COMPACT-Magazin | ERSTAUSGABE | 12-2010
Sog. 'Nullnummer' des erfolgreichen gesellschaftspolitischen Nachrichten-Magazins
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<strong>COMPACT</strong><br />
Leben<br />
Der Autor in der Begegnung mit Papst Benedikt XVI.<br />
Heimat zu haben. Das klingt fast schon esoterisch. Ist es<br />
aber nicht. Was ich mit dieser Lust, oder sagen wir besser:<br />
Freude am Katholischsein verbinde, lässt sich gar nicht so<br />
einfach in Worte fassen. Vielleicht helfen Begebenheiten.<br />
Zum gelebten Glauben gehört für mich das Verwurzeltsein<br />
in einer Pfarrei, die Treue zur sonntäglichen<br />
Messfeier, das selbstverständliche Tischgebet und das regelmäßige<br />
persönliche Gebet. Aufgesetztes Verhalten mag<br />
ich nicht. Selbstverständliches Zeugnis dafür umso mehr.<br />
Ich leugne nicht, dass es mir auch schon einmal schwer<br />
gefallen ist, in einer öffentlichen Gaststätte vor dem Essen<br />
ein Kreuzzeichen zu machen. Aber bereut habe ich dieses<br />
Minimalbekenntnis noch nicht. Und ich freue mich auch,<br />
dass das gemeinsame Tischgebet bei uns seinen Platz hat<br />
und nicht von Grundsatzdiskussionen bedroht ist. Ich weiß<br />
mich glücklich mit einer Frau, mit der ich den Glauben zu<br />
Hause und in der Kirche ganz natürlich praktizieren kann.<br />
Und wir beide sind froh, gute Freunde zu haben, denen<br />
die Liebe zu Gott in seiner Kirche ebenfalls etwas wert ist.<br />
Überhaupt lieben wir eine großzügige Kultur des<br />
Feierns. Auch, weil Großzügigkeit das Herz weitet und<br />
nichts mit Verschwendung gemein hat. Auch hat Großzü -<br />
gigkeit, wenn ich es recht überlege, viel mit meinem katho<br />
lischen Glauben zu tun. Nicht nur Geburtstage sind<br />
Festtage, sondern auch Namenstage, also die Gedenktage<br />
unserer Namenspatrone. Vom Hochzeitstag und von unse<br />
rer Verlobung ganz zu schweigen. Der Bezug zu einem<br />
Heiligen ist mir wichtig. Auf meinen Namenspatron, den<br />
heiligen Martin von Tours, bin ich stolz. Er muss sich hin<br />
und wieder gefallen lassen, von mir um Fürsprache gebe<br />
ten zu werden. Aber nicht nur er, sondern auch andere<br />
Wahlheilige: Caterina von Siena, Johannes, Petrus, Maria,<br />
Philipp Neri, Ignatius von Loyola, Thomas Morus – und den<br />
zu Lebzeiten begegneten Heiligen Johannes Paul II. Und<br />
Mutter Teresa. Und viele andere.<br />
Vielleicht gehört für mich deshalb die Bitte um den<br />
Heiligen Geist zu den wertvollsten Gebetsformen, die ich<br />
von meiner Kirche gelernt habe. Mir scheint, dass diese<br />
häufig vernachlässigte dritte Person Gottes uns viel von<br />
dem geben könnte, was ich einmal mit «heiliger Unruhe»<br />
bezeichnen möchte. Und wenn wir mehr auf Ihn, der der<br />
ganzen Kirche ja zugesichert ist, vertrauten, würden<br />
manche Relationen in unseren Debatten wieder stimmen.<br />
Komm Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen<br />
und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe – das ist<br />
doch kein hohles Gerede!<br />
Warum bin ich heute gerne katholisch? Bringt mir das<br />
etwas? Ich bin katholisch, weil ich glaube, dass Jesus Chris -<br />
tus diese seine Kirche gestiftet hat und – trotz allem – in<br />
ihr lebt. Ich bin katholisch, weil ich in der Kirche mehr sehe<br />
als nur eine Institution oder einen Verein. Würde ich nur<br />
diese Seite meiner Kirche sehen, und wäre ich auf mich<br />
allein und die anderen angewiesen, müsste ich verzweifeln.<br />
Denn die anderen scheinen dem Anspruch häufig<br />
ebenso wenig gerecht zu werden wie ich selber. Aber zum<br />
Glück hat Gott seine Kirche so konstruiert, dass sie nicht<br />
nur auf Menschen angewiesen ist, auch wenn das bis weilen<br />
so scheint und viele Christen heute vergessen haben, dass<br />
es auch eine himmlische Seite derselben Kirche gibt. Und<br />
da kommt es nicht nur auf menschliches Machen an – was<br />
übrigens auch für die «irdische Seite» unserer Kirche gilt.<br />
Warum verdrängen wir so schnell, dass uns der Beistand<br />
des Heiligen Geistes zugesichert ist? Auch bin ich katholisch,<br />
weil ich den geistigen Reichtum, die Gebete und<br />
Gebetsformen, die mir meine Kirche aus 20 Jahrhunderten<br />
anbietet, schätze. Und ich bin katholisch, weil ich in dieser<br />
Kirche erfahre, aus welcher Quelle sich der Lebenssinn<br />
speist.<br />
«Gott lieben heißt, sich zu Gott auf die Reise machen.<br />
Und diese Reise ist schön.» (Johannes Paul I.). Warum bin<br />
ich katholisch? Sicher auch, weil mir meine Kirche auf<br />
dieser Reise eine unterhaltsame und faszinierende Reisegesellschaft<br />
bietet. Auf jeden Fall wird es mit ihr nie langweilig,<br />
weil vieles so menschlich zugeht.<br />
Prüfungen gibt es im Leben immer wieder. Ich weiß es.<br />
Ob ich die bisherigen einigermaßen ordentlich bestanden<br />
habe, mag ein anderer beurteilen. Wann die letzte Prüfung<br />
kommt, weiß ich nicht. Aber ich habe einen Wunsch für<br />
diese endgültige Seelenkontrolle: dass ich sie mit Treue<br />
überstehe. Wenn es mir gelingt, einmal so zu sterben, wie<br />
ich es für gut halte, dann, so hoffe ich, wird sich meine Lust,<br />
katholisch zu sein, erfüllt haben. Auf die Frage, wie ich<br />
sterben möchte, würde ich antworten: Im Frieden mit Gott.<br />
Darauf kommt es an. Und dabei wünsche ich mir viel Hilfe<br />
von meiner Kirche.<br />
Martin Lohmann war Chefredakteur der Rhein-Zeitung und stellv. Chefredakteur<br />
des Rheinischen Merkur. Seit 2009 ist er Vorsitzender des Bundesverbandes<br />
Lebensrecht (BVL) und hat im selben Jahr den Arbeitskreis Engagierter<br />
Katholiken (AEK) in der CDU gegründet. Lohmann ist Verlagsleiter der J.P.<br />
Bachem Medien GmbH in Köln. Der vorliegende Beitrag greift auf einen Text<br />
aus dem Buch Von der Lust, katholisch zu sein (MM-Verlag Aachen, 1993)<br />
zurück. Eine Übersicht über die zahlreichen Bücher des katholischen Publizis<br />
ten findet sich auf www.lohmannmedia.de/martin-lohmann<br />
<strong>COMPACT</strong> / Nullnummer / Dezember <strong>2010</strong>