COMPACT-Magazin | ERSTAUSGABE | 12-2010
Sog. 'Nullnummer' des erfolgreichen gesellschaftspolitischen Nachrichten-Magazins
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Leben<br />
<strong>COMPACT</strong><br />
Es mag also für manche pc sein, der Kirche ihre Fehler<br />
vorzuhalten und gerade nach den vielen schrecklichen und<br />
wahrlich widerlichen Missbrauchsfällen am so genannten<br />
System Kirche insgesamt Zweifel anzubringen. Die<br />
Sexualmoral sei schuld, oder gar der Zölibat. Das mag passen<br />
und bestimmte Klischees bestätigen, ist und bleibt aber<br />
falsch. Schuld sind und bleiben diejenigen, die etwa eindeutig<br />
gegen die Sexuallehre der Kirche, die von Respekt<br />
und Kostbarkeit ausgeht, verstoßen haben. Die, die schwer<br />
gesündigt haben, bestätigen ihre eigene Sündhaftigkeit,<br />
nicht aber, dass die Lehre der Kirche falsch sei oder gar der<br />
Zölibat, den man ohnehin missversteht, wenn man ihn ausschließlich<br />
auf eine Frage der gelebten Sexualität reduziert.<br />
Und überhaupt: Es besteht kein Grund, wegen einzelner<br />
Typen aus der Kirche auszutreten. In der bin ich vor allem<br />
wegen Jesus Christus, weil es Seine Kirche ist. Dieser aber,<br />
das kann ich nach mehr als einem halben Jahrhundert Erdenleben<br />
sagen, hat mich noch nie enttäuscht, hat mich<br />
noch nie belogen oder war noch nie unglaubwürdig.<br />
Mutter Teresa, eine von mir sehr verehrte Heilige, soll einmal<br />
auf die Frage, was sich in der Kirche ändern müsse,<br />
geantwortet haben: Sie und ich. Und so will auch ich meinen<br />
bescheidenen Teil zur ecclesia semper reformanda beitragen.<br />
Wohl wissend, dass ich hinter meinen eigenen<br />
Ansprüchen immer wieder zurückbleibe. Aber deswegen<br />
resignieren? Niemals. Doch in den – nach einer kurzen<br />
Phase des Wir-sind-Papst wiedererwachten – Chor der<br />
deutschen Weltmeister im Selbstmitleid will ich mich nicht<br />
einreihen. Die Mentalität der ständigen Exkulpation, nach<br />
dem Motto: «Ja, ja, verzeihen Sie mir, ich bin tatsächlich<br />
katholisch, aber es soll nicht wieder vorkommen», liegt mir<br />
nicht. Ich will anstecken, will meine Freude am Glauben<br />
teilen, ohne die Sorgen und Nöte, die auch ich hatte und<br />
habe, zu verschweigen.<br />
Mir ist unbegreiflich, warum sich so viele Katholiken<br />
duc ken, wenn in unserer Gesellschaft unter dem Deckmantel<br />
der Kritik gegen die Kirche geschossen wird. Mit<br />
Freude ist festzustellen, dass vor allem junge Christen dieses<br />
Spiel nicht mehr mitspielen wollen. Immerhin scheinen<br />
sie wieder oder noch zu ahnen, dass die römische<br />
Weltkirche die einzige greifbare Einrichtung ist, die sich<br />
zu einer langen Geschichte bekennt und ihre Tradition<br />
durch die Jahrhunderte hindurch bis zum heutigen Tag in<br />
die moderne Welt trägt – und eine wunderbare menschengerechte<br />
Botschaft treuhänderisch weiterzugeben hat.<br />
Die Kirche ist also hierzulande die einzige Institution, die<br />
ununterbrochen seit 2.000 Jahren das Leben der Menschen<br />
entscheidend geprägt hat und auch heute noch beansprucht,<br />
dieses Leben mit gestalten zu wollen.<br />
Von der Lust, katholisch zu sein, sollte ich<br />
damals auf Bitten von Michael Müller, dem Herausgeber,<br />
etwas schreiben. Lust? Im Lexikon finde ich die verwandten<br />
Begriffe: Freude, Vergnügen, Entzücken, Seligkeit, Wollust.<br />
Genuss. Lust wird vielfach – so verklemmt ist halt unsere<br />
Gesellschaft heute – nur noch auf den Bereich des Sexuellen<br />
bezogen. Dabei bedeutet Lust sinnliches Erleben insgesamt,<br />
also auch des Geistes und der Seele. Man kann also<br />
auch Lust an der Transzendenz empfinden, Lust an der<br />
Erkenntnis, in einer von Gott gestifteten Gemeinschaft<br />
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