Erinnerung und Wirklichkeit Das Ungarnbild von Konrad Adenauer ...

Zoltán Maruzsa: Erinnerung und Wirklichkeit – Das Ungarnbild von Konrad Adenauer anhand seiner Memoiren
Informationen von Adenauer, was die internationale Lage betrifft grundsätzlich
genau waren, aber was die ungarische innenpolitische Lage betrifft, nicht. Eine
tendenzielle Übertreibung ist auch, dass die Kämpfe in Ungarn bis Ende November
dauerten: die enorme Überzahl des zweiten sowjetischen Eingriffes hat den
unorganisierten Wiederstand schnell gebrochen, und auch die bis zum Äußersten
aushaltenden Aufständischen von Csepel und die sich in den Mecsek
zurückziehenden haben den Kampf bis zum 20. November aufgegeben. 36 Die
Differenz sind zwar nur einige Tage, aber der nicht entsprechend informiert Leser
kann annehmen, dass der bewaffnete Aufstand eine Chance gehabt hätte.
Adenauer aber konnte natürlich nicht schreiben, dass der Wiederstand den
Sowjets gegenüber chancenlos gewesen ist, denn in seinen Memoiren hat er seine
Leser gerade zu einem konsequenten Wiederstand den Sowjets und dem
Kommunismus gegenüber angespornt. 37 Weiterhin bemerkt Adenauer über die
Umstände der Niederlage der Revolution, dass „Die Vorgänge in Ungarn zeigten
jedoch in erschütternder Weise, wie machtlos die Vereinten Nationen waren. Sie
vermochten es nicht einmal, bei den ungarischen Führern für den Generalsekretär
der Vereinten Nationen, Hammarskjöld, oder einen seiner Beauftragten ein
Einreisegenehmigung nach Ungarn zu erwirken. Ungarn war ein trauriges Beispiel
für die nackte Machtpolitik der Sowjetunion.” 38 Ich bin der Meinung, dass
Adenauer hier die berechtigte Kritik gegenüber der Verantwortungslosigkeit der
Vereinten Nationen und vor allem des vorher schon erwähnten amerikanischen
„roll back” sehr geschickt gegen die Sowjetunion wendet.
Die politischen Folgen der ungarischen Revolution behandelt Adenauer des Weiteren
als bedeutende Frage indem er schreibt, dass die ungarische Revolution und deren
Niederlage viel zum schwächer werden des Kommunismus beigetragen hat. In erster
Linie, weil die kalten Tatsachen die in West-Europa und Asien funktionierenden
kommunistischen Parteien betroffen haben. 39 Zweitens, weil sie die sowjetische Leitung
über die Unzuverlässigkeit der Satellitenstaaten überzeugt hat, was die der Sowjetunion
tatsächlich zur Verfügung stehenden Streitkräften bedeutend verringerte. 40
Hauptsächlich aber, weil „Der Freiheitswille der Satellitenstaaten war auf die
Dauer nicht zu ersticken, das hatten die Ereignisse in Ungarn gezeigt. Ein
heldenmütiges Volk hatte sich in beispielloser Tapferkeit gegen die Unterdrückung
zur Wehr gesetzt. Die Fackel der Freiheit, die Ungarn in den Satellitenstaaten
angezündet hatte, würde nicht so leicht wieder erlöschen. Sie hatte die ganze Welt
auf das Schreckliche und Entsetzliche hingewiesen, das dort vor sich gegangen war.
Die Geschichte wird einst die Tapferkeit und den Freiheitswillen Ungarns mit
goldenen Lettern auf ihren Blättern verzeichnen” 41
36 IZSÁK, 150.
37 Erinnerungen… II.: 410.
38 Erinnerungen… II.: 240.
39 Erinnerungen… II.: 240.
40 Erinnerungen… II.: 291.
41 Erinnerungen… II.: 241. Vergleiche Csaba BÉKÉS, Az 1956-os forradalom a világpolitikában, 1956-
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