Martin R. Textor Bildung im Kindergarten - von Ingeborg Becker ...
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2.2.2 Entwicklung einer Theorie des Denkens<br />
Im Alter <strong>von</strong> vier bis fünf Jahren erreichen Kinder ein relativ<br />
vollständiges Verständnis mentaler Repräsentationen und Prozesse<br />
– sie entwickeln eine Theorie über das Denken. Das heißt, sie<br />
erkennen, dass sich be<strong>im</strong> Denken etwas <strong>im</strong> Kopf „abspielt“, also<br />
dass z.B. Informationen abgespeichert und Situationen interpretiert<br />
werden. Sie interessieren sich für den Ursprung <strong>von</strong> Wissen<br />
(„Woher weißt du das?“) und können erklären, wie sie Wissen<br />
erworben haben (z.B. durch Betasten oder Beobachten). Ferner<br />
erkennen die Kinder, dass Gedanken, Träume und Erinnerungen<br />
nicht wirklich, sondern mentale Gebilde sind. Sie können <strong>im</strong><br />
Gegensatz zu Dreijährigen nun eindeutig zwischen Realität und<br />
Fantasie unterscheiden (z.B. haben sie <strong>im</strong> Als-ob-Spiel nicht mehr<br />
Angst vor „Monstern“).<br />
Vier- bis fünfjährige Kinder erkennen auch, dass man über die<br />
verschiedenen Sinne zu unterschiedlichen Informationen gelangt<br />
und dass ein Wechsel des Blickwinkels oft andere Seiten eines Gegenstands<br />
enthüllt. So wird ihnen bewusst, dass Menschen oft<br />
dieselbe Angelegenheit andersartig sehen, dass also „be<strong>im</strong> Denken<br />
Situationen interpretiert werden und dass unterschiedliche<br />
Personen unterschiedliche Interpretationen hervorbringen können“<br />
(Astington 2000, S. 119). Die Kinder entwickeln Empathie,<br />
da sie sich nun in andere Menschen hineinversetzen und <strong>von</strong><br />
deren Standpunkt aus über etwas nachdenken oder deren Empfindungen<br />
nachvollziehen können. Der Egozentrismus wird<br />
langsam geringer; altruistisches Handeln wird möglich (z.B. Trösten<br />
eines traurigen Spielkameraden). Zugleich wird den Kindern<br />
bewusst, dass Menschen auch aus Einstellungen und Haltungen<br />
heraus handeln. Sie können ihre Überzeugungen denen anderer<br />
Menschen entgegensetzen und verstehen fehlerhafte Überzeugungen<br />
bei sich selbst und bei anderen Menschen. Wissen sie,<br />
dass eine Person eine fehlerhafte Überzeugung hat, können sie <strong>im</strong><br />
Gegensatz zu Dreijährigen voraussagen, dass diese Person falsch<br />
handeln wird. Auch können sie nun durch Lügen absichtlich fehlerhafte<br />
Überzeugungen bei anderen Menschen hervorrufen, um<br />
auf diese Weise best<strong>im</strong>mte Ziele (z.B. Vermeidung <strong>von</strong> Strafe) zu<br />
erreichen.<br />
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