COMPACT-Magazin | ERSTAUSGABE | 12-2010
Sog. 'Nullnummer' des erfolgreichen gesellschaftspolitischen Nachrichten-Magazins
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Leben<br />
<strong>COMPACT</strong><br />
Für die Statistik<br />
Dieses Mal ging es gleich ins Gesicht. Eine Faust-Nase-, Faust-Kinn-, Faust-Auge-<br />
Kombination, drei beeindruckende oberkörperorientierte Kickboxmoves, zwei Knie<br />
im Bauch, dann das Signal. Oder darf es noch ein bisschen mehr sein?<br />
Von Christian von Aster<br />
Die Jugendgewalt ist heutzutage ja ein Thema. Das<br />
erfuhr ich jedenfalls, als ich im Berliner Institut für<br />
Gewaltprä-, -inter- und -subvention an einer gesellschaftlich<br />
relevanten statistischen Erhebung zum Thema<br />
Gewalt mitwirken durfte.<br />
Für meine Teilnahme wurde mir eine Vergütung von<br />
30,00 Euro in Aussicht gestellt, und man versicherte mir,<br />
dass besagter Test in keinem Fall länger als eine halb Stunde<br />
dauern würde.<br />
Ich füllte zunächst einen anonymen Fragebo<br />
gen aus, dann folgte ein kurzes Aufklärungsgespräch<br />
über Sinn und Zweck des Testes: Da nämlich Gewalt heutzutage<br />
viele Gesichter hätte, wäre es schwer, sie zu kategorisieren<br />
und wissenschaftlich auszuwerten. Da das jedoch<br />
vonnöten wäre, hätte man also diesen Test entworfen, der<br />
weltweit von zertifizierten Instituten durchgeführt wurde.<br />
Die ersten zehn Minuten meiner halben Stunde verbrachte<br />
ich also damit, dieser Rede zu lauschen und Formulare<br />
auszufüllen. Blutgruppe, Allergien, ethnische Abstammung.<br />
Das Übliche. Darüber hinaus Fragen nach Unfallversicherung,<br />
Krankenkasse und Sportverletzungen.<br />
Ich habe das Kleindgedruckte überflogen, dann meine<br />
Un terschrift druntergesetzt (für Geld muss man immer irgendwo<br />
unterschreiben), und zuletzt folgte eine kurze ärztliche<br />
Untersuchung, die ebenfalls fünf Minuten in Anspruch<br />
nahm, womit die ersten 15 Euro schon verdient waren.<br />
Der untersuchende Arzt führte mich in einen weißgekachelten<br />
Raum, fixierte mich, verband mir die Augen<br />
und verließ den Raum.Ich fühlte mich nicht wirklich wohl,<br />
aber lange konnte der Spaß ja nicht mehr dauern. Schließlich<br />
war die Hälfte der Zeit schon vorüber.<br />
Plötzlich ertönte ein Geräusch ähnlich dem Schließsignal<br />
einer U-Bahn, und dann begann die schlimmste Viertelstunde<br />
meines Lebens: Der erste Schlag traf mich in der<br />
Lendengegend, gefolgt von einem beherzten Schienbeintritt,<br />
der in ein mittelschweres Faustschlagstakkato in<br />
Magengrubenregion überging.<br />
Das Ganze dauerte etwa zwei Minuten.<br />
Dann erklang ein zweites Signal und die Schläge verstummten.<br />
Ich vernahm ein leises knisterndes Rauschen<br />
und aus einem Lautsprecher drang die Stimme des Arztes,<br />
der mich bat, meine Eindrücke bezüglich der Qualität<br />
gerade der empfundenen Gewalt zu schildern und auf einer<br />
Skala zwischen 1 und 10 einordnen. Ich antwortete ihm,<br />
er bedankte sich und dann ertönte ein weiteres Signal.<br />
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