Das Magazin des Theaters in der Josefstadt - Theater in der Josefstadt

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12.12.2012 Aufrufe

INTerVIeW 12 eiN MoNat auf deM LaNde ViER FRAuEN uND EiN LiEBEScHAOS stePhanIe Mohr InszenIert turgenjews »eIn Monat auf deM lande«, wo MarIa KöstlInger, hIlde dalIK und sona MaCdonald IM tretMInenfeld Ihrer gefÜhle aufeInandertreffen. eIn gesPräCh Über Pantherfrauen, botox-tragIK und lIebesKäMPfe MIt angelIKa hager. Angelika Hager: Die tragische heldin Natalja hat einen liebenden ehemann, einen durchaus flirtbegabten hausfreund und muss sich dann auch noch hals über Kopf in den blutjungen hauslehrer verlieben. Maria Köstlinger: sie ist in einer schwierigen phase ihres Lebens angekommen, wo sie auch noch ihren erotischen begehrt- werdenswert überprüfen möchte. Da ich auf den Vierziger zugehe, kann ich das durchaus nachempfinden. Hager: Natalja ist im stück 29 Jahre alt. Im russland des 19. Jahrhunderts war man da bereits jenseits seiner besten Jahre. heute ist 38 das neue 50. Am boulevard führen ältere Frauen ihre jungen Liebhaber wie Trophäen vor. ein zeichen der emanzipation? Ist eIn junger lIebhaber heIlsaM? Köstlinger: es wäre schön, aber ich sehe es nicht so. Denn wenn man Frauen wie Madonna oder Demi Moore anschaut, die daneben zum schönheitsdoktor rennen und sich vom busen bis zum gesicht alles richten lassen, dann hat das für mich auch was Tragisches und Trauriges. Würden diese Frauen ihrem Alter, also 50 und mehr, entsprechend aussehen, hätten sie Jesus oder Ashton wahrscheinlich nicht mehr. Hilde Dalik: Martin scorsese hat sich in einem Interview v. l. n. r.: Angelika hager, hilde Dalik, stephanie Mohr, Maria Köstlinger, sona MacDonald beklagt, dass er nicht mehr weiß, welche schauspielerinnen er besetzen soll, weil sich alle in der botox-starre befinden. selbst die 30-jährigen. Das ist für mich emanzipatorisch kein Fort-, sondern ein rückschritt. Sona MacDonald: In Amerika gibt es für dieses phänomen von älteren Frauen mit jungen Lovern bereits einen eigenen begriff: die Cougars. Cougar ist eine pantherart mit silbrigem Fell. Aber natürlich wäre die ideale Form der beziehung das Tilda- swinton-Modell. Hager: einen ehemann und Kindsvater, der verlässlich das haus hütet, während man mit einem feurigen Toyboy durch die Welt abenteuert. haben sie schon sowas in der richtung erlebt, sona? MacDonald: Leider nur in meiner Fantasie. Köstlinger (lacht): Ich hab's meinem Mann einmal vorge- schlagen, aber er hat mich nur gefragt, ob ich ein bisserl deppert geworden bin. Hager: Aber im Vergleich zu Turgenjews Frauen ist das Lieben heute für unsere generation doch viel einfacher geworden. Stephanie Mohr: Wir haben das privileg der freien Wahl. Aber dennoch sind die emotionalen strukturen die gleichen geblieben. MacDonald: Ich bin überzeugt davon, dass viele Frauen auch heute noch in leblosen beziehungen verharren, weil sie ihren Lebensstandard nicht aufgeben wollen oder dass sie ihren Kindern zuliebe bleiben. Hager: Was empfindet Ihr für solche Frauen, die sich heute dennoch so mit ihrem unglück arrangieren? Mitleid, Verachtung? Mohr: Man kann sich nicht anmaßen, diesbezüglich pauschal-

Fotos Erich Reismann urteile zu fällen. Jede geschichte ist einzigartig; zwänge wirken sich auf jeden anders aus. Köstlinger: Ich finde es teilweise erschreckend, mit welcher Leichtfertigkeit heute beziehungen wieder entsorgt werden, wenn es einmal nicht passt. Ich bin jetzt zwölf Jahre verheiratet. und natürlich gab es jede Menge höhen und Tiefen und auch Momente, wo ich gesagt habe: »Ich glaube, ich schaffe das nicht.« Hager: Ihr Mann (Anm. der schauspieler Karlheinz hackl) war sehr schwer krank. Köstlinger: Natürlich war das auch eine extremsituation. Aber ich habe immer gewusst, dass es sich lohnt, zu kämpfen. es ging ja nicht nur um unsere beziehung, sondern auch um die Familie, um unsere gemeinsame Tochter. und jetzt, nachdem wir all das gemeinsam überstanden haben, sind wir an einem punkt angelangt, wo wir eine ganz neue Qualität unserer beziehung erfahren dürfen. Das ist etwas ganz großartiges, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. MacDonald: Wenn ich so etwas höre, bin ich fast ein bisschen von Neid erfüllt. sich zu verlieben, was ja fast einem rauschhaften zustand gleichkommt, ist ja eigentlich sehr einfach. Aber diesen zustand dann in dauerhafte Liebe verwandeln zu können, das ist mir längerfristig noch nicht geglückt. Das Wichtigste in jeder beziehungskonstellation ist für mich immer: sich nicht ver- biegen zu müssen, sich nicht verleugnen zu müssen und nicht zu viele Kompromisse eingehen zu müssen. Das ist ja auch für mich das schwierige an der rolle der gesellschafterin Lisaweta: Die muss weggeheiratet werden, um versorgt zu werden. Aber ich möchte meine Figur nicht nur als arme schluckerin darstellen. Mohr: Das ist sie auch nicht. Die Frauen in »ein Monat auf dem Lande« sind alle keine opfer. Vor allem nicht Natalja, die nicht bereit ist, zugunsten ihrer pflegetochter beim hauslehrer zurückzutreten. Das tut sie nicht, und das finde ich toll, obwohl es natürlich nicht wahnsinnig sympathisch ist. Köstlinger: Natalja will eben noch einmal sowas wie Leben zu fassen kriegen, bevor sie in der Langeweile unterzugehen droht. Das mag ich an der Figur. und mit welcher Leidenschaft sie sich da hineinstürzt. Hager: Ist das Liebe? oder nur ein verzweifeltes sichauf- bäumen gegen die Monotonie des Alltags? Köstlinger: Wenn man das immer so genau wüsste. Wann hört der rausch auf, wann wird er zu einem echten gefühl? INTerVIeW oft denkt man sich ja dann im rückblick: »hallelujah, das wär's ja eigentlich gar nicht wert gewesen.« Dalik: Verliebtsein hat ja auch immer etwas mit Idealisierung zu tun; das gegenüber dient ja auch als projektionsfläche der eigenen bedürfnisse. Meine Verotschka erlebt diesen Überschwall der gefühle das erste Mal. und wird dadurch auch erwachsen, während die wesentlich ältere Natalja durch ihre Leidenschaft fast wiederum kindliche züge annimmt. rausCh der ersten VerlIebtheIt Hager: Die Frauen wirken bei Turgenjew wie auch später bei schnitzler oder Tschechow als die interessanteren, weil vielschichtigeren und stärkeren Figuren. Mohr: Da muss ich widersprechen. Ich finde die Männer in diesem stück durchaus interessant und sehe sie nicht als schwäch- linge. es wird natürlich viel geschwätzt und selbstreflektiert. Hager: Turgenjews Ton ist manchmal erschreckend kalt, weil so desillusionierend. Mohr: Als kalt empfinde ich ihn nicht, nur als klug. Dalik: Trotz aller vermeintlichen stagnationen geht man mit der gewissheit nach hause, dass es noch immer hoffnung gibt. MacDonald: und einem die erfahrungen, die man in der Liebe gemacht hat, wenig nützen, wenn es einen wirklich wieder einmal so richtig erwischt. Man ist dann genauso vertrottelt wie vor 20 Jahren auch schon. Angelika hager leitet das gesellschaftsressort des Nachrichtenmagazins »profil« und ist die Frau hinter der Kultkolumnistin »polly Adler« – eben erschien ihr erster erzählband »Nur Idioten sind glücklich«. eIn monat auf Dem LanDe von Iwan Turgenjew, Regie: Stephanie Mohr, Bühnenbild: Miriam Busch, Kostüme: Alfred Mayerhofer, Musik: Joachim Steffenhagen Mit Hilde Dalik, Maria Köstlinger, Sona MacDonald, Eva Mayer, Rasmus Borkowski, André Pohl, Peter Scholz, Toni Slama u. a. PremIere am 28. Jänner 2010, tHeater In Der JoSefStaDt Das Magazin des Theaters in der Josefstadt 13

Fotos Erich Reismann<br />

urteile zu fällen. Jede geschichte ist e<strong>in</strong>zigartig; zwänge wirken<br />

sich auf jeden an<strong>der</strong>s aus.<br />

Köstl<strong>in</strong>ger: Ich f<strong>in</strong>de es teilweise erschreckend, mit welcher<br />

Leichtfertigkeit heute beziehungen wie<strong>der</strong> entsorgt werden,<br />

wenn es e<strong>in</strong>mal nicht passt. Ich b<strong>in</strong> jetzt zwölf Jahre verheiratet.<br />

und natürlich gab es jede Menge höhen und Tiefen und auch<br />

Momente, wo ich gesagt habe: »Ich glaube, ich schaffe das nicht.«<br />

Hager: Ihr Mann (Anm. <strong>der</strong> schauspieler Karlhe<strong>in</strong>z hackl)<br />

war sehr schwer krank.<br />

Köstl<strong>in</strong>ger: Natürlich war das auch e<strong>in</strong>e extremsituation.<br />

Aber ich habe immer gewusst, dass es sich lohnt, zu kämpfen.<br />

es g<strong>in</strong>g ja nicht nur um unsere beziehung, son<strong>der</strong>n auch um die<br />

Familie, um unsere geme<strong>in</strong>same Tochter. und jetzt, nachdem wir<br />

all das geme<strong>in</strong>sam überstanden haben, s<strong>in</strong>d wir an e<strong>in</strong>em punkt<br />

angelangt, wo wir e<strong>in</strong>e ganz neue Qualität unserer beziehung<br />

erfahren dürfen. <strong>Das</strong> ist etwas ganz großartiges, wie ich es zuvor<br />

noch nie erlebt habe.<br />

MacDonald: Wenn ich so etwas höre, b<strong>in</strong> ich fast e<strong>in</strong> bisschen<br />

von Neid erfüllt. sich zu verlieben, was ja fast e<strong>in</strong>em rauschhaften<br />

zustand gleichkommt, ist ja eigentlich sehr e<strong>in</strong>fach. Aber diesen<br />

zustand dann <strong>in</strong> dauerhafte Liebe verwandeln zu können, das ist<br />

mir längerfristig noch nicht geglückt. <strong>Das</strong> Wichtigste <strong>in</strong> je<strong>der</strong><br />

beziehungskonstellation ist für mich immer: sich nicht ver-<br />

biegen zu müssen, sich nicht verleugnen zu müssen und nicht zu<br />

viele Kompromisse e<strong>in</strong>gehen zu müssen. <strong>Das</strong> ist ja auch für mich<br />

das schwierige an <strong>der</strong> rolle <strong>der</strong> gesellschafter<strong>in</strong> Lisaweta: Die<br />

muss weggeheiratet werden, um versorgt zu werden. Aber ich<br />

möchte me<strong>in</strong>e Figur nicht nur als arme schlucker<strong>in</strong> darstellen.<br />

Mohr: <strong>Das</strong> ist sie auch nicht. Die Frauen <strong>in</strong> »e<strong>in</strong> Monat auf<br />

dem Lande« s<strong>in</strong>d alle ke<strong>in</strong>e opfer. Vor allem nicht Natalja, die<br />

nicht bereit ist, zugunsten ihrer pflegetochter beim hauslehrer<br />

zurückzutreten. <strong>Das</strong> tut sie nicht, und das f<strong>in</strong>de ich toll,<br />

obwohl es natürlich nicht wahns<strong>in</strong>nig sympathisch ist.<br />

Köstl<strong>in</strong>ger: Natalja will eben noch e<strong>in</strong>mal sowas wie Leben zu<br />

fassen kriegen, bevor sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Langeweile unterzugehen droht.<br />

<strong>Das</strong> mag ich an <strong>der</strong> Figur. und mit welcher Leidenschaft sie<br />

sich da h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stürzt.<br />

Hager: Ist das Liebe? o<strong>der</strong> nur e<strong>in</strong> verzweifeltes sichauf-<br />

bäumen gegen die Monotonie <strong>des</strong> Alltags?<br />

Köstl<strong>in</strong>ger: Wenn man das immer so genau wüsste. Wann hört<br />

<strong>der</strong> rausch auf, wann wird er zu e<strong>in</strong>em echten gefühl?<br />

INTerVIeW<br />

oft denkt man sich ja dann im rückblick: »hallelujah, das wär's<br />

ja eigentlich gar nicht wert gewesen.«<br />

Dalik: Verliebtse<strong>in</strong> hat ja auch immer etwas mit Idealisierung<br />

zu tun; das gegenüber dient ja auch als projektionsfläche <strong>der</strong><br />

eigenen bedürfnisse. Me<strong>in</strong>e Verotschka erlebt diesen Überschwall<br />

<strong>der</strong> gefühle das erste Mal. und wird dadurch auch erwachsen,<br />

während die wesentlich ältere Natalja durch ihre Leidenschaft<br />

fast wie<strong>der</strong>um k<strong>in</strong>dliche züge annimmt.<br />

rausCh <strong>der</strong><br />

ersten VerlIebtheIt<br />

Hager: Die Frauen wirken bei Turgenjew wie auch später bei<br />

schnitzler o<strong>der</strong> Tschechow als die <strong>in</strong>teressanteren, weil vielschichtigeren<br />

und stärkeren Figuren.<br />

Mohr: Da muss ich wi<strong>der</strong>sprechen. Ich f<strong>in</strong>de die Männer <strong>in</strong><br />

diesem stück durchaus <strong>in</strong>teressant und sehe sie nicht als schwäch-<br />

l<strong>in</strong>ge. es wird natürlich viel geschwätzt und selbstreflektiert.<br />

Hager: Turgenjews Ton ist manchmal erschreckend kalt,<br />

weil so <strong>des</strong>illusionierend.<br />

Mohr: Als kalt empf<strong>in</strong>de ich ihn nicht, nur als klug.<br />

Dalik: Trotz aller verme<strong>in</strong>tlichen stagnationen geht man mit<br />

<strong>der</strong> gewissheit nach hause, dass es noch immer hoffnung gibt.<br />

MacDonald: und e<strong>in</strong>em die erfahrungen, die man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe<br />

gemacht hat, wenig nützen, wenn es e<strong>in</strong>en wirklich wie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>mal so richtig erwischt. Man ist dann genauso vertrottelt wie<br />

vor 20 Jahren auch schon.<br />

Angelika hager leitet das gesellschaftsressort <strong>des</strong> Nachrichtenmagaz<strong>in</strong>s<br />

»profil« und ist die Frau h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Kultkolumnist<strong>in</strong> »polly Adler« – eben<br />

erschien ihr erster erzählband »Nur Idioten s<strong>in</strong>d glücklich«.<br />

eIn monat auf Dem LanDe<br />

von Iwan Turgenjew, Regie: Stephanie Mohr, Bühnenbild: Miriam<br />

Busch, Kostüme: Alfred Mayerhofer, Musik: Joachim Steffenhagen<br />

Mit Hilde Dalik, Maria Köstl<strong>in</strong>ger, Sona MacDonald, Eva Mayer,<br />

Rasmus Borkowski, André Pohl, Peter Scholz, Toni Slama u. a.<br />

PremIere am 28. Jänner 2010, tHeater In Der JoSefStaDt<br />

<strong>Das</strong> <strong>Magaz<strong>in</strong></strong> <strong>des</strong> <strong><strong>Theater</strong>s</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Josefstadt</strong> 13

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