COMPACT-Magazin | ERSTAUSGABE | 12-2010
Sog. 'Nullnummer' des erfolgreichen gesellschaftspolitischen Nachrichten-Magazins
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<strong>COMPACT</strong><br />
Politik<br />
Das Sicherheitskonzept des Love<br />
Parade-Veranstalters Lopavent GmbH<br />
ging von insgesamt 485.000 Besuchern<br />
aus. Eine behördliche Geneh migung<br />
hatte sie für 250.000. Der im<br />
Sicherheits konzept enthaltenen Zuund<br />
Abstromanalyse zufolge wird die<br />
maximale Anzahl der Besucher nie<br />
über schritten. Für 17 Uhr wird darin<br />
mit Spitzenwerten von 90.000 Besuchern<br />
pro Stunde gerechnet, die durch<br />
die Tunnel auf das Gelände zugehen,<br />
und gleichzeitig mit 55.000 Personen,<br />
die den Festplatz verlassen.<br />
Ob dies gut gehen konnte, ist eine<br />
abstrakt-theoretische Frage. Die<br />
Meinun gen der Experten weichen weichen<br />
voneinander ab. Nach der Katastrophe<br />
steht Aussage gegen Aussage.<br />
Während «Panik forscher»<br />
Michael Schreckenberg das von ihm erstellte<br />
Sicherheitskonzept und damit<br />
sich selbst ve hement verteidigt, wird<br />
ein «Katas trophenforscher» namens<br />
Dirk Ober ha gemann zum öffentlichen<br />
Vertreter der Anklage. Es ist kein The -<br />
ma, dass er von einem Bundesministerium<br />
bezahlt wird und im Dienste<br />
der Politik stehen könnte. Laut Oberhagemann<br />
war der Tunnel als einziger<br />
Zu- und Ausgang für so einen Massenandrang<br />
«zweifelsohne absolut<br />
ungeeignet».<br />
Eine Veranstaltung dieser Größenordnung<br />
dürfe man nur mit einem Einbahnstraßensystem<br />
zulassen. Zu- und<br />
Abgang müssten auf jeden Fall von ein<br />
ander getrennt werden. «Ein Eingang<br />
und ein separater Ausgang – so und<br />
nicht anders.» Ein kurzer Blick auf das<br />
Duisburger Veranstaltungsgelände genügt<br />
dem Wissenschaftler, um festzustellen:<br />
«Der Tunnelbereich ist ein ganz<br />
sensibler Punkt. Mir war schnell klar,<br />
dass da was passieren wird.» Oberhagemann<br />
kennt kein Pardon: «Nur völlig<br />
Realitätsferne können ernsthaft gedacht<br />
haben, dass an dieser Stelle<br />
nichts passieren wird.» Deshalb kommt<br />
er zu dem eindeutigen Schluss: «Diese<br />
Veranstaltung hätte so nie und nimmer<br />
stattfinden dürfen.» Man habe sich<br />
«über sämtliche Sicherheitsbedenken<br />
hinweggesetzt.» Seine Bedenken waren<br />
freilich erst hinterher zu vernehmen.<br />
Der Einzige, der auch im Vorfeld<br />
seine Bedenken offensiv geäussert<br />
hatte, war der frühere Duisburger<br />
Polizeipräsident Rolf Cebin. Cebin hatte<br />
sich bereits 2009 we gen Sicherheitsbedenken<br />
heftig gegen die Austragung<br />
der Love Parade gewandt. Der Kreisvorsitzende<br />
der Duisburger CDU und<br />
Bun destagsabgeordnete Thomas Mahlberg<br />
hatte daraufhin in einem Schreiben<br />
an den damaligen NRW-Innenminister<br />
Ingo Wolf die Absetzung Cebins<br />
gefordert.<br />
Im Mai <strong>2010</strong> wurde Cebin in den Ruhe<br />
stand befördert, Detlef von Schmeling<br />
übernahm daraufhin den vakanten<br />
Posten des Polizeipräsidenten kommissarisch.<br />
Noch unter Cebins Führung<br />
ließ die Duisburger Polizei erklären,<br />
dass der Durchführung der Love Para -<br />
de «eklatante Sicherheitsmängel» entgegen<br />
stünden. Im Schreiben Mahlbergs<br />
Duisburg: Partystimmung vor der Katastrophe<br />
heißt es dazu: «Eine Negativ berichterstattung<br />
in der gesamten Re publik<br />
ist die Folge», deshalb solle In nenminister<br />
Wolf nun einen «personellen<br />
Neuanfang im Polizeipräsidium Duisburg»<br />
wagen.<br />
In Bochum war im Vorjahr die Love<br />
Parade auf Drängen des dortigen<br />
Polizeipräsidenten Thomas Wenner abgesagt<br />
worden, das sollte in Duisburg<br />
nicht passieren. Hat der örtliche CDU-<br />
Chef Mahlberg als Parteifreund von<br />
Oberbürgermeister Adolf Sauerland die<br />
Strippen gezogen, um einen mäch tigen<br />
Widersacher und potenziellen Spielverderber<br />
des Love Parade-Spektakels<br />
rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen?<br />
Foto: Florian Peters<br />
Von Johannes Heckmann<br />
erscheint im Dezember<br />
<strong>2010</strong> in der<br />
Buchreihe <strong>COMPACT</strong> der<br />
Titel LOVE PARADE –<br />
DEATH PARADE. Ursachen<br />
und Verantwortliche<br />
eines töd lichen<br />
Kesseltreibens. (115<br />
Seiten, 8.80 Euro)<br />
<strong>COMPACT</strong> / Nullnummer / Dezember <strong>2010</strong>