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16 BONUSSYSTEME<br />
Fallbeispiel 2: Individuelle Ziele<br />
Airlines beispielsweise konnte in <strong>de</strong>n<br />
90er-Jahren durch einen monatlichen<br />
Bonus von 65 Dollar die Pünktlichkeit<br />
seiner M<strong>as</strong>chinen <strong>de</strong>utlich verbessern<br />
(siehe K<strong>as</strong>ten auf Seite 15).<br />
Komplexe Arbeitssysteme erfor<strong>de</strong>rn<br />
ebenso komplexe Bonussysteme<br />
Trotz <strong>de</strong>r großen Chancen von Anreizsystemen<br />
sind sie nicht ohne Risiken.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re bei individuellen Anreizen<br />
gilt: D<strong>as</strong> Engagement <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
verlagert sich hin zu <strong>de</strong>n Aufgaben, die<br />
fi nanziell honoriert wer<strong>de</strong>n. Dies kann<br />
zum Problem wer<strong>de</strong>n, wenn Mitarbeiter<br />
mehrere wichtige Aufgabengebiete haben,<br />
jedoch nicht alle in ein variables<br />
Vergütungssystem eingebun<strong>de</strong>n sind.<br />
Steht <strong>de</strong>r Umsatz eines Mitarbeiters im<br />
Vertrieb im Vor<strong>de</strong>rgrund, legt dieser weniger<br />
Wert auf eine Beratung im Sinne<br />
personalmagazin 11 / 11<br />
<strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n. Wer<strong>de</strong>n Mitarbeiter in einer<br />
Versandabteilung anhand <strong>de</strong>r Pünktlichkeit<br />
und Anzahl <strong>de</strong>r Postausgänge<br />
vergütet, wer<strong>de</strong>n häufi ger fehlerhafte<br />
Produkte versen<strong>de</strong>t.<br />
Komplexere Arbeitsumgebungen<br />
erfor<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>swegen komplexere Vergütungsansätze<br />
mit mehr Zielgrößen.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re Schnittstellen zwischen<br />
Mitarbeitern o<strong>de</strong>r Abteilungen können<br />
für Probleme sorgen. Sind bestimmte<br />
Größen nicht genau messbar, ist eine<br />
subjektive Leistungsbeurteilung von<br />
Vorgesetzten eine Möglichkeit, weiche<br />
Faktoren mit in die variable Lohnkomponente<br />
einzubeziehen. In je<strong>de</strong>m Fall<br />
müssen Aufgabenbereiche und Arbeitsabläufe<br />
bei <strong>de</strong>r Verwendung variabler<br />
Vergütung genau analysiert und<br />
gegebenenfalls angep<strong>as</strong>st wer<strong>de</strong>n, um<br />
Fehlsteuerungen zu vermei<strong>de</strong>n. Einige<br />
Bei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an kristina.en<strong>de</strong>rle@personalmagazin.<strong>de</strong><br />
PRAXIS<br />
D<strong>as</strong> Fallbeispiel von chilenischen Busfahrern zeigt anschaulich, d<strong>as</strong>s Arbeitgeber<br />
individuelle Ziele genau <strong>de</strong>fi nieren müssen. Sind sie zu eindimensional gestaltet,<br />
verstärkt <strong>de</strong>r Bonus unerwünschte Nebenwirkungen.<br />
Die Fahrer <strong>de</strong>r zirka 8.000 Busse in Santiago <strong>de</strong> Chile wer<strong>de</strong>n überwiegend nach Anzahl <strong>de</strong>r<br />
beför<strong>de</strong>rten P<strong>as</strong>sagiere bezahlt. Einige <strong>de</strong>r Busfahrer erhalten jedoch einen Fixlohn. Ein Vergleich<br />
von durchschnittlicher Wartezeit pro P<strong>as</strong>sagier und Unfällen pro gefahrenen Kilometer<br />
zeigt, d<strong>as</strong>s die individuellen Anreize eine positive Auswirkung auf die Transportqualität<br />
haben. Variabel vergütete Busfahrer versuchen, <strong>de</strong>n Abstand auf <strong>de</strong>n vorherigen Bus nicht zu<br />
klein wer<strong>de</strong>n zu l<strong>as</strong>sen, da sie so mehr P<strong>as</strong>sagiere beför<strong>de</strong>rn können. Dies führt zu geringeren<br />
Wartezeiten. Ein Vergleich <strong>de</strong>r Unfallzahlen zeigt jedoch, d<strong>as</strong>s variabel vergütete Busfahrer<br />
in 67 Prozent mehr Unfälle verwickelt sind und 74 Prozent mehr Unfälle selbst verursachen.<br />
Ein erhöhtes Risiko wird insbeson<strong>de</strong>re<br />
dann eingegangen, wenn ein nahe<br />
vorausfahren<strong>de</strong>r Bus überholt wird<br />
um die Anzahl an beför<strong>de</strong>rten P<strong>as</strong>sagieren<br />
zu steigern. Die Autoren <strong>de</strong>r<br />
Studie schätzen, d<strong>as</strong>s bei einer Umstellung<br />
auf fi xe Vergütung jährlich<br />
zirka 55 weniger Verkehrstote, 227<br />
weniger schwer Verletzte und 1.400<br />
P<strong>as</strong>sagiere schneller beför<strong>de</strong>rn – ohne Unfälle. weniger leicht Verletzte auftreten.<br />
©FOTOLIA.COM<br />
Unternehmen entschei<strong>de</strong>n sich aufgrund<br />
dieser Problematik jedoch auch,<br />
ganz auf individuelle Leistungsanreize<br />
zu verzichten (siehe d<strong>as</strong> Praxisbeispiel<br />
von Infi neon ab Seite 17).<br />
Die Kollateralschä<strong>de</strong>n von Boni: Wenn<br />
d<strong>as</strong> Ziel zu eindimensional ist<br />
Wer<strong>de</strong>n Mitarbeiter variabel vergütet,<br />
gehen sie auch mehr Risiken ein, um ihre<br />
Ziele zu erreichen. Für viele Arbeitsplätze<br />
scheint dieser Faktor nicht relevant<br />
zu sein, aber er spielt keineswegs nur<br />
bei Investmentbankern und Fondsmanagern,<br />
die „lediglich“ fi nanzielle Schä<strong>de</strong>n<br />
verursachen, eine Rolle. Einige Berufe<br />
wie Busfahrer, Elektriker o<strong>de</strong>r Bauarbeiter<br />
sind bisweilen mit erheblichen<br />
Risiken verbun<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r sind zu diesem<br />
Thema noch keine aussagekräftigen<br />
Daten verfügbar. Es sollte jedoch darauf<br />
geachtet wer<strong>de</strong>n, d<strong>as</strong>s Sicherheits- und<br />
Arbeitsvorschriften auch unter fi nanziellen<br />
Anreizen ernst genommen und<br />
eingehalten wer<strong>de</strong>n. Ein Negativbeispiel<br />
liefern variabel vergütete Busfahrer in<br />
Santiago <strong>de</strong> Chile, die in 67 Prozent mehr<br />
Unfälle pro Kilometer verwickelt sind,<br />
als ihre fi x vergüteten Kollegen (siehe<br />
K<strong>as</strong>ten links).<br />
Variable Vergütungskomponenten<br />
haben aus wissenschaftlicher Sicht im<br />
Vergleich mit fi xer Entlohnung d<strong>as</strong> Potenzial,<br />
d<strong>as</strong> Engagement <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
und somit <strong>de</strong>n Unternehmenserfolg<br />
zu erhöhen. Ein Patentmo<strong>de</strong>ll von <strong>de</strong>r<br />
Stange gibt es jedoch nicht. Bevor ein<br />
Unternehmen ein Vergütungsmo<strong>de</strong>ll mit<br />
variablen Anteilen einführt, sollte eine<br />
genaue Analyse <strong>de</strong>r Organisation und<br />
<strong>de</strong>r Abläufe vorausgehen. Nur so kann<br />
d<strong>as</strong> Instrument mit Augenmaß zum Erfolg<br />
führen.<br />
Claus Herbertz<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Seminar für ABWL und Personalwirtschaftslehre<br />
<strong>de</strong>r Universität zu Köln