Erinnerung und Wirklichkeit Das Ungarnbild von Konrad Adenauer ...

ÖT KONTINENS, az Új- és Jelenkori Egyetemes Történeti Tanszék tudományos közleményei, N o 2011/1.
ELTE, BUDAPEST, 2012.
Tode bestraft würde. Gleichzeitig ersuchte die ungarische Regierung am
Mittwochmorgen die in Ungarn stationierten sowjetrussischen Truppen, „die
Ordnung im Lande wiederherzustellen”. In einem Bericht aus Budapest vom 24.
Oktober hieß es: „Die Ereignisse überschlagen sich. Zur Zeit rollen die Panzer der
sowjetischen Besatzungsmacht gegen die Aufständischen. Über das Ausmaß der
blutigen Tragödie liegen keine verläßlichen Zahlen vor. Sämtliche Telefonleitungen
nach dem Westen sind unterbrochen.” … „Die Kämpfe in Ungarn gingen weiter.
Die ungarische Armee schien auf seiten der Aufständischen zu stehen. In einem
Bericht aus Budapest, erschienen in der „Welt am Sonntag” vom 28 Oktober, hieß
es: Der todesmutige Kampf der ungarischen Aufständischen dauerte auch am
Wochenende – vier Tage nach dem Ausbruch der Revolution – mit unveränderter
Härte an. Am Sonnabend gelang es ihnen, das Land zwischen Plattensee und Raab
und der österreichischen Grenze in ihren Besitz zu bringen. Über die Grenze hinweg
schickten sie dringende Hilferufe. Sie brauchten Blutplasma, Medikamente und
Lebensmittel. Die Versorgungskrise der Aufständischen droht in einem Augenblick,
in dem nach den letzten Meldungen von der Tschechoslowakei ehr starke
sowjetische Panzerverbände anrollen. Sie sollen das Widerstandszentrum um Raab
niederwalzen, wo die gegenregierung der Aufständischen ihren Sitz hat. 29 Auf
Antrag der Westmächte wurde für Sonntag, den 28. Oktober 1956, der
Weltsicherheitsrat einberufen. Der amerikaische Aussenminister Dulles warf der
Sowjetregierung vor, daß sie den Friedensvertrag mit Ungarn verletzt habe, da sie
sich in innerungarische Angelegenheiten eingemischt hätte. Am 29. Oktober
schienen weite Teile Ungarns fest in den Händen der Aufständischen zu sein. Die
Aufständischen schienen sich durchzusetzten. Die Bevölkerung in der
Bundesrepublik verfolgte die Ereignisse in Ungarn mit brennendem Interesse.” 30
Die mehrfach ineinander verwurzelten Zitate enthalten zahlreiche Halbwahrheiten
und Unwahrheiten: in Győr gab es keinerlei Gegenregierung der Aufstehenden,
und die Revolution verfügte über keine geographische Reichweite, es stimmt also
nicht, dass sie die nördliche Region von Transdanubien besetzt hätten, auch wenn
wir annehmen, dass die Position der Aufstehenden in den betroffenen Komitaten
recht stark war. Der Nationalrat von Transdanubien (Dunántúli Nemzeti Tanács)
wurde nur am 30. Oktober gegründet 31 , kann daher auch nicht die Basis der
falschen Information gewesen sein.
Insgesamt können wir feststellen, dass Adenauer durch Veröffentlichung des
Artikels die Ungarische Revolution besser, erfolgreicher erscheinen lässt, wie die
wirkliche Lage war.
Dem folgend zitiert Adenauer den am 29. Oktober geschriebenen Überblick des
Auswärtigen Amtes der DDR über die ungarische Lage: „Am 23. Oktober 1956 ist in
29 Dies ist natürlich eine Fehlinformation, eine solche Gegenregierung hat es nicht gegeben.
30 Erinnerungen… II.: 231-232. Die Erinnerungen wiederspiegeln auch gut, welch große Wirkung die
Pressenachrichten – deren Wahrheitsenthalt in unserem Fall stark bezweifelbar sind – auf die Politik
hatten.
31 IZSÁK, 137.
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