Download Magazin als PDF - Musikfest Bremen
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präsentiert von<br />
Es gehört zur Programmatik des Orchesters Spira<br />
mirabilis, in Konzerten nur ein einziges Werk auf-<br />
SPIRA MIRABILIS<br />
zuführen, um sowohl die Energien der Musiker <strong>als</strong><br />
Zweifellos ist das Orchester Spira mirabilis ein musikalisches<br />
auch die Aufmerksamkeit des Publikums so stark<br />
Abenteuer. Die junge italienische Geigerin Lorenza Borrani hat<br />
wie möglich zu fokussieren. Weiteres erklärtes Ziel<br />
das Projekt mit dem Ziel gegründet, mit ihren Musikern eine<br />
dieser Praxis ist es, ein Bedürfnis nach Musik nicht<br />
gemeinsame Vision zu entwickeln, die jedoch jedem einzel-<br />
nur zu befriedigen, sondern gleichsam zu schafnen<br />
Orchestermitglied individuellen Raum zur Entfaltung<br />
fen. Nun beträgt die Aufführungsdauer der 8. Sin-<br />
gibt. Aus diesem Grund verzichtet Spira mirabilis auch auf<br />
fonie weniger <strong>als</strong> eine halbe Stunde. Sollte es das einen Dirigenten: Der »kollektive Gedanke« soll die Basis der Interpretation sein. So versteht<br />
<strong>als</strong>o gewesen sein? Mitnichten, vielmehr darf sich das Ensemble ein Konzert <strong>als</strong> geteilte Erfahrung von Musikern und Publikum, wobei die Auf-<br />
das Publikum auf ein ganz neues Konzerterlebnis führung lediglich ein kleines Teil in einem großen Puzzle darstellt. Viele Mitglieder des Ensemb-<br />
freuen, wenn die jungen Musiker ihre sehr spezielle les gehören renommierten Klangkörpern an, wie etwa dem Chamber Orchestra of Europe, dem<br />
Sicht der Dinge auf die Bühne und in den Saal tra- Mahler Chamber Orchestra oder den Berliner Philharmonikern. Spira mirabilis positioniert sich<br />
gen. So beleuchten sie das Werk aus verschiedenen bewusst abseits des klassischen Mainstreams und wendet sich in kleinen oder ungewöhnlichen<br />
Perspektiven, verzichten auf traditionell gesetzte Sälen gern an ein Publikum, das das gespielte Werk noch nicht kennt. So ist das Orchester auch<br />
Grenzen zwischen Künstlern und Publikum und schon mal in einem Einkaufszentren, einer Bar oder auf einem Schiff zu erleben. »Je härter die<br />
überraschen durch experimentelle Programmge- Rahmenbedingungen, desto mehr streben wir nach höchster Qualität«, heißt es in einer Selbststaltung,<br />
bevor sie das Werk komplett aufführen. darstellung des Ensembles.<br />
BEETHOVEN ALS<br />
Unter den Sinfonien Ludwig van Beethovens nimmt<br />
die 8. Sinfonie eine gewisse Außenseiterrolle ein: Einerseits<br />
kommt sie in einem für Beethoven durchaus<br />
ungewöhnlichen leichten und heiteren Tonfall daher, SPASSMACHER<br />
andererseits orientiert sie sich vordergründig eher zertes vorschwebte. Im Sommer des gleichen Jahres änderte er jedoch seine Plä-<br />
an den Sinfonien Haydns <strong>als</strong> an den eigenen großen ne, und er begann, das vorhandene Material <strong>als</strong> Sinfonie auszuarbeiten. Zu dieser<br />
klassischen Würfen wie der Siebten oder der Neun- Zeit befand er sich zu einem Kuraufenthalt in den böhmischen Bädern, von wo<br />
ten Sinfonie. Der Musikwissenschaftler Klaus Döge aus er aber nicht nur an der neuen Sinfonie arbeitete, sondern auch den berühmt<br />
konstatiert, das Werk sei von einem »musikalischen gewordenen Brief an die »unsterbliche Geliebte« schrieb. Der Rezensent der All-<br />
Humor« durchdrungen, Martin Geck deutet die Achte gemeinen Musikalischen Zeitung Wien urteilte nach der Premiere am 27. Februar<br />
gar <strong>als</strong> »satirischen Abgesang auf die Gattung Sinfo- 1814, die Sinfonie habe »kein Furore« gemacht, was jedoch nicht an dem Werk<br />
nie«. Allerdings setzt sich in der Forschung immer selbst liege, sondern an der Tatsache, dass man zuvor schon die bereits bekann-<br />
mehr die Erkenntnis durch, dass das Werk in seiner te 7. Sinfonie gegeben hatte und »in der Uebersättigung von schon so vielem ge-<br />
Rezeption häufig verkannt, weil viel zu vordergründig nossenen Schönen und Trefflichen (...) natürlich eine Abspannung die Folge sein<br />
verstanden worden sei. Der Komponist bricht näm- muss. Wird diese Symphonie in Zukunft allein gegeben, so zweifeln wir keineslich<br />
bewusst mit einer Vielzahl von kompositorischen wegs an dem günstigen Erfolge«.<br />
Regeln seiner Zeit und karikiert sie. Er verordnet dem<br />
Orchester leere Phrasen, schiebt Schlussgestaltungen<br />
immer wieder hinaus, überfordert die Kontrabässe<br />
mit Vierundsechzigstelläufen, lässt die Holzbläser<br />
Jochen Brünner<br />
bewusst an f<strong>als</strong>cher Stelle einsetzen und präsentiert<br />
Pauken in Oktavstimmung. So verbirgt sich hinter der<br />
scheinbaren Einfachheit, ja Einfalt, höchste komposi-<br />
MI 08. SEPT I 20 UHR I KAT. F<br />
Schloss Oldenburg<br />
torische Raffinesse.<br />
Entwürfe, die Beethoven im Frühjahr 1812 in seinem<br />
Skizzenbuch notierte, verraten, dass dem Komponisten<br />
ursprünglich offenbar die Idee eines Klavierkon-<br />
BEETHOVEN – DIE ACHTE<br />
ORCHESTER SPIRA MIRABILIS<br />
L. van Beethoven: Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93<br />
08<br />
09<br />
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