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Guédelon – Bau einer Burg im 21. Jahrhundert - Webmuseum.ch

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Thomas Bitterli-Waldvogel<br />

Abb. 17. Die Kalksumpfgrube liegt offen zugängli<strong>ch</strong> (Foto: Verf.).<br />

zwei Tagen die Gewölbekappen ges<strong>ch</strong>lossen.<br />

Zugute kam den Maurern<br />

die bereits eingeübte Te<strong>ch</strong>nik des Setzens<br />

der Steine ohne S<strong>ch</strong>alung. Wie<br />

bei den Gewölberipppen wurde au<strong>ch</strong><br />

bei den Gewölbekappen die S<strong>ch</strong>alung<br />

sehr ras<strong>ch</strong> weggenommen, damit der<br />

no<strong>ch</strong> plastis<strong>ch</strong>e Mörtel unter Druck in<br />

s<strong>einer</strong> endgültigen Form aushärtet.<br />

Der nä<strong>ch</strong>ste Ges<strong>ch</strong>ossboden:<br />

Die Gewölbekappen dienen eigentli<strong>ch</strong><br />

als S<strong>ch</strong>alung für die nun aufliegende<br />

Mauerfüllung. Bei der Mauerfüllung<br />

werden die Füllsteine einzeln strahlenförmig,<br />

zum Gewölbezentrum geri<strong>ch</strong>tet,<br />

gesetzt und mit Mörtel überdeckt.<br />

Auf diese Weise verzahnt si<strong>ch</strong><br />

allmähli<strong>ch</strong> die Füllung über dem Gewölbe<br />

mit derjenigen der umgebenden<br />

Turmmauer. Diese Füllung wird<br />

soweit aufges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet, bis si<strong>ch</strong> über<br />

dem Gewölbes<strong>ch</strong>eitel eine Decke von<br />

55 cm bildet, die na<strong>ch</strong> oben horizontal<br />

abgeglättet ist und somit den Boden<br />

für das nä<strong>ch</strong>ste Ges<strong>ch</strong>oss bildet.<br />

Zeitbedarf:<br />

Das Setzen der Rippen mit den vorbereiteten<br />

Steinen dauerte drei Arbeitstage<br />

mit jeweils se<strong>ch</strong>s Arbeitskräften.<br />

Für das S<strong>ch</strong>ließen des Gewölbes waren<br />

35 Arbeitstage nötig, wobei jeweils<br />

se<strong>ch</strong>s bis zwölf Arbeitskräfte<br />

bes<strong>ch</strong>äftigt waren.<br />

Der Mörtel:<br />

Am Kalkmörtel, der in <strong>Guédelon</strong> verwendet<br />

wird, lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Jahre<br />

später no<strong>ch</strong> sehr gut die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />

geeigneten Lösungen ablesen. Zu Beginn<br />

der <strong>Bau</strong>arbeiten ents<strong>ch</strong>ied der<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Beirat, einen industriel<br />

hergestellten Kalk mit Sand<br />

aus der Loire zu verwenden. Aber<br />

na<strong>ch</strong>dem die Grundmauern der <strong>Burg</strong><br />

erri<strong>ch</strong>tet waren, das Resultat aus optis<strong>ch</strong>en<br />

Gründen als unbefriedigend<br />

beurteilt. Der moderne Mörtel ist<br />

zu hart, zu weiß und hebt si<strong>ch</strong> zu<br />

stark von der rötli<strong>ch</strong>-violetten Farbe<br />

des lokalen Sandsteins ab. Erst jetzt<br />

kehrte der Beirat zum Grundprinzip<br />

zurück, für alle Materialien die lokalen<br />

Vorkommen zu nutzen. Für den<br />

Stein und das Holz stand dies nie zur<br />

Diskussion, warum also ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong><br />

die lokalen Sandvorkommen verwenden?<br />

Ein neues Mörtelrezept wurde<br />

aufgestellt: Luftkalk (<strong>ch</strong>aux aérienne)<br />

13 und rötli<strong>ch</strong>er Sand der Puisaye<br />

wurden die neuen Komponenten des<br />

Kalkmörtels. Die Ockerfarbe des Bindemittels<br />

verträgt si<strong>ch</strong> optis<strong>ch</strong> sehr<br />

gut mit dem rötli<strong>ch</strong>en Sandstein. Ein<br />

Jahr später wurde eine Serie von <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>-physikalis<strong>ch</strong>en<br />

Analysen an<br />

den bena<strong>ch</strong>barten <strong>Burg</strong>en von Saint-<br />

Fargeau und Ratilly mit dem Mörtel<br />

von <strong>Guédelon</strong> vergli<strong>ch</strong>en, und man<br />

ma<strong>ch</strong>te die erstaunli<strong>ch</strong>e Feststellung:<br />

Obwohl eine zeitli<strong>ch</strong>e Distanz von<br />

700 Jahren zwis<strong>ch</strong>en den zu verglei<strong>ch</strong>en<br />

Mörteln besteht, zeigen alle die<br />

glei<strong>ch</strong>e Struktur und die glei<strong>ch</strong>en<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften; ledigli<strong>ch</strong><br />

in den Alterungsers<strong>ch</strong>einungen sind<br />

(verständli<strong>ch</strong>erweise) Unters<strong>ch</strong>iede<br />

zu bemerken.<br />

Erstaunli<strong>ch</strong>erweise fehlt auf diesem<br />

Fors<strong>ch</strong>ungsplatz der Kalkbrennofen,<br />

eine für jede mittelalterli<strong>ch</strong>e <strong>Bau</strong>stelle<br />

mit Mörtelmauerwerk unabdingbare<br />

Einri<strong>ch</strong>tung. Begründet wird dies mit<br />

den heißen und giftigen Gasen <strong>–</strong> es<br />

handelt si<strong>ch</strong> aber ledigli<strong>ch</strong> um natürli<strong>ch</strong>es<br />

Kohlendioxid <strong>–</strong>, die be<strong>im</strong> Brand<br />

entstehen sollen. Das für ungeübte<br />

Handwerker und Besu<strong>ch</strong>er weitaus<br />

gefährli<strong>ch</strong>ere Kalklös<strong>ch</strong>en allerdings<br />

wird gezeigt <strong>–</strong> und die Kalklös<strong>ch</strong>grube<br />

liegt offen und für alle zugängli<strong>ch</strong><br />

da! Über die Herkunft der <strong>Bau</strong>kalks<br />

herrs<strong>ch</strong>t in <strong>Guédelon</strong> Unklarheit, für<br />

keine der bena<strong>ch</strong>barten <strong>Burg</strong>en ist<br />

die Abbaustelle des Rohmaterials bekannt.<br />

Es muss eine sol<strong>ch</strong>e aber gegeben<br />

haben, denn es ist unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>,<br />

dass die Herren von <strong>Guédelon</strong><br />

um 1230 den Kalk in großen Mengen<br />

aus der Auvergne heranbra<strong>ch</strong>ten;<br />

von dort kommt nämli<strong>ch</strong> der heute in<br />

<strong>Guédelon</strong> verwendete <strong>Bau</strong>kalk.<br />

Die Mauerwerkstruktur:<br />

Von Anfang an bot si<strong>ch</strong> das bena<strong>ch</strong>barte<br />

Château de Ratilly als Vorlage für<br />

die D<strong>im</strong>ension, den Grundriss und die<br />

Mauerwerkstruktur an. Bei Arbeitsbeginn<br />

waren die Steinmetze darauf<br />

beda<strong>ch</strong>t, diesen kühnen Auftrag, eine<br />

mittelalterli<strong>ch</strong>e <strong>Burg</strong> na<strong>ch</strong>zubauen,<br />

sorgfältig und mit allem Können und<br />

Wissen auszuführen. Ihr Berufsstolz<br />

führte dazu, dass die Hausteine eine<br />

sehr homogene und regelmäßige Form<br />

erhielten. Es handelt si<strong>ch</strong> ohne Zweifel<br />

um eine Arbeit von hoher Qualität,<br />

die aber kaum der Mauerstruktur<br />

von Ratilly entspri<strong>ch</strong>t. Si<strong>ch</strong> an die<br />

Grundvorgabe dieses Exper<strong>im</strong>entes<br />

erinnernd, wurde festgestellt, dass<br />

die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t besonders erfolgrei<strong>ch</strong>en<br />

Herren von <strong>Guédelon</strong> um<br />

1230 si<strong>ch</strong> vermutli<strong>ch</strong> die Kosten für<br />

ein so kostspieliges Mauerwerk ni<strong>ch</strong>t<br />

leisten konnten. Denn das Herstellen<br />

von Hausteinen für den Mauerbau war<br />

au<strong>ch</strong> für mittelalterli<strong>ch</strong>e Verhältnisse<br />

teuer und ni<strong>ch</strong>t von jedem <strong>Bau</strong>herrn<br />

finanzierbar.<br />

Die Interpretation der <strong>Bau</strong>fors<strong>ch</strong>er<br />

geht in die Ri<strong>ch</strong>tung, dass über die<br />

Mauerwerksstruktur direkt auf die Finanzkraft<br />

des <strong>Bau</strong>herrn ges<strong>ch</strong>lossen<br />

werden kann. Für das Projekt Guèdelon<br />

bedeutet dies, dass die Steinmetze<br />

si<strong>ch</strong> den finanziellen Mitteln des <strong>Bau</strong>herrn<br />

anpassen müssen, konkret: für<br />

<strong>Bau</strong>steine einen geringeren Aufwand<br />

betreiben und nur bei den Werkstücken<br />

das ganze Können einsetzen.<br />

22 <strong>Burg</strong>en und S<strong>ch</strong>lösser 4/2006

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