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VOL. XVI (2010), NO 23 - The International Newsletter of Communist ...

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<strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> Studies Online <strong>XVI</strong> (<strong>2010</strong>), no. <strong>23</strong> 286<br />

Section XI: Discussions, Debates, Historical Controversies.<br />

Ralph Hug, St. Gallen, Switzerland:<br />

Schweizer Spanienfreiwillige voll rehabilitiert.<br />

In der Schweiz ist am 1. September 2009 das Bundesgesetz über die Rehabilitierung der<br />

Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) in Kraft getreten. Der Erlaß wurde im<br />

März 2009 vom Parlament gegen die Stimmen der Rechten genehmigt. Er legt die kollektive<br />

Aufhebung aller Strafurteile und Administrativentscheide gegen Personen fest, die wegen<br />

ihres Einsatzes für Freiheit und Demokratie auf der republikanischen Seite rechtlich zur<br />

Verantwortung gezogen wurden. Damit sind die rund 800 Schweizer Spanienkämpfer sieben<br />

Jahrzehnte nach den Ereignissen voll rehabilitiert. Die Schweiz war jener demokratische<br />

Staat, der die Spanienfreiwilligen am konsequentesten verfolgt und am härtesten bestraft<br />

hat. Die Spanienkämpfer mussten sich vor dem Militärgericht wegen fremden Kriegsdienstes<br />

(Art. 94 des schweizerischen Militärstrafgesetzes) verantworten. Der Eintritt in fremde<br />

Armeen ist in der Schweiz seit 1927 (und heute noch) verboten. Eine von der Linken<br />

geforderte Amnestie wurde 1939 abgelehnt. Insgesamt wurden 420 Strafurteile gefällt, dazu<br />

kommen noch einige Dutzende weitere Urteile von Zivilgerichten gegen Personen meist aus<br />

dem Umfeld der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS), die sich in der Transithilfe für<br />

durchreisende Spanienkämpfer aus Mittel- und Osteuropa betätigt hatten.<br />

Das Bundesgesetz lässt den damals mit mehreren Monaten Gefängnis Bestraften durch eine<br />

symbolische Entkriminalisierung Gerechtigkeit widerfahren, wenn auch in den meisten Fällen<br />

bloß posthum. Zurzeit leben in der Schweiz gerade noch fünf Spanienkämpfer. Eine<br />

Entschädigung für das erlittene Unrecht ist nicht vorgesehen. Es handelt sich somit um eine<br />

formaljuristische Rehabilitierung, in der aber der Umschwung in der öffentlichen Deutung des<br />

Spanischen Bürgerkriegs zum Ausdruck kommt. Bis in die 1970er-Jahre waren die<br />

Spanienkämpfer als Kommunisten verfemt und blieben sowohl im öffentlichen Bewusstsein<br />

als auch in der Historiografie unbeachtet. Mehrere Rehabilitierungsversuche auf politischer<br />

Ebene scheiterten. Erst die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Kapitels des helvetischen<br />

Antifaschismus und die Gründung einer «Interessengemeinschaft Spanienfreiwillige» im Jahr<br />

2007 durch Historiker und Nachkommen legten den Grundstein für den nunmehr erfolgten<br />

Durchbruch.<br />

Das letzte Beispiel eines Rehabilitierungsaktes erfolgte in Luxemburg, das im Jahr 2003 ein<br />

entsprechendes Verbotsgesetz gegen Spanienfreiwillige aus dem Jahr 1937 aufgehoben<br />

hat. Erinnerungspolitisch hinkt die Schweiz anderen westeuropäischen Ländern wie<br />

Frankreich oder Holland hinterher, die ihre Spanienkämpfer schon längst amnestiert bzw.<br />

rehabilitiert und lebendige Erinnerungskulturen entfaltet haben. Anderseits ist die<br />

Eidgenossenschaft Ländern wie Deutschland und Österreich voraus, die sich bis jetzt nicht<br />

zu staatlichen Anerkennungsgesten gegenüber den Personen durchgerungen haben, die<br />

sich kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf der iberischen Halbinsel dem<br />

europäischen Faschismus entgegengestellt haben.

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