Martin R. Textor Bildung im Kindergarten - von Ingeborg Becker ...
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st<strong>im</strong>mt letztlich die Umwelt – das in ihr Erfahrene, Gelernte, Erlebte,<br />
Aufgenommene – zu einem großen Teil die Struktur des Gehirns. Die<br />
skizzierte Entwicklung setzt sich dann bis zum Tode des Menschen<br />
fort: Unbenötigte Synapsen werden el<strong>im</strong>iniert, häufig benutzte<br />
verstärkt. Zugleich werden aber <strong>im</strong>mer wieder neue Synapsen<br />
gebildet, insbesondere <strong>im</strong> Rahmen <strong>von</strong> Gedächtnisprozessen.<br />
Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, dass bis in das hohe<br />
Alter hinein auch neue Neuronen entstehen.<br />
Die Überproduktion und Selektion <strong>von</strong> Synapsen erfolgen in<br />
verschiedenen Regionen des Gehirns mit unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />
und Intensität; sie erreichen ihren Höhepunkt zu<br />
jeweils anderen Zeiten. Beispielsweise wird in den Hinterhauptslappen,<br />
die für die visuelle Wahrnehmung zuständig sind, die<br />
höchste Dichte <strong>von</strong> Synapsen schon in den ersten Lebensmonaten<br />
erreicht. Hingegen ist das Wachstum in den Stirnlappen (Planen<br />
<strong>von</strong> Handlungen, Urteilsvermögen, Aufmerksamkeit) zwischen<br />
dem dritten und sechsten Lebensjahr am größten.<br />
In diesem Zusammenhang wird oft <strong>von</strong> „Entwicklungsfenstern“<br />
oder „kritischen Phasen“ gesprochen, in denen das Gehirn für<br />
best<strong>im</strong>mte Lernerfahrungen besonders empfänglich sei, da dann<br />
die relevanten Synapsen ausgewählt und miteinander verknüpft,<br />
also die entsprechenden Regionen des Gehirns strukturiert würden.<br />
Werden diese Perioden verpasst, könnte ein Kind <strong>im</strong> jeweiligen<br />
Bereich kaum noch dieselbe Leistungsfähigkeit erreichen wie<br />
andere Personen.<br />
Beispielsweise dauert die „sensible Phase“ für den Spracherwerb<br />
bis zum sechsten oder siebten Lebensjahr. Das Baby kann schon<br />
alle Laute jeder Sprache dieser Welt unterscheiden, das Kleinkind<br />
alle Phoneme korrekt nachsprechen. Innerhalb weniger Lebensjahre<br />
werden jedoch die Synapsen el<strong>im</strong>iniert, die diese Leistung<br />
ermöglichen, aber nicht benötigt werden, da sich das Kind in der<br />
Regel ja nur eine Sprache mit einer sehr begrenzten Zahl <strong>von</strong><br />
Phonemen aneignet. Deshalb kann ab dem Schulalter, insbesondere<br />
ab der Pubertät, eine neue Sprache nicht mehr perfekt erlernt<br />
werden.<br />
Dieses Beispiel verdeutlicht aber auch, dass das Konzept der<br />
„kritischen Phasen“ nicht überbetont werden darf. Sonst wird die<br />
Lernfähigkeit des Menschen außerhalb der sensiblen Periode<br />
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