Erinnerung und Wirklichkeit Das Ungarnbild von Konrad Adenauer ...

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Zoltán Maruzsa: Erinnerung und WirklichkeitDas Ungarnbild von Konrad Adenauer anhand seiner Memoiren Bevor wir die einzelnen Stellen analysieren sehen wir uns an, was die historische Forschung über das Ungarnbild von Adenauer weiß. Wir können sofort feststellen: wenig, denn mit dieser Frage hat sich bisher noch niemand beschäftigt, obwohl das Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn in beiden Ländern Teil der historischen Forschungen bildet. 9 Daraus kann indirekt darauf geschlossen werden, dass der Kanzler keinerlei sonderliche Sympathie oder Antipathie Ungarn gegenüber verspürte, denn sonst hätten das die Autoren seines Lebenslaufes bestimmt erwähnt. 10 Als Politiker des Rheinlands wandte er sich viel mehr an den Westen, wie zum Beispiel seine Kollegen aus dem südlichen Teil Deutschlands, und zur Zeit des Kalten Krieges war für ihn Ungarn nur noch eins von vielen, unter kommunistischer Regierung stehenden Ländern hinter dem eisernem Vorhang. Es ist fast schon klischeeartig, dass die meisten Demokraten des Westens in den 1950er und 1960er Jahren so auf diese Länder blickten, dass dort Kommunisten mit Hilfe der Sowjets über arme, eventuell zu befreiende Länder regieren. Dieser Aspekt war für ihre Ansichtsweise auch prägend. Sie waren dazu geneigt den Wiederstand den Sowjets gegenüber zu überwerten, verachteten grundsätzlich die kommunistischen Kader, die das Land leiteten und ihre Position nicht durch demokratische Wahl errungen haben, und weiterhin nicht gebildet genug waren. Weiterhin kannten die demokratischen Politiker die relativ schwache wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage dieser Länder, welche auch durch die schwer bewaffneten Volksarmeen nicht kompensiert werden konnte. 11 Kleinere Betonungs- und Sympathie-Unterschiede kommen aber vor, und zwar in erster Linie dort- wie wir sehen werden-, wo aus weltpolitischer Hinsicht bedeutende Ereignisse geschahen (z.B. Die Revolution in Ungarn im Jahr 1956), oder dort, wo sich in den internationalen Kontakten solche Änderungen bemerkbar machten, die gegebene Länder wertvoller oder gerade wertloser machten (z.B. als Rumänien in den 60er Jahren durch seine dem Schein nach von der Sowjetunion unterschiedliche Politik für wertvoller betrachtet wurde, oder gerade als die Tschechoslowakei in den Jahren nach dem Eingriff der Sowjetunion im Jahr 1968 für wertloser galt). Weiterhin kann es interessant sein das Vorkommen von Ungarn in diesem Werk mit den anderen Ländern der Region zu vergleichen. Ergebnis ist folgendes: Polen: 29 Fälle Tschechoslowakei: 24 Fälle Ungarn: 21 Fälle 9 Eine gute Zusammenfassung über das Ungarnbild der deutschen historischen Literatur geben folgende zwei Bände, unter denen vor allem die hier publizierten Studien von Holger Fischer und Gerhard Seewann: Das Ungarnbild der deutschen Historiographie. Redaktion: Márta FATA, Schriftenreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Band 13. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2004, 335. 10 Keine der mir bekannten Lebenslauf-Quellen erwähnt eine solche Sympathie. 11 Gutes Beispiel hierfür ist KISSINGER, Henry, Diplomácia, Panem-Grafo, Budapest 1994, 541-546. 166

ÖT KONTINENS, az Új- és Jelenkori Egyetemes Történeti Tanszék tudományos közleményei, N o 2011/1. ELTE, BUDAPEST, 2012. Jugoslawien: 16 Fälle Rumänien: 9 Fälle Dieses Ergebnis ist keine Überraschung: Polen stand fast immer im Zentrum der deutschen Außenpolitik, 12 dann folgte wegen der geographischen Nähe und den Gegensätzen des Kalten Krieges die Tschechoslowakei, und danach kam Ungarn. Die Position Ungarns in der Erinnerung ist auf Ungarn gesehen recht positiv, denn Ungarn befindet sich aus diesem Aspekt betrachtet kaum um etwas hinter Prag, was ein sehr gutes Ergebnis ist, weiterhin steht Ungarn in der Reihe noch vor Jugoslawien, wo die außenpolitischen Merkmale spezieller waren, und auch vor Rumänien, welches Land aus dieser Hinsicht für marginal erscheint. Trotzdem kann man auch Ungarn in der Erinnerung nicht für überbetont halten, dies wird noch deutlicher, wenn man beachtet, dass sich aus den 21 Erwähnungen 7 auf die Revolution des Jahres 1956 beziehen. Sehen wir uns nun die konkreten Fälle, die wir anhand Art der Erwähnung in Gruppen einordnen. Wir können feststellen, dass Ungarn in fünf Fällen mit den anderen Mittel-Europäischen Ländern erwähnt wird, und zwar als eines der hinter dem Eisernen Vorhang existierenden, von der Sowjetunion belagerten Länder. In diesen Fällen spiegelt sich kein individuelles Ungarn-Bild wieder, die Aufzählung der Länder ist auch nur wegen der Ganzheit notwendig. 13 In einem Fall wird Ungarn mit den östlichen Deutschen Regionen, Polen und der Tschechoslowakei zusammen, 14 als Schauplatz der Aussiedelung der Deutschen erwähnt, was aus Adenauers Aspekt eindeutig für negativ gilt. Interessanterweise werden die anderen, sich von der Deutschen Minderheit teilweise oder ganz befreienden Länder (z.B. Jugoslawien) nicht erwähnt. Im Gegensatz zum – die Vergangenheit manchmal verschönernden- kollektivem Gedächtnis von Ungarn erwähnt Adenauer nicht, dass aus Ungarn nur ein Teil der Deutschen Minderheit ausgesiedelt wurde, 15 sondern er erwähnt Ungarn nur mit der Tschechoslowakei und mit Polen zusammen, welche Länder die volle Deutsche Minderheit ausgesiedelt haben. Ungarn wird mehrmals wegen einem konkreten Ereignis erwähnt. Interessanterweise kommt es bei internationalen Verhandlungen dazu, und typisch ist auch, dass es gar nicht Adenauer selbst ist, der Ungarn erwähnt. Ungarn wird das erste Mal in einer Verhandlung zwischen Adenauer und Dulles erwähnt. Auf dem Treffen vom April 1953 wurde unter Anderem über die Frage des Ost-westlichen Handels gesprochen. Dulles betonte, dass der Handel mit den Ländern der sowjetischen Zone nur unter strenger Kontrolle stattfinden darf, auf dies rief er die Aufmerksamkeit von Adenauer auf, und betonte auch, dass dies eine wichtige Rolle in der Entwicklung der amerikanisch-deutschen Beziehung 12 Erinnerungen… II.: 367. Die zentrale Rolle von Polen betont Adenauer in seinem Werk öfter. 13 Erinnerungen… I.: 39., 375., II. 20., 261. III.: 350. 14 Erinnerungen… I.:186. 15 István NÉMETH, Németország története, Aula, Budapest 2002, 356-365. 167

ÖT KONTINENS, az Új- és Jelenkori Egyetemes Történeti Tanszék tudományos közleményei, N o 2011/1.<br />

ELTE, BUDAPEST, 2012.<br />

Jugoslawien: 16 Fälle<br />

Rumänien: 9 Fälle<br />

Dieses Ergebnis ist keine Überraschung: Polen stand fast immer im Zentrum<br />

der deutschen Außenpolitik, 12 dann folgte wegen der geographischen Nähe <strong>und</strong><br />

den Gegensätzen des Kalten Krieges die Tschechoslowakei, <strong>und</strong> danach kam<br />

Ungarn. Die Position Ungarns in der <strong>Erinnerung</strong> ist auf Ungarn gesehen recht<br />

positiv, denn Ungarn befindet sich aus diesem Aspekt betrachtet kaum um etwas<br />

hinter Prag, was ein sehr gutes Ergebnis ist, weiterhin steht Ungarn in der Reihe<br />

noch vor Jugoslawien, wo die außenpolitischen Merkmale spezieller waren, <strong>und</strong><br />

auch vor Rumänien, welches Land aus dieser Hinsicht für marginal erscheint.<br />

Trotzdem kann man auch Ungarn in der <strong>Erinnerung</strong> nicht für überbetont halten,<br />

dies wird noch deutlicher, wenn man beachtet, dass sich aus den 21 Erwähnungen<br />

7 auf die Revolution des Jahres 1956 beziehen.<br />

Sehen wir uns nun die konkreten Fälle, die wir anhand Art der Erwähnung in<br />

Gruppen einordnen. Wir können feststellen, dass Ungarn in fünf Fällen mit den<br />

anderen Mittel-Europäischen Ländern erwähnt wird, <strong>und</strong> zwar als eines der hinter<br />

dem Eisernen Vorhang existierenden, <strong>von</strong> der Sowjetunion belagerten Länder. In<br />

diesen Fällen spiegelt sich kein individuelles Ungarn-Bild wieder, die Aufzählung<br />

der Länder ist auch nur wegen der Ganzheit notwendig. 13<br />

In einem Fall wird Ungarn mit den östlichen Deutschen Regionen, Polen <strong>und</strong><br />

der Tschechoslowakei zusammen, 14 als Schauplatz der Aussiedelung der<br />

Deutschen erwähnt, was aus <strong>Adenauer</strong>s Aspekt eindeutig für negativ gilt.<br />

Interessanterweise werden die anderen, sich <strong>von</strong> der Deutschen Minderheit<br />

teilweise oder ganz befreienden Länder (z.B. Jugoslawien) nicht erwähnt. Im<br />

Gegensatz zum – die Vergangenheit manchmal verschönernden- kollektivem<br />

Gedächtnis <strong>von</strong> Ungarn erwähnt <strong>Adenauer</strong> nicht, dass aus Ungarn nur ein Teil der<br />

Deutschen Minderheit ausgesiedelt wurde, 15 sondern er erwähnt Ungarn nur mit<br />

der Tschechoslowakei <strong>und</strong> mit Polen zusammen, welche Länder die volle Deutsche<br />

Minderheit ausgesiedelt haben.<br />

Ungarn wird mehrmals wegen einem konkreten Ereignis erwähnt.<br />

Interessanterweise kommt es bei internationalen Verhandlungen dazu, <strong>und</strong><br />

typisch ist auch, dass es gar nicht <strong>Adenauer</strong> selbst ist, der Ungarn erwähnt.<br />

Ungarn wird das erste Mal in einer Verhandlung zwischen <strong>Adenauer</strong> <strong>und</strong> Dulles<br />

erwähnt. Auf dem Treffen vom April 1953 wurde unter Anderem über die Frage<br />

des Ost-westlichen Handels gesprochen. Dulles betonte, dass der Handel mit den<br />

Ländern der sowjetischen Zone nur unter strenger Kontrolle stattfinden darf, auf<br />

dies rief er die Aufmerksamkeit <strong>von</strong> <strong>Adenauer</strong> auf, <strong>und</strong> betonte auch, dass dies<br />

eine wichtige Rolle in der Entwicklung der amerikanisch-deutschen Beziehung<br />

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<strong>Erinnerung</strong>en… II.: 367. Die zentrale Rolle <strong>von</strong> Polen betont <strong>Adenauer</strong> in seinem Werk öfter.<br />

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<strong>Erinnerung</strong>en… I.: 39., 375., II. 20., 261. III.: 350.<br />

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<strong>Erinnerung</strong>en… I.:186.<br />

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István NÉMETH, Németország története, Aula, Budapest 2002, 356-365.<br />

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