<br />

Löwenmensch 14 herausgeschnitten wird.<br />

Mit schwungvollem Strich wurden die<br />

tanzenden Frauen von Gönnersdorf,<br />

Deutschland, sowie diverse Tiere in Steinplatten<br />

geritzt 15 . Hat der Künstler vorher<br />

auf dem Boden die Strichführung geübt<br />

und ausprobiert, wie man dies auch von<br />

Vorzeichnungen für die Höhlenmalerei<br />

kennt? Haben Kinder dies wohl nachgeahmt?<br />

Farben wurden aus gelbem und rotem<br />

Ocker, Hämatit, Graphit, verwittertem<br />

Muschelkalk 16 sowie Holzkohle hergestellt.<br />

Sie dienten der Körperbemalung<br />

und der Malerei auf Felswänden.<br />

Wie lange haben die Künstler der Höhlenbilder<br />

ihre Modelle – Vertreter der damaligen<br />

Fauna sowie Menschen – beobachtet,<br />

versucht, diese möglichst naturgetreu<br />

nachzuzeichnen und zuletzt das Bild auf<br />

einer geeigneten Stelle der Höhlenwand in<br />

Farbe oder Ritzung zu verewigen? Die Bilder,<br />

mit flackerndem Feuer beleuchtet,<br />

werden faszinierend auf Erwachsene und<br />

Kinder gewirkt haben. Welche Geschichten<br />

hat man sich dazu erzählt, welche<br />

Lieder wohl gesungen? Gesang und Tanz<br />

bilden eine harmonische Ureinheit. Ersterer<br />

bewirkt emotionale Gruppenbindung<br />

17 , Letzterer ist belegt durch die «tanzende<br />

Venus vom Galgenberg», Österreich,<br />

eine kleine Steinfigur 18 (Abb. 2), durch die<br />

Steingravuren der schlanken Frauen von<br />

Gönnersdorf, Deutschland 19 , die beiden<br />

«Zauberer» der Höhle von Le Trois-Frères,<br />

aber auch durch die Fussspuren junger<br />

Menschen im Lehmboden von Montespan<br />

20 , Frankreich. Kinder werden mitgesungen<br />

und mitgetanzt haben.<br />

Zur musikalischen Ergötzung dienten<br />

hohe Grifflochflöten aus Vogelknochen,<br />

Mammutelfenbein und Rentierknochen<br />

(Abb. 3), Schrapper aus Knochen und<br />

Holz, Phalangenpfeifen, Schlaginstrumente<br />

aus Knochen, Schwirrblätter, vermutlich<br />

Musikbögen, Rasseln aus Horn<br />

und Korbgeflecht sowie Rahmentrommeln<br />

aus biegsamen Ästen 21 . Einfache<br />

Rasseln – kleine Silexstückchen in der<br />

Abb. 3: Knochenflöte von<br />

Grubgraben, Österreich<br />

hohlen Hand geschüttelt – erklingen hoch<br />

und glasartig. Der Schrei der Eule, nachgeahmt<br />

durch das Spiel einer aus beiden<br />

Händen geformten Gefässflöte, dürfte<br />

altsteinzeitlichen Kindern bekannt gewesen<br />

sein. Die drei Säuglingsbestattungen<br />

aus Krems-Wachtberg, Österreich, geben<br />

keine Aufschlüsse über «Spielzeug», jedoch<br />

wurde den neugeborenen Zwillingen<br />

Ketten aus Elfenbeinperlen mit ins Grab<br />

gegeben 22 .<br />

Kleinkinder werden zunächst die Wohnstätte<br />

«begriffen», mit Steinen, Abschlägen,<br />

Knochen, Hörnern und Hölzern gespielt<br />

haben. Grössere Kinder werden bei<br />

Balgereien ihre Körperkraft, Beweglichkeit,<br />

Ausdauer, schnelles Laufen, Klettern<br />

und Kämpfen ausprobiert haben. Diese<br />

Fähigkeiten sind von Vorteil in einer Umwelt,<br />

die man sich mit gefährlichen Raubund<br />

Beutetieren teilen musste. Früh gelernt<br />

wollen Jagen mit der Lanze und dem<br />

Wurfspeer sowie sämtliche Überlebensstrategien<br />

sein, denn bei einer Lebenserwartung<br />

von durchschnittlich 30 Jahren<br />

musste man schnell auf eigenen Beinen<br />

stehen und auch zur Nahrungsbeschaffung<br />

der Gemeinschaft beitragen. Die<br />

Geschlechtsreife, die zwischen dem 10.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

33


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Abb. 4: Knaben von Sungir, Russland<br />

und 14. Lebensjahr 23 stattfindet, und eine<br />

Initiation werden den Übergang zum Erwachsenendasein<br />

markiert haben. Die<br />

beiden Knaben von Sungir, Russland,<br />

bestattete man mit sämtlichen Waffen<br />

eines Jägers 24 .<br />

Abb. 5: Schweinchenfigur aus Mondsee, Österreich<br />

Innovation und Spiel:<br />

Jungsteinzeit<br />

Ein wärmeres Klima, Sesshaftigkeit, verbunden<br />

mit Ackerbau und Viehzucht,<br />

prägten das Leben der Menschen in der<br />

Jungsteinzeit, deren Lebenserwartung<br />

zwischen 25 und 30 Jahren lag 25 . Werkzeuge<br />

aus Stein und Knochen wurden<br />

weiterentwickelt, Gefässe aus Ton geformt<br />

und gebrannt. Das «Spiel» der Keramikformen,<br />

Verzierungen und Farben änderte<br />

sich die ganze Epoche hindurch. Nicht<br />

nur Erwachsene widmeten sich der Töpferei,<br />

auch Kinder mussten früh das<br />

Handwerk erlernen. Ihre Gefässe sind<br />

durch Unregelmässigkeiten in der Ausformung<br />

und der Verzierung erkennbar 26 .<br />

Aus der spätneolithischen Vuc ˇ edol-Kultur<br />

27 sind Miniaturgefässe erhalten, die<br />

als Kinderspielzeug angesehen werden 28 .<br />

Anthropomorphe und zoomorphe Tonfiguren<br />

treten in etlichen neolithischen<br />

Kulturen auf 29 . Sie werden meist kultisch<br />

gedeutet, könnten jedoch fallweise auch<br />

Kinderspielzeug sein. Auf den in der<br />

Pfahlbausiedlung von Mondsee, Oberösterreich,<br />

entdeckten kleinen Schweinefiguren<br />

wurden Fingerabdrücke von Kindern<br />

festgestellt (Abb. 5) 30 . Die vielen in<br />

Abfallgruben aufgefundenen Tonplastiken<br />

– darunter Schafe und Ziegen – aus<br />

Çatal Hüyük, Türkei, werden neuerdings<br />

als ein auf das Bauerntum vorbereitendes<br />

Spielzeug angesehen 31 . Hatten Kinder<br />

auch mit Figürchen, geflochten aus Stroh,<br />

Zweigen, Gras bzw. aus Holz geschnitzt<br />

gespielt? Ein enges Zusammenleben von<br />

Mensch und Tier bedingt sehr wohl, dass<br />

Kinder auch mit lebenden Jungtieren herumgetollt<br />

haben. In Franzhausen, Österreich,<br />

wurde das Grab eines kleinen Mädchens<br />

aufgefunden, das zwei Gegenstände<br />

aus Knochen in den Armen hielt. Es handelt<br />

sich dabei um einen Metacarpus und<br />

den Schaft eines rechten Femurs von Caproviden.<br />

Beide Stücke werden als «Pupperl»<br />

– es kann angezogen gewesen sein,<br />

denn organische Stoffe erhalten sich normalerweise<br />

nicht im Boden – und «Pfeiferl»<br />

gedeutet (Abb. 6) 32 . Wie uns der Fund<br />

eines kleinen, pfahlbauzeitlichen Jagdbogens<br />

aus Zürich zeigt 33 , will auch der<br />

Umgang mit Pfeil und Bogen ebenso von<br />

früh auf geübt sein. Viel Zeit zum Spielen<br />

gab es dennoch nicht, denn «… Kinder<br />

werden sobald wie möglich in die täglichen<br />

Arbeitsaufgaben Erwachsener<br />

eingebunden, um sie für das künftige<br />

selbstständige Leben auf einem autarken<br />

Bauernhof vorzubereiten … Kinder<br />

haben im Familienbetrieb tatkräf­<br />

34 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ SPIEL<br />

Abb. 6: Mädchengrab Franzhausen IV, Grab 4335, Österreich und der experimentale Nachbau<br />

Abb. 8: Geometrisches Felsbild<br />

Dja’de, Syrien<br />

Abb. 7: Gefässflöte Brunn am Gebirge/Flur<br />

Wolfholz, Österreich<br />

tigst mitgeholfen ...» 34 . Sie werden zum<br />

Beispiel Vieh gehütet, Feldfrüchte geerntet,<br />

Rohmaterial gesucht, Wildfrüchte gesammelt<br />

haben. Hatten Kinder vielleicht geheime<br />

Verstecke, wo sie sich ungestört<br />

treffen konnten? Handwerkliche Tätigkeiten,<br />

bei deren Verrichtung man sich blendend<br />

mit anderen Personen unterhalten<br />

konnte, gab es etliche wie zum Beispiel<br />

Spinnen, Weben, Schnitzen, Töpfern,<br />

Werkzeugherstellung. Man schmückte<br />

sich mit Ketten aus Muschel-, Ton- und<br />

Kalksteinperlen, mit Eberhauern und tönernen<br />

glockenförmigen Anhängern.<br />

Musiziert wurde auf tönernen Gefässflöten<br />

mit Grifflöchern (Abb. 7), auf Flöten<br />

aus Knochen und Holunderholz, mit Keramikglocken,<br />

Tontrommeln und Tonrasseln,<br />

aber auch Pfeiferl und Panflöten<br />

aus Knochen, Keramikhörnern und<br />

Schneckentrompeten 35 sind als Musikinstrumente<br />

in Gebrauch gewesen. Die Gehäuse<br />

von Weinbergschnecken, die ab<br />

dem Frühneolithikum in Mitteleuropa<br />

nachweisbar sind 36 , könnten als Spielzeug,<br />

Schmuck oder Pfeiferl fungiert haben,<br />

ebenso wie auch Schalen der Miesmuschel<br />

als Klanginstrumente dienen<br />

konnten. Die Freude am Tanz wurde<br />

bildlich auf Wandmalereien und Felswänden<br />

festgehalten. Einen ekstatischen Tanz<br />

um den grossen Stier zeigt uns eine Wandmalerei<br />

aus dem Jagdschrein von Çatal<br />

Hüyük 37 . Dazu schlägt ein Tänzer die<br />

Rahmentrommel. Tanzende Figuren mit<br />

hocherhobenen Armen sind aus der<br />

macro schematischen Felsmalerei der Levante<br />

in Spanien bekannt 38 . Szenen eines<br />

Rundtanzes sind auf dem Felsen <strong>Nr</strong>. 3 in<br />

der Valcamonica, Italien, dargestellt 39 .<br />

Verzierte Hüttenwände wie in der mittelneolithischen<br />

Lengyel-Kultur 40 , bunte<br />

Felsbilder aus Dja’de, Syrien 41 (Abb. 8),<br />

oder der spanischen Levante 42 zeugen von<br />

der «Freizeitgestaltung» und Lebensfreude<br />

jungsteinzeitlicher Menschen.<br />

Das Thema ist in diesem Artikel nur<br />

kurz skizziert, aber die ganze faszinierende<br />

Entwicklung der Menschheit beruht<br />

auf Spiel: Neugierde, Entdecken,<br />

Ausprobieren, Kreieren, Innovation.<br />

Forschungen zum Thema Spielzeug in<br />

der Urgeschichte gibt es nur ansatzweise<br />

und der Gegenstand bietet Raum für<br />

künftige Überlegungen und Untersuchungen.<br />

■<br />

Literatur:<br />

E. Altenmüller 2004: Singen – die Ursprache?<br />

Zur Evolution und Hirnphysiologie des Gesanges.<br />

In:<br />

E. Hickmann, R. Eichmann (Hrsg.) Music-Archaeological<br />

Sources: Finds, Oral Transmission,<br />

Written Evidence. Papers from the 3 rd<br />

Symposium of the International Study<br />

Group on Music Archeology at Monastery<br />

Michaelstein, 9–16 June 2002. Studien zur<br />

Musikarchäologie IV, = Orient-Archäologie<br />

14, Rahden/Westfahlen 2004, 3–9.<br />

W. Antl-Weiser 2008: Die Frau von W. – Die Venus<br />

von Willendorf, ihre Zeit und die Geschichte(n)<br />

um ihre Auffindung. Naturhistorisches<br />

Museum, Wien 2008.<br />

O. N. Bader 1970: Das zweite Grab in der paläolithischen<br />

Siedlung Sungir im mittleren<br />

Russland. 1970_10_Bahder_Pdf.<br />

G. Bosinski 1981: Gönnersdorf. Eiszeitjäger am<br />

Mittelrhein. Koblenz 1981.<br />

Brockhaus 2006 (hrsg. von A. Zwar, M. Winkenbach,<br />

J. Weiss): Spiel. Brockhaus. Enzyklopädie.<br />

Bd. 25, Mannheim – Leipzig 2006,<br />

752–756.<br />

N. J. Conard 2009: A female figurine from the<br />

basal Aurignacian of Hohle Fels Cave in southwestern<br />

Germany. Nature 459, 2009,<br />

248–252.<br />

E. Coqueugniot 2014: «Dja'de (Syrie) et les représentations<br />

symboliques au IX e millénaire<br />

cal. BC», in C. Manen, T. Perrin, J. Guilaine<br />

(éd.), La transition néolithique en Méditerranée<br />

(Actes du colloque de Toulouse, 14–15<br />

avril 2011). Archives d’écologie préhistorique,<br />

éditions Errance-Actes Sud, Arles,<br />

91–108.<br />

A. Durmann 1988: Vuc ˇdol – three thousand<br />

years B. C., Zagreb 1988.<br />

N. Ebinger-Rist, C.-J. Kind, S. Wolf, K. Wehrberger<br />

2013: Der Löwenmensch bekommt ein<br />

neues Gesicht. Auffindung und Restaurierung<br />

der Elfenbeinstatuette aus der Stadel-<br />

Höhle im Hohlenstein, Gemeinde Asselfingen,<br />

Alb-Donau-Kreis. Denkmalpflege in<br />

Baden-Württemberg 4 | 2013, 194–200.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

35


FOKUS ▶ SPIEL<br />

M. Eliade 1978: Geschichte der religiösen Ideen.<br />

Band 1: Von der Steinzeit bis zu den Mysterien<br />

von Eleusis. Freiburg-Basel-Wien 1978.<br />

J. Fernández-López de Pablo 2014: Art traditions,<br />

cultural interactions and symbolic contexts<br />

during the Neolithic transition in the Eastern<br />

Iberian Peninsula. In: C. Manen, T.<br />

Perrin, J. Guilaine (éd.), La transition néolithique<br />

en Méditerranée. (Actes du colloque<br />

de Toulouse, 14–15 avril 2011). Archives<br />

d’écologie préhistorique, éditions Errance-Actes<br />

Sud, Arles 2014, 371–403.<br />

A. Fossati, G. Ragazzi 2001: Musik und Tanzdarstellungen<br />

in den Felszeichnungen der Valcamonica<br />

und des Veltlins. In: K. Drexel, M.<br />

Fink (Hrsg.), Musikgeschichte Tirols.<br />

Schlernschriften 315, Innsbruck 2001, 37–<br />

51.<br />

K. Grömer, D. Kern 2010: Technical data and<br />

experiments on corded ware. Journal of Archaeological<br />

Science 37 (2010), 3136–3145.<br />

M. Händel, Th. Einwögerer, U. Simon 2008:<br />

Krems-Wachtberg – A Gravettian Settlement<br />

Site in the Middle Danube Region. Wissenschaftliche<br />

Mitteilungen Niederösterreichisches<br />

Landesmuseum, 19, 91–108, St. Pölten<br />

2008.<br />

M. Händel, U. Simon, Th. Einwögerer, Chr. Neugebauer-Maresch<br />

2009: New Excavationes at<br />

Krems-Wachtberg – Approaching a Well-preserved<br />

Gravettian Settlement Site in the<br />

Middle Danube Region. Quartär 56, Rahden<br />

2009.<br />

D. Kern, W. Lobisser 2010: Pupperl und Pfeiferl<br />

– Zu einer schnurkeramischen Kinderbestattung<br />

von Franzhausen, Niederösterreich.<br />

Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft<br />

in Wien (MSGW) Band 140, 2010,<br />

23–38.<br />

B. Klíma 1991: Ausstellung Mensch und Mammut,<br />

1991, Liestal: Die jungpaläolithischen<br />

Mammutjäger-Siedlungen Dolní Ve ˇstonice<br />

und Pavlov in Südmähren – C ˇSFR :/.Z/ zur<br />

Ausstellung «Mensch und Mammut» im<br />

Museum im alten Zeughaus (Kantonsmuseum<br />

Baselland) in Liestal (Schweiz) 1991/Amt für<br />

Museen und Archäologie des Kantons Baselland<br />

, Basel 1991.<br />

M. Králik, V. Novotný, M. Oliva 2002: Fingerprints<br />

on the Venus of Dolní Ve ˇstonice I. Anthropologie<br />

XL/2, 2002, 107–113.<br />

E. Lenneis, Chr. Neugebauer-Marsch, E. Ruttkay<br />

1999: Jungsteinzeit im Osten Österreichs.<br />

Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich<br />

102/103/104/105, St. Pölten 1999.<br />

J. Mellaart 1967: Çatal Hüyük. Stadt aus der<br />

Steinzeit. Bergisch-Gladbach 1967.<br />

Chr. Neugebauer-Maresch 2008: Galgenberg-<br />

Stratzing/Krems-Rehberg and its 32,000<br />

years old female statuette. Wissenschaftliche<br />

Mitteilungen Niederösterreichisches Landesmuseum<br />

19, St. Pölten 2008, 119–128.<br />

Chr. Neugebauer Maresch, M. Bachner, J. M.<br />

Tuzar 2008: Kammern-Grubgraben. Wissenschaftliche<br />

Mitteilungen Niederösterreichisches<br />

Landesmuseum 19, St. Pölten 2008,<br />

109–118.<br />

Ph. R. Nigst, P. Haesaerts, F. Damblonc, Chr.<br />

Frank-Fellner, C. Mallol, B. Viola, M. Götzinger,<br />

L. Nivena, G. Trnka, J.-J. Hublina<br />

2014: Departments of a Human Evolution<br />

and Evolutionary Genetics, Max Planck Institute<br />

for Evolutionary Anthropology Early<br />

modern human settlement of Europe north<br />

of the Alps occurred 43,500 years ago in a<br />

cold steppe-type environment. PNAS Early<br />

Edition, 2104, 1–6. (www.pnas.org/cgi/<br />

doi/10.1073/pnas.1412201111).<br />

L. Niven 2006: The Palaeolithic Occupation of<br />

Vogelherd Cave. Implications for the Subsistence.<br />

Behavior of Late Neanderthals and<br />

Early Modern Humans. Tübingen 2006.<br />

B. M. Pomberger 2014 – im Druck: Wiederentdeckte<br />

Klänge. Musikinstrumente und<br />

Klang objekte der Epochen Neolithikum,<br />

Bronzezeit, Eisenzeit und römische Kaiserzeit<br />

im Gebiet zwischen der Salzach und<br />

dem Donauknie. Frequenzanalysen, Schallpegelmessungen,<br />

Reichweiten. Unpublizierte<br />

Dissertation Universität Wien 2014 – im<br />

Druck (UPA).<br />

E. Pucher, E. Ruttkay 2006: Votivfiguren oder<br />

Spielzeug-Tierplastiken aus einer Pfahlbausiedlung<br />

im oberösterreichischen Mondsee.<br />

Das Altertum 51, Oldenburg 2001, 229–250.<br />

G. Rosendahl, K.-W. Beinhauer, M. Löscher, K.<br />

Kreipl, R. Walter, W. Rosendahl 2006: Le plus<br />

vieil arc du monde? Une pièce intéressante<br />

en provenance de Mannheim, Allemagne.<br />

L’anthropologie 110, 2006, 371–382.<br />

C. Sachs 1937: World History of the Dance, New<br />

York 1937.<br />

S. Siˇ ska 1995: Dokument o spoloc ˇnosti mlads ˇej<br />

doby kamennej (Saris ˇské Michal’any), Bratislava<br />

1995.<br />

Bildernachweis:<br />

Abb. 1: Bär von Dolní Ve ˇstonice , Foto Don Hitchcock<br />

2008, http://donsmaps.com/dolni.<br />

html, 28.4.<strong>2015</strong>.<br />

Abb. 2: Venusfigur von Stratzing, Alice Schumacher,<br />

NHM Wien; nach Chr. Neugebauer-<br />

Maresch 2008, Fig. 6.<br />

Abb. 3: Knochenflöte von Grubgraben-Kammern;<br />

Foto NÖ Museum für Urgeschichte,<br />

http://insmuseum.com/post/30567819957/<br />

knochenfloete-grubgraben-kammern.<br />

Abb. 4: Knaben von Sungir. https://erlangenwladimir.wordpress.com/tag/walter-leitner/<br />

29.4.<strong>2015</strong>.<br />

Abb. 5: Schweinefigur mit Fingerabdrücken aus<br />

Mondsee; nach Pucher, Ruttkay 2006, 231,<br />

Abb. 1/6480.<br />

Abb. 6: Mädchengrab von Franzhausen, Foto<br />

BDA; nach Kern, Lobisser 2010, 25, Abb.2.<br />

und Abb. 5.<br />

Abb. 7: Gefässflöte Brunn am Gebirge, Niederösterreich;<br />

nach Pomberger, 2014, Abb. 39,<br />

Fototaf. 1/Abb. 1.<br />

Abb. 8: Geometrisches Felsbild Dja’de, Syrien;<br />

nach: Coqueugniot 2014, Fig. 14.<br />

Fussnoten:<br />

1 Brockhaus 2006, Bd. 25, 752<br />

2 Eliade 1978, 20<br />

3 Nigst et al. 2014, 1–6<br />

4 Rosendahl et al. 2006, 371–382<br />

5 Klíma 1991, 20–21<br />

6 Antl-Weiser 2008, 135–161. Das Gravettien<br />

ist die Kultur des mittleren Jungpaläolithikums.<br />

7 Antl-Weiser 2008, 107–117<br />

8 Conard 2009, 248–252<br />

9 Klíma 1991, 22, Abb. 17<br />

10 Králik et al. 2002, 107–113<br />

11 Antl-Weiser 2008, 140, 148<br />

12 Klíma 1991, 21–23, Abb. 16; Händel et al.<br />

2009<br />

13 Niven 2006, 36<br />

14 Ebinger-Rist et al. 2013, 194–200<br />

15 Bosinski 1981, 90–117<br />

16 Händel et al. 2008, 93<br />

17 Altenmüller 2004, 3–9<br />

18 Neugebauer-Maresch 2008, 119–128<br />

19 Bosinski 1981, 108–114, Abb. 114, 115, 116,<br />

117, 118, 119, 120, 121<br />

20 Sachs 1937, 124, 208<br />

21 Pomberger 2014/im Druck<br />

22 Händel et al. 2007, 91–108<br />

23 Erste Hälfte der Phase Juvenil, 13–18/20<br />

Jahre.<br />

24 Bader 1970, 103–105.<br />

25 Mitteilung Maria Teschler-Nicola, Naturhistorisches<br />

Museum Wien, Anthropologische<br />

Abteilung<br />

26 Grömer, Kern 2010, 3144<br />

27 Ausbreitung in Slowenien und Slawonien<br />

28 Durman 1988, 84<br />

29 Lenneis, Neugebauer-Marsch, Ruttkay 1999<br />

30 Pucher, Ruttkay 2006, 229–250<br />

31 http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/<br />

article-1212320/Ancient-figurines-toysmother-goddess-statues-say-experts-<br />

9-000-year-old-artefacts-discovered.html,<br />

22. 4. <strong>2015</strong><br />

32 Kern, Lobisser 2010, 23–38<br />

33 Von Niels Bleicher, Amt für Städtebau der<br />

Stadt Zürich, entdeckt. Mündliche Mitteilung<br />

der Pfahlbaukommission<br />

34 Pucher, Ruttkay 2006, 246<br />

35 Pomberger 2014, 40–89<br />

36 Mitteilung Eva Lenneis, Dozentin, Institut<br />

für Urgeschichte und historische Archäologien,<br />

Universität Wien, Fachgebiet Frühneolithikum<br />

37 Mellaart 1967, 166, Taf. 61, 206<br />

38 Fernández-López de Pablo 2014, 371–404,<br />

Fig. 4<br />

39 Fossati, Ragazzi 2001, 47, 49, Abb. 17<br />

40 Lenneis et al. 1999, 91, Abb. 42/3 und 4<br />

41 Coqueugniot 2014, 91–108, Abb. Fig. 8 und 9<br />

42 Fernández-López de Pablo 2014, 371–404<br />

36 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

FACHSERIE – AKTUELLES AUS DER GYNÄKOLOGIE: POSTMENOPAUSALE HORMONTHERAPIE<br />

Entlastung in wechselhaften Zeiten<br />

Die Menopause ist ein Übergang, der sich über Jahre hinzieht. Bis zu drei Viertel aller Frauen leiden<br />

jahrelang unter Hitzewallungen, Schlafstörungen sowie weiteren physischen und psychischen<br />

Beeinträchtigungen. Wegen der Karzinom- und kardiovaskulären Risiken ist die Hormontherapie<br />

unter Beschuss geraten. Was lässt sich zu Risiken und Nutzen sagen? Gibt es Alternativen?<br />

Prof. Dr. Jürgen M. Weiss, Leiter Reproduktionsmedizin und gyn. Endokrinologie, Kantonsspital Luzern<br />

Die Menopause markiert den Zeitpunkt<br />

ein Jahr nach der letzten Menstruationsblutung.<br />

Das mittlere Menopausenalter in<br />

Europa beträgt rund 51 Jahre. Bis zu drei<br />

Viertel der postmenopausalen Frauen berichten<br />

über klimakterische Symptome.<br />

Nach den neuesten Kriterien des Stages of<br />

Reproductive Aging Workshop (STRAW)<br />

wird die reproduktive Lebensspanne der<br />

Frau in zehn Stadien eingeteilt, von der<br />

Menarche bis zur späten Postmenopause,<br />

die sieben Jahre nach der letzten Menstruation<br />

beginnt (Harlow et al. 2012).<br />

Nach der letzten Periodenblutung werden<br />

alleine noch vier verschiedene Phasen<br />

unterschieden. Dies zeigt, dass es sich bei<br />

der Peri-/Postmenopause um kein einheitliches<br />

abrupt einsetzendes Ereignis<br />

handelt, sondern eher um einen Übergang<br />

in mehreren Phasen. Zunächst werden die<br />

Zyklen unregelmässiger und meist kürzer.<br />

Das FSH steigt an und das Östrogen fällt<br />

ab. Phasenweise werden, meist verbunden<br />

mit Follikelpersistenz, auch hohe Östrogenspiegel<br />

erreicht. Es besteht zudem oft<br />

ein Progesteronmangel.<br />

Frauen mit häufigen vasomotorischen<br />

Symptomen haben durchschnittlich<br />

7,4 Jahre lang klimakterische Beschwerden.<br />

Dies berichtete vor wenigen Monaten<br />

die amerikanische Beobachtungsstudie<br />

Study of Women’s Health Across the Na tion<br />

(SWAN) an 1449 Frauen. Bei denen, die<br />

schon prämenopausal Beschwerden hatten,<br />

halten die Symptome länger an als<br />

bei jenen, die die Probleme erst postmenopausal<br />

bekommen (knapp 12 Jahre vs.<br />

3,4 Jahre) (Avis et al. <strong>2015</strong>). Diese und<br />

andere Daten zeigen, dass klimakterische<br />

Beschwerden ein länger andauerndes und<br />

relevanteres Problem darstellen, als häufig<br />

gedacht wird.<br />

Es sei darauf hingewiesen, dass<br />

für Frauen, die eine vorzeitige<br />

Ovarialinsuffizienz (< 40. Lebensjahr)<br />

erleiden, andere Risikoeinschätzungen<br />

und Aussagen gelten.<br />

Hormontherapie<br />

und Krebs<br />

Mammakarzinom: Dass eine langdauernde<br />

(>5 Jahre) postmenopausale Hormontherapie<br />

zu mehr Brustkrebsfällen<br />

führt, ist schon lange bekannt. Bereits<br />

1997 publizierte die Collaborative Group<br />

diesen Befund im «Lancet». Anfang der<br />

2000er-Jahre wurden die Ergebnisse der<br />

WHI-Studie veröffentlicht (Rossouw et al.<br />

2002), (Anderson et al. 2004). Das neue<br />

an der WHI-Studie war, dass es eine randomisierte,<br />

Placebo-kontrollierte Studie<br />

mit über 16 000 Frauen im Östrogen-<br />

Gestagen-Arm und über 10 000 Frauen im<br />

Östrogen-Arm war. Ins Bewusstsein der<br />

Öffentlichkeit gelangte die Studie auch<br />

dadurch, dass sie in beiden Versuchsgruppen<br />

vorzeitig abgebrochen wurde; bei der<br />

Östrogen-Gestagen-Gruppe 2002, bei der<br />

alleinigen Östrogen-Gruppe 2004. Das<br />

Netto-Gesamtrisiko überwog den Benefit.<br />

Die Hormongabe führt zu einer Zunahme<br />

kardiovaskulärer Ereignisse. Dies war<br />

überraschend, da es in der Studie eigentlich<br />

darum ging, den aus vorangegangenen<br />

Beobachtungsstudien bekannten<br />

positiven Effekt auf das kardiovaskuläre<br />

System nachzuweisen.<br />

Die alleinige Östrogentherapie führte im<br />

Gegensatz zur Östrogen-Gestagen-Kombinationstherapie<br />

zu keinem erhöhten<br />

Brustkrebsrisiko. Die Kombinationstherapie<br />

führt auch zu einer erhöhten Mortalität.<br />

Dies gilt allerdings nur für die getesteten<br />

Substanzen, namentlich konjugiertes<br />

equines Estradiol und Medroxyprogesteronacetat.<br />

Bei allem Hype um die<br />

WHI-Studie sind einige Fakten für deren<br />

Einordnung wichtig:<br />

• Die absoluten Risiken sind gering. So<br />

ist beispielsweise das Risiko, an einem<br />

Mammakarzinom zu erkranken, um<br />

acht Fälle bezogen auf 10 000 Personenjahre<br />

erhöht.<br />

• Die WHI-Studie hat nur zwei Medikamente<br />

getestet: CEE und MPA. Ob die<br />

Ergebnisse auf andere Therapieregime<br />

und Medikamente übertragbar sind, ist<br />

ungeklärt.<br />

• Die getesteten Patientinnen waren im<br />

Mittel 63 Jahre alt.<br />

Ovarialkarzinom: Eine postmenopausale<br />

Hormontherapie erhöht das Risiko für ein<br />

Ovarialkarzinom. Vor allem für endometroide<br />

und seröse Tumore. Eine grosse Analyse<br />

der Collaborative Group on Epidemiological<br />

Studies on Ovarian Cancer aus dem<br />

Jahre <strong>2015</strong> der bislang verfügbaren Daten<br />

zeigt ein relatives Risiko von 1,25 (Östrogentherapie)<br />

bis 1,32 (Östrogen-/Gestagentherapie)<br />

(Collaborative Group <strong>2015</strong>). Die<br />

absolute Risikoerhöhung liegt bei 10 auf<br />

10 000. Erst wenn die postmenopausale<br />

Hormontherapie kürzer als fünf Jahre dauerte<br />

und die letzte Einnahme schon länger<br />

als fünf Jahre zurückliegt, ist das Risiko<br />

nicht mehr erhöht. Für alle anderen zeitlichen<br />

Szenarien findet sich eine Risikoerhöhung.<br />

Es wurden keine verschiedenen Regime<br />

oder Medikamente unterschieden.<br />

Endometriumkarzinom: Eine rezente<br />

Analyse zeigt eine Zunahme des Endometriumkarzinoms<br />

unter einer Östrogen-/<br />

Gestagentherapie (Fournier et al. 2014). Hier<br />

wurde zwischen verschiedenen Gestagenen<br />

differenziert. Eine langdauernde Einnahme<br />

(>5 Jahre) zeigt für mikronisiertes Progesteron<br />

und Dydrogesteron eine Zunahme an<br />

Endometriumkarzinomen, wohingegen<br />

andere Gestagene keine Zunahme zeigten.<br />

Dies steht im Widerspruch zu den Daten der<br />

gleichen französischen Kohortenstudie<br />

(EN3) zum Mammakarzinom. Hier haben<br />

Dydrogesteron und Progesteron ein günstigeres<br />

Profil als synthetische Gestagene.<br />

Wahl des Gestagens in Bezug auf Karzinomrisiko<br />

Derzeit sind die Daten zu verschiedenen<br />

Karzinomen und Gestagenen widersprüchlich,<br />

so dass sich gesamthaft kein<br />

38 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

Vorteil eines bestimmten Gestagens herausarbeiten<br />

lässt.<br />

Fazit<br />

Die postmenopausale Hormontherapie<br />

erhöht das Ovarialkarzinomrisiko und in<br />

bestimmten Kombinationen auch das<br />

Endometriumkarzinomrisiko. Eine konjugierte<br />

Östrogen-/MPA-Therapie erhöht<br />

das Mammakarzinomrisiko, wohingegen<br />

das konjugierte Östrogen alleine zu keiner<br />

Erhöhung des Mammakarzinomrisikos<br />

führt. Die meisten dieser Effekte sind zeitabhängig.<br />

Dauert die Therapie mehr als<br />

fünf Jahre, erhöht sich das Risiko.<br />

Alternativen zur<br />

Hormontherapie<br />

Lebensstiländerung und Sport<br />

Es existiert keine Evidenz, dass eine generelle<br />

Veränderung des Lebensstils und<br />

mehr sportliche Betätigung zu einer Verbesserung<br />

von klimakterischen Beschwerden<br />

führt (Daley et al. Cochrane 2014 und<br />

Daley et al. <strong>2015</strong>).<br />

Pflanzliche Wirkstoffe<br />

Phytoestrogene in Soja (isoflavones), Hops<br />

(Humulus lupulus) black cohosh (Cimicifuga),<br />

St. John’s Wort, Ginseng, Ginkgo<br />

biloba, Rotklee und Dong quai sind alle<br />

vielfach untersucht. Für all diese Substanzen<br />

gilt, dass die Evidenz nicht ausreichend<br />

ist (Lethaby et al. Cochrane 2013;<br />

Leach und Moore Cochrane 2012).<br />

SNRI/Gabapentin<br />

Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer<br />

(SNRI) wie Venlafaxin und Desvenlafaxin<br />

können zur Behandlung von<br />

menopausalen Symptomen eingesetzt<br />

werden. Meist dann, wenn die Hormontherapie<br />

kontraindiziert ist. Andere Daten<br />

zeigen, dass Gabapentin, ein Gammaaminobutyric-acid(GABA)-Analog,<br />

klimakterische<br />

Beschwerden verbessern<br />

kann.<br />

Kürzlich erschien ein RCT zu Venlafaxin.<br />

Dabei wurde Venlafaxin (75 mg/Tag) mit<br />

niedrig dosiertem Estradiol (0,5 mg/Tag)<br />

und einem Placebo verglichen. Das Placebo<br />

senkte die Häufigkeit vasomotorischer<br />

Beschwerden um 28,6%, Venlafaxin<br />

um 47,4% und Estradiol um 52,9%. Venlafaxin<br />

war demnach nahezu äquieffektiv<br />

im Vergleich zu Estradiol (Joffe et al.<br />

2014).<br />

Eine andere Studie an 339 postmenopausalen<br />

Frauen zu Lebensqualität, vasomotorischen<br />

Symptomen und Schlaf zeigte<br />

mit Venlafaxin und Estradiol in gleicher<br />

Dosierung wie bei obiger Untersuchung<br />

einen ähnlich guten Effekt (Caan et al.<br />

2014 und Ensrud et al. <strong>2015</strong>).<br />

Patientinnen nach Brustkrebs bevorzugten<br />

in einer Cross-over-Studie Venlafaxin<br />

gegenüber Gabapentin. Beide senkten die<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

39


PERSPEKTIVEN<br />

Frequenz von vasomotorischen Ereignissen<br />

um zwei Drittel. Das Nebenwirkungsprofil<br />

von Venlafaxin war jedoch günstiger<br />

als das von Gabapentin, weswegen<br />

68 Prozent der Frauen Venlafaxin dem<br />

Gabapentin vorziehen würden (Bordeleau<br />

et al. 2010). Venlafaxine führte vermehrt<br />

zu Unwohlsein, Verstopfung und Appetitverlust,<br />

wohingegen Gabapentin mit<br />

Schwindel und vermehrtem Appetit assoziiert<br />

wurde.<br />

SSRI<br />

Unter den Alternativen zur Hormontherapie<br />

sind die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer<br />

(SSRI) am besten untersucht.<br />

Paroxetin, Escitalopram, Citalopram und<br />

Sertralin senken die Häufigkeit und den<br />

Schweregrad von Hitzewallungen.<br />

In einer RCT führte eine 8-wöchige Behandlung<br />

mit 10 bis 20 mg Escitalopram<br />

im Vergleich zum Placebo zu einer signifikanten<br />

Reduktion von Hitzewallungen<br />

und einer Verbesserung der Lebensqualität<br />

(Carpenter et al. 2012).<br />

Paroxetin in der niedrigen Dosierung von<br />

7,5 mg/Tag wurde im Jahre 2013 von der<br />

FDA zur Behandlung von vasomotorischen<br />

Beschwerden zugelassen. Die Nebenwirkungen<br />

waren: Kopfschmerzen,<br />

Erschöpfung und Unwohlsein. Die Zulassungsstudie<br />

wurde an knapp 1200 Frauen<br />

durchgeführt (Simon et al. 2013).<br />

Paroxetin war gegenüber dem Placebo<br />

signifikant effektiver bei der Reduktion<br />

von Frequenz und Schwere der Hitzewallungen.<br />

Clonidin<br />

Zur Behandlung von Hitzewallungen können<br />

auch Alpha-2-Agonisten, hauptsächlich<br />

Clonidin, eingesetzt werden. Clonidin<br />

ist in einigen Ländern für diese Behandlung<br />

zugelassen. Es kann das Vorkommen<br />

von Hitzewallungen nach drei Monaten<br />

Einnahmezeit reduzieren. So zeigten<br />

Boek hout et al. 2011, dass nach 12 Wochen<br />

Einnahme von 0,1 mg Clonidin die<br />

Hitzewallungen signifikant geringer waren<br />

als bei Einnahme des Placebo.<br />

Fazit<br />

Mit den SSRI und den SNRI stehen Substanzgruppen<br />

zur Verfügung, die in mehreren<br />

RCT ihre Wirksamkeit in der Reduktion<br />

von Hitzewallungen gegenüber<br />

Plazebo demonstriert haben. Das niedrig<br />

dosierte Paroxetin ist auch von der FDA<br />

in dieser Indikation zugelassen. Somit<br />

stellen sie Alternativen zur Hormontherapie<br />

dar. <br />

■<br />

Literatur<br />

Anderson et al. <br />

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40 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

AUS DER «THERAPEUTISCHEN UMSCHAU» *<br />

Der nichtkardiale Thoraxschmerz<br />

Ziel der Arbeit ist eine kurzgefasste Übersicht der klinischen Symptome, Befunde und<br />

Differentialdiagnose von nichtkardialen Thoraxschmerzen. Gezielte Anamnese und klinische<br />

Untersuchung erlauben meist mit hoher Treffsicherheit eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose,<br />

die in der Folge gezielt mit EKG, Laboruntersuchungen und allenfalls einem bildgebenden<br />

Verfahren bestätigt werden kann. Der Text über nichtkardiale Thoraxschmerzen wäre<br />

unvollständig ohne kurze Rekapitulation kardialer Thoraxschmerzen.<br />

Benedikt Horn, Hausarzt i. R., Interlaken<br />

Die Medizin war, ist und bleibt eine aufregende<br />

Herausforderung. Wer sich langweilt,<br />

macht etwas falsch! (Siehe Faustregel<br />

von G. Engel am Schluss der Arbeit).<br />

Der Thoraxschmerz beim<br />

akuten Koronarsyndrom<br />

(AKS)<br />

Der Thoraxschmerz beim akuten Koronarsyndrom<br />

(AKS) manifestiert sich meist<br />

• retrosternal, zu Beginn häufig im Epigastrium,<br />

oft ausstrahlend in Schultern<br />

oder Nacken<br />

• drückend, würgend, oft als vernichtend<br />

empfunden, «jetzt ist gleich Schluss»,<br />

Todesangst<br />

• «stärker als der Patient»: Der Schmerz<br />

zwingt zu körperlicher Ruhe<br />

• abhängig von oder ausgelöst durch körperliche<br />

oder auch psychische Belastung<br />

• vom Patienten nicht mit einem Finger<br />

(punktförmig) sondern mit der Faust<br />

gezeigt<br />

Ätiologisch sind oft mehrere Risikofaktoren<br />

kombiniert (familiäre Belastung,<br />

Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie,<br />

Stress, aktivierte Gerinnung).<br />

Das EKG zeigt eine ST-Hebung (STEMI),<br />

eine ST-Senkung oder es ist (noch) normal.<br />

Die Labor-Parameter (Troponin,<br />

CPK) sind zu Beginn oft noch nicht erhöht!<br />

Da tödliche Komplikationen (Arrhythmien)<br />

zu Beginn am häufigsten<br />

* Der Artikel erschien ursprünglich in der «Therapeutischen<br />

Umschau» (Therapeutische Umschau <strong>2015</strong>;<br />

72 (1): 62–65). <strong>VSAO</strong>-Mitglieder können die «Therapeutische<br />

Umschau» zu äusserst günstigen Konditionen<br />

abonnieren. <br />

Details siehe unter www.verlag-hanshuber.com/vsao.<br />

sind, ist eine notfallmässige Spitaleinweisung<br />

sinnvoll, sofern ein AKS klinisch<br />

wahrscheinlich ist [1].<br />

Perikarditis<br />

Stechende Schmerzen, verstärkt bei Inspiration,<br />

bessern im Sitzen. Retrosternal,<br />

oft ausstrahlend in Rücken, Hals, Schultern.<br />

Ein Perikardreiben muss man «suchen»,<br />

d. h. den Patienten täglich mehrmals<br />

sorgfältig liegend und sitzend auskultieren.<br />

Es beweist die Perikarditis, sagt<br />

aber über die Ursache nichts aus: Dressler-<br />

Syndrom (2 – 5 Tage nach Infarkt oder<br />

Herz-Opera tion), Virusinfekt (inkl. HIV!),<br />

selten bakterielle Infektionen (Borrelliose,<br />

Tbc), Urämie, Neoplasien, Autoimmun,<br />

Bestrahlung.<br />

CAVE! Das Perikard ist nicht dehnbar.<br />

Eine grössere Flüssigkeitsansammlung<br />

führt zur Kompression des Myokards und<br />

zu rasch auftretender und lebensbedrohlicher<br />

Reduktion der Herzleistung (Perikardtamponade).<br />

Transthorakale Echokardiographie!<br />

[3]. Interessant ist die<br />

Therapie der akut-rezidivierenden Perikarditis<br />

mit Colchizin [4].<br />

Bei ambulanten Patienten<br />

ist der nichtkardiale<br />

Thoraxschmerz viel<br />

häufiger als der kardiale<br />

Abklärung im Rahmen einer Kurzhospitalisation<br />

(6 bis 8 Std.) mit Anamnese,<br />

klinischer Untersuchung, EKG, Sonografie,<br />

Röntgen-Thorax und wenigen gezielten<br />

Laboruntersuchungen kostet gerechnet<br />

aktuell über CHF 1000.–, Fallkostenpauschalen<br />

geben ein verzerrtes Bild effektiver<br />

Kosten! Es gilt somit, anhand<br />

einiger aussagekräftiger Kriterien rasch<br />

zu beurteilen, ob eine Hospitalisation<br />

zwingend ist oder nicht. Im Vordergrund<br />

steht (einmal mehr) die Anamnese:<br />

• frühere gleiche oder ähnliche Schmerzepisoden?<br />

Häufigkeit, Dauer, Verlauf?<br />

• Auslösende Faktoren (Bewegung, Essen,<br />

Trauma, psychische Belastung,<br />

Infekt)<br />

Nach wie vor eine der besten Übersichten<br />

findet sich bei [5]. Weist der Patient Zeichen<br />

von Instabilität auf (vergl. unten,<br />

Abschnitt G), muss er notfallmässig hospitalisiert<br />

werden.<br />

A) Die wichtigste Differentialdiagnose<br />

zum AKS stellt die<br />

Aorten-Dissektion dar<br />

An diese muss immer gedacht werden, sie<br />

zu übersehen, kann tödliche Folgen haben.<br />

Es handelt sich um ein schweres, oft<br />

dramatisches Krankheitsbild. Am Beginn<br />

steht ähnlich wie beim akuten Koronarsyndrom<br />

ein heftiger («reissender») Thoraxschmerz,<br />

mit zunehmender Dissektion<br />

wandert der Schmerz gegen Rücken und<br />

Abdomen. AZ schlecht, Patient mit kaltem<br />

Schweiss. BD initial häufig erhöht, später<br />

Radialispuls bei tiefem BD (unter 100) und<br />

wegen Dissektion oft nicht palpabel. 144<br />

alarmieren, Sauerstoff, Venflon, Mo 5 mg<br />

iv, dann «titrieren» (2,5 mg-weise). Ein<br />

gutes Merkblatt gibt es von der Kardiologie<br />

des Kantonsspitals St.Gallen [6].<br />

B) Der Patient erwähnt ein<br />

Trauma: Meist Rippenkontusion<br />

oder Fraktur<br />

CAVE! Meldet sich der Patient trotz heftiger<br />

Schmerzen erst am folgenden Tag, besteht<br />

Verdacht auf ein Alkoholproblem! Es gibt<br />

aber auch «harte Burschen», die nicht<br />

trinken.<br />

• meist Sturz, gelegentlich direkte Gewaltanwendung<br />

(Faust, Fusstritt, Kickboxen<br />

[7])<br />

• Schmerz meist streng lokalisiert, bewegungs-<br />

und atemabhängig<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

41


PERSPEKTIVEN<br />

• von Sonographie und/oder Röntgen-<br />

Thorax profitieren Arzt und Spital häufig<br />

mehr als der Patient, aber unter<br />

Druck von Patient, Arbeitgeber, Versicherung<br />

und Jurist oft nötig<br />

• Schmerzen dauern lange, tags meist<br />

drei, nachts sechs Wochen (Patienten<br />

informieren!)<br />

Therapie: Analgesie grosszügig mit<br />

Paracetamol 3 × 1 gr plus Ibuprofen<br />

3 × 600 mg. Cingulum (Rippengürtel)<br />

subjektiv oft sehr wirkungsvoll: Bei COPD<br />

und Rauchern mehrmals täglich entfernen<br />

und 2 Minuten gegen Widerstand<br />

atmen und husten lassen.<br />

CAVE! Bei zunehmender Dyspnoe/Zyanose<br />

an Spannungspneumothorax denken<br />

[8]! Wiederholte sorgfältige klinische Untersuchung<br />

(vergl. unten, Abschnitt I).<br />

C) Der Schmerz beginnt mit<br />

einer «blöden Bewegung»<br />

Beginn akut oft morgens (Zähneputzen,<br />

Aufstehen aus Bett, Rasieren, Kind hochheben).<br />

Der Schmerz ist oft, aber nicht<br />

immer lokalisiert, er strahlt gegen vorne<br />

und hinten aus und ist ausgesprochen<br />

bewegungs- und atem abhängig: Kostovertebrales<br />

Schmerzsyndrom (früher «Interkostalneuralgie»<br />

genannt). Meist kann<br />

der Schmerz durch lokalen Druck ausgelöst<br />

werden («Trigger»). Um nicht einen<br />

Herpes Zoster zu verpassen, muss die Haut<br />

im betroffenen Segment sehr exakt auf<br />

eventuelle Flecken und Bläschen untersucht<br />

werden. Weiterführende Untersuchungen<br />

sind nicht indiziert (EGK, Sono,<br />

Röntgenthorax, Labor), hingegen können<br />

wir dem Pa tienten mit Paracetamol, Ibuprofen<br />

® , ev. Cingulum (siehe Abschnitt B)<br />

helfen. Das kostovertebrale Schmerzsyndrom<br />

ist der häufigste organische Thoraxschmerz<br />

überhaupt!<br />

D) Der Herpes Zoster<br />

Der Herpes Zoster in einem thorakalen<br />

Hautsegment äussert sich nicht selten<br />

durch Schmerzen bereits zwei, drei Tage<br />

bevor Rötung und Bläschen auftreten. Es<br />

ist deshalb klug, Patienten mit einem kostovertebralen<br />

Schmerzsyndrom (C) darauf<br />

aufmerksam zu machen, sich bei<br />

Auftreten von Flecken und Bläschen zu<br />

einer Neubeurteilung zu melden. Im Alter<br />

unter 50 Jahren sind persistierende Zoster-<br />

Neuralgien ausgesprochen selten. Bei Patienten<br />

über 50 sollte eine Therapie mit<br />

Aciclovir ® diskutiert werden.<br />

CAVE! Hat der Patient Kontakt mit Patienten<br />

unter Immunsuppression, sollte die<br />

Situation dringend mit einem Infektiologen<br />

besprochen werden. Wie weit ein Herpes<br />

Zoster Hinweis auf eine maligne Erkrankung<br />

sein kann, und damit eine<br />

gezielte Abklärung rechtfertigt, ist nach<br />

wie vor nicht geklärt [9, 10, 11]. Der Herpes<br />

Zoster geniesst bei der Bevölkerung<br />

einen ausgesprochen schlechten Ruf<br />

(Neuralgien, gelegentlich Vorbote eines<br />

Lymphoms).<br />

E) Der Thoraxschmerz bei<br />

gastro-oesophagealem Reflux<br />

Er tritt vor allem beim Liegen und Bücken<br />

auf. Häufig wird der Schmerz durch «Säurelocker»<br />

(Senf, Pfeffer, Blätterteig-Gebäck,<br />

Rahm, tanninhaltiger Rotwein)<br />

provoziert. Damit ist auch die wichtigste<br />

Prävention klar: Verzicht auf die genannten<br />

Nahrungsmittel. Oft lassen sich die<br />

Beschwerden auch durch Vermeiden von<br />

Arbeit in gebückter Haltung (kauern und<br />

knien statt bücken) und durch Liegen mit<br />

erhöhtem Oberkörper vermeiden. Wie weit<br />

«Chemie statt Verzicht» mit einem Säureblocker<br />

(«-prazol») gerechtfertigt ist, ist<br />

letztlich nicht nur eine finanzielle, sondern<br />

eine ethische Frage: Wie weit lassen<br />

sich individuelle Wünsche und Bedürfnisse<br />

mit einem hohem finanziellen Aufwand<br />

rechtfertigen? «Ohne Säurelocker<br />

braucht es keine Säureblocker».<br />

CAVE: Ein akutes Koronarsyndrom (AKS)<br />

manifestiert sich oft zuerst mit «Magenbrennen».<br />

Tritt nach Verabreichung von<br />

40 mg Omeprazol plus Aluminiumhydroxyd<br />

innert 30 Minuten keine Besserung<br />

ein, muss ein AKS dringend in Betracht<br />

gezogen werden!<br />

F) Tietze-Syndrom<br />

Der heute halb informierte und völlig verunsicherte<br />

Patient ist alarmiert: Er hat<br />

unterhalb der Klavikula links eine<br />

schmerzhafte Schwellung, hat die halbe<br />

Nacht gegoogelt und kommt zum Schluss,<br />

dass es sich wohl um eine Metastase eines<br />

Prostata- oder Bronchus- Karzinoms<br />

handle, wegen der Eternitziegel auf dem<br />

Haus komme sicher auch ein Pleura-Mesotheliom<br />

in Frage. Wir beruhigen ihn,<br />

möglichst mit Bild (im «Siegenthaler» seit<br />

50 Jahren in jeder Ausgabe!), es ist ein<br />

Tietze-Syndrom. Und seit 50 Jahren wissen<br />

wir nicht, was das eigentlich ist. Sicher<br />

eine entzündliche Schwellung, die auf<br />

Verabreichung von Ibuprofen meist verschwindet,<br />

wie sie gekommen ist. Lokalisiert<br />

am Knorpel der 2., ev. 3. Rippe, häufiger<br />

links als rechts. Entzündungsparameter<br />

negativ, die überflüssige Bildgebung<br />

zeigt das, was wir sehen und palpieren:<br />

Eine Schwellung. Falls die Rippe betroffen<br />

ist, vergl. Abschnitt L.<br />

G) Die Lungenembolie<br />

Die Lungenembolie (LE) gehört nach wie<br />

vor zu den häufig «verpassten» Diagnosen<br />

[12].<br />

Viele Patienten mit einer LE sind schwere<br />

Notfälle (Zeichen von Instabilität). Die LE<br />

wird hier erwähnt, weil dem Hausarzt bei<br />

der Beurteilung der Vortest-Wahrscheinlichkeit<br />

eine hohe Bedeutung zukommt.<br />

Die Lungenembolie ist selbstverständlich<br />

kein «kleiner Notfall»!<br />

Es gibt mehrere diagnostische Scores [13]<br />

deren «Extrakt» etwa lautet: 1. Anamnese<br />

(Trauma, Geburt, Operation, Bettruhe<br />

> 24 h, lange Flug/Busreise) plus 2. Wadenschmerz<br />

(spontan oder auf Druck)<br />

plus 3. Tachycardie über 100/Min. bedeutet<br />

Lungenembolie, bis das Gegenteil bewiesen<br />

ist (in der Regel mittels Spiral-CT).<br />

Labor: D-Dimer sehr sensitiv, aber wenig<br />

spezifisch. Ein negativer D-Dimer-Test<br />

macht eine LE wenig wahrscheinlich,<br />

schliesst sie aber nicht aus [13]. Die Klinik<br />

entscheidet!<br />

Welcher Patient muss ins Spital? Jeder<br />

Patient, der instabil ist. Zeichen von Instabilität<br />

sind Dyspnoe, Cyanose, ausgeprägte<br />

Tachycardie, BD unter 100 mHg<br />

syst., Schock-Symptome, Bewusstseinstrübung,<br />

Angst, ungünstige soziale Verhältnisse,<br />

alleinstehende Menschen. Der Patient<br />

muss auch ins Spital, wenn der Arzt<br />

Angst hat, den Patienten mit einer potentiell<br />

tödlichen Erkrankung zu Hause zu<br />

betreuen! Angst ist ein schlechter Berater!<br />

Die Therapie der LE ist anspruchsvoll,<br />

siehe (neben [12] und [14]) prägnante<br />

Beschreibung bei Furger [15].<br />

H) Die Pleuritis<br />

Die Pleuritis führt zu scharfen, lokalisierten<br />

Schmerzen, verstärkt bei Husten, Niesen<br />

und tiefer Inspiration. Bei Pleuraerguss<br />

sind Stimmfremitus, Klopfschall und<br />

Atemgeräusch vermindert. Die Differentialdiagnose<br />

ist eine Herausforderung und<br />

verlangt häufig eine enge Kooperation mit<br />

dem Pneumologen und Infektiologen. Als<br />

erste Massnahme ist Paracetamol (ev.<br />

kombiniert mit Codein) und Ibuprofen<br />

42 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

sinnvoll. Die Abklärung des Pleuraergusses<br />

ist bei [16] ausführlich und praxisnah<br />

beschrieben.<br />

I) Pneumothorax<br />

Die Diagnose erfolgt auch hier primär<br />

klinisch: Akut einsetzende unilaterale<br />

Thoraxschmerzen, leichte Dyspnoe. Atemgeräusch<br />

und Stimmfremitus vermindert,<br />

Klopfschall erhöht. Der primäre Pneumothorax<br />

tritt in erster Linie bei jungen,<br />

schlanken Männern auf, der Sekundäre<br />

bei Patienten mit COPD, Asthma und<br />

zahlreichen weiteren (chronischen) Lungenerkrankungen.<br />

CAVE! Nimmt die Dyspnoe zu, begleitet<br />

von schlechter O 2 -Sättigung und Oppressionsgefühl,<br />

liegt ein Spannungs-Pneumothorax<br />

vor. Kann der Patient nicht<br />

innert Minuten im Spital sein, ist die<br />

Punktion mit der grösstmöglichen Venflon-Kanüle<br />

lebensrettend (2. ICR in der<br />

Medioclavicular linie, senkrecht zur Haut).<br />

J) Morbus Bornholm<br />

(Epidemische Pleurodynie). Es handelt<br />

sich nicht um eine Pleuritis, sondern um<br />

einen interkostalen Schmerz bei einer<br />

viralen Infektion (oft Coxsackie B). Dauer<br />

eine Woche, Prognose gut. Therapie mit<br />

NSAR.<br />

K) Rippenmetastasen<br />

CAVE! Ist die Schwellung beim «Tietze-<br />

Syndrom» (s. Abschnitt F) nicht streng auf<br />

den Rippenknorpel lokalisiert, hat der<br />

Patient möglicherweise recht! CT, ev. MRI,<br />

usw.<br />

L) Funktionelle Probleme<br />

Last but not least: Zu den häufigsten Thoraxschmerzen<br />

gehören funktionelle Probleme<br />

(Effort Syndrom, «soldiers heart»,<br />

psychogene Schmerzen). Während Standardwerke<br />

der Inneren Medizin [17] immerhin<br />

in vier Zeilen auf psychische Ursachen<br />

von Thoraxschmerzen hinweisen<br />

(Depression, Angst, Panikstörung), widmet<br />

der Orthopäde A. M. Debrunner [18]<br />

Themen wie Zuhören, Gespräch, Betreuung<br />

und Beratung gar mehrere Seiten.<br />

Erschöpfend Auskunft über funktionelle<br />

Schmerz-Syndrome gibt das Standardwerk<br />

von Uexküll [19], unter anderem in<br />

einer Tabelle über «Merkmale vorwiegend<br />

organischer und vorwiegend nichtorganischer<br />

Schmerzen».<br />

Die Faustregel von G. Engel [20] gilt nach<br />

50 Jahren unverändert: Patienten mit<br />

organischem Hintergrund für die<br />

Schmerzen ziehen als Ursache psychische<br />

Gründe heran, und solche mit<br />

psychogen bedingten Schmerzen betonen,<br />

dass hinter ihrem Schmerz eine<br />

nur noch nicht erfasste organische Störung<br />

liege.<br />

■<br />

Korrespondenzadresse<br />

Prof. em. Dr. med. Benedikt Horn<br />

FMH Allgemeine Medizin<br />

Marktgasse 66<br />

3800 Interlaken<br />

dr.horn@tcnet.ch<br />

Manuskript gegengelesen von:<br />

Dr. med. Hans U. Marty<br />

Ehem. Chefarzt Spital Zweisimmen<br />

Ehem. Leiter Medizin am<br />

Universitären Notfall-Zentrum<br />

Inselspital Bern<br />

Literatur<br />

1. Neuner-Jehle S. Diagnose-Scores für das<br />

ACS. PrimaryCare 2012, 12: 383.<br />

2. Schneider T et al. Myokarditis – eine wichtige<br />

Differentialdiagnose. SMF 2012,12:<br />

812 – 816.<br />

3. Horn R, Krähenbühl G. Notfallsonografie<br />

des Thorax für internistische und traumatologische<br />

Patienten. PRAXIS 2014, 103:<br />

689 – 695.<br />

4. de Torrenté A. Akute Pericarditis, eine wirksame<br />

Behandlung. SMF 2014, 14: 167.<br />

5. Raetzo MA, Restellini A. (Hrsg): Alltagsbeschwerden<br />

Verlag Huber 1998.<br />

6. Kardiovaskuläres Manual Kt.-Spital St. Gallen<br />

2011. www. kv_manual_2011.pdf<br />

7. Extremer k.o. beim Kickboxen. www. youtube.com:<br />

kickbox k.o.<br />

8. Petke S. Der Spannungspneumothorax<br />

(2011). www.Petke_Spannungspneu.pdf.<br />

9. Egli A. Herpes Zoster. Pharma-Kritik 12,04<br />

www.infomed.ch (pdf).<br />

10. Wareham DW, J. Breuer: Herpes Zoster. BMJ<br />

2007, 334: 1211 – 1215.<br />

11. CME Herpes Zoster. PRAXIS 2013, 102:<br />

185 – 194.<br />

12. Benz R et al. Akute Lungenembolie, aktuelle<br />

Diagnostik und Therapie. SMF 2014, 14,<br />

195 – 201.<br />

13. Neuner-Jehle S. Diagnose von tiefer Venenthrombose<br />

& Lungenembolien PrimaryCare<br />

2013, 13: 294 – 295.<br />

14. Kucher N et al. Behandlung der venösen<br />

Thromboembolie. SMF 2013, 13: 715 – 718.<br />

15. Furger Ph et al. TURBO Notfallmedizin,<br />

Guidelines 2010, update www.investimed.ch.<br />

16. CME Pleuraerguss. PRAXIS 2014, 103,<br />

739 – 752.<br />

17. Papadakis MA et al. Current medical Diagnosis<br />

and treatment 2014.<br />

18. Debrunner AM. Orthopädische Chirurgie. 4.<br />

Aufl. 2005, 261 – 274.<br />

19. Uexküll Th. (Hrsg. R. Adler) Psychosomatische<br />

Medizin. Urban und Schwarzenberg<br />

1990.<br />

20. Engel G. signs and symptoms. Lipincott 1970,<br />

5. Aufl., Kap. 30.<br />

Chest pain<br />

Chest pain in ambulatory setting is predominantly not<br />

heart-associated. Most patients suffer from muskuloskeletal<br />

or functional (psychogenic) chest pain. Differential<br />

diagnosis covers aortic dissection, rib-fracture, shingles,<br />

GERD, Tietze-Syndrome, pul monary embolism, pleuritis,<br />

pneumothorax, pleurodynia and metastatic disease.<br />

In most cases history, symptoms and signs allow a<br />

clinical diagnosis of high pretest-probability.<br />

Partnervermittlung mit Charme<br />

persönlich∙seriös∙kompetent<br />

Löwenstrasse 25, 8001 Zürich<br />

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Ich freue mich auf Ihren Anruf.<br />

Kathrin Grüneis<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

43


PERSPEKTIVEN<br />

D as erleseneObjekt<br />

Berauschender Rauch<br />

Prof. Iris Ritzmann, Medizinhistorikerin in Zürich<br />

Reich verzierte Opiumpfeife aus Vietnam, 20. Jahrhundert. <br />

© MKB; Fotograf: Derek Li Wan Po<br />

«Rauchen verboten!» Die immer zahlreicheren<br />

Verbotsschilder gelten der Droge<br />

Tabak. Tabak, einst gekaut und geschnupft,<br />

wird heute mehrheitlich geraucht<br />

oder – zum Abgewöhnen – als<br />

Nikotin mittels Pflastern oder Saugtülle<br />

aufgenommen. Doch die hier abgebildete<br />

mit einer filigranen Silberverzierung<br />

überzogene Pfeife ist keine Tabakspfeife.<br />

Sie diente dem Opiumkonsum.<br />

Opium kann ebenfalls auf unterschiedliche<br />

Arten eingenommen werden. Die Injektion<br />

von Morphin kam erst nach der<br />

Isolierung dieses Alkaloids und der Verbreitung<br />

von Spritzen auf. Wie wandte<br />

man das Schmerzmittel vorher an? Im<br />

18. Jahrhundert verabreichte sich der bekannte<br />

Arzt und Universalgelehrte Albrecht<br />

von Haller regelmässige Opiumklistiere.<br />

Er konnte so die invalidisierenden<br />

Schmerzen, die sein Blasenstein hervorrief,<br />

etwas besser ertragen. In der Regel<br />

jedoch nahmen Schmerzleidende das<br />

Heilmittel Opium als Pille, Täfelchen oder<br />

in gelöster Form als Laudanum ein.<br />

Das Genussmittel Opium dagegen wurde<br />

gekaut und geraucht, vor allem in China.<br />

Trotz strenger Verbote breitete es sich<br />

immer weiter aus, nicht zuletzt, weil<br />

Opium das Hungergefühl zu dämpfen<br />

vermag. Doch nicht nur in den berüchtigten<br />

«Opiumhöhlen» des fernen China<br />

oder der Neuen Welt wurde Opium geraucht.<br />

Auch europäische Künstler, ja<br />

sogar gut betuchte Stadtbürger sogen an<br />

ihren Opiumpfeifen, um einen Rausch<br />

zu erleben.<br />

Wollen auch Sie einen Opiumrausch erleben<br />

– weder rauchend noch schluckend?<br />

Dann besuchen Sie das Museum der Kulturen<br />

in Basel und lassen Sie sich überraschen!<br />

■<br />

Opium.<br />

Eine Ausstellung<br />

des Museums der<br />

Kulturen Basel<br />

20. März <strong>2015</strong> – 24. Januar 2016<br />

Di – So: 10.00 – 17.00 Uhr<br />

Münsterplatz 20<br />

CH – 4051 Basel<br />

www.mkb.ch<br />

44 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Versicherungen verstehen:<br />

die Berufshaftpflicht<br />

Welche Ärztinnen und Ärzte müssen eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abschliessen und<br />

welche nicht? Was muss beim Abschluss einer solchen Versicherung besonders beachtet werden?<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC beantwortet diese Fragen mit Hilfe des Lebensphasenmodells.<br />

Christoph Bohn, freier Mitarbeiter MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Wer sich täglich für seine Patienten einsetzt,<br />

sollte möglichst frühzeitig an seine<br />

eigene Risikosituation denken. Denn gerade<br />

Ärztinnen und Ärzte sind im Berufsleben<br />

erheblichen Risiken ausgesetzt. Die Erwartungen<br />

an selbständige Ärzte aller Fachrichtungen<br />

werden immer höher. Erfolgreiche<br />

Behandlungen werden heute praktisch<br />

vorausgesetzt. Zudem sind Pa tienten meistens<br />

gut informiert und nicht bereit, Behandlungsresultate<br />

klaglos zu akzeptieren,<br />

die ihre Erwartungen nicht erfüllt haben.<br />

Dazu kommen politische Vorstösse zur Verbesserung<br />

der Patientenrechte (z.B. Beweislastumkehr).<br />

Entsprechend steigen die<br />

Haftungsrisiken von Ärzten laufend. So hält<br />

zum Beispiel das Bundesamt für Sozialversicherungen<br />

fest: «Vor allem Ärzte und<br />

Ärztinnen, Zahnärzte, Architektinnen, Ingenieure<br />

und Anwältinnen sind speziellen<br />

Berufsrisiken ausgesetzt, denn ihre Produkte<br />

sind in der Regel die Arbeit am Menschen.<br />

(…) Ein Anstieg der Fälle von Klagen<br />

gegen Ärzte und Zahnärzte wegen<br />

Kunstfehlern ist hier feststellbar.»<br />

Dass diese Entwicklung nicht immer zum<br />

Vorteil der Patienten ist, unterstreicht<br />

Brückner in seinen Ausführungen zur ärztlichen<br />

Haftpflicht: «Ganz allgemein kann<br />

festgehalten werden, dass eine auf die Vermeidung<br />

von Haftpflichtrisiken bedachte<br />

Medizin für die Patienten nachteilig ist. In<br />

einem haftpflichtrechtlich immer intoleranter<br />

werdenden Umfeld bedeutet dies eine<br />

wachsende Risikoscheu der Ärzte und damit<br />

– aufs Ganze gesehen – eine entsprechend<br />

reduzierte Qualität der medizinischen<br />

Versorgung der Bevölkerung.» 1<br />

Selbst wenn wir noch weit von amerikanischen<br />

Verhältnissen mit ihren horrenden<br />

Wiedergutmachungssummen entfernt<br />

sind, lohnt es sich sehr, die eigene<br />

Situation rechtzeitig und gründlich zu<br />

analysieren und die entsprechenden<br />

Schritte für eine individuelle Absicherung<br />

zu unternehmen.<br />

Ein Muss für selbständig<br />

Praktizierende<br />

Mögen die Bedürfnisse an Versicherungslösungen<br />

noch so individuell sein: Für<br />

selbständig praktizierende Ärzte ist der<br />

Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung<br />

ein absolutes Muss – ohne Wenn<br />

und Aber. Denn einerseits schützt sie bei<br />

Personen- und Sachschäden. Und anderseits<br />

kann damit möglichen Schadenersatzforderungen<br />

von Patientenseite begegnet<br />

und das eigene Vermögen geschützt<br />

werden. Medizinische Praxisassistentinnen<br />

und -assistenten sind automatisch in<br />

der Police ihres Arbeitgebers versichert.<br />

Je nach Fachrichtung und ausgeübter Tätigkeit<br />

gibt es massgeschneiderte sowie<br />

standardisierte Berufshaftpflichtlösungen.<br />

Relevant ist dabei stets eine komplette<br />

Auflistung davon, was jemand beruflich<br />

macht bzw. nicht macht. Die Angabe eines<br />

Facharzttitels genügt also nicht. Die Versicherungsgesellschaft<br />

muss im Gegenteil<br />

präzis wissen, welche Behandlungen ein<br />

Arzt durchführt und welche nicht. Wer<br />

beispielsweise angibt, als Facharzt «Innere<br />

Medizin» tätig zu sein, kann nicht<br />

davon ausgehen, dass das Risiko Gastroenterologie,<br />

Endoskopie oder Angiologie<br />

gedeckt ist. Oder: Immer häufiger wenden<br />

sich Ärzte besonderen medizinischen<br />

Marktnischentätigkeiten zu (zum Beispiel<br />

Botox-, Laserbehandlungen etc.). Über all<br />

das muss die Versicherungsgesellschaft<br />

Bescheid wissen, sonst kann ein daraus<br />

resultierender Schaden an einer Person<br />

unter Umständen nicht gedeckt sein. Die<br />

Konsequenzen eines solchen Falles könnten<br />

dann für den behandelnden Arzt<br />

enorm einschneidend sein. Wichtig ist<br />

zudem, dass eine Berufshaftpflichtversicherung<br />

wegen der ärztlichen Notfallpflicht<br />

auch ausserhalb der Praxis und<br />

möglichst weltweit gültig ist.<br />

Kompetente Beratung<br />

für komplexe Fälle<br />

Generell kann gesagt werden: Je invasiver<br />

ein Arzt tätig ist, desto höher ist sein Risiko<br />

und damit auch die Versicherungsprä-<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

45


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

mie. «Die Versicherungssummen bewegen<br />

sich meistens zwischen 5 und 10 Millionen<br />

Franken und die Prämien liegen oft<br />

im vier- bis fünfstelligen Bereich. Mit<br />

Konkurrenzvergleichen lassen sich aber<br />

bis 30 Prozent davon einsparen», bemerkt<br />

Reto Spring, Präsident Finanzplaner Verband<br />

Schweiz.<br />

Bei der individuellen Ausgestaltung einer<br />

geeigneten und langfristig konzipierten<br />

Berufshaftpflichtlösung sind zudem viele<br />

spezielle, zum Teil hochkomplexe Faktoren<br />

und Bedingungen zu beachten. Deshalb<br />

ist eine persönliche Analyse und<br />

Beratung für jeden Arzt von zentraler<br />

Bedeutung. MEDISERVICE ist dafür mit<br />

seinem Know-how und seinem Netzwerk<br />

der ideale Ansprechpartner für selbständige<br />

Ärzte aller Fachrichtungen.<br />

Wichtig: Angestellte Ärzte und Medizinalpersonen<br />

sind von Gesetzes wegen durch<br />

ihren Arbeitgeber (Spital, Klinik, Praxis<br />

etc.) versichert und müssen darum keine<br />

eigene Berufshaftpflichtversicherung abschliessen.<br />

Die Berufshaftpflichtversicherung auf einen Blick:<br />

• Ein Muss für selbständige Ärzte aller Fachrichtungen, während der Berufszeit und in der Phase<br />

Pensionierung/Nachfolgeregelung<br />

• Angestellte Ärzte und Medizinalpersonen sind durch den Arbeitgeber versichert<br />

• Haftpflichtversicherung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aus medizinischer Tätigkeit<br />

(gemäss gesetzlichen Bestimmungen)<br />

• Versicherung gegen Schäden an Mieträumen etc.<br />

• Speziell attraktive Prämien und Dienstleistungen für MEDISERVICE-Mitglieder<br />

Weitere Informationen und Beratung: MEDISERVICE, 031 350 44 22 oder info@mediservice-vsao.ch<br />

MEDISERVICE steht den Mitgliedern in<br />

all diesen Fragen mit Rat und Tat aktiv<br />

zur Seite. Als Dienstleistungsorganisation<br />

des <strong>VSAO</strong> kennt MEDISERVICE die Risikoprofile<br />

von Ärztinnen und Ärzten in den<br />

verschiedenen medizinischen Fachrichtungen<br />

genau. Das speziell entwickelte<br />

Lebensphasenmodell (www.mediservicevsao.ch/de/lebensphasen)<br />

liefert wichtige<br />

Erkenntnisse, wer sich vertieft mit dem<br />

Thema Berufshaftpflicht und weiteren<br />

Versicherungsthemen auseinandersetzen<br />

sollte. Damit gilt es, Überraschungen zu<br />

vermeiden, die enorm ins Geld gehen und<br />

unter Umständen ganze Berufskarrieren<br />

gefährden können.<br />

■<br />

Nicht verpassen: In der nächsten Ausgabe<br />

des <strong>VSAO</strong>-Journals vom Dezember<br />

<strong>2015</strong> (<strong>Nr</strong>. 6/15) gehen wir näher auf die<br />

Privathaftpflichtversicherungen ein.<br />

1 Arzthaftpflicht, Juristischer Ratgeber für Ärzte<br />

und Kliniken. Prof. Dr. iur. Christian<br />

Brückner. 1. Mai 2011.<br />

46 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

BRIEFKASTEN<br />

Santésuisse wirft mir in einem Schreiben das fehlerhafte Anwenden<br />

von Tarifen und Überarztung vor. Was bedeutet dies im Detail? Was<br />

soll ich tun?<br />

Ziel der santésuisse/tarifsuisse ist es, einen schweizweit möglichst gleichen Preis für<br />

gleiche Leistung zu erreichen. Deshalb wird das Abrechnungsverhalten der Leistungserbringer<br />

auf deren Wirtschaftlichkeit hin systematisch kontrolliert.<br />

Dazu wird einerseits die Einzelrechnungsprüfung eingesetzt, anlässlich derer die Abrechnung<br />

eines Leistungserbringers auf falsche oder ungerechtfertigte in Rechnung<br />

gestellte Tarifpositionen oder Preise angeschaut werden. Diese Überprüfung erfolgt durch<br />

die Krankenversicherer. Andererseits wendet die santésuisse die Wirtschaftlichkeitsprüfung<br />

gemäss Art. 56 Abs. 6 KVG an, um Leistungserbringer zu erkennen, deren Kosten<br />

signifikant (Schwelle: 120%) über dem Durchschnitt liegen.<br />

Neu führt die santésuisse zudem im Rahmen eines Wirtschaftlichkeitsverfahrens zusätzlich<br />

eine Tarifkontrolle durch. Dies bedeutet eine Kontrolle des Abrechnungsverhaltens<br />

des betroffenen Arztes. Der Arzt wird somit nebst dem Verdacht der Überarztung<br />

zusätzlich mit «fehlerhafter» Anwendung von Tarifen belastet. Der Fokus wird dabei<br />

auf die in Rechnung gestellten Tarifpositionen gelegt, d.h., es erfolgt eine Analyse der<br />

Tarifanwendung. Sollten die verwendeten Tarife eines Leistungserbringers auffällig sein,<br />

wird eine Analyse über alle Leistungserbringer der gleichen Fachrichtung gemacht. Es<br />

handelt sich hier somit nicht um eine statistische Auffälligkeit, sondern um die Art der<br />

Tarifanwendung sowie das Vorhandensein von Fähigkeitsausweisen und Dignitäten. Bei<br />

einer missbräuchlichen Tarifanwendung wird eine Rückzahlungsforderung gestellt.<br />

lic. iur. Patrick Boschi, AXA-ARAG Rechtsschutz,<br />

Haftpflicht und Sozialversicherungsrecht<br />

(Tel. 0848 11 11 00, mediservice-vsao.ch/de/<br />

versicherungen/rechtsschutz)<br />

Wenn Sie als Leistungserbringer seitens der santésuisse bzw. der tarifsuisse mit einem<br />

Schreiben konfrontiert werden, in welchem Sie auf überhöhte Durchschnittswerte hingewiesen<br />

werden und von Ihnen eine Begründung gefordert wird, entstehen äusserst<br />

aufwendige Abklärungen, in zeitlicher wie auch in finanzieller Hinsicht. Abgesehen vom<br />

Verfassen einer Stellungnahme und der Teilnahme an einem Gespräch mit der santésuisse<br />

steht beim Scheitern eines Vergleichs auch der Gang ans Gericht zur Debatte. Wir<br />

empfehlen Ihnen deshalb, sich bereits im Anfangsstadium an Ihre Rechtsschutzversicherung<br />

zu wenden und somit rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen, um den<br />

diversen juristischen Stolpersteinen aus dem Weg zu gehen. Die Experten der Rechtsschutzversicherung<br />

unterstützen Sie während des ganzen Verfahrens. Sie helfen Ihnen<br />

bei der Risikoanalyse aufgrund der Rechnungsstellerstatistik, beim Auswerten der Statistiken,<br />

beim Verfassen einer Stellungnahme an die santésuisse; sie begleiten Sie zum<br />

Gespräch mit der santésuisse und vertreten Sie bei einem allfälligen Gerichtsverfahren.<br />

AXA-ARAG bietet MEDISERVICE-Mitgliedern eine Rechtsschutzversicherung zu sehr<br />

vorteilhaften Konditionen an. Haben Sie noch weitere Fragen? Wenden Sie sich an<br />

Ihren Ansprechpartner bei der MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC. <br />

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<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

47


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Marderschäden lassen<br />

sich verhindern<br />

Egal welche Automarke – der Marder hat sie alle zum Fressen gern. Auf den Kabelbiss folgt meist<br />

eine kostspielige Reparatur. Wer aber gut versichert ist, kann gelassen den Pannendienst rufen.<br />

Die Wanderausrüstung ist gepackt, die<br />

Kinder unruhig und die Familie macht<br />

sich auf zum langersehnten Wochenendausflug.<br />

Dumm nur, dass das Auto keinen<br />

Wank tut – Marderschaden!<br />

Wenn der Marder zuschlägt und mit seinen<br />

spitzen Zähnen Kabel und Schläuche<br />

durchbeisst, geht oft gar nichts mehr.<br />

Zuoberst auf dem Speiseplan der pelzigen<br />

Zeitgenossen stehen Zündkabel,<br />

Kunststoffschläuche oder Lenkungsmanschetten.<br />

Doch wer zahlt die Zeche<br />

für die Reparatur und den Abschleppdienst?<br />

Teilkasko deckt selbst<br />

Ersatzwagen<br />

Die anfallenden Reparaturkosten für den<br />

Marderschaden übernimmt in aller Regel<br />

die Versicherung ohne Selbstbehalt,<br />

sofern man über eine Teilkasko verfügt.<br />

Meist sind auch die durch Marderbiss<br />

entstandenen Folgeschäden am Fahrzeug<br />

versichert sowie das Abschleppen<br />

des beschädigten Fahrzeugs bis in die<br />

nächstgelegene Werkstatt. In Regionen<br />

mit hohen Marderpopulationen ist der<br />

Abschluss einer Teilkasko durchaus eine<br />

Überlegung wert.<br />

Im Frühjahr wird der<br />

Appetit grösser<br />

Marder sind wie Kleinkinder oder junge<br />

Hunde. Sie ertasten ihre Umwelt durch<br />

Beissen. Hinzu kommt ihr ureigener<br />

Spieltrieb. Insbesondere während der Paarungszeit<br />

im Frühjahr reagieren Marder<br />

auf Duftspuren von Artgenossen aggressiv.<br />

Aber auch bei tiefen Temperaturen ist der<br />

Motorraum nicht vor den Zähnen der<br />

schlauen Tierchen gefeit – denn Marder<br />

kennen keinen Winterschlaf.<br />

Ein Blick unter die Haube<br />

bringts<br />

Um frühzeitig einzugreifen, lohnt sich ein<br />

Gespräch mit der Nachbarschaft. Denn<br />

sind in der Gegend Marderschäden aufgetreten,<br />

gilt es genauer hinzuschauen.<br />

Insbesondere Autos, die nachts an unterschiedlichen<br />

Standorten parkieren, sind<br />

überdurchschnittlich von Marderbiss betroffen.<br />

Schutz bietet einerseits das regelmässige<br />

Waschen des Motors, um die<br />

Duftmarken der Marder zu entfernen.<br />

Echten Schutz gegen Marderbiss bietet<br />

hingegen einzig eine Elektroschockanlage,<br />

die hungrige Marder in die Flucht<br />

schlägt.<br />

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48 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Besteuerungsregeln im<br />

Vorsorgedschungel<br />

Unser Vorsorgesystem besteht bekanntlich aus drei Säulen, wobei in der dritten Säule noch<br />

zwischen Säule 3a (gebundene Vorsorge) und 3b (freie Vorsorge) unterschieden wird.<br />

Nachstehend ein Versuch, die unterschiedlichen Besteuerungsmodalitäten in den verschiedenen<br />

Säulen verständlich zu machen.<br />

Werner A. Räber, Geschäftsführender Partner der Dr. Thomas Fischer & Partner AG, Baar (werner.raeber@xantrium.ch)<br />

1. Säule (AHV/IV)<br />

Alle Beiträge an die AHV sind steuerlich<br />

absetzbar. Dies gilt auch für Beiträge, die<br />

Nichterwerbstätige bzw. Frühpensionierte<br />

bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters<br />

basierend auf ihrem Vermögen zu<br />

entrichten haben. Im Gegenzug gelten die<br />

AHV- und auch allfällige IV-Renten bei den<br />

Empfängern als normales Einkommen,<br />

das zusammen mit dem übrigen Einkommen<br />

besteuert wird. Hat jemand zusätzlich<br />

Anspruch auf Ergänzungsleistungen oder<br />

Hilflosenentschädigungen, so muss er diese<br />

nicht versteuern. Auch Zuflüsse für IV-<br />

Eingliederungsmassnahmen sind steuerfrei,<br />

da es sich um Kostenersatz handelt.<br />

2. Säule (BVG)<br />

Ebenfalls steuerlich vollumfänglich absetzbar<br />

sind die Beiträge an die Pensionskasse.<br />

Unbeschränkt gilt dies für die ordentlichen<br />

Beiträge auf den Salärzahlungen.<br />

Darüber hinausgehende Einkaufsleistungen<br />

sind dann abziehbar, wenn<br />

eine entsprechende Beitragslücke besteht.<br />

Zudem ist zu beachten, dass während<br />

dreier Jahre seit der letzten Nachzahlung<br />

in keiner Form ein Kapitalbezug gemacht<br />

werden darf, da sonst der Steuervorteil<br />

verloren geht.<br />

Seit dem 1. Januar 2002 sind alle neu beginnenden<br />

Rentenauszahlungen vollumfänglich<br />

als Einkommen steuerbar. Altrechtliche<br />

Renten werden je nach Fallkonstellation<br />

weiterhin nur zu 60 bzw. 80 Prozent<br />

besteuert. Kapitalauszahlungen aus<br />

der Pensionskasse unterliegen einer reduzierten<br />

Sondersteuer, die getrennt vom<br />

übrigen Einkommen erhoben wird, und<br />

zwar am Wohnsitz zum Auszahlungszeitpunkt.<br />

Der Steuertarif ist stark progressiv<br />

und deshalb abhängig von der Höhe der<br />

Kapitalauszahlung. Beim Bund beträgt<br />

die Steuer einen Fünftel der ordentlichen<br />

Einkommenssteuer, womit der Maximalsatz<br />

bei 2,3 Prozent liegt. Kantonal sind<br />

die Unterschiede immens. Die Maximalbelastung<br />

für Bund und Kanton zusammen<br />

kann je nach Wohnort auf 7 bis<br />

28 Prozent zu liegen kommen.<br />

Die genannten Besteuerungsregeln gelten<br />

nicht nur für den Vorsorgefall Alter, sondern<br />

auch für allfällige Invaliditätsleistungen.<br />

Auch SUVA-Renten und Taggelder<br />

der Kranken- oder Militärversicherung<br />

sind normales Einkommen und werden<br />

zu 100 Prozent besteuert. Für die Besteuerung<br />

von Unfallversicherungsleistungen<br />

kann auf das <strong>VSAO</strong>-Journal 3/2014 verwiesen<br />

werden.<br />

Säule 3a<br />

(gebundene Vorsorge)<br />

Für die Säule 3a, auch Bausparen genannt,<br />

gelten im Wesentlichen die<br />

gleichen Grundsätze wie bei der 2. Säule.<br />

Die jährlichen Einzahlungen sind steuerlich<br />

abzugsfähig, allerdings nur bis zu<br />

den zulässigen Maximalbeträgen von<br />

derzeit CHF 6768 (Unselbständige) und<br />

CHF 33 840 (Selbständige). Die Kapitalauszahlungen<br />

werden identisch besteuert<br />

wie Kapitalbezüge aus der Pensionskasse.<br />

Wird aus beiden Quellen im gleichen Kalenderjahr<br />

Kapital bezogen, erfolgt eine<br />

gemeinsame Besteuerung, was zu einer<br />

höheren Progression führt. Gestaffelte<br />

Bezüge zahlen sich deshalb aus. Die Säule<br />

3a kann übrigens alle fünf Jahre leergeräumt<br />

werden, wenn der Bezug für die<br />

Amortisation einer Hypothek oder den<br />

Kauf von selbstbewohntem Eigentum verwendet<br />

wird.<br />

Säule 3b (freie Vorsorge)<br />

Auch das private (Versicherungs-)Sparen<br />

in der Säule 3b wird durch gewisse Steuerprivilegien<br />

gefördert. Als Grundsatz gilt<br />

hier, dass die Einlagen höchstens im Rahmen<br />

des allgemeinen Versicherung- und<br />

Sparabzuges steuerlich geltend gemacht<br />

werden können, dafür sind die Auszahlungen<br />

in vielen Fällen gänzlich steuerfrei.<br />

Die Vielfalt an entsprechenden Versicherungsprodukten<br />

macht die Übersicht<br />

aber nicht ganz einfach:<br />

• Rückkaufsfähige Kapitalversicherungen<br />

mit periodischen Prämien: Auszahlung<br />

steuerfrei<br />

• Rückkaufsfähige Kapitalversicherungen<br />

mit Einmalprämie: Auszahlung<br />

steuerfrei, wenn gewisse Bedingungen<br />

eingehalten sind<br />

• Reine Todesfallrisikoversicherungen:<br />

Sondersteuer auf Auszahlung zum Vorsorgetarif<br />

• Leibrenten: Rente, Rückkauf oder<br />

Rückgewähr je zu 40 Prozent steuerbar<br />

• Zeitrentenversicherung: Zinsquote zu<br />

100 Prozent steuerbar<br />

Weitergehende Informationen finden Sie<br />

in entsprechenden Merkblättern auf der<br />

Website Ihrer Steuerverwaltung.<br />

Auszahlungen ins Ausland<br />

Bezüglich den Besteuerungsmodalitäten<br />

bei Auszahlungen an Empfänger mit<br />

Wohnsitz im Ausland kann auf den entsprechenden<br />

Beitrag im <strong>VSAO</strong>-Journal<br />

6/2013 verwiesen werden. ■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

49


IMPRESSUM<br />

KONTAKTADRESSEN DER SEKTIONEN<br />

<strong>Nr</strong>. 5 • 34. Jahrgang • <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong><br />

Herausgeber/Verlag<br />

AG<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Bahnhofplatz 10A, Postfach, 3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 88, Fax 031 350 44 89<br />

journal@vsao.ch, journal@asmac.ch<br />

www.vsao.ch, www.asmac.ch<br />

Im Auftrag des <strong>VSAO</strong><br />

Redaktion<br />

Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />

Christiane Arnold, Franziska Holzner-Arnold,<br />

Kerstin Jost, Lukas Staub, Jan Vontobel,<br />

Sophie Yammine<br />

Geschäftsausschuss <strong>VSAO</strong><br />

Daniel Schröpfer, Präsident<br />

Ryan Tandjung, Vizepräsident<br />

Christoph Bosshard, Cyrill Bühlmann, Karin Etter,<br />

Lars Frauchiger, Dina-Maria Jakob, Gert Printzen,<br />

Miodrag Savic, Hervé Spechbach, Raphael Stolz,<br />

Marino Urbinelli, Felix Widmer (swimsa)<br />

Druck, Herstellung und Versand<br />

Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />

Telefon +41 31 300 66 66<br />

info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />

BL/BS<br />

BE<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion beider Basel,<br />

Geschäftsleiterin und Sekretariat: lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin,<br />

Hauptstrasse 104, 4102 Binningen, Telefon 061 421 05 95,<br />

Fax 061 421 25 60, sekretariat@vsao-basel.ch, www.vsao.basel.ch<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Bern, Geschäftsführerin: Rosmarie Glauser, Fürsprecherin,<br />

Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Telefon 031 381 39 39, Fax 031 381 82 41,<br />

bern@vsao.ch, www.vsao-bern.ch<br />

FR ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler, Wattenwylweg 21,<br />

3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12, info@gkaufmann.ch<br />

GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />

Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />

GR<br />

JU<br />

Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte Sektion<br />

Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG, RA Geschäftsführer/<br />

Verbandsjurist, Tel. +41 78 880 81 64, info@vsao-gr.ch / www.vsao-gr.ch<br />

ASMAJ c/o Karim Bayoumy, Rue de l’Église 6, 2800 Delémont,<br />

ASMAC.jura@gmail.com<br />

NE ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist, Rue du Musée 6,<br />

Postfach 2247, 2001 Neuenburg, Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />

SG/AI/AR <strong>VSAO</strong> Sektion St.Gallen-Appenzell, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

Layout: Tom Wegner<br />

Inserate<br />

Axel Springer Schweiz AG, Fachmedien<br />

Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich<br />

Telefon 043 444 51 05, Fax 043 444 51 01<br />

vsao@fachmedien.ch<br />

SO<br />

TI<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMACT, Associazione Medici Assistenti e Capiclinica Ticinesi,<br />

Avv. Marina Pietra Ponti, Viale S. Franscini 17, 6904 Lugano,<br />

telefono 091 922 95 22, fax 091 923 61 71, pietraponti@ticino.com<br />

Auflagen<br />

Druckauflage: 22 155 Expl.<br />

WEMF/SW-Beglaubigung 2014: 21 009 Expl.<br />

Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />

Für <strong>VSAO</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 6/<strong>2015</strong> erscheint im Dezember <strong>2015</strong>.<br />

Thema: Visionen<br />

© <strong>2015</strong> by <strong>VSAO</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

TG<br />

VD<br />

VS<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />

www.asmav.ch, asmav@asmav.ch<br />

ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />

Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />

Zentralschweiz<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

Gütesiegel Q-Publikation<br />

des Verbandes Schweizer Medien<br />

ZH<br />

Zürcher Spitalärzte und Spitalärztinnen <strong>VSAO</strong>, Dr. R. M. Reck,<br />

Bahnhofstrasse 3, 8610 Uster, Telefon 044 941 46 78, Fax 044 941 46 67,<br />

info@vsao-zh.ch, www.vsao-zh.ch<br />

50 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong>

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