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Bescheid

35523_KOA%2012.033_17_001%20anonymisiert

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Wenn man, wie der Beschwerdeführer annehme bzw. fordere, dass die<br />

Objektivitätsverpflichtung die Journalistinnen und Journalisten bei Interviews zum Verzicht<br />

auf die Äußerung der eigenen Meinung zwinge, bekäme § 4 ORF-G einen Inhalt, der das<br />

Grundrecht der Meinungsäußerung in seinem, die offene geistige Auseinandersetzung<br />

gewährleistenden Kernbereich in Frage stellen würde, weil hierdurch die eigene Meinung<br />

unterdrückt würde. Bei Interviews sei für die Darlegung subjektiver Standpunkte größerer<br />

Raum gegeben, als z.B. bei Kommentaren, wo Betroffene nicht spontan und unmittelbar<br />

reagieren könnten. Denn die „Rechten anderer“ dienende Schutzfunktion trete zurück, soweit<br />

der Gesprächspartner, der ein Interview gewährt habe, ausreichende (und tatsächlich<br />

umfassend genützte) Möglichkeiten zur sofortigen Darlegung seiner persönlichen Sicht der<br />

Dinge habe. Dem Objektivitätsgebot sei in solchen Fällen regelmäßig schon dadurch<br />

Genüge getan, dass eine Ausbreitung divergierender Standpunkte ermöglicht werde, nicht<br />

aber dadurch, dass vom Interviewten abgelehnte Meinungen notwendig ungesagt blieben.<br />

Keine Schranken der Meinungsäußerungsfreiheit seien nach Ansicht des VfGH „Gebote des<br />

Stils, des Taktes, des guten Tons und der Höflichkeit“ (vgl. VfSlg 12.086/1989).<br />

In der inkriminierten Sendung sei dem Beschwerdeführer ausführlich und zu jedem Punkt die<br />

Möglichkeit gegeben worden, seinen Standpunkt darzulegen, Er habe auch von dieser<br />

Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Interviewführung von Ingrid Thurnher sei zu jedem<br />

Zeitpunkt höflich gewesen, und es habe dieser weder an „Takt noch an gutem Ton“<br />

gemangelt. Es werde offenbar der „Stil“ kritisiert, mit der sie das Interview geführt habe. Auch<br />

der Interviewstil, den Ingrid Thurnher verfolgt habe, nämlich (ein beharrliches Nachfragen) zu<br />

gewissen Punkten, sei nicht zu kritisieren, vielmehr sogar geboten gewesen.<br />

Die Moderatorin sei – wie auch der Medien- und Kommunikationswissenschafter Georg<br />

Wawschinek in der anschließenden Analyse in der ZIB 2 ausgeführt habe – besonderen<br />

Angriffen des Beschwerdeführers ausgesetzt gewesen. Sie sei souverän mit dieser Situation<br />

umgegangen und habe mit dem Beschwerdeführer „auf Augenhöhe“ gesprochen und sich<br />

auch durch seine wiederholten Angriffe nicht aus der Ruhe bringen lassen.<br />

Selbstverständlich sei es daher angebracht, wenn Unterstellungen zurückgewiesen würden<br />

(„Wir haben nichts behauptet, Herr Hofer. Wir haben nichts behauptet, Herr Hofer.“) Was an<br />

der Frage „Was tun wir dann?“ hämisch sein soll, sei hier nicht weiter ersichtlich, diese stelle<br />

jedoch auch keinesfalls eine Verletzung des Objektivitätsgebots dar.<br />

Zuletzt sei noch auf den angesprochenen „Sing-Sang-Ton“ hingewiesen, den es nicht<br />

gegeben habe, sondern dieser werde ausschließlich vom Beschwerdeführer (in der<br />

Beschwerde) behauptet.<br />

In der Folge verwies der Beschwerdegegner auf seine bisherigen Ausführungen, denen<br />

zufolge sämtliche Darbietungen des Beschwerdegegners den Geboten, der Objektivität,<br />

Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit unterworfen seien. Verschieden sei dabei<br />

nur das Gewicht, das diesen Grundsätzen in Bezug auf die einzelnen Darbietungen<br />

zukomme und die Art und Weise, wie Ihnen im Einzelfall Rechnung getragen werden müsse.<br />

In diesem Zusammenhang komme es besonders darauf an, ob es sich um eine bloße<br />

„Berichterstattung“ im engeren Sinn der Wiedergabe und Vermittlung von Nachrichten und<br />

Reportagen handle oder um ein Fernsehinterview, also eine Sendeform, die aus<br />

kontroverser Rede und Gegenrede bestehe. Selbstverständlich sei auch ein solches<br />

Interview nach herrschender Judikatur grundsätzlich dem Objektivitätsgebot unterworfen. Die<br />

dem Befragten eingeräumte Möglichkeit, unmittelbar und frei auf die jeweiligen Fragen der<br />

Journalistin zu antworten, sei das wesentliche Kriterium, das ein Interview von einer bloßen<br />

Berichterstattung unterscheide. Vor allem dadurch würde den in Art. I Abs. 2 BVG-Rundfunk<br />

in Verbindung mit § 4 ORF-G umschriebenen Geboten der Meinungsvielfalt und<br />

Ausgewogenheit der Sendung und somit dem Objektivitätsgebot vollauf Rechnung getragen.<br />

Dabei könnten unter den Grenzen der „Eingriffstatbestände“ des Art. 10 Abs. 2 EMRK vom<br />

Interviewer auch provozierende, schockierende oder störende Meinungen vertreten werden,<br />

insbesondere dann, wenn sie vor dem Hintergrund einer politischen Kontroverse im<br />

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