Martin R. Textor Bildung im Kindergarten - von Ingeborg Becker ...
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dieser Hinsicht vor allem das Rollenspiel: Hier gelingt es dem Kind<br />
zuerst, sein Denken vom unmittelbaren externen Kontext zu<br />
lösen und auf eine neue Ebene zu heben. Es zertrennt die ursprünglich<br />
sehr enge Verbindung zwischen Wahrnehmung und<br />
Wort, zwischen Objekt und Bedeutung, wenn es <strong>im</strong> Rollenspiel<br />
z.B. aus einem Holzstück eine Puppe oder aus einem Stock ein<br />
Pferd macht. Auf diese Weise entwickelt das Kind eine Vorstellungswelt,<br />
die <strong>von</strong> Bedeutungen dominiert ist. Seine Handlungen<br />
und Aktivitäten werden nicht mehr <strong>von</strong> äußeren St<strong>im</strong>uli best<strong>im</strong>mt,<br />
sondern zunehmend <strong>von</strong> seinen Ideen, Vorstellungen<br />
und Gedanken. Dadurch wird der Weg zum abstrakten Denken<br />
bereitet, das auf der Verwendung <strong>von</strong> Symbolen beruht. Zugleich<br />
wird die Fantasie des Kindes gefördert – zum einen in Richtung<br />
<strong>von</strong> Fantasien als Form des „inneren Sprechens“, zum anderen in<br />
Richtung auf Kreativität.<br />
Sprache, Denkweisen, Problemlösungsstrategien, (Rollen-) Spiele<br />
usw. werden vom Kind nicht <strong>von</strong> selbst gelernt, sondern unter<br />
Anleitung. Erwachsene oder kompetentere Kinder übernehmen<br />
beispielsweise be<strong>im</strong> Rollenspiel abwechselnd alle Rollen und<br />
machen diese dem Kleinkind vor. Erst allmählich wird dieses<br />
zum aktiven Teilnehmer am Spiel und eignet sich über einen<br />
längeren Zeitraum nach und nach mehr Aspekte einer Rolle<br />
anhand des Vorbilds der anderen und unter deren Einfluss an, bis<br />
es schließlich ein guter „Rollenspieler“ ist.<br />
Egal ob be<strong>im</strong> Rollenspiel, be<strong>im</strong> Spracherwerb, be<strong>im</strong> Lösen <strong>von</strong><br />
Problemen oder Erlernen neuer Fertigkeiten – das Kind profitiert<br />
am meisten <strong>von</strong> der Anleitung und Unterstützung durch kompetentere<br />
Personen, wenn diese in die „Zone der nächsten Entwicklung“<br />
intervenieren. Damit ist der Bereich der noch nicht ausgereiften,<br />
jedoch reifenden Prozesse gemeint, der nur in der Beschäftigung<br />
mit dem Kind zutage tritt – das potenzielle Entwicklungsniveau<br />
<strong>im</strong> Gegensatz zum aktuellen Niveau. Wygotski (1987) schreibt:<br />
„Was das Kind heute in Zusammenarbeit und unter Anleitung<br />
vollbringt, wird es morgen selbständig ausführen können. Und<br />
das bedeutet: Indem wir die Möglichkeiten eines Kindes in der<br />
Zusammenarbeit ermitteln, best<strong>im</strong>men wir das Gebiet der reifenden<br />
geistigen Funktionen, die <strong>im</strong> allernächsten Entwicklungsstadium<br />
sicherlich Früchte tragen und folglich zum realen geistigen<br />
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