Martin R. Textor Bildung im Kindergarten - von Ingeborg Becker ...
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Einerseits ermöglicht dies dem Kind, Wissen über unsere Welt zu<br />
erwerben. Es muss sich aber nicht nur die „richtigen“ Begriffe für<br />
die verschiedenen Objekte, Prozesse und Ereignisse aneignen,<br />
sondern auch die Annahmen darüber, „warum die Welt so ist, wie<br />
sie ist“ (Sodian 2002, S. 444). Das Kind muss also nicht nur Begriffe<br />
wie „Licht“ und „Lichtschalter“ lernen und zwischen „elektrischem<br />
Licht“ und „Sonnenlicht“ differenzieren können, sondern<br />
es muss auch erkennen, dass man mit Hilfe des Lichtschalters<br />
das elektrische Licht einschaltet, wieso dies der Fall ist und<br />
weshalb man das Sonnenlicht nicht auf dieselbe Weise beherrschen<br />
kann. Es muss also auch über Erklärungen für kausale<br />
Relationen und für Assoziationen zwischen Merkmalen verfügen<br />
und Vorhersagen machen können.<br />
Andererseits erwirbt das Kind in der Kommunikation mit anderen<br />
bzw. mit Hilfe der Sprache eine Art „Alltagspsychologie“ –<br />
Wissen über sich selbst und die Mitmenschen. Es lernt, eigene mentale<br />
Zustände wie Bedürfnisse, Gedanken, Intentionen, Gefühle,<br />
Überzeugungen usw. zu erkennen und zu benennen sowie mentale<br />
Zustände bei anderen Menschen aus deren Handlungen und<br />
zunehmend aus deren Aussagen zu erschließen. Das Kind entdeckt<br />
somit die verschiedenen Prozesse, die <strong>im</strong> Innern <strong>von</strong> Menschen<br />
ablaufen (können), und zunehmend auch deren Zusammenhang<br />
(z.B. dass aus dem Bedürfnis „Hunger“ die Intention<br />
„Essen wollen“ folgt und dass durch die daraus resultierende<br />
Handlung „Essen“ dieses Bedürfnis befriedigt wird und das Gefühl<br />
„satt sein“ entsteht). So kann es <strong>im</strong>mer besser menschliches<br />
Verhalten erklären und voraussagen.<br />
Das Kind erwirbt sein „Weltwissen“ und seine Alltagspsychologie<br />
weitgehend in der Kommunikation mit anderen: Es äußert seine Beobachtungen<br />
und Vermutungen, sodass diese diskutiert werden<br />
können. Es stellt Fragen, sodass es zusätzliche Informationen<br />
erhält. Es antwortet auf Fragen, sodass der Grad des erreichten<br />
Verständnisses deutlich wird. Aufgrund dieser großen Bedeutung<br />
der Gesprächspartner wird heute da<strong>von</strong> gesprochen, dass kindliches<br />
Wissen „ko-konstruiert“ wird (vgl. Kapitel 1.4.6).<br />
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