COMPACT-Magazin | ERSTAUSGABE | 12-2010
Sog. 'Nullnummer' des erfolgreichen gesellschaftspolitischen Nachrichten-Magazins
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Titelthema<br />
<strong>COMPACT</strong><br />
Rechter, ein Nationalist? Bereitet er den<br />
Boden für einen ultrarechten Rollback<br />
in Europa vor?<br />
Eines scheint klar: Geert Wilders<br />
steht exemplarisch für eine Trans formation<br />
der Rechten in Europa – auch<br />
in der Bundesrepublik. Das, was man<br />
frü her in jenen Kreisen solide als<br />
«Überfremdung» bezeichnet hat, trägt<br />
heute den flotteren Namen «Isla misierung».<br />
Man übt keine Kritik mehr an<br />
der massenhaften Einwanderung, son -<br />
dern gibt sich – ganz aufgeklärt – als<br />
besorgte Religionskritiker. Dieser<br />
Trend reicht bis weit in die Mitte.<br />
Das führt zu geradezu bizarren poli<br />
tischen Aussagen: Etwa dann, wenn<br />
sich CSU-Stammtische über die Homo -<br />
sexuellenverfolgung in islamischen<br />
Ländern Sorgen machen oder christso<br />
ziale Politiker plötzlich den Feminis -<br />
mus für sich entdeckt haben, wenn es<br />
gegen das islamische Kopftuch geht.<br />
Schwulenrechte und Feminismus sind<br />
moderne liberale Stecken pferde, für<br />
die sich normalerweise katholische<br />
Bischöfe genauso wenig begeistern<br />
können wie muslimische Imame.<br />
Auch Wilders spielt massiv auf dieser<br />
postmodernen Klaviatur, wenn es gegen<br />
den Islam geht. Gegen den Islam<br />
– wie er selbst stets betont, nicht gegen<br />
die Einwanderer. Er verteidigt das, was<br />
er «christlich-jüdisches Erbe» nennt –<br />
eine Formulierung, die längst auch in<br />
den bundesrepublikanischen Alltag<br />
eingezogen ist. Inwiefern der Chris topher<br />
Street Day und Frauenqoute sich<br />
aus dem christlich-jüdischen Erbe ablei<br />
ten lassen, sei einmal dahingestellt.<br />
Wilders’ Freunde in England? Der Mob bekundet sein Verständnis von Israelsolidarität<br />
Dieser pro-zionistische<br />
Kurs des<br />
Niederländers wirkt<br />
auch auf viele<br />
deutsche Rechte<br />
sexy.<br />
mist würde sich gegen eine solche<br />
Gleichsetzung verwahren.<br />
Es sind nicht selten Ansichten,<br />
die aus Wilders Mund kommen, die<br />
man früher – in den 1990er Jahren – bei<br />
den so genannten «Antideutschen»<br />
fand: Bedingungslose Unterstützung<br />
für die USA bei ihren Raubzügen in<br />
der islamischen Welt, beim Irakkrieg,<br />
beim NATO-Krieg gegen Serbien.<br />
Auch die Parteinahme für Israel gehört<br />
zu diesem Repertoire: Der zionistische<br />
Staat gilt als Bollwerk der Moderne,<br />
der Demokratie in einem Meer von<br />
«Islamofaschisten». Und auch der Iran<br />
steht auf der Abschussliste jener Fortschrittsfalken,<br />
da er Israel bedrohe und<br />
von einer «faschistoiden Mullahdikta-<br />
Wilders politische Inhalte<br />
haben allesamt sehr wenig mit dem zu<br />
tun, was man gemeinhin als «rechts»<br />
bezeichnet. Die meisten inhaltlichen<br />
Schnittmengen dürfte der Holländer<br />
wohl eher mit den so genannten<br />
«linken Falken» der USA haben – also<br />
mit jenen Linksintellektuellen Washingtons,<br />
die US-Militäreinsätze vor<br />
allem gegen islamische Länder deshalb<br />
unterstützen, weil sie sich dadurch eine<br />
rasche Verbreitung postmoderner<br />
Demo kratievorstellungen erhoffen. Zu<br />
nennen wäre hier beispielsweise der<br />
US-Schriftsteller Paul Berman, der in<br />
seinem Buch Terror und Liberalismus<br />
tatsächlich meint, die US-Truppen in<br />
Afghanistan würden für die Frauenrechte<br />
kämpfen. Auch der von der<br />
Bush-Administration erfundene T ermi<br />
nus «Islamofaschismus» – also die<br />
Herstellung einer reichlich schrägen<br />
Verknüpfung aus Faschismus und<br />
Islam – dient dieser Sache.<br />
Kein Wunder, dass auch ein Geert<br />
Wilders be haup tet hat, der Koran sei<br />
mit Hitlers Mein Kampf wesens verwandt<br />
und müsse ebenso verboten<br />
werden. Ein überzeugter Rechtsextretur»<br />
beherrscht werde.<br />
Da mag es kaum verwundern, dass<br />
Wilders nicht nur bei den deutschen<br />
Rechten Fans hat, sondern auch in<br />
Tel Aviv und Jerusalem. Die Jerusalem<br />
Post (JP) lässt kaum eine Gelegenheit<br />
aus, den Israel-Parteigänger im fernen<br />
Amsterdam zu loben. So berichtet JP-<br />
Autor David Horowitz verzückt über<br />
Wilders verbale Unterstützung für<br />
Israels Kampf gegen die Palästinenser.<br />
«Ihr kämpft unseren Kampf!», hatte<br />
Wilders in Richtung Tel Aviv gerufen<br />
und gleichzeitig noch ein paar wertvolle<br />
Tipps und Ratschläge gegeben:<br />
So werde es keinen Frieden geben,<br />
wenn sich Israel und die Palästinenser<br />
auf eine Zwei-Staaten-Lösung einigten,<br />
glaubt Wilders zu wissen. Zudem<br />
gebe es ja bereits einen palästinen sischen<br />
Staat – Jordanien. Seinen anti -<br />
islamischen Hetzfilm Fitna, der vor<br />
zwei Jahren in ganz Europa für Furore<br />
sorgte, durfte Wilders gar in Jerusalem<br />
zeigen.<br />
Dieser pro-zionistische Kurs<br />
des Niederländers wirkt auch auf viele<br />
deutsche Rechte sexy – und lässt sie<br />
in das antideutsche Fahrwasser schlittern,<br />
ohne dass sie es selbst bemerken.<br />
Selbst die aus der deutschen Hardcore-<br />
Rechten kommende, nun auf schnittigbürgerlich<br />
gebügelte Bürgerbewegung<br />
Pro Köln schwenkt auf ihren Veranstaltung<br />
Israel-Fahnen, der Terminus<br />
«Islamofaschismus» gehört zu ihrem<br />
festen Wortschatz. Und im islamfeind -<br />
lichen Internetforum Politically Incorrect<br />
scheint kein Tag zu vergehen, an<br />
dem nicht irgendein Kommentator auf<br />
die Kooperation zwischen Adolf Hitler<br />
und dem Großmufti von Jerusalem<br />
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