VOL. XVI (2010), NO 23 - The International Newsletter of Communist ...
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<strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> Studies Online <strong>XVI</strong> (<strong>2010</strong>), no. <strong>23</strong> 106<br />
IV.3: Institutional Materials and Studies<br />
Christian Booß, Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen (BStU), Berlin (Germany):<br />
Akteneiszeit für die KGB-Akten?<br />
Die frühen 90er Jahre waren die Zeit des Zweckoptimismus oder, besser gesagt, der<br />
Euphorie und Illusionen. Die Begriffe „Archivrevolution“ oder „Dokumentenboom“ waren<br />
geprägt von der Begeisterung, dass vieles <strong>of</strong>fen lag, was jahrzehntelang versperrt war. Diese<br />
Begriffe verdeckten, dass es in Russland nie um den Archivzugang an sich oder gar dessen<br />
rechtsstaatliche Sicherung ging, sondern der Umgang mit den Akten immer ein Ausdruck<br />
von Politiken war. Auch noch in der Hochperestroika war bei Enthüllungen nicht die<br />
historische Wahrheit als solche das Ziel, sondern die Wirkung der Aktenveröffentlichungen<br />
nach außen und innen war das Motiv. 1 Aus dieser Perspektive erscheint es folgerichtig, dass<br />
sich die Aktenzugänge verändern, wenn die politische Lage sich ändert. Diese hat sich<br />
geändert und damit die Verfügung über die Akten, wie das Beispiel der Unterlagen des KGB<br />
und seiner Vorgänger2 zeigt.<br />
Im Sommer 1991 ging es darum, die Putschisten „abzustrafen“, die in den Staatsstreich<br />
verwickelten Institutionen auch durch Delegitimierung zu entmachten. Zudem wollte der<br />
kommende Mann Russlands seine Macht, die nicht zuletzt dank seines beherzten<br />
Eingreifens vor dem Moskauer „Weißen Haus“ gewachsen war, gegenüber dem Personal<br />
und den Institutionen der untergehenden Union ausspielen. Der Ukas des Präsidenten der<br />
russischen Föderation, Boris Nikolaevič El’cin, vom 24. August 1991 (siehe Anhang, Dok. 1)<br />
zeugt von diesem Geist. Kurz und knapp heißt es unter Bezug auch auf die KGB-Akten:<br />
„Die Archive des Zentralapparates des Komitees für Staatssicherheit der UdSSR und<br />
seiner Abteilungen in den zum Verband der RSFSR gehörenden Republiken,<br />
Gebieten und Bezirken und in den Städten Moskau und Leningrad sind gemeinsam<br />
mit den dazu gehörenden Gebäuden, Anlagen, Mitarbeitern und Finanzmitteln für die<br />
Mitarbeiterentlohnung den Archivierungsorganen der RSFSR zu unterstellen.“ 3<br />
Übergeben werden sollten nach Vorstellungen der Demokraten: abgeschlossene<br />
Strafverfahren; Fälle, die rehabilitiert wurden; Fälle, die älter als 15 Jahre waren; die<br />
Überprüfungsvorgänge; Geschäftsvorgänge, die älter als 15 Jahre waren; Personalakten der<br />
hauptamtlichen Mitarbeiter, die älter als 30 Jahre alt waren. Dies hätte bedeutet, dass fast<br />
80% der KGB-Akten den Staatsarchiven überantwortet worden wären. 4<br />
1 Viktor Zaslavsky: Tschernobyl, Katyn und Gorbatsch<strong>of</strong>fs Politik der Glasnost. Mündlicher Vortrag im Rahmen der<br />
wissenschaftlichen Tagung der BStU zum Revolutionsjahr 1989 im Rahmen des Geschichtsforum 2009.<br />
2 Der Einfachheit halber wird im Folgenden von KGB gesprochen.<br />
3 Vedomosti SND i VS RSFSR, 29.8.1991, N° 35, S. 1156, http://lawsector.ru/data/dos08/txc08192.htm. Übersetzt<br />
im Auftrag der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.<br />
4 Amy Knight: Spies without Cloaks. <strong>The</strong> KGB’s Successors, Princeton, Princeton University Press, 1996, S. 199.