Das Schulwesen in Österreich: Historischer Überblick - Plattform ...
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>:<br />
<strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung<br />
und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
DIPLOMARBEIT<br />
zur Erlangung des akademischen Grades<br />
e<strong>in</strong>er Magistra der Philosophie<br />
an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät<br />
der Karl-Franzens-Universität Graz<br />
Vorgelegt von: Helena Haslauer<br />
Begutachter<strong>in</strong>:<br />
Univ. Doz <strong>in</strong> . Prof <strong>in</strong> . Dr <strong>in</strong> .phil Kar<strong>in</strong> Schmidlechner-<br />
Lienhart<br />
Institut für Geschichte<br />
Graz 2010
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig<br />
und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt<br />
und die den benutzten Quellen wörtlich oder <strong>in</strong>haltlich<br />
entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe.<br />
Graz, im Mai 2010 ……………………………………………..
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 1<br />
E<strong>in</strong>leitung 2<br />
Begriffsdef<strong>in</strong>itionen 4<br />
Seite<br />
I. Geschichtlicher <strong>Überblick</strong> im Bezug auf die Entwicklung der Schule und des Unterrichtes <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> vom Mittelalter bis h<strong>in</strong> zum Ende der 1. Republik 11<br />
1.1. <strong>Das</strong> Mittelalter 11<br />
1.2. Renaissance und Humanismus 16<br />
1.3. <strong>Das</strong> 16. und das 17. Jahrhundert 17<br />
1.4. Ende 17. Jahrhundert und das 18. Jahrhundert 21<br />
1.5. Ende des 18. Jahrhunderts und Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts 28<br />
1.6. Der Start <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert: das 19. Jahrhundert bis 1918 31<br />
1.7. Veränderungen <strong>in</strong> der 1. Republik 37<br />
1.8. Die Schule im Ständestaat 41<br />
II. Geschichte der Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> vom Mittelalter bis <strong>in</strong>s 20.<br />
Jahrhundert 45<br />
2.1. E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Stellung der Frau im Laufe der Geschichte 45<br />
2.1.1. Die Frau im Mittelalter 45<br />
2.1.2. Die Frau <strong>in</strong> der Neuzeit 50<br />
2.1.3. Die Frau im 19. Jahrhundert und zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts 53<br />
2.1.4. Die Stellung der Frau vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des<br />
Ständestaates 62<br />
2.2. Die Mädchenerziehung und –bildung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> 65<br />
2.2.1. Die Anfänge im Mittelalter 65<br />
2.2.2. Die Bildungsmöglichkeiten der Mädchen <strong>in</strong> der Neuzeit 74
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
2.2.3. Die Situation um die Jahrhundertwende und zu Beg<strong>in</strong>n des 20.<br />
Jahrhunderts 84<br />
2.2.4. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Ende des<br />
Ständestaates 87<br />
III. Die Veränderungen <strong>in</strong> der Schule während des Nationalsozialismus <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> 90<br />
3.1. Die Folgen des Anschlusses oder: die ´´Heimkehr der Ostmark bzw. der Donau-<br />
und Alpengaue <strong>in</strong>s Reich!´´ 90<br />
3.2. Genauere Betrachtung der Frauen im Nationalsozialismus 92<br />
3.3. Die Situation der Schule während des Nationalsozialismus 96<br />
3.3.1. Die Umstrukturierung der Schule 96<br />
3.3.2. Veränderungen <strong>in</strong> der Schule und im Unterricht 104<br />
3.3.2.1. Unterricht <strong>in</strong> der höheren Schule 110<br />
3.3.2.2. Unterricht <strong>in</strong> den mittleren Schulen (Hauptschule, Volksschule<br />
Oberstufe) 113<br />
3.3.2.3. Unterricht <strong>in</strong> der Volksschule 115<br />
VI. Der Weg der Schule <strong>in</strong> der 2. Republik 119<br />
4.1. Die allgeme<strong>in</strong>en Umstände nach dem Weltkrieg 119<br />
4.2. Die Zeit <strong>in</strong> der Schule nach dem 2. Weltkrieg 119<br />
4.2.1. Die Verordnungen 120<br />
4.3. Die Schulreform von 1962 121<br />
V. Ausblicke 123<br />
Abkürzungsverzeichnis 124<br />
Literaturverzeichnis 125<br />
Anhang/Interviews 138
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Vorwort<br />
In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit der Entstehung und Weiterentwicklung des<br />
<strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, vom Mittelalter bis h<strong>in</strong> zum Jahr 1962 beschäftigen. Ich habe dieses<br />
Thema gewählt, da ich <strong>in</strong> Zukunft an e<strong>in</strong>er österreichischen Mittelschule unterrichten möchte und<br />
mich daher die Entwicklung dieser sehr <strong>in</strong>teressiert.<br />
E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Punkt, zu Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er Arbeit wäre, den Menschen zu danken, welche<br />
mich bis hierher begleitet und unterstützt und es mir überhaupt erst ermöglicht haben, so weit zu<br />
kommen. So möchte ich me<strong>in</strong>er Familie von ganzem Herzen Danke sagen und ihnen diese Arbeit<br />
widmen, denn sie standen und stehen immer h<strong>in</strong>ter mir und ich b<strong>in</strong> sehr stolz, zu ihnen zu gehören.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Dank gilt me<strong>in</strong>em Freund, der mich, wie me<strong>in</strong>e Familie, immer motiviert und <strong>in</strong><br />
weniger motivierten Zeiten aufgebaut hat, me<strong>in</strong>en anderen guten Freunden und Freund<strong>in</strong>nen, die<br />
mich begleitet haben und die ich nicht mehr missen möchte und natürlich den eifrigen und<br />
<strong>in</strong>teressierten Lesern und Leser<strong>in</strong>nen me<strong>in</strong>er Arbeit. Vor allem danke ich auch Frau Professor<strong>in</strong><br />
Kar<strong>in</strong> Schmidlechner-Lienhart, welche mich, <strong>in</strong> der Zeit me<strong>in</strong>er Ausarbeitung, geduldig und<br />
hilfsbereit betreut und mir immer me<strong>in</strong>e vielen Fragen beantwortet hat. Danke euch allen!<br />
1
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Mir stellen sich zu Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er Arbeit e<strong>in</strong>ige Fragen, die ich im Verlauf me<strong>in</strong>er Recherchen<br />
beantworten möchte. So will ich herausf<strong>in</strong>den, ob es bereits im Mittelalter im Raum <strong>Österreich</strong><br />
Schulen gab und wenn, welche Formen und für welche Bevölkerungsgruppen. Falls es schon<br />
Schulen gab, wie entwickelten sie sich im Verlauf der Neuzeit weiter, bis h<strong>in</strong> zum Beg<strong>in</strong>n des 20.<br />
Jahrhunderts und welche Veränderungen machten sie bis zum Jahr 1962, <strong>in</strong> welchem e<strong>in</strong>e<br />
bedeutende Schulreform der 2. Republik stattfand, durch.<br />
Im Zuge me<strong>in</strong>er Arbeit möchte ich zwei weitere beachtenswerte Themengebiete betrachten, die sich<br />
<strong>in</strong> diesem Bereich auftun: die Erziehung der Mädchen <strong>in</strong> diesem Zeitraum und den<br />
Ausnahmezustand der österreichischen Schulen während des Nationalsozialismus. Den Mädchen<br />
war es nämlich leider nicht möglich, e<strong>in</strong>e Ausbildung, welche der der Jungen glich, zu erhalten. Ich<br />
versuche daher herauszuf<strong>in</strong>den, warum dem so war und durch welche Umstände sich dies änderte.<br />
Der Nationalsozialismus und se<strong>in</strong>e Schulpolitik unter Adolf Hitler, e<strong>in</strong> stets brisantes Thema,<br />
stechen mir auch <strong>in</strong>s Auge, denn <strong>in</strong> dieser Zeit wurde ansche<strong>in</strong>end vieles, was vorher für Schulen<br />
galt, nichtig. Darum ist es mir auch e<strong>in</strong> Anliegen, den H<strong>in</strong>tergründen für diese Veränderungen<br />
nachzugehen.<br />
Der Gegenstand me<strong>in</strong>er Betrachtungen wird der Sekundarbereich, also die Mittelschulen, wie das<br />
heutige Gymnasium und die Hauptschule, und im Zuge dessen auch der Primarbereich, also das<br />
Volksschulwesen, se<strong>in</strong>, denn der Primarbereich ist essentiell für die weitere Betrachtung und das<br />
Verständnis des Sekundarbereiches. In <strong>Österreich</strong> wird der sekundare Bereich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ober- und<br />
e<strong>in</strong>e Unterstufe e<strong>in</strong>geteilt, wobei ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Arbeit beide Stufen betrachten möchte. In e<strong>in</strong>igen<br />
Fällen wird es auch nötig se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Blick auf die berufsbildenden Schulen zu werfen, welche auch,<br />
sozusagen, <strong>in</strong> den Sekundarbereich fallen.<br />
Die Arbeit unterteilt sich <strong>in</strong> vier Hauptkapitel:<br />
<strong>Das</strong> erste Kapitel beschäftigt sich mit der allgeme<strong>in</strong>en Entwicklung und Entstehung der Schulen der<br />
Primar- und Sekundarstufe im Raum <strong>Österreich</strong>, wobei hier der Zeitraum vom Mittelalter bis zum<br />
Ende des Austrofaschismus betrachtet wird.<br />
Im zweiten Kapitel wird auf die Entstehung der Mädchenerziehung <strong>in</strong> diesem Raum und derselben<br />
2
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Zeitspanne genauer e<strong>in</strong>gegangen, wiederum für die Primar- und Sekundarstufe.<br />
<strong>Das</strong> vorletzte Kapitel behandelt die Veränderungen der Schule <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> während der Zeit des<br />
Nationalsozialismus, wobei hier sowohl die Erziehung der Mädchen, als auch die der Burschen,<br />
untersucht wird.<br />
<strong>Das</strong> letzte Kapitel soll e<strong>in</strong> Ausklang se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welchem die Weiterentwicklung der betrachteten<br />
Schulformen bis h<strong>in</strong> zur Reform des Jahres 1962 nachvollzogen wird. Dieses Kapitel wird eher<br />
kürzer gehalten, denn das Hauptaugenmerk liegt bei den vorhergehenden.<br />
Die vorliegende Arbeit basiert auf der Recherche von wissenschaftlichen, historischen Schriften<br />
und Quellen zu den Themengebieten. E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Teil ist auch der empirische, welcher <strong>in</strong><br />
Form von Interviews, nach den qualitativen Richtl<strong>in</strong>ien der Oral Historie, erarbeitet wurde. Die<br />
Interviews beschäftigen sich mit dem Zeitabschnitt des Nationalsozialismus und der Zeit danach.<br />
Durch diese Interviews soll dem Leser die Zeit nahegebracht und diese auch verständlicher und<br />
lebendiger gemacht werden. Die Kontaktaufnahme erfolgte durch me<strong>in</strong>e Familie und Freunde und<br />
die Interviews fanden <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelgesprächen mit e<strong>in</strong>em Herren und zwei Damen statt. Die Gespräche<br />
wurden transkribiert und bef<strong>in</strong>den sich im Anhang.<br />
An dieser Stelle möchte ich mich auch bei me<strong>in</strong>em Interviewpartner und me<strong>in</strong>en<br />
Interviewpartner<strong>in</strong>nen für ihren Zeitaufwand und die sehr <strong>in</strong>teressanten Gespräche bedanken. Sie<br />
haben mir sehr geholfen.<br />
3
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Begriffsdef<strong>in</strong>itionen<br />
Um mit me<strong>in</strong>er Arbeit starten zu können, möchte ich mich zuvor noch mit e<strong>in</strong>igen Begriffen<br />
beschäftigen, welche als Grundlage zum Verständnis me<strong>in</strong>er Arbeit dienen können.<br />
Beg<strong>in</strong>nen möchte ich mit dem Begriff Schule. Abgeleitet wurde der Begriff vom Althochdeutschen<br />
´´scuola´´ und vom Late<strong>in</strong>ischen ´´schola´´, dies bedeutet ´´Unterrichtsstätte´´, ´´Muße´´ oder auch<br />
´´Ruhe´´, und auch vom Griechischen ´´scholē´´, was auch die Bedeutung des Innehaltens bei der<br />
Arbeit hatte. Schule bezeichnet e<strong>in</strong> Gebäude oder mehrere, <strong>in</strong> denen diverse Menschen, meist<br />
K<strong>in</strong>der und Jugendliche, sich treffen um zu lernen, wie man am Leben <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />
teilnimmt. Träger dieser Institutionen ist meistens entweder der Staat oder die Kirche. Die Schule<br />
beansprucht für sich, e<strong>in</strong> Platz der Aufklärung, der Bildung und auch der Emanzipation zu se<strong>in</strong>.<br />
Unterschieden werden hier zum Beispiel die Pflichtschulen, wie Volksschulen und Hauptschulen,<br />
dann die Wahlschulen, Gymnasien oder auch Fachoberschulen. Weiters kann man zwischen<br />
allgeme<strong>in</strong>bildenden (z.B. Gymnasium) und berufsbildenden (z.B. Höhere technische Lehranstalt,<br />
Höhere akademische Lehranstalt) Schulen differenzieren. Es gibt auch noch Sonderschulen, für<br />
beh<strong>in</strong>derte K<strong>in</strong>der, und Teilzeitschulen, welche man nicht regelmäßig besucht. Die Berufsschulen.<br />
K<strong>in</strong>dergärten, Fachhochschulen, Volkshochschulen, Universitäten, etc., fallen nicht unter den<br />
Begriff Schulen. 1<br />
Schon im alten Mesopotamien ca. 3 Jahrtausende vor Christus gab es Formen von Schulen, dort<br />
wurden sie ´´Haus der Täfelchen´´ genannt. In der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends vor Christus<br />
bestand der Unterricht, den Forschungen zufolge, aus Schreiben, Rechnen, Lesen sowie Musik,<br />
Literatur und Grammatik. Diese Schulen fand man <strong>in</strong> Tempeln oder auch Palästen. In Ägypten fand<br />
e<strong>in</strong>e ähnliche Entwicklung statt. In Griechenland werden die Anfänge der Schule schon fünftausend<br />
Jahre vor Christus datiert. Hier wurden Knaben auf die Demokratie vorbereitet. Für sie gab es meist<br />
Privatlehrer. Die älteren Burschen kamen auf das ´´Gymnasion´´ und erhielten dort e<strong>in</strong>e musische,<br />
literarische und auch e<strong>in</strong>e sportliche, militärische Ausbildung. Die weitere Bildung <strong>in</strong> höheren<br />
Schulen be<strong>in</strong>haltete Rhetorik, Dichtung und Mathematik. Rom übernahm dieses griechische<br />
1 Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 19 Rut-Sch, Mannheim 1992. S. 548-549.<br />
4
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
<strong>Schulwesen</strong> und verbreitete es im gesamten eroberten Gebiet. Nach dem Untergang des römischen<br />
Reiches g<strong>in</strong>g auch das antike <strong>Schulwesen</strong> zugrunde. 2<br />
In der Forschung der Sozialwissenschaft werden vier Funktionen der Schulen hervorgehoben: Dazu<br />
zählt die Sozialisationsfunktion, durch welche die Schüler lernen sich <strong>in</strong> der Gesellschaft zu<br />
bewegen und die Werte und Normen e<strong>in</strong>zuhalten. Die Qualifikationsfunktion bereitet die Schüler<br />
durch diverse Fähigkeiten und Kenntnisse auf die spätere Welt <strong>in</strong> Arbeit und Beruf vor. Bei der<br />
Selektionsfunktion f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Auslese durch Prüfungen und Noten statt, was die weitere<br />
Schullaufbahn der K<strong>in</strong>der bee<strong>in</strong>flusst. Die Legitimationsfunktion br<strong>in</strong>gt den Schüler dazu, dass er<br />
die Gesellschaft und die Regeln und Normen so akzeptiert und h<strong>in</strong>nimmt, wie sie s<strong>in</strong>d und alles als<br />
legitim betrachtet und nicht bekämpft. Dies ist nur e<strong>in</strong> Vorschlag zur Def<strong>in</strong>ition von den Aufgaben<br />
der Schule und es steht jedem frei se<strong>in</strong>en eigenen S<strong>in</strong>n <strong>in</strong> ihr zu f<strong>in</strong>den. 3<br />
<strong>Das</strong> nächste, mit dem ich mich beschäftigen möchte, wäre die K<strong>in</strong>dheit. K<strong>in</strong>dheit ist ja mehr oder<br />
weniger die Phase vor dem Erwachsenen-<strong>Das</strong>e<strong>in</strong>. Doch <strong>in</strong> der Geschichte und den diversen<br />
Kulturen gibt es unterschiedliche Auffassungen, welche Altersgruppen die K<strong>in</strong>dheit umfasst. 4 In der<br />
Antike gab es noch besser def<strong>in</strong>ierte Unterschiede zwischen K<strong>in</strong>dern und Erwachsenen, aber im<br />
Mittelalter verschwammen diese Grenzen immer stärker. 5 In Griechenland gab es e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong><br />
Säugl<strong>in</strong>g, Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d (bis zum 7. Jahr), K<strong>in</strong>d (bis zum 14. Jahr), Pubertierender (mit ca. 15 bis 17<br />
Jahren) und den jungen Mann (ab 18). Diese Begriffe werden aber <strong>in</strong> der antiken Literatur nicht<br />
immer so differenziert gebraucht. 6 Die K<strong>in</strong>der waren wichtig zur Erhaltung des Staates, vor allem <strong>in</strong><br />
Griechenland und Rom, und so wurde K<strong>in</strong>derreichtum auch belohnt. 7 <strong>Das</strong> antike Bild der K<strong>in</strong>der ist<br />
auf der e<strong>in</strong>en Seite e<strong>in</strong> positives, wenn wir an die vielen diversen K<strong>in</strong>derspiele denken, die es<br />
damals gab (und noch heute gibt) wie das Schaukeln, das Verstecken spielen, Bl<strong>in</strong>dekuh, etc. 8 , doch<br />
es gab auch viele negative Aspekt, wie die Sklavenk<strong>in</strong>der oder die griechische Päderastie, die<br />
2<br />
Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 19, S. 549.<br />
3<br />
Vgl. Ebda, S. 550.<br />
4<br />
Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 11 IT-KIP, Mannheim 1990, S. 680.<br />
5Vgl. Engelbrecht Helmut, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, das 16. und das 17. Jahrhundert,<br />
Wien 1983, S. 16-17.<br />
6<br />
Vgl. Backe-Dahmen, Die Welt der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Antike, Ma<strong>in</strong>z am Rhe<strong>in</strong> 2008. (= Zaberns Bildbände zur Archäologie,<br />
Sonderbände der antiken Welt), S. 9.<br />
7 Vgl. Ebda, S. 38-40.<br />
8 Vgl. Ebda, S. 48.<br />
5
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
sogenannte Knabenliebe. 9<br />
Im Mittelalter gab es zwar die E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> ´´<strong>in</strong>fantia´´, die K<strong>in</strong>dheit, die ´´pueritia´´, das<br />
Knabenalter und die ´´adolescentia´´, das Jüngl<strong>in</strong>gsalter, doch die Übergänge waren nicht ganz klar<br />
abgegrenzt. Die K<strong>in</strong>der standen unter dem Schutz und der Verfügungsgewalt des Vaters, bis sie<br />
erwachsen waren oder e<strong>in</strong>en eigenen Haushalt gründeten. Uneheliche K<strong>in</strong>der hatten eher schlechte<br />
Zukunftsaussichten, vor allem jene, aus der unteren Schicht, sie mussten sich meist mit<br />
´´unehrlichen´´ Berufen 10 abf<strong>in</strong>den. Uneheliche oder auch missgebildete K<strong>in</strong>der waren bedroht von<br />
der K<strong>in</strong>destötung. Diese stand zwar unter Strafe, es wurden jedoch selten Anklagen erhoben. Die<br />
Existenz von unterschiedlichen Spielsachen für Mädchen und Burschen weist auch darauf h<strong>in</strong>, dass<br />
es im Mittelalter schon e<strong>in</strong>e geschlechtergetrennte Auffassung gab, auch schon bei den K<strong>in</strong>dern. 11<br />
E<strong>in</strong> weiterer trauriger Aspekt war die K<strong>in</strong>dersterblichkeit im Mittelalter, welche sehr hoch war. So<br />
starben viele K<strong>in</strong>der noch vor dem siebenten Lebensjahr. 12 Es lässt sich e<strong>in</strong> Vorhandense<strong>in</strong> von<br />
K<strong>in</strong>dheit im Mittelalter erkennen, durch Spiele und Aktivitäten der K<strong>in</strong>der und Jugendlichen. Man<br />
erkannte die K<strong>in</strong>der aber damals auch schon ab dem 10. Lebensjahr als vollständige Arbeitskräfte<br />
an, dennoch gab es e<strong>in</strong>e Differenzierung zum Erwachsenendase<strong>in</strong>. 13<br />
Erst ab dem 14./15. Jahrhundert wurde der Individualität der K<strong>in</strong>der mehr Beachtung geschenkt. 14<br />
In der Neuzeit, beziehungsweise zu Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit schien es noch ke<strong>in</strong>e Besserung im Bezug<br />
auf die Lebensbed<strong>in</strong>gungen der K<strong>in</strong>der zu geben und die K<strong>in</strong>dersterblichkeit war noch sehr hoch.<br />
Es gab auch sehr viele K<strong>in</strong>desmorde, zum Beispiel von ledigen schwangeren Müttern, und man sah<br />
die K<strong>in</strong>dheit eher als unwichtigen Vorspann vor dem wichtigen Erwachsenendase<strong>in</strong> an. 15 In<br />
Anlehnung an die Antike erfolgte die E<strong>in</strong>teilung der Abschnitte der K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> der Neuzeit, gleich<br />
wie im Mittelalter, <strong>in</strong> ´´<strong>in</strong>fantia´´, ´´pueritia´´ und ´´adolescentia´´, wobei das Jüngl<strong>in</strong>gsalter mit<br />
9 Vgl. Ebda, S. 122-127.<br />
10 Unehrliche Berufe: Zu den unehrlichen Berufen gehörten im Mittelalter zum Beispiel der Henker, Spielleute, Dirnen,<br />
Bader, Sch<strong>in</strong>der, Kesselflicker, etc. Man durfte mit den Personen, die diese Berufe ausführten, ke<strong>in</strong>en Kontakt haben<br />
und sie wurden von gerichtlichen Funktionen ausgeschlossen, zum Beispiel durften sie ke<strong>in</strong>e Vormünder se<strong>in</strong>, und<br />
von den Zünften. Zitiert nach: Lexikon des Mittelalters, Bd. VIII Stadt (Byzant<strong>in</strong>isches Reich) bis Werl, München<br />
1997, Sp. 1216.<br />
11 Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. V Hiera-Mittel bis Lukanien, München und Zürich 1991, Sp. 1142-1145.<br />
12 Vgl. Arnold, K<strong>in</strong>d und Gesellschaft <strong>in</strong> Mittelalter und Renaissance, Beiträge und Text zur Geschichte der K<strong>in</strong>dheit,<br />
Paderborn 1980. (=Sammlung Zebra. Schriften zur Entwicklung und Erziehung im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d- und Vorschulalter,<br />
Reihe Bd. 2), S. 35.<br />
13Vgl. Tenorth He<strong>in</strong>z-Elmar, Geschichte der Erziehung, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Grundzüge ihrer neuzeitlichen Entwicklung,<br />
We<strong>in</strong>heim-München 1988. (Grundlagentexte Pädagogik), S. 51.<br />
14 Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 11, S. 681.<br />
15 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 16.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
dem 21. Lebensjahr endete. Im 15. und 16. Jahrhundert herrschte sogar der Gedanke vor, dass die<br />
K<strong>in</strong>dheit schon im Mutterleib begann. Es machte e<strong>in</strong>en großen Unterscheid, ob man als Bursche<br />
oder als Mädchen geboren wurde. Bis zum siebenten Lebensjahr wurden ke<strong>in</strong>e gröberen<br />
Unterschiede gemacht, doch ab dem siebenten Lebensjahr begann die geschlechterspezifische<br />
Trennung, bei welcher die Mädchen <strong>in</strong> den hauswirtschaftlichen Bereich abgedrängt wurden und<br />
e<strong>in</strong>e eigene Erziehung für Mädchen erhielten. Den Burschen wurde der außerhäusliche Bereich<br />
zugesprochen. Am Land mussten die K<strong>in</strong>der, ab dem siebenten Lebensjahr, oft schwer arbeiten und<br />
wurden auch als Knechte und Mägde an andere Höfe ´´verschachert´´. 16 1693 verlautete John<br />
Locke 17 zum ersten Mal, dass alle K<strong>in</strong>der gleich geboren und freie Wesen seien. Vor allem im 18.<br />
und 19. Jahrhundert traten die K<strong>in</strong>der immer mehr <strong>in</strong> das Blickfeld ihrer Eltern, wobei dies eher <strong>in</strong><br />
der bürgerlichen Schicht der Fall war. 18 Erst ab dem 19. Jahrhundert beschäftigten sich die<br />
Pädagogen verstärkt mit der K<strong>in</strong>dheit. Obwohl ab 1900 die K<strong>in</strong>der immer mehr <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />
des Interesses gelangten, sah es <strong>in</strong> der Realität noch nicht so rosig für sie aus. Die K<strong>in</strong>der der<br />
Bürgerschicht hatten sicher bessere Lebensumstände als die Arbeiterk<strong>in</strong>der, welche hart arbeiten<br />
mussten und sich, schlimmstenfalls, für e<strong>in</strong> bisschen Geld sogar prostituieren mussten. Vor allem<br />
Waisenk<strong>in</strong>der hatten kaum die Möglichkeit e<strong>in</strong>e unbeschwerte K<strong>in</strong>dheit zu erleben. Erst nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg versuchte man ernsthaft, die Stellung der K<strong>in</strong>der zu verbessern. 19 <strong>Das</strong> Interesse<br />
an der Erforschung der K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> der Geschichte entstand vor allem <strong>in</strong> den 70ern des 20.<br />
Jahrhunderts. Die historische K<strong>in</strong>dheitsforschung wurde, zum Beispiel, betrieben von Philippe<br />
Ariés, 20 laut diesem hatten die Menschen im Mittelalter ke<strong>in</strong> bewusstes Verhältnis zur K<strong>in</strong>dheit,<br />
dieses wurde erst im 17. und 18. Jahrhundert richtig entdeckt. Dies soll laut Ariés 21 jedoch nicht<br />
bedeuten, dass K<strong>in</strong>der im Mittelalter vernachlässigt wurden. 22<br />
Heute unterscheidet die Entwicklungspsychologie folgende Stadien: Neugeborenes bis zum zehnten<br />
Lebensmonat, Säugl<strong>in</strong>g im ersten Lebensjahr, Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d, vom zweiten bis zum dritten Lebensjahr,<br />
16<br />
Vgl. Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, Jenseits-Konvikt, Stuttgart-Weimar 2007, Sp. 570-574.<br />
17<br />
John Locke: geboren 1632, gestorben 1704. Er war e<strong>in</strong> englischer Philosoph. Er setzte sich für Toleranz, Liberalismus<br />
und Empirismus e<strong>in</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, Mannheim- Wien- Zürich 1972, S. 483.<br />
18<br />
Vgl. Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, Sp. 576.<br />
19<br />
Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 11, S. 681.<br />
20<br />
Vgl. Ebda, S. 682.<br />
21<br />
Ariés Philippe: geboren 1914 Blois (Frankreich), gestorben 1986 Paris. Er war e<strong>in</strong> französischer Historiker und hatte<br />
ab 1978 e<strong>in</strong>en Lehrauftrag <strong>in</strong> Paris. Er schrieb Werke über Veränderungen der gesellschaftlichen E<strong>in</strong>stellung zu<br />
K<strong>in</strong>dheit und Familie, sowie zu Leben und Tod. Damit sorgte er für neue sozialhistorische Betrachtungsweisen.<br />
Zitiert nach: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 2 APU-BEC, Mannheim 1987, S. 106.<br />
22<br />
Vgl. Arnold, K<strong>in</strong>d und Gesellschaft <strong>in</strong> Mittelalter und Renaissance, S. 10-12.<br />
7
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
K<strong>in</strong>dergartenk<strong>in</strong>d, vom vierten bis h<strong>in</strong> zum sechsten, und Schulk<strong>in</strong>d, vom siebten bis zum<br />
vierzehnten Lebensjahr. 23<br />
Auch die Begriffe Bildung und Erziehung spielen für me<strong>in</strong>e Arbeit e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Der Begriff<br />
´´Bildung´´ entwickelte sich stark als Begriff der Pädagogik gegen Ende des 18. und zu Beg<strong>in</strong>n des<br />
19. Jahrhunderts. Zurückzuverfolgen ist dieser Begriff bis <strong>in</strong> die Mystik des Mittelalters. Meister<br />
Eckhart verwendete diesen Begriff im Bezug auf e<strong>in</strong>e Art ´´E<strong>in</strong>bildung´´ beziehungsweise<br />
´´Überbildung <strong>in</strong> Gott´´, Bildung bedeute also e<strong>in</strong>e ´´E<strong>in</strong>swerdung´´ mit Gott. Ab dem 18.<br />
Jahrhundert verschwand diese Konnotation von Bildung, sie wird nun eher als etwas betrachtet, was<br />
der Mensch durch eigene Anstrengung erlangt und was ihn zur Menschlichkeit verhilft. Heutzutage<br />
wird Bildung auch mit Lernen <strong>in</strong> Zusammenhang gebracht. 24 Festzustellen ist auch, dass Bildung<br />
zu e<strong>in</strong>em der Begriffe zählt, welchen man durch viele Def<strong>in</strong>itionen zu erklären versuchte. Die<br />
Neuhumanisten forderten, zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts, e<strong>in</strong>en ´´gebildeten´´ Menschen, welcher<br />
se<strong>in</strong>e Persönlichkeit geformt hat und sie sahen dies als Gegenstück zu den Idealen, welche <strong>in</strong> der<br />
Erziehung vorherrschten, denn diese diente nur dazu, brauchbare Diener des Staates zu formen. 25<br />
Bildung wurde dann als gelungen betrachtet, wenn sich die Personen mit der Antike beschäftigt<br />
hatten. 26 Es wurden meistens die Begriffe Bildung und Erziehung als Synonyme gebraucht, wobei<br />
die Erziehung, wie schon oben erwähnt, eher dazu diente, jemanden zu formen, was hauptsächlich<br />
durch andere Personen, beziehungsweise Institutionen, geschah. So erzogen zum Beispiel die Eltern<br />
die K<strong>in</strong>der, ebenso wie die Schule, und damit auch der Staat oder die Kirche. Es geschah auch, dass<br />
Gleichaltrige sich gegenseitig erzogen, wie es zum Beispiel <strong>in</strong> der Hitlerjugend der Fall war. Man<br />
kann dementsprechend bei Erziehung von e<strong>in</strong>em Herrschaftsverhältnis sprechen, <strong>in</strong> welchem die<br />
K<strong>in</strong>der die ihnen vorgesetzten Regeln und Normen lernen und anwenden mussten/müssen. 27 Bei<br />
Bildung h<strong>in</strong>gegen geht es eher darum, dass der Mensch sich durch eigenes Lernen und Streben die<br />
gesellschaftlichen und geistigen Werte ver<strong>in</strong>nerlicht. Erziehung ist daher möglich, solange die<br />
K<strong>in</strong>der noch abhängig s<strong>in</strong>d von den diversen Institutionen wie Familie oder Schule. Sobald sie vor<br />
23<br />
Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 11, S. 680.<br />
24<br />
Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 3 BED-BRN, Mannheim 1987, S. 313-315.<br />
25<br />
Vgl. Achs Evelyn Susanne, Bildung als Humanpotenzial. E<strong>in</strong>e ideologiekritische Analyse ausgewählter aktueller<br />
Bildungsbegriffe, Dipl. Graz 2006, S. 66-67.<br />
26<br />
Vgl. Giesecke Hermann, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Pädagogik, München 1975, S. 92<br />
27 Vgl. Ebda, S. 72.<br />
8
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
dem Gesetz als mündig gelten, können sie, theoretisch, auch nicht mehr erzogen werden. 28<br />
In e<strong>in</strong>em Lexikon aus dem Jahre 1972 wird Bildung folgendermaßen def<strong>in</strong>iert: ´´Die bewusste<br />
Entwicklung der natürlichen Anlagen des Menschen durch Erziehung und eigenes Streben, sowie<br />
deren Ziel, die sittliche Reife und geistige Fähigkeit, Wissensgehalte und ethische Werte zu<br />
<strong>in</strong>tegrieren.´´ 29 Erziehung jedoch wird so def<strong>in</strong>iert, dass sie durch den E<strong>in</strong>fluss der Umwelt auf die<br />
Person erfolgt, vor allem auf Menschen, die sich noch im geistigen sowie körperlichen Wachstum<br />
bef<strong>in</strong>den. 30<br />
So schließen wir daraus, dass sowohl Bildung, als auch Erziehung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wechselwirkung den<br />
Menschen formen können.<br />
E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Punkt, um e<strong>in</strong> Verständnis für me<strong>in</strong>e Arbeit zu bekommen, ist die Def<strong>in</strong>ition<br />
des Raumes <strong>Österreich</strong>. Vom 9. Jahrhundert h<strong>in</strong> zur 2. Republik vollzogen sich territoriale<br />
Veränderungen, bis h<strong>in</strong> zu den Grenzen, die heute das Land <strong>Österreich</strong> def<strong>in</strong>ieren.<br />
Im 8. Jahrhundert wurde das heutige österreichische Gebiet Teil des Reiches von Karl dem<br />
Großen 31 . Er gliederte dieses Gebiet <strong>in</strong> se<strong>in</strong> System von Marken e<strong>in</strong>, sodass es den Namen Ostmark<br />
bekam. Weiters eroberte er das sogenannte Karantanien, also die Gebiete Kärnten und Kra<strong>in</strong>, für das<br />
Frankenreich. Diese Ostmark umfasste e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil des Donauraumes, zwischen Wien und<br />
dem Traungau. 32<br />
Im 9. Jahrhundert fielen die Magyaren 33 , aus dem ungarischen Raum, <strong>in</strong> dieses Gebiet e<strong>in</strong> und, nach<br />
der gewonnen Schlacht am Lechfeld 955 gegen die Ungarn, konnte man den Raum um die Donau<br />
neu verwalten. Leopold I. 34 wurde 976 Markgraf <strong>in</strong> der Mark 35 <strong>Österreich</strong>, zu welcher eben e<strong>in</strong><br />
28 Vgl. Ebda, S. 74.<br />
29 Meyers Großes Handlexikon, S. 94.<br />
30 Vgl. Ebda, S. 222.<br />
31 Karl der Große: geboren 742, gestorben 814. Er war ab 800 römischer Kaiser, er wurde vom Papst zum Kaiser gekrönt<br />
vom Papst. Er eroberte das Langobardenreich, die Sachsen und Bayern, drängte Araber zurück und beherrschte eben<br />
das Frankenreich. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 412.<br />
32 Vgl. Könemann Ludwig, Historica, Der große Atlas der Weltgeschichte, London 2009, S. 192.<br />
33 Magyaren: e<strong>in</strong> dem f<strong>in</strong>nisch-ugrischen Sprachkreis zugehöriges Volk, das von der Gegend des Ural abwanderte und,<br />
vermischt mit türkischer Oberschicht, ab 896 das Kerngebiet des heutigen Ungarn besetzte. Andere Völker wurden<br />
assimiliert. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 13 Lat-Mand, Mannheim 1983. S. 318.<br />
34 Leopold I. (Liutpold): geboren 994 <strong>in</strong> Würzburg. Er war Babenberger und Vater von He<strong>in</strong>rich I. und von Adalbert dem<br />
Siegreichen. Er wurde 976 mit der Mark belehnt, welche später Ostarrichi bezeichnet wurde. Er weitete diese über<br />
den Wienerwald h<strong>in</strong>aus aus. Se<strong>in</strong> Sitz war die Burg Melk. Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, Wien 2001, S.<br />
286.<br />
35 Mark: Marken waren im Frankenreich die Grenzgebiete. Der Markgraf war der Stellvertreter des Königs <strong>in</strong> diesem<br />
9
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
kle<strong>in</strong>er Teil des Donauraumes gehörte, mit Melk als Zentrum. Im Jahre 996 wurde der Name<br />
´´Ostarrichi´´ erstmals urkundlich erwähnt. 1192 erbten die Babenberger 36 die Gebiete<br />
Oberösterreich und Steiermark. So übernahmen die Habsburger 37 von den Babenbergern<br />
Niederösterreich mit Wien, Oberösterreich und die Steiermark. Unter den Habsburgern kam das<br />
ehemalige Karantanien, also Kärnten und Kra<strong>in</strong> mit der W<strong>in</strong>dischen Mark (Slowenien) zu den<br />
Habsburgern, sowie Tirol und Teile von Vorarlberg. Damit beherrschten die Habsburger um 1500<br />
mehr oder weniger das heutige Gebiet <strong>Österreich</strong>s, jedoch ohne Salzburg aber mit Gebieten im<br />
heutigen Italien und Slowenien. 38 Durch die Heiratspolitik von Maximilian I. erbten die Habsburger<br />
Böhmen und Teile Ungarns. Auch <strong>in</strong> Mähren, Schlesien und den Lausitzen fassten sie Fuß. Diese<br />
Donaumonarchie der Habsburger hielt sich bis 1918. 39 Im Jahre 1772 wurde noch Gallizien durch<br />
die Dreiteilung Polens erworben und 1815 fielen Salzburg und das Innviertel an <strong>Österreich</strong>. 40<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zur Auflösung der Donaumonarchie. Die Serben, Kroaten und<br />
Slowenen bildeten den SHS-Staat, welcher später zu Jugoslawien wurde. Auch die Polen und<br />
Tschechien g<strong>in</strong>gen eigene Wege. Die deutschsprachigen Gebiete Ungarns wollten zu <strong>Österreich</strong> und<br />
so wurde 1921 das Burgenland e<strong>in</strong> Teil des österreichischen Raumes. 1920 fand <strong>in</strong> Kärnten e<strong>in</strong>e<br />
Volksabstimmung statt, durch welche die Gebiete südlich von Klagenfurt nicht an den SHS-Staat<br />
abgetreten werden mussten. Südtirol jedoch g<strong>in</strong>g verloren an Italien. So sah nun der österreichische<br />
Raum <strong>in</strong> der Ersten Republik aus und so blieb er bis heute. 41<br />
Nun werde ich mich der Geschichte jener Institution <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> widmen, welche e<strong>in</strong>en<br />
besonderen E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung der K<strong>in</strong>der ausgeübt hat, und noch immer ausübt: der<br />
Schule.<br />
Gebiet und hatte gewisse Rechte. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 508.<br />
36<br />
Babenberger: Sie waren e<strong>in</strong> fränkisches Grafengeschlecht und Marktgrafen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von 976-1246 Markgrafen <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 69.<br />
37<br />
Habsburger: Sie waren e<strong>in</strong>, nach der Habsburg, benanntes Geschlecht mit Besitz <strong>in</strong> der Schweiz und dem Elsaß. Unter<br />
Rudolf von Habsburg wurden sie deutsche Könige und regierten auch im Raum <strong>Österreich</strong>. Bis 1804 trugen sie die<br />
Kaiserkrone des römischen Reiches und von 1804-1918 waren sie Kaiser von <strong>Österreich</strong>. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Handlexikon, S. 324.<br />
38<br />
Vgl. Vocelka Karl, <strong>Österreich</strong>ische Geschichte, München 2005, S. 11-19.<br />
39<br />
Vgl. Vocelka, <strong>Österreich</strong>ische Geschichte, S. 28-31.<br />
40<br />
Vgl. Könemann, Historica, S. 194.<br />
41<br />
Vgl. Vocelka, <strong>Österreich</strong>ische Geschichte, S. 94-100.<br />
10
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
I. Geschichtlicher <strong>Überblick</strong> im Bezug auf die Entwicklung der Schule und des<br />
Unterrichtes <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> vom Mittelalter bis zum Ende der 1. Republik<br />
(...) Erziehung ist e<strong>in</strong> organisches Geistwerden, vergleichbar e<strong>in</strong>em Vorgang der Anpassung, des<br />
H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>lebens, richtiger des H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gelebtwerdens <strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft, e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>leben nicht nur <strong>in</strong><br />
die Güter und Formen der Kulturwelt, sondern vor allem und stets damit auch <strong>in</strong> ihre Werte, die<br />
Ewigkeitscharakter tragen. In diesem vollen Umfange wächst der Mensch <strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und schafft sich se<strong>in</strong>en ´´Lebensraum´´, und <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne ist Erziehung e<strong>in</strong> Vorgang<br />
natürlichen Wachstums am und im Ganzen unter natürlichen E<strong>in</strong>wirkungen der mannigfachsten Art.<br />
Und das ganze Leben des Menschen ist nach Friedrich Fröbels Worten ´´E<strong>in</strong> Leben der<br />
Erziehung´´. Auch die völkerkundliche Untersuchung der tatsächlich unter den Menschen der Erde,<br />
heute wie <strong>in</strong> fernster Vergangenheit, vorhandenen Formen für die Erziehung des Nachwuchses<br />
rechtfertigt diese Bestimmung der Erziehung. 42<br />
1.1. <strong>Das</strong> Mittelalter<br />
Im Raum <strong>Österreich</strong> lagen die Anfänge e<strong>in</strong>es geregelten <strong>Schulwesen</strong>s im Mittelalter, wobei man<br />
hier von e<strong>in</strong>em kirchlichen <strong>Schulwesen</strong> sprechen sollte. Die Kirche errichtete Kloster-, Pfarr- und<br />
Domschulen. Auch die Führung lag bei ihr. 43 Erst ab dem 13. Jahrhundert gründeten auch Städte<br />
Schulen. 44 Vor allem die höheren Stände profitierten von diesen Bildungse<strong>in</strong>richtungen, da das<br />
niedere Volk kaum Zugang zu diesen hatte. 45 Die Menschen damals waren von ihrer Herkunft<br />
geprägt. Es bestand e<strong>in</strong> festes kirchlich-staatliches, geistiges und auch soziales Gefüge. Die<br />
Persönlichkeit und die Me<strong>in</strong>ung der Menschen wurden geformt, <strong>in</strong>sbesondere von der Kirche, aber<br />
42 Petersen Peter, Bildung und Erziehung, <strong>in</strong>: Weber Erich (Hg.), Der Erziehungs- und Bildungsbegriff im 20.<br />
Jahrhundert. Bad Heilbrunn/Obb. 1976, ( = Kl<strong>in</strong>khards Pädagogische Quellentexte), S. 30.<br />
43 Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresa bis 1962, S. 8.<br />
44 Vgl. Volkert Wilhelm, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, Von Adel bis Zunft, München 2004, S. 235.<br />
45 Vgl. Tenorth, Geschichte der Erziehung, S. 50.<br />
11
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
auch vom Staat. Demut, Glaube und christliches <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> waren die Haupterziehungsziele. 46<br />
Es gab auch e<strong>in</strong>en Verfall der Schreib- und Lesefähigkeit im Mittelalter gegenüber der Antike.<br />
Weder die Fürsten, der Adel, die Ritter noch die Kaufmänner waren bis zum 13. Jahrhundert <strong>in</strong><br />
großem Ausmaß des Schreibens und des Lesens fähig. 47<br />
Vor allem der Ordogedanke 48 und das Christentum bestimmten das <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> im Mittelalter und somit<br />
stand das christliche Denken und Fühlen im Vordergrund. Die Autoritäten der damaligen Zeit waren<br />
vor allem Gott, Priester, Eltern und Erzieher, aber auch die Mönche galten als Leitbild bei der<br />
Erziehung. Seit den Kreuzzügen 49 kam auch der Ritter als Idol dazu. Die wichtigste Aufgabe war<br />
die Erziehung zu e<strong>in</strong>em verantwortungsbewussten und guten Christen. 50<br />
Am wichtigsten waren die Domschulen, welche unter der Leitung des Domscholasters standen. In<br />
ihnen wurden Kleriker ausgebildet und vermittelt wurde das Wissen über die ´´artes liberales´´ 51 ,<br />
die sogenannten freien Künste. Unterrichtet wurde <strong>in</strong> late<strong>in</strong>ischer Sprache und auch die Schriften<br />
wurden <strong>in</strong> der Gelehrtensprache Late<strong>in</strong> verfasst, also alle theologischen, philosophischen und auch<br />
literarischen Texte. 52<br />
Die Domschulen erlitten e<strong>in</strong>en Verfall, vor allem durch das Aufkommen der Universität, denn<br />
dadurch wurden sie degradiert und sanken auf das Niveau der Klosterschulen, obwohl sie anfangs<br />
über diesen standen. 53<br />
Die Klosterschulen hatten die Aufgabe Novizen 54 theologische Grundlagen zu lehren. 55 Sie waren<br />
zuständig für die höhere Bildung beziehungsweise den höheren Unterricht und man kann sie, aus<br />
heutiger Sicht, dem mittleren <strong>Schulwesen</strong> zuordnen, sie s<strong>in</strong>d also vergleichbar mit unseren<br />
46 Vgl. Spiegl Julia, Bildungswandel im Gespräch, Dipl., Graz 2000, S. 36.<br />
47 Vgl. Tenorth, Geschichte der Erziehung, S. 52.<br />
48 Ordo: late<strong>in</strong>isch: Reihe, Ordnung. Die Ordnung bezeichnet die bestimmte Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>em Stand, z.B. zu den<br />
Klerikern. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 16 Now-Pers, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 112.<br />
49 Kreuzzüge: Kriegszüge im Mittelalter gegen die Fe<strong>in</strong>de des christlichen Glaubens. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 449.<br />
50 Vgl. Engelbrecht Helmut, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, von den Anfängen bis <strong>in</strong> die Zeit<br />
des Humanismus, Wien 1982, S. 185.<br />
51 Die ´´Freien Künste´´: über sie sollte damals jeder freie Mensch verfügen. Dazu gehören Grammatik, Rhetorik,<br />
Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie. Die Philosophie steht über allen. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 55.<br />
52 Vgl. Volkert, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, S. 235.<br />
53 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 1, S. 162.<br />
54 Novizen: so werden die Kandidaten im Kloster genannt, welche sich <strong>in</strong> der Vorbereitungszeit zur Aufnahme <strong>in</strong>s<br />
Kloster bef<strong>in</strong>den. Diese Erprobungsphase dauert ca. 1-2 Jahre. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 58.<br />
55 Vgl. Volkert, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, S. 235.<br />
12
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Hauptschulen oder auch mit den Gymnasien. 56<br />
In den größeren Pfarreien erteilten die Pfarrer im Hochmittelalter Unterricht. Hier wurden nicht nur<br />
religiöse Inhalte gelehrt, sondern die K<strong>in</strong>der lernten hier auch Lesen und Schreiben. Diese Schulen<br />
wurden immer bedeutender, sodass sich aus ihnen später die Pfarrschulen/Stadtschulen<br />
entwickelten, die sich auch <strong>in</strong> den Städten ansiedelten. Auf diese Schulen nahm der städtische Rat<br />
immer mehr E<strong>in</strong>fluss und es wurden im Laufe der Zeit auch besoldete Schulmeister e<strong>in</strong>gestellt.<br />
Diese Institutionen waren vor allem zugänglich für Söhne der höheren Bürgerschicht, die<br />
Kenntnisse im Lesen, Schreiben, Rechnen und <strong>in</strong> den Grundlagen des Triviums 57 erwarben. 58 Diese<br />
Pfarrschulen s<strong>in</strong>d vergleichbar mit der heutigen Volksschule. In diesen Schulen wurde auch den<br />
ärmeren K<strong>in</strong>dern Unterricht erteilt und zwar unentgeltlich. 59 Später nannte man sie Late<strong>in</strong>schulen<br />
und Deutsche Schulen (hier herrschte die deutsche Sprache). 60<br />
Die Bürger forderten diese Schulen <strong>in</strong> den Städten immer mehr, vor allem wegen des steigenden<br />
Bildungsbedürfnisses, weil die Pfarrschulen meist überfüllt und die Schulwege oft zu lang und zu<br />
gefährlich waren. 61 Die Late<strong>in</strong>schulen hatten die Klosterschulen als Vorbild. 62 Die Deutschen<br />
Schulen, welche eben e<strong>in</strong>en Unterricht <strong>in</strong> deutscher Sprache boten, waren für Mädchen und<br />
Knaben, zwischen sieben und zwölf Jahren. 63 Im Laufe der Zeit wurde die deutsche Sprache, die<br />
Volkssprache, immer wichtiger und griff auch auf den wissenschaftlichen und<br />
geisteswissenschaftlichen Bereich über. So etablierten sich die Deutsche Schulen immer mehr. Es<br />
gab auch Privatschulen, die von Schreib- und Rechenmeistern geführt wurden. 64 Erst zu Beg<strong>in</strong>n des<br />
16. Jahrhunderts setzte sich dieser Schultyp vermehrt durch. 65<br />
Im Spätmittelalter gab es drei Stände, die stark hervortraten, die Ritter, die Kleriker und das<br />
Bürgertum. Jeder der drei Stände hatte e<strong>in</strong>en eigenen Bildungsweg. So suchte der Geistliche<br />
56<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 1, S. 159.<br />
57<br />
Volkert, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, S. 235.<br />
58<br />
Vgl. Volkert, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, S. 235.<br />
59<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 1, S. 158.<br />
60<br />
Vgl. Jocham Maria, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, Dipl.,<br />
St. Johann ob Hohenburg 2006, S. 9.<br />
61<br />
Vgl. Schöneberg Hans, Schulen, Geschichte des Unterrichts von der Antike bis zur Neuesten Zeit, Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
1981, S. 89.<br />
62<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 1, S.164.<br />
63<br />
Ebda, S. 175.<br />
64<br />
Vgl. Volkert, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, S.235.<br />
65<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 1, S. 175.<br />
13
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
wissenschaftliche und religiöse Bildung, der Ritter pflegte se<strong>in</strong>e Wehrhaftigkeit und der Bürger<br />
schulte se<strong>in</strong>e gewerblichen Fähigkeiten. Die Bauern wurden bei der Bildung, so wie <strong>in</strong> vielen<br />
anderen Bereichen, vernachlässigt. 66<br />
Late<strong>in</strong>schulen gab es auf dem Land kaum, außer Klosterschulen. Mädchen hatten, wenn überhaupt,<br />
nur die Möglichkeit <strong>in</strong> Frauenklöstern Unterricht zu erhalten. 67<br />
Als wichtige pädagogische Schrift galt das im 13. Jahrhundert entstandene Werk ´´De discipl<strong>in</strong>a<br />
scholarium´´ 68 , welches Verhaltens- und Handlungsanweisungen für den Unterricht, die Schüler und<br />
auch die Lehrer bot. 69 So galt dieses Werk im spätmittelalterlichen <strong>Österreich</strong> als e<strong>in</strong>e Art<br />
Lehrerhandbuch 70 . Eigenständige Beiträge im Bereich der Pädagogik gab es bei der höfisch–<br />
ritterlichen Erziehung und im Bereich der volkssprachlichen Dichtung, denn im Laufe der Zeit<br />
erlangte diese volkssprachliche Dichtung immer mehr didaktischen Wert. Vor allem Walther von der<br />
Vogelweide 71 und se<strong>in</strong> Schüler Re<strong>in</strong>mar von Zweter 72 , waren h<strong>in</strong>sichtlich der didaktischen<br />
Dichtung sehr wichtig. 73 Auch der late<strong>in</strong>isch schreibende Engelbert von Admont 74 aus der<br />
Steiermark war im pädagogischen Bereich tätig. 75<br />
Ziel der didaktischen Dichtung war die E<strong>in</strong>prägung der Tugenden wie Maßhalten, Gelassenheit,<br />
Zurückhaltung oder auch Geduld. 76<br />
Es ist wichtig darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass es im Spätmittelalter auch e<strong>in</strong> florierendes jüdisches<br />
<strong>Schulwesen</strong> gab. Unter den Juden gab es mehr Alphabetisierung als bei den Christen. Die Juden<br />
sprachen vorwiegend Deutsch aber sie beherrschten auch das Hebräische. Die jüdischen Schulen<br />
lagen meist <strong>in</strong> der Mitte der jüdischen Geme<strong>in</strong>de, so lag sie <strong>in</strong> Wien damals dort, wo heute der<br />
66<br />
Vgl. Weimer Hermann, Geschichte der Pädagogik, bearbeitet von Juliane Jacobi, Berl<strong>in</strong> 1992. (= Sammlung Göschen<br />
2080), S. 32.<br />
67<br />
Vgl. Volkert, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, S. 236.<br />
68<br />
Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 189.<br />
69<br />
Vgl. Ebda, S. 189.<br />
70<br />
Ebda, S. 190.<br />
71<br />
Walther von der Vogelweide: M<strong>in</strong>nesänger beziehungsweise mittelhochdeutscher Dichter, geboren um 1170 und<br />
gestorben um 1230. Er war e<strong>in</strong>er der bekanntesten höfischen M<strong>in</strong>nelyriker und er verwendete auch Spruchdichtung<br />
als politische Waffe. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 916.<br />
72<br />
Re<strong>in</strong>mar von Zweter: Mittelhochdeutscher Spruchdichter der späthöfischen Zeit, geboren um 1200, gestorben um<br />
1252. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 689.<br />
73<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 190.<br />
74<br />
Engelbert von Admont: geboren um 1250, gestorben um 1332. Er war vielseitiger Schriftsteller und gehörte zu den<br />
bedeutendsten Scholastikern se<strong>in</strong>er Zeit. Zitiert nach: Lexikon des Mittelalters Bd. III Codex W<strong>in</strong>toniensis bis<br />
Erziehungs- und Bildungswesen, München–Zürich 1986, Sp. 1919-1920.<br />
75<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 192.<br />
76 Vgl. Ebda, S. 191.<br />
14
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Judenplatz ist. Die Mädchen wurden auch dort getrennt von den Burschen unterrichtet. 77<br />
Im Laufe der Zeit gründeten die Orden, wie zum Beispiel die Dom<strong>in</strong>ikaner oder die August<strong>in</strong>er,<br />
nach dem Beispiel der westeuropäischen Universitäten höhere Bildungsanstalten, <strong>in</strong> denen natürlich<br />
vor allem theologisches Wissen verbreitet wurde. 78 Bis zum 14. Jahrhundert gab es nämlich <strong>in</strong> den<br />
deutschen Gebieten ke<strong>in</strong>e Universitäten. Dies änderte sich aber durch Rudolf IV. den Stifter 79 ,<br />
welcher im Jahre 1365 e<strong>in</strong>e Universität <strong>in</strong> Wien, nach dem Vorbild der Pariser Universität,<br />
gegründet hat. 80<br />
Im Spätmittelalter gab es Spannungen, die sich vor allem auf das Bildungswesen erstreckten. <strong>Das</strong><br />
überlieferte Wissen wurde nicht e<strong>in</strong>fach nur mehr h<strong>in</strong>genommen, sondern es taten sich immer mehr<br />
Fragen auf und man suchte nach neuen Antworten. Die theozentrische E<strong>in</strong>stellung verlagerte sich<br />
h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er anthropozentrischen 81 (Mensch sieht sich im Mittelpunkt der Welt 82 ). 83<br />
Am Ende des Spätmittelalters reichte das <strong>Schulwesen</strong> im Raum <strong>Österreich</strong> von Pfarrschulen und<br />
Deutschen Schulen über die Late<strong>in</strong>schulen und Klosterschulen, bis h<strong>in</strong> zu den Universitäten. Die<br />
Kloster- und Domschulen waren die mittleren Schulen, welche K<strong>in</strong>der der höheren Schicht auf das<br />
Studium vorbereiteten.<br />
Neben diesen Lehranstalten gab es auch noch außerschulische Bildungse<strong>in</strong>richtungen. Dazu gehörte<br />
die Familie, welche das patriarchalische Ordnungspr<strong>in</strong>zip, Frömmigkeit und andere Sitten an die zu<br />
Erziehenden weiterleiten sollte. Weiters gab es die Dorfgeme<strong>in</strong>schaft und die Kirche, wo der Pfarrer<br />
durch das gesprochene Wort <strong>in</strong> der Landessprache theologisches Wissen vermittelte. 84 Aber auch<br />
die Berufsgeme<strong>in</strong>schaften kümmerten sich um außerschulische Erziehung, wie zum Beispiel die<br />
Bruderschaften oder auch die Zünfte 85 . Zuerst besuchten die Burschen die Pfarrschule oder die<br />
77<br />
Vgl. Ebda, S. 195 – 196.<br />
78<br />
Vgl. Ebda, S. 202.<br />
79<br />
Rudolf der IV. der Stifter: geboren 1339, gestorben 1365. Er war seit 1358 Herzog <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> und erwarb 1363<br />
Tirol für <strong>Österreich</strong>. Er war der Gründer der Universität <strong>in</strong> Wien 1365. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S.<br />
715.<br />
80<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 204.<br />
81<br />
Ebda, S. 186.<br />
82<br />
Anthropozentrismus, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Anthropozentrismusm Stand (18.9.2009).<br />
83<br />
Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 186.<br />
84<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 219.<br />
85<br />
Zünfte: Geme<strong>in</strong>schaft von Handwerkern, Handeltreibenden und anderen Gruppen. Ziel war wirtschaftliche<br />
Verhältnisse zu regeln. Ihre Entwicklung erfolgte im Zusammenhang mit der Entstehung der Städte, dort<br />
übernahmen sie auch politische Funktionen. Sie hielten sich bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Taschenlexikon, Bd. 24 Wau-Zz, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 325-326.<br />
15
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Deutsche Schule und dann wurden sie Lehrl<strong>in</strong>ge. 86<br />
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts veränderte sich das Bildungswesen. <strong>Das</strong> Lesen, das<br />
Schreiben und das Rechnen waren nun größeren Gruppen zugänglich. Natürlich war es vorwiegend<br />
die bürgerliche Jugend, die schulische Erziehung genoss, doch es kamen auch immer mehr K<strong>in</strong>der<br />
anderer sozialer Schichten <strong>in</strong> die Schule. 87<br />
E<strong>in</strong>en besonders starken Verfall erlebte das Rittertum gegen Ende des Mittelalters, dies führte auch<br />
zum Verfall der ritterlichen Erziehung. Dadurch kam es zur Verrohung und Verwilderung der<br />
ritterlichen Jugend. 88<br />
1.2. Renaissance und Humanismus<br />
Im Spätmittelalter 89 begann sich vieles zu wandeln und es entwickelte sich neue Denkweisen und<br />
neue E<strong>in</strong>stellungen. Es entstanden neue Kultur- und Bildungsbewegungen, Renaissance 90 und<br />
Humanismus 91 . Man wandte sich mehr dem Diesseits zu und die Antike wurde zum neuen Vorbild.<br />
Repräsentiert wurde diese neue Epoche von den Humanisten. 92 Vor allem <strong>in</strong> Italien verdichtete sich<br />
diese Bewegung. Die Humanisten erkannten die römischen Vorfahren als Leute an, die das irdische<br />
<strong>Das</strong>e<strong>in</strong> genossen und das Leben lebenswert gestalteten. Darum wollte man auch ihre Kunst, ihre<br />
Sprache und ihre Lebensgestaltung wieder erwecken. 93 Auch die Erf<strong>in</strong>dung des Buchdrucks und die<br />
86 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 220–221.<br />
87 Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 40.<br />
88 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 224–225.<br />
89 Spätmittelalter: Ende 14. Jahrhundert bis Beg<strong>in</strong>n des 16. Jahrhunderts beziehungsweise Ende des 15. Jahrhunderts<br />
(Fall Konstant<strong>in</strong>opels 1453). Geprägt durch das Vorwärtsstreben der Städte, Pestwellen (z.B. 1348/50) oder auch<br />
den Aufstieg der Habsburger gegen Ende des Spätmittelalters. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 14<br />
Mane-Moni, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 306.<br />
90 Renaissance: Bedeutet ´´Wiedergeburt´´ und me<strong>in</strong>t damit die Wiederentdeckung der Kunst der Antike. Entwickelte<br />
sich zu Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit, im 15. / 16. Jahrhundert. Man wollte mit der Kunst vor allem die Wirklichkeit<br />
darstellen. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 691.<br />
91 Humanismus: E<strong>in</strong>e Bewegung, die als Vorbild wiederum die Antike hatte und als Ziel e<strong>in</strong>er allseitigen<br />
Menschlichkeit. Der Mensch rückte auch immer mehr <strong>in</strong>s Zentrum der Betrachtung. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 363.<br />
92 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 226.<br />
93 Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 42.<br />
16
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
vermehrte Verwendung von Papier revolutionierten die neue Epoche. 94 Erwähnenswert ist, dass<br />
Renaissance und Humanismus vor allem aristokratische Strömungen waren. So war dieses<br />
Gedankengut wiederum an e<strong>in</strong>en Stand gebunden. 95<br />
Im Laufe des 15. Jahrhunderts durchdrang der Humanismus ganz Europa. 96 Durch Maximilian I.<br />
fanden der Humanismus, und damit auch die Gelehrten, immer mehr Zugang zu <strong>Österreich</strong>. Durch<br />
sie entwickelten sich <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> die Privatschulen, die auch Poetenschulen 97 genannt wurden.<br />
Dies waren freie Stadtschulen, die mit der Kirche nichts mehr zu tun hatten. 98<br />
Durch den Tod Maximilians I. 99 schlitterten die Schulen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Krise, da sie nicht mehr so<br />
gefördert wurden. Ebenso trugen dazu Kriege und die Pest 100 , im Jahre 1521 und 1527, <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> bei. Auch das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen des Protestantismus, durch die Reformation und Mart<strong>in</strong> Luther,<br />
brachte das Bildungswesen <strong>in</strong>s Schwanken, vor allem weil nun auch die katholische Kirche stark <strong>in</strong><br />
Frage gestellt wurde. Dies breitet sich somit auf die Kloster- und Pfarrschulen aus. Nicht davon<br />
betroffen waren die Deutschen Schulen, deren Zahl stetig stieg. 101<br />
1.3. <strong>Das</strong> 16. und das 17. Jahrhundert<br />
Humanismus und Renaissance führten zu neuen Denkweisen und E<strong>in</strong>stellungen. So änderte sich die<br />
E<strong>in</strong>stellung gegenüber den Schulen und dem Unterricht. Diese wurden nämlich nun als wichtige<br />
Elemente gesehen, die für die Entwicklung zu e<strong>in</strong>em guten Menschen wichtig waren. Erasmus von<br />
Rotterdam forderte aus diesem Grund, als e<strong>in</strong>er der ersten, öffentliche Schulen. 102<br />
Durch die Reformation 103 kam es aber zu Unterbrechungen <strong>in</strong> dieser Entwicklung, denn Mart<strong>in</strong><br />
94<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 243.<br />
95<br />
Vgl. Spiegl, Bildungswandel im Gespräch, S. 37.<br />
96<br />
Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 46.<br />
97<br />
Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 248.<br />
98<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 248.<br />
99<br />
Maximilian I.: geboren 1459, gestorben, 1519. Kaiser <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> seit 1493. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 514.<br />
100<br />
Pest: E<strong>in</strong>e durch Bakterien übertragene Krankheit, wurde durch Ratten übertragen, im Mittelalter auch der<br />
´´Schwarze Tod´´ genannt. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 626.<br />
101<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 248 – 251.<br />
102<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, S. 9.<br />
103<br />
Reformation: E<strong>in</strong>e religiöse Bewegung, welche die katholische Kirche erneuern wollte. Wurde im 16. Jahrhundert<br />
17
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Luther 104 war eher als pädagogischer Pessimist zu sehen und g<strong>in</strong>g sogar so weit, dass er die<br />
Bedeutung von Bildung eher abschwächte. Doch durch den darauf folgenden Bildungsnotstand war<br />
e<strong>in</strong> Umdenken wichtig. So bekam die Erziehung e<strong>in</strong>en neuen Stellenwert. In den Mittelpunkt des<br />
neuen Lehrprogrammes wurden die heiligen Sprachen Late<strong>in</strong>, Griechisch und Hebräisch gestellt<br />
und die Evangelien. Dies wurde auch <strong>in</strong> den Late<strong>in</strong>schulen übernommen. 105 Für beide Konfessionen<br />
galt vor allem, dass e<strong>in</strong>e religiöse Bildung im Vordergrund zu stehen hatte, aber eben auch e<strong>in</strong>e<br />
elementare weltliche Bildung, also Lesen, Schreiben für alle und Handarbeiten für die Mädchen.<br />
<strong>Das</strong> Weltliche nahm nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil der Ausbildung e<strong>in</strong>. 106<br />
Luther g<strong>in</strong>g so weit, dass er sogar die Obrigkeit aufforderte dafür zu sorgen, dass ihre Untertanen<br />
zur Schule gehen sollten. Damit bahnte sich langsam aber doch die Schulhoheit des Staates an. 107<br />
Der eigentliche Gründer des protestantischen–humanistischen Bildungswesens war aber eigentlich<br />
nicht Luther, sondern se<strong>in</strong> Vertrauter Philipp Melanchthon 108 (1497-1560). 109<br />
<strong>Das</strong> E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen des Protestantismus veränderte die Schulen. Im Spätmittelalter gab es vor allem die<br />
Deutschen Schulen und die ländlichen Pfarrschulen. Die Deutsche Schule wurde durch den<br />
Protestantismus kaum <strong>in</strong> Mitleidenschaft gezogen, aber die ländlichen Pfarrschulen dafür umso<br />
mehr, denn aus ihnen entwickelten sich immer mehr Deutsche Schulen. Nur <strong>in</strong> Vorarlberg, Tirol und<br />
Salzburg, wo sich das Luthertum nicht durchsetzen konnte, verlief die Entwicklung der Schulen<br />
anders. 110 Die Klosterschulen verfielen immer mehr und die Late<strong>in</strong>schulen wurden meist<br />
protestantisch. 111 Dies regte die katholische Gegenseite zum Handeln an. Der unter Ignatius von<br />
Loyola 112 gegründete Jesuitenorden war auf der katholischen Seite die ´´Leitfigur´´ <strong>in</strong> der<br />
durch den Thesenanschlag Luthers ausgelöst. Dadurch wurde die konfessionelle E<strong>in</strong>heit im Raum Europas zerstört.<br />
Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 686.<br />
104<br />
Mart<strong>in</strong> Luther: geboren 1483 (Eisleben/D), gestorben 1546 (Eisleben/D). Er war e<strong>in</strong> deutscher Reformator. Er wandte<br />
sich öffentlich gegen die Kirche und leitete die Reformation e<strong>in</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 491.<br />
105<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, S. 10.<br />
106<br />
Vgl. Conrad Anne, ´´Jungfraw Schule´´ und Christenlehre. Lutherische und katholische Elementarbildung für<br />
Mädchen, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Bd. 1, vom<br />
Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt–New York 1996, S. 177.<br />
107<br />
Vgl. Ebda, S. 11.<br />
108<br />
Philipp Melanchthon: geboren 1497 (Bretten/D), gestorben 1560 (Wittenberg/D). Er war e<strong>in</strong> deutscher Humanist und<br />
Reformator. Er war e<strong>in</strong> Vertrauter Luthers und baute das evangelische Bildungswesen und das Landeskirchensystem<br />
auf. Er betonte die Autonomie des Naturrechts und der bürgerlichen Gerechtigkeit. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Taschenlexikon, Bd. 14, S. 164.<br />
109<br />
Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 52.<br />
110<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, S. 49 – 52.<br />
111<br />
Vgl. Ebda, S. 135.<br />
112<br />
Ignatius von Loyola: geboren 1491 oder 1492, gestorben 1556. Er war e<strong>in</strong> spanischer Ordensgründer und gründete<br />
18
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Bildungspolitik. Die Jesuiten bekamen die Bildungskrise selbst <strong>in</strong> den Griff und gewährten der<br />
Obrigkeit ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss. In ihren streng durchorganisierten Schulen wurden sowohl die<br />
humanistischen Fächer, wie Rhetorik, Sprachen, Dialektik, Philosophie, gelehrt, als auch der<br />
katholische Katechismus. In den Jesuitenschulen fand man aber auch begabte K<strong>in</strong>der aus der<br />
unteren Schicht, nicht nur aus der oberen Schicht. 113 So entwickelten die Jesuiten e<strong>in</strong> gut<br />
organisiertes Sekundarschulwesen. 114 Die Jesuitenschulen, aber auch das protestantische<br />
<strong>Schulwesen</strong>, entfalteten schon damals die Idee e<strong>in</strong>es modernen Volksbildungswesens, welches sich<br />
dann <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Schulen des 20. Jahrhunderts vollendete. 115<br />
Auch im Bezug auf das Denken über die K<strong>in</strong>der gab es Veränderungen. Leider ist es aber so, dass<br />
bei den diversen Quellen vor allem die K<strong>in</strong>der aus der Oberschicht betrachtet wurden. 116<br />
Durch die Trennung vom Wohnungs- und Arbeitsbereich, aber auch durch die vermehrte Verehrung<br />
des Jesuk<strong>in</strong>des, gab es e<strong>in</strong>e Veränderung bei der Betrachtung der K<strong>in</strong>der und auch Luther betonte<br />
die Unschuld dieser. 117 Im Bereich der Erziehung und der Schule gab es durch diese neuen<br />
Sichtweisen Veränderungen, so wurden zum Beispiel die körperlichen Strafen fast e<strong>in</strong>gestellt und es<br />
wurde über e<strong>in</strong>en Schulzugang für K<strong>in</strong>der der unteren Schicht nachgedacht. 118<br />
Im 16. Jahrhunderts erstarrten sowohl das protestantische, als auch das katholische <strong>Schulwesen</strong><br />
immer mehr. 119 Durch das E<strong>in</strong>setzen der Gegenreformation 120 und dem Konzil 121 von Trient (1545-<br />
1563) versuchte man, durch Reformen, das <strong>Schulwesen</strong> wieder zu verbessern. So wollte man<br />
Unterricht <strong>in</strong> der Muttersprache und Zugang für Schüler aus der unteren, armen Schicht. Die neuen<br />
Orden, die sich auf österreichischem Boden niederließen, veränderten das <strong>Schulwesen</strong>, wobei hier<br />
den Jesuitenorden. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 371.<br />
113 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, S. 12.<br />
114 Vgl. Ebda, S. 135.<br />
115 Vgl. Tenorth, Geschichte der Erziehung, S. 66.<br />
116 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, S. 16.<br />
117 Vgl. Ebda, S. 18 – 19.<br />
118 Vgl. Ebda, S. 21.<br />
119 Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 60.<br />
120 Gegenreformation: setzte nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 e<strong>in</strong>. Gegenbewegung der katholischen Kirche<br />
gegen die Reformation und den Protestantismus. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 8 Gart-Grie,<br />
Mannheim-Wien-Zürich 1983, S.43<br />
121 Konzil: e<strong>in</strong>e Versammlung von Bischöfen und anderen kirchlichen Ordensträgern zur Erörterung diverser Fragen und<br />
Entscheidungen. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 12 Klas-Las, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S.<br />
139.<br />
19
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
der Jesuitenorden, wie bereits erwähnt, die größte Rolle spielte. 122 Die Jesuiten stellten den<br />
humanistischen Lehrbetrieb unter ihre Aufsicht. Weiters waren sie im Bereich der Erziehung<br />
anderen überlegen, so waren ihre Züchtigungen zum Beispiel milder und ihre Schulhäuser waren<br />
auch besser als die der Protestanten. Sie übernahmen <strong>in</strong> katholischen Ländern den gesamten<br />
Unterricht, von der Late<strong>in</strong>schule bis h<strong>in</strong>auf zu den Universitäten. Dies blieb so bis <strong>in</strong> die zweite<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Nachteil bei ihnen war, dass die Muttersprachen vom Unterricht<br />
ausgeschlossen waren und Geschichte, Erdkunde und Mathematik bei ihnen <strong>in</strong> den niederen<br />
Schulen kaum Beachtung fanden. 123<br />
E<strong>in</strong>e weitere große Rolle bei den Schulreformen der damaligen Zeit spielte die Salzburger<br />
Synode 124 (1569). Die Bischöfe förderten die Errichtung öffentlicher Deutscher Schulen und<br />
lehnten die Privatschulen ab. Weiters sollten die bestehenden Dom- und Klosterschulen unterstützt<br />
und erweitert werden. 125 Es erfolgte e<strong>in</strong>e Rekatholisierung des <strong>Schulwesen</strong>s. 126 Die katholische<br />
Kirche führte auch die ´´Christenlehre´´ 127 an den Sonn- und Feiertagen wieder e<strong>in</strong>. 128<br />
Die Erhaltung der Dom- und Klosterschulen stellte sich jedoch als schwieriges Unterfangen dar,<br />
denn die Domschulen wurden durch andere E<strong>in</strong>richtungen ersetzt und für die Priesterausbildung<br />
gab es Sem<strong>in</strong>are. 129<br />
Für die nächsten zwei Jahrhunderte bestimmten also die Jesuiten das <strong>Schulwesen</strong>. Unter ihnen<br />
entstand e<strong>in</strong>e neue höhere, vielklassige Schule, für die sich im 17. Jahrhundert der Begriff<br />
Gymnasium durchsetzte. 130 Die Klosterschulen konnten sich zuerst noch recht gut erhalten, doch<br />
durch das Aufkommen der Gymnasien verloren auch sie an Bedeutung. 131<br />
Auch die Städte und Märkte verstärkten ihren E<strong>in</strong>fluss auf die Schulen und <strong>in</strong> den<br />
Landeshauptstädten entstanden daher viele neue. 132 Im Laufe der Zeit wurde dort die Wichtigkeit<br />
122<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, S. 125.<br />
123<br />
Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 62.<br />
124<br />
Synode: E<strong>in</strong>e Versammlung von Bischöfen und Geme<strong>in</strong>devorstehern zur Beratung und Beschließung diverser<br />
Gesetze und Regeln, auch unter der Leitung vom Papst. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 21 Sp<strong>in</strong>-<br />
Teb, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 281-282.<br />
125<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.2, S. 126.<br />
126<br />
Vgl. Ebda, S. 129.<br />
127<br />
Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 67.<br />
128<br />
Vgl. Ebda, S. 67.<br />
129<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 175.<br />
130 Vgl. Ebda, S. 135.<br />
131 Vgl. Ebda, S. 176.<br />
132 Vgl. Ebda, S. 219.<br />
20
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
der Muttersprache erkannt. 133 Man förderte immer mehr, neben den humanistischen Fächern, die<br />
Muttersprache, Mathematik und andere Naturwissenschaften und lebenspraktische Fächer. 134 Vor<br />
allem das Bürgertum sah <strong>in</strong> der Bildung e<strong>in</strong>e Möglichkeit zum Aufstieg. 135<br />
1.4. Ende 17. Jahrhundert und das 18. Jahrhundert<br />
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus se<strong>in</strong>er selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das<br />
Unvermögen, sich se<strong>in</strong>es Verstandes ohne die Leitung e<strong>in</strong>es anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese<br />
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes<br />
liegt, sich se<strong>in</strong>er ohne Leitung e<strong>in</strong>es anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich de<strong>in</strong>es eigenen Verstandes zu<br />
bedienen! Ist also der Wahrspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit s<strong>in</strong>d die Ursachen, warum e<strong>in</strong> so großer Teil<br />
der Menschen...gerne zeitlebens unmündig bleiben.<br />
Kant 136<br />
Diese Zeit war gekennzeichnet durch Veränderungen, wie zum Beispiel den Ausbau des<br />
Territorialstaates, durch den Absolutismus 137 und vor allem durch das Gedankengut der<br />
Aufklärung 138 , aber auch durch kriegerische Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit den Osmanen 139 und den<br />
Franzosen. 140 Die Aufklärung wirkte sich auf das geistige, das politische und auf das wirtschaftliche<br />
Leben <strong>in</strong> Europa aus. Man glaubte, als aufgeklärter Mensch, an die Macht der Vernunft, an die<br />
Gleichheit und an gleiche Rechte für alle. Dem Menschen wurde Freiheit und Würde<br />
zugesprochen. 141 Vor allem wurde die Aufklärung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> über Beamte und den höheren<br />
133<br />
Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 75.<br />
134<br />
Vgl. Ebda, S. 78.<br />
135<br />
Vgl. Spiegl, Bildungswandel im Gespräch, S. 39.<br />
136<br />
Vgl. Ebda, S. 44.<br />
137<br />
Absolutismus: der Herrscher konnte <strong>in</strong> dieser Staatsform die unbeschränkte Staatsgewalt ausüben, er war<br />
Alle<strong>in</strong>herrscher. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 13.<br />
138<br />
Aufklärung: e<strong>in</strong>e geistige Bewegung des 17. Und 18. Jahrhunderts. Sie breitete sich über ganz Europa aus. Die<br />
Aufklärer forderten logisches, kritisches und richtiges Denken und man sollte se<strong>in</strong>en Verstand benutzen. Sie<br />
glaubten an die Macht der Vernunft und kritisierten die Kirche und den Absolutismus. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 62.<br />
139<br />
Osmanen: die Türken. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 596.<br />
140<br />
Vgl. Engelbrecht Helmut, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, von der frühen Aufklärung bis zum<br />
Vormärz, Wien 1984, S. 7-8.<br />
141 Vgl. Spiegl, Bildungswandel im Gespräch, S. 42.<br />
21
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Bürgerstand weitergetragen. 142 Es verstärkte sich von da an das Interesse an e<strong>in</strong>er Veränderung im<br />
Bildungsbereich. 143 Die Erziehung bekam e<strong>in</strong>en neuen Aspekt und zwar den der<br />
´´Sozialdiszipl<strong>in</strong>ierung´´ 144 . Der Mensch sollte nun <strong>in</strong> der Aufklärung e<strong>in</strong>e höhere Bildung<br />
erhalten. 145<br />
Vor allem der Absolutismus bewirkte erneutes Interesse an dem <strong>Schulwesen</strong>, da er diese<br />
´´Sozialdiszipl<strong>in</strong>ierung´´ fördern wollte, denn die Untertanen sollten kontrolliert se<strong>in</strong>. Dies sollte<br />
durch die Schulen und die Erziehung geschehen. 146 Vor allem die Verstaatlichung des <strong>Schulwesen</strong>s<br />
lag im S<strong>in</strong>ne der Aufklärung und des Absolutismus. 147<br />
Durch die Gegenreformation kam es zur vollständigen Rekatholisierung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> und auch die<br />
Schulmeister hatten nun die Aufgabe, den Glauben wieder zu restaurieren. 148<br />
In Westeuropa kam die Idee auf, <strong>in</strong> den Unterricht realistische Elemente e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, wie die<br />
neuen Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Dieser ´´pädagogische Realismus´´ 149<br />
wurde vor allem vertreten von Francis Bacon 150 . Die neue Bewegung fasste aber im<br />
deutschsprachigen Raum nur zögernd Fuß. 151 Aber auch hier entwickelten sich herausragende<br />
Vorreiter im Bereich des Bildungswesens wie Wolfgang Ratke 152 , Amos Komenský 153 oder auch<br />
August Hermann Francke 154 . Vor allem die Städte waren das Ventil des neuen Gedankengutes, doch<br />
im österreichischen Raum fand die Übernahme dieser neuen Ideen nur langsam statt. 155<br />
142 Vgl. Priehse Astrid, Selbstbildung und Weiterbildung <strong>in</strong> der Aufklärung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Dipl., Graz 2003, S. 1.<br />
143 Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 99.<br />
144 Tenorth, Geschichte der Erziehung, S. 76.<br />
145 Vgl. Ebda, S. 76.<br />
146 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 7-8.<br />
147 Vgl. Weimer/Jacobi, Geschichte der Pädagogik, S. 117.<br />
148 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 9-10.<br />
149 Ebda, S. 14.<br />
150 Francis Bacon: geboren 1561, gestorben 1626. Er war e<strong>in</strong> englischer Staatsmann und Philosoph und begründete den<br />
Empirismus. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 70.<br />
151 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 14.<br />
152 Wolfgang Ratke, auch Ratichius genannt, geboren 1571, gestorben 1635. Er war e<strong>in</strong> deutscher Pädagoge. Er plante<br />
e<strong>in</strong>e Schulreform und setzte sich für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Sprache und Religion <strong>in</strong> der Schule e<strong>in</strong>. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Handlexikon, S. 682.<br />
153 Jan Amos Komenský, auch Comenius genannt, geboren 1592, gestorben 1670. Er war e<strong>in</strong> bedeutender Pädagoge und<br />
schrieb Bücher wie die ´´Bilderfibel´´ oder die ´´Große Unterrichtslehre´´. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 146.<br />
154 August Herman Francke: geboren 1663, gestorben 1727. Er war e<strong>in</strong> evangelischer Theologe und e<strong>in</strong> Pädagoge. Er<br />
setzte sich für Armen-, Bürger-, und Waisenschulen e<strong>in</strong> und für Waisenhäuser. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 260.<br />
155 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 15-17.<br />
22
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Bevor Maria Theresia 156 mit ihrem Reformsystem <strong>Österreich</strong> bee<strong>in</strong>flusste, sah es, für die Schulen <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>, nicht sehr gut aus. Es gab e<strong>in</strong> dichtes Netz an Primarschulen, vor allem unter der<br />
Leitung der Kirche. Die Rute regierte noch <strong>in</strong> den Klassen und die meisten hatten ke<strong>in</strong>en Zugang zu<br />
den Schulen. Die obere Schicht hielt es für e<strong>in</strong>e Schande, ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die Deutschen Schulen zu<br />
geben und steckte ihre Sprössl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Privatschulen. 157 Vor allem die Jesuiten verfolgten starr ihre<br />
Unterrichtsl<strong>in</strong>ien und versperrten sich gegen Neuerungen, wie Anfangsunterricht <strong>in</strong> der<br />
Muttersprache, Landesgeschichte, mathematisches Wissen, etc. und sie lehnten den pädagogischen<br />
Realismus ab. Folgen waren, dass der Adel eigene Bildungsanstalten, die Ritterakademien 158 und<br />
das andere Orden neue Gymnasien auf österreichischem Boden errichteten. 159 Nun sah sich der<br />
Staat gezwungen e<strong>in</strong>zugreifen, weil es e<strong>in</strong>en starken Bildungsrückgang, vor allem auf dem Land,<br />
gab. Darum ordnete der Staat Untersuchungsmaßnahmen für die Schulen an, die unter Kaiser Karl<br />
VI. 160 noch strenger wurden, um zu kontrollieren, wer es <strong>in</strong> der Schule weiterbrachte, aber auch um<br />
zu selektieren. 161<br />
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es dann wieder zu e<strong>in</strong>er Abschwächung des Interesses<br />
an den Schulen, da Kriege, wie der Schlesische Krieg und der Erbfolgekrieg, zu bewältigen waren.<br />
Aber die Weichen zum Umdenken waren langsam gelegt worden. 162 Um 1700 wurden erste<br />
berufsbildende Schulen auf österreichischem Boden errichtet. 163 Auch im Bereich der Universitäten<br />
begann man gegen Ende des 17. Jahrhunderts über Neuerungen und Reformen nachzudenken. 164<br />
Durch die Aufklärung gab es, wie schon oben erwähnt, e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Umdenken. Man sollte nun<br />
beg<strong>in</strong>nen, sich se<strong>in</strong>es eigenen Denkens zu bedienen und kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen. Aus diesem Grund<br />
wurden e<strong>in</strong>ige Bereiche genauer betrachtet, unter anderem auch die Kirche und das Bildungswesen.<br />
Der Staat begann sich nun immer mehr <strong>in</strong> das Unterrichtswesen e<strong>in</strong>zumischen. Dadurch verdrängte<br />
156<br />
Maria Theresia: geboren 1717, gestorben 1780. Sie war die Tochter von Kaiser Karl dem VI. (Erzherzog von<br />
<strong>Österreich</strong>, König von Böhmen und Kaiser des deutschen Reiches) und Mutter von Joseph II. Sie wurde 1740<br />
Kaiser<strong>in</strong> und führte <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> viele Reformen durch und erwarb Gallizien, die Bukow<strong>in</strong>a und das Innviertel.<br />
Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 507.<br />
157<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 21-24.<br />
158<br />
Ebda, S. 35.<br />
159<br />
Vgl. Ebda, S. 35.<br />
160<br />
Kaiser Karl VI.: geboren 1685, gestorben 1740, Kaiser seit 1711. Erwarb im Spanischen Erbfolgekrieg die<br />
Niederlande, Sard<strong>in</strong>ien, Neapel, Mailand und sicherte durch die Pragmatische Sanktion die Nachfolge se<strong>in</strong>er Tochter<br />
Maria Theresia. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 412.<br />
161<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 41-43.<br />
162 Vgl. Ebda, S. 44.<br />
163 Vgl. Ebda, S. 47.<br />
164 Vgl. Ebda, S. 60 ff.<br />
23
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
er die Kirche immer mehr, ihre Inhalte sollten aber bleiben, denn man wollte e<strong>in</strong>en aufgeklärten<br />
Christen <strong>in</strong> der Schule erziehen. 165 Vor allem das Bürgertum wird zur kulturtragenden Schicht im<br />
Bereich der Aufklärung. Nun traten Wirtschafts<strong>in</strong>teresse, Weltoffenheit und Bildung <strong>in</strong> den<br />
Vordergrund. 166<br />
<strong>Österreich</strong> wurde damals im Stil des aufgeklärten Absolutismus 167 regiert. Der Aufbau e<strong>in</strong>er<br />
unumstrittenen Machtstellung oder der Fortschrittsglaube bestimmten die Politik. Es entwickelten<br />
sich aber auch aufgeklärte Pädagogen, die eben das <strong>Schulwesen</strong>, im Zeichen der Vernunft,<br />
verändern wollten. 168 Die folgende Zeit wurde geprägt durch Maria Theresia, ihrem Sohn Joseph<br />
II. 169 und se<strong>in</strong>em Bruder Leopold II. 170 . Maria Theresia begann durch verschiedene Reformen, <strong>in</strong><br />
allen Bereichen, <strong>Österreich</strong> total neu umzustrukturieren. Auf der obersten Ebene richtete sie<br />
Zentralbehörden e<strong>in</strong>, auf Landesebene Repräsentationen und Kammern und auf der untersten Ebene<br />
Kreisämter. Für den Bereich des <strong>Schulwesen</strong>s waren vor allem die kirchenpolitischen Maßnahmen<br />
wichtig. Man wollte die katholische Kirche von ihrer Sonderstellung im Bereich der Schulen<br />
verdrängen. Doch durch die großflächige Klosterauflösung unter Joseph II gab es auch e<strong>in</strong>en<br />
drastischen Bildungsrückgang. 171<br />
1770 erklärte Maria Theresia, dass Schulen Angelegenheiten des Staates seien. 172 1771 wurden die<br />
´´Normalschulen´´ 173 gegründet. Neben Elementarunterricht gab es hier Geschichte, Geographie,<br />
Naturlehre, Haushaltungskunst aber auch Sitten-und Pflichtenlehre. Zunächst entstand aber nur <strong>in</strong><br />
Tirol solch e<strong>in</strong>e Normalschule. 174 Bald kam es zu e<strong>in</strong>er Krise dieser Normalschule, denn die Lehrer<br />
entwickelten zu unterschiedliche Lehrmethoden. 1773 wurde der Jesuitenorden aufgelöst. 175 Doch<br />
Maria Theresia übertrug Bereiche des höheren <strong>Schulwesen</strong>s an andere Orden, wie an die Piaristen<br />
165 Vgl. Ebda, S. 68.<br />
166 Vgl. Spiegl, Bildungswandel im Gespräch, S. 45.<br />
167 Aufgeklärter Absolutismus: der Herrscher wurde als erster Diener im Staat gesehen. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 13.<br />
168 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 69.<br />
169 Joseph II.: Sohn von Maria Theresia, geboren 1741, gestorben 1790. Er war Vertreter des aufgeklärten Absolutismus<br />
und auch Reformator. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 397.<br />
170 Leopold II.: geboren 1747, gestorben 1792. Bruder von Joseph II und se<strong>in</strong> Nachfolger. Zitiert nach: Personenlexikon<br />
<strong>Österreich</strong>, S. 286.<br />
171 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 73-75.<br />
172 Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 16.<br />
173 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 99.<br />
174 Vgl. Ebda, S. 99-100.<br />
175 Vgl. Ebda, S. 100-101.<br />
24
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
und die Benedikt<strong>in</strong>er. 176<br />
1774 unterschrieb Maria Theresia die ´´Allgeme<strong>in</strong>e Schulordnung´´ für die deutsche Normal-,<br />
Haupt- und Trivialschulen, welche nun das niedere <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> bilden sollten, die von<br />
J. I. Felbiger 177 ausgearbeitet wurde. 178 Der genaue Titel lautete ´´Allgeme<strong>in</strong>e Schulordnung für die<br />
deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen <strong>in</strong> sämtlichen Kaiserlich-Königlichen Länder´´. 179 J.<br />
I. Felbiger hatte schon für Preußen das <strong>Schulwesen</strong> organisiert. 180 Mit dieser Schulordnung wurde<br />
die Schulpflicht e<strong>in</strong>geführt. 181 Sie galt für die deutsch-österreichischen Länder, für Böhmen und<br />
Mähren und für den bei <strong>Österreich</strong> verblieben Teil von Schlesien. Sie umfasste also Länder von der<br />
dalmat<strong>in</strong>ischen Küste bis h<strong>in</strong> zu Gebieten des südlichen Polens, also auch das Königreich Galizien<br />
und Lodomerien und das Herzogtum der Bukow<strong>in</strong>a. Im Westen galt die Schulordnung für die<br />
italienischen Gebiete <strong>Österreich</strong>s und die <strong>Österreich</strong>ischen Vorlande. In den Ländern Ungarn,<br />
Kroatien, Slawonien und Siebenbürgen wurde analog zur Schulreform von Felbiger im Jahre 1797<br />
die ´´Ratio educationis Rei Litterariae per Regnum Hungaricum et Prov<strong>in</strong>cias eidem adnexas´´ 182<br />
verkündet. 183 Weiters war der Unterricht koedukativ, doch die Mädchen und Burschen sollten<br />
getrennt vone<strong>in</strong>ander sitzen. 184<br />
In Salzburg, das erst ab 1816 zu <strong>Österreich</strong> gehören sollte, fand das Schulsystem Felbigers Anklang<br />
und so lehnte sich die Salzburger Schulreform eng an die österreichische an. Sogar Kathar<strong>in</strong>a die<br />
Große 185 ließ sich die Schriften Felbigers nach St. Petersburg kommen. 186<br />
176<br />
Vgl. Grimm Gerald, Elitäre Bildungs<strong>in</strong>stitution oder Bürgerschule? <strong>Das</strong> österreichische Gymnasium zwischen<br />
Tradition und Innovation 1773-1819, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1995. (=Aspekte pädagogischer Innovation,<br />
herausgegeben von Erich Leitmer Bd. 20), S. 63.<br />
177<br />
Johann Ignaz Felbiger: geboren 1724 (Glogau/Schlesien), gestorben 1788 (Preußen). Er war e<strong>in</strong> österreichischer<br />
Schulreformer. So reformierte er auch das österreichische Volksschulwesen im S<strong>in</strong>ne der katholischen Aufklärung.<br />
Ebenso reformierte er das preußische <strong>Schulwesen</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 7 Fe-Gars,<br />
Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 15.<br />
178<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 103.<br />
179<br />
Gönner Rudolf, Felbigers Schulreform und die Auswirkungen über <strong>Österreich</strong> h<strong>in</strong>aus, <strong>in</strong>: Kriss-Rettenbeck Lenz,<br />
Liedtke Max (Hg.), Regionale Schulentwicklung im 19. Und 20. Jahrhundert. Vergleichende Studien zur<br />
Schulgeschichte, Jugendbewegung und Reformpädagogik im süddeutschen Sprachraum, Bad Heilbrunn/Obb. 1984.<br />
(= Schriftenreihe zum bayrischen Schulmuseum Ichenhausen, Bd. 2), S. 18.<br />
180<br />
Vgl. Buchmann Gabriele, Die Entwicklung des <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Dipl. Graz 1983, S. 4.<br />
181<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 17.<br />
182<br />
Gönner, Felbigers Schulreform und die Auswirkungen über <strong>Österreich</strong> h<strong>in</strong>aus, S. 19.<br />
183<br />
Vgl. Ebda, S. 18-19.<br />
184<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 105.<br />
185<br />
Kathar<strong>in</strong>a die Große: geboren 1729, gestorben 1796. Sie war ab 1762 Zar<strong>in</strong> und Vertreter<strong>in</strong> des aufgeklärten<br />
Absolutismus. Sie reformierte die Verwaltung, das Recht und das <strong>Schulwesen</strong> und erweiterte das russische Reich.<br />
Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 416.<br />
186<br />
Vgl. Gönner, Felbigers Schulreform und die Auswirkungen über <strong>Österreich</strong> h<strong>in</strong>aus, S. 20.<br />
25
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Durch diese neue Schulordnung wurden, wie zuvor erwähnt, drei Schultypen festgelegt. Erstens die<br />
Normalschulen mit den Fächern Religion, Lesen, Rechnen, Schreiben, Sittenlehre, Vorbereitung<br />
fürs Studium, Handwerken, etc. Die zweiten waren die Hauptschulen, die auch Lesen, Rechnen,<br />
Schreiben und Religion anboten und <strong>in</strong> den dritten Schulen, den Deutschen bzw. Trivialschulen, gab<br />
es denselben Lehrstoff, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränkter Form. 187<br />
Diese neue Schulordnung war die Grundlage des ´´niederen´´ <strong>Schulwesen</strong>s (Volksschulwesens) <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> bis 1868. Trivialschulen gab es <strong>in</strong> den Pfarrbezirken (sie waren auch die Vorläufer der<br />
Volksschulen, so wurden sie auch ab 1840 genannt), Hauptschulen <strong>in</strong> den kle<strong>in</strong>eren Städten und<br />
Normalschulen wurden <strong>in</strong> den großen Städten e<strong>in</strong>gerichtet. 188<br />
Zur Durchsetzung der ´´Allgeme<strong>in</strong>en Schulordnung´´ gab es Maßnahmen wie e<strong>in</strong>e<br />
Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung, Kontrolle<strong>in</strong>richtungen und e<strong>in</strong>heitliche Schulbücher. 189<br />
1775 wurde <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> das Konzept e<strong>in</strong>er Nationalerziehung entworfen. Der Verfasser war Ignaz<br />
Mathias Heß 190 . Er war für e<strong>in</strong>e dreistufige Ausbildung. Zuerst soll es die Deutschen oder auch<br />
bürgerlichen Schulen geben. Danach sollten e<strong>in</strong>ige Schüler beg<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong> Handwerk zu lernen und<br />
jene, die besonders gut waren, sollten Gymnasien oder Gelehrtenschulen, also die sogenannte<br />
Mittelstufe, besuchen. Dort wurde man für den Besuch der Universitäten vorbereitet. Diese<br />
Grundstruktur blieb richtungsweisend für die weitere Entwicklung der Schulen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. 191<br />
Weiters war das immer stärker werdende Auftreten von Druckereien <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> wichtig für das<br />
<strong>Schulwesen</strong>, denn es kam nun das allgeme<strong>in</strong>e Schulbuch auf. 192<br />
Es gab aber auch Unmut gegen die neue ´´Allgeme<strong>in</strong>e Schulordnung´´. So wollten viele vom Land<br />
ihre K<strong>in</strong>der nicht <strong>in</strong> die Schule schicken, da sie diese als Arbeitskräfte benötigten. Durch die<br />
Aufklärung kam aber die Me<strong>in</strong>ung auf, dass jedem Menschen das Gleiche zustand, also auch<br />
Bildung für alle. 193 Aber die obere Schicht war dagegen ihre K<strong>in</strong>der mit denen der unteren Schicht<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Schule gehen zu lassen und bezogen Privatunterricht für ihre K<strong>in</strong>der. 194 So kam nur e<strong>in</strong><br />
Drittel der K<strong>in</strong>der dem Schulbesuch nach, der seit 1774 eigentlich verpflichtend war. Aufgrund<br />
187<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 5-6.<br />
188<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 18.<br />
189<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 106-110.<br />
190<br />
Ignaz Mathias Heß: geboren 1746 Würzburg, gestorben 1776 Wien. Professor für Universal- und Literaturgeschichte<br />
an der Universität Wien. Zitiert nach: Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 328.<br />
191<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 80-81.<br />
192<br />
Vgl. Ebda, S. 87-88.<br />
193<br />
Vgl. Spiegl, Bildungswandel im Gespräch, S. 46.<br />
194<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 113.<br />
26
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
dessen wurde den Eltern mit Strafsanktionen gedroht, was tatsächlich zu e<strong>in</strong>em Anwachsen der<br />
Schüleranzahl <strong>in</strong> den Schulen führte. 195<br />
Für die Gymnasien gab es 1752 e<strong>in</strong>e neue Ordnung. Die Gymnasien waren sechstklassig. Late<strong>in</strong><br />
stand im Mittelpunkt der Erziehung, aber zu anfangs wurde <strong>in</strong> deutscher Sprache unterrichtet. Um<br />
den Zustrom der Schüler zu drosseln, gab es sogar Selektionsmaßnahmen bei den Gymnasien. 196<br />
1775 gab es e<strong>in</strong>en neuen Lehrplan für diese und sie wurden <strong>in</strong> drei Kategorien e<strong>in</strong>geteilt: Es gab<br />
Gymnasien <strong>in</strong> den Landeshauptstädten, solche die teils der weltlichen und teils der geistlichen<br />
Aufsicht unterstanden und drittens solche, die ganz e<strong>in</strong>em Orden unterstanden. 1776 wurde<br />
bestimmt, dass nur Burschen, die das zehnte Lebensjahr erreicht und e<strong>in</strong>e Aufnahmeprüfung<br />
bestanden hatten, das Gymnasium besuchen durften. 197<br />
Doch auch das Gymnasium schlitterte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Krise. Joseph II. gab daraufh<strong>in</strong> den Auftrag neue<br />
Wege zur Verbesserung des <strong>Schulwesen</strong>s zu suchen. 198<br />
Er begann das Primarschulwesen weiter auszubauen, während sich se<strong>in</strong> Bruder Leopold II. dann<br />
eher dem Sekundar- und Tertiärbereich widmete. <strong>Das</strong> Reformmodell von <strong>Österreich</strong> begann sich<br />
auch <strong>in</strong> Deutschland, Serbien, Russland, etc. durchzusetzen. 199 Joseph II. führte weiters 1781 den<br />
Schulzwang e<strong>in</strong>. Dies bedeutete, dass K<strong>in</strong>der zwischen dem 6. und dem 12. Lebensjahr die<br />
öffentlichen Volksschulen besuchen mussten. Durch das Toleranzpatent von Joseph II. wurde die<br />
Errichtung nicht katholischer Schulen erlaubt. 200 Weiters kam es unter Joseph II. zu bedeutenden<br />
Maßnahmen im Bereich der Schulaufsicht. 201<br />
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts musste man aber feststellen, dass die Bevölkerung doch nicht so<br />
aufgeklärt war, wie sie eigentlich se<strong>in</strong> sollte, K<strong>in</strong>dermorde und Hexenprozesse weisen darauf h<strong>in</strong>.<br />
Außerdem gab es noch starke Standesschranken. Doch Bildung wurde immer mehr e<strong>in</strong> Thema der<br />
Öffentlichkeit. 202 Vor allem war zu erkennen, dass nun der Staat die Aufsicht über die Schulen<br />
übernommen hatte und die Kirche und die Stände <strong>in</strong> diesem Bereich zurückgedrängt wurden. 203<br />
195<br />
Vgl. Ebda, S. 119.<br />
196<br />
Vgl. Ebda, S. 146-147.<br />
197<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 9.<br />
198<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 164.<br />
199<br />
Vgl. Ebda, S. 129.<br />
200<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 10-11.<br />
201<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 23.<br />
202<br />
Vgl. Tenorth, Geschichte der Erziehung, S. 99-100.<br />
203<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 25.<br />
27
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
1.5. Ende des 18. Jahrhunderts und Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts<br />
(…) wie oft Menschen sich <strong>in</strong> das größte Unglück gestürzt, bloß weil sie unwissend waren, weil sie die wichtigsten<br />
Kenntnisse von der Natur nicht hatten, weil sie die E<strong>in</strong>richtung ihres eigenen Körpers und die Bed<strong>in</strong>gungen, auf denen<br />
se<strong>in</strong> Wohlse<strong>in</strong> beruht, nicht kannten, weil sie nicht wussten, was für Gesetze und Gewohnheiten <strong>in</strong> ihrem Land<br />
herrschten, welche Verpflichtungen und Rechte e<strong>in</strong> jeder Bürger habe, und wie er es anfangen müsse, sich zu<br />
verteidigen, wenn man <strong>in</strong> dem Genusse dieser letzteren ihn stört. 204 Bolzano 1817<br />
(Bolzano: Wissenschaftler und erster österreichischer Denker mit der Idee der freien Volksbildung) 205<br />
Nach dem Zeitalter von Maria Theresia und Joseph II. folgte e<strong>in</strong>es, welches geprägt war durch<br />
Revolutionen und Kriege. Prägend waren hier vor allem die Französische Revolution 206 und die<br />
sogenannten Koalitionskriege 207 mit Frankreich. Man hatte dadurch wenig Zeit, sich mit<br />
bildungspolitischen Maßnahmen zu beschäftigen. 208<br />
Als Franz II. 209 regierte, bekam die Kirche wieder die Oberhand über die Schule. 1805 lag nun die<br />
Schulaufsicht wieder bei der Geistlichkeit und die Zentralschulbehörde war die k. k.<br />
Studienhofkomission. 210 Die Verfassung von Franz II. im Bezug auf die Schule trat 1806 <strong>in</strong> Kraft. 211<br />
Nun waren fünf Schultypen vorgesehen: Trivialschulen, Hauptschulen, Normal- und<br />
Musterhauptschulen, Realschulen <strong>in</strong> diversen Hauptstädten und auch Handelsstädten und<br />
Mädchenschulen für gebildete Stände. 212 Die Trivialschulen waren eher für Schüler aus dem<br />
unteren Stand. Unterrichtsgegenstände waren nur Lesen, Rechnen, Schreiben und Religion. In den<br />
Hauptschulen gab es mehr Fächer, zum Beispiel Geographie, Mechanik, etc., und den Schülern<br />
204<br />
Vgl. Spiegl, Bildungswandel im Gespräch, S. 99.<br />
205<br />
Vgl. Ebda, S. 96.<br />
206<br />
Französische Revolution: e<strong>in</strong>e Revolution <strong>in</strong> Frankreich von 1789-99. Spannungen zwischen dem nach Emanzipation<br />
strebenden Bürgertum und dem absolutistischen Machthabern. Nach der 1770 e<strong>in</strong>setzenden Wirtschaftskrise entlud<br />
sich der Frust der Bürger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Revolution. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 7, S. 225.<br />
207<br />
Koalitionskriege: So wurden vier Kriege zwischen 1792 und 1807 genannt, welche die verbündeten europäischen<br />
Mächte gegen das revolutionäre Frankreich und auch gegen Napoleon führten. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 429.<br />
208<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 204-206.<br />
209<br />
Franz II.: geboren 1768, gestorben 1835. Von 1792 bis 1806 Kaiser des römischen Reiches und von 1804-1835<br />
Kaiser von <strong>Österreich</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 7, S. 212.<br />
210<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 11.<br />
211<br />
Vgl. Simon Gertrud, ´´Von Maria Theresia zu Eugenie Schwarzwald´´, Mädchen- und Frauenbildung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
zwischen 1774 und 1919 im <strong>Überblick</strong>, <strong>in</strong>: Brehmer Ilse, Simon Gertrud (Hg.), Geschichte der Frauenbildung und<br />
Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S. 180.<br />
212<br />
Vgl. Ebda, S. 12.<br />
28
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
wurde mehr Selbsttätigkeit zugemutet.<br />
213 Für die privilegierteren Mädchen wurden<br />
Mädchenschulen e<strong>in</strong>gerichtet und für die ärmeren die Trivialmädchenschulen. Die Hauptschulen<br />
vermittelten nun e<strong>in</strong>e erweiterte Grundbildung und die Normalschulen wurden zu<br />
Musterhauptschulen. Neu e<strong>in</strong>gerichtet wurde die Realschule, welche e<strong>in</strong>er gezielten<br />
Berufsvorbereitung diente. 214<br />
Auch für die Gymnasien führte Franz II neue Pläne e<strong>in</strong>, so wurde 1819 beschlossen, dass alle<br />
Gymnasien sechstklassig werden sollten. Die Realschule wurde 1815 so festgelegt, dass sie der<br />
höheren Ausbildung <strong>in</strong> der Technik aber auch der bürgerlichen Ausbildung dienen sollte. So blieb<br />
das <strong>Schulwesen</strong> dann im Großen und Ganzen bis 1848. 215 Die Realschule gehörte anfangs zu den<br />
Primarschulen, ab 1849 zu den Mittelschulen und 1868 wurde sie zu e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />
höheren Schule umgeformt. 216<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts entwickelten sich immer mehr die berufsbildenden Schulen<br />
aufgrund der anwachsenden Industrialisierung. Es entwickelten sich mehr Fachschulen für die<br />
Forstwirtschaft, den Bergbau, das Gewerbe und die Landwirtschaft. 217<br />
Unter Metternich 218 zogen sich viele Bürger zurück <strong>in</strong> ihr Heim, dies ist die sogenannte<br />
Biedermeierzeit 219 . In dieser Zeit hatte Bildung bei den Bürgern wieder mehr Platz. <strong>Das</strong><br />
<strong>Schulwesen</strong> wurde wieder erweitert, so gab es zum Beispiel im Bereich der Berufsschulen<br />
Neuerungen. In den weiteren Jahren, vor allem nach der Julirevolution <strong>in</strong> Frankreich 220 und<br />
während der Regierungszeit Ferd<strong>in</strong>ands II. 221 erstarrte die Bildungspolitik wieder. 222<br />
Zwischen 1792 und 1848 fanden noch weiter Prozesse statt, wie zum Beispiel die Veränderungen <strong>in</strong><br />
213<br />
Vgl. Ebda, S. 12-13.<br />
214<br />
Vgl. Scheipl Josef, Seel Helmut, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750-1938. Graz 1987.<br />
(Studientexte für die pädagogische Ausbildung der Lehrer höherer Schulen), S. 25-26.<br />
215<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 14.<br />
216<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 29.<br />
217<br />
Vgl. Ebda, S. 32.<br />
218<br />
Klemens Wenzel Nepomuk Lothar Fürst von Metternich: geboren 1173 (Koblenz), gestorben 1859 (Wien). Er war<br />
von 1821 bis 1848 Staatskanzler <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> und führte den Vorsitz im Wiener Kongress. Er war gegen liberale<br />
Ideen und wurde 1848 gestürzt. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 524.<br />
219<br />
Biedermeierzeit: zwischen 1815 und 1848. Der Bürger zog sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Heim zurück und widmete sich der Kunst, der<br />
Bildung, der Wohnkultur, der Mode und der Musik, da er unter dem totalitären System von Metternich politisch<br />
ke<strong>in</strong>e Rolle spielte. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 93.<br />
220<br />
Julirevolution: Die liberalistischen Pariser Bürger erhoben sich vom 27.-29 Juli 1830 gegen die Restauration der<br />
Bourbonen <strong>in</strong> Frankreich. Es folgten weiter verfassungsstaatliche Bestrebungen im restlichen Europa. Zitiert nach:<br />
Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 11 J-Klas, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 119.<br />
221<br />
Ferd<strong>in</strong>and II.: geboren 1793, gestorben 1875. Er war der Onkel von Kaiser Franz Joseph und dankte zu dessen<br />
Gunsten 1848 ab. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 240.<br />
222<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 204-206.<br />
29
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
der ständischen Sozialordnung. Es entwickelte sich immer mehr e<strong>in</strong>e moderne<br />
Leistungsgesellschaft. Die bürgerlichen Beamten wurden e<strong>in</strong>e starke Konkurrenz für den Adel. 223<br />
Im Bereich der Schulen forderte man <strong>in</strong> den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts Reformen, vor<br />
allem im Bereich der Gymnasien. 224 Auch im Bereich der berufsbildenden Schulen gab es<br />
Veränderung zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts. Man wollte zur guten Ausbildung von Arbeitern<br />
Schulen errichten, die den Gymnasien gleichwertig waren. So entstand die Realschule, <strong>in</strong> der neben<br />
den allgeme<strong>in</strong>en Fächern auch Fächer wie Warenkunde, Wechselrecht, Landwirtschaftslehre,<br />
Chemie, technisches Zeichnen, etc. unterrichtet wurden, je nach Bedarf des Auszubildenden. Doch<br />
den Gymnasien gleichwertig waren und wurden sie zu dieser Zeit nicht. 225 Auch e<strong>in</strong><br />
polytechnisches Institut wurde nach westeuropäischem Vorbild errichtet, dort konnte man sich sogar<br />
zum Ingenieur-Offizier ausbilden lassen. 226 In den weiteren Jahren richtete man Fachschulen für die<br />
Forstwirtschaft, die Landwirtschaft und den Bergbau e<strong>in</strong>, doch dies geschah eher langsam. Die<br />
berufsbildenden Schulen fassten zu dieser Zeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> zwar Fuß, es dauerte aber noch, bis sie<br />
endgültig ausgeformt waren und an mehreren Standorten entstanden. 227<br />
In dieser Zeit waren noch andere Bereiche wichtig für die Erziehung. Dazu gehörten die Familie,<br />
Privatschulen, das Buch und die Zeitschrift, aber auch die Kirche und diverse Fachvere<strong>in</strong>e, wie<br />
landwirtschaftliche Gesellschaften (zum Beispiel ´´Kärntnerische Agrikultur Sozietät´´ 228 ). 229<br />
223 Vgl. Ebda, S. 206-207.<br />
224 Vgl. Ebda, S. 257.<br />
225 Vgl. Ebda, S. 261.<br />
226 Vgl. Ebda, S. 262.<br />
227 Vgl. Ebda, S. 264-265.<br />
228 Ebda, S. 300.<br />
229 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.3, S. 287-300.<br />
30
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
1.6. Der Start <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert: das 19. Jahrhundert bis 1918<br />
´´Der Unterricht soll immer den ganzen Menschen im Auge behalten und nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
höchstmögliche Leistungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fächern, so wertvoll solche auch s<strong>in</strong>d, sondern die<br />
all//seitige Durchbildung der Persönlichkeit bezwecken.´´ 230<br />
Antrittsrede von Gymnasialdirektor Friedrich Seiler im Jahre 1903<br />
Man kann mehrere Phasen der Veränderung im Bildungswesen erkennen. So war die erste Phase<br />
vor allem durch die Revolution 1848 geprägt, wobei hier die Interessen des Bürgertums e<strong>in</strong>e große<br />
Rolle spielten. Ihre Forderungen nach Reformen lagen vor allem <strong>in</strong> Sekundar- und Tertiärbereich,<br />
denn diese E<strong>in</strong>richtungen waren besonders wichtig für die bürgerlichen K<strong>in</strong>der. Die nächste Phase<br />
war die sogenannte neoabsolutistische Phase 231 (1849/52–1860). Ziel war e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches<br />
Erziehungs- und Bildungswesen und e<strong>in</strong> übernationales österreichisches Staatsbewusstse<strong>in</strong>. E<strong>in</strong><br />
großes Problem wurde die Sprachproblematik im Unterrichtswesen. In der föderalistischen Phase 232<br />
(1860-1867) wurden das M<strong>in</strong>isterium für Kultus und Unterricht aufgelöst und Fragen im Bereich<br />
der Schule nur mehr auf oberster Ebene besprochen. Es war auch die Phase, <strong>in</strong> der die deutsche<br />
Sprache ihre Vorherrschaft im Bereich der Schule <strong>in</strong> der Monarchie verlor. Die liberale Phase 233<br />
(1867-1879) führte zu e<strong>in</strong>er Wiedere<strong>in</strong>richtung des Unterrichtsm<strong>in</strong>isteriums. Gewünscht war e<strong>in</strong>e<br />
vollständige Säkularisierung der Schulen. So wurde zuerst das Volksschulwesen der Kirche<br />
entzogen. Weiters wurde das berufsbildende <strong>Schulwesen</strong> gefördert und Fachhochschulen<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. Ungarn g<strong>in</strong>g nun <strong>in</strong> bildungspolitischer H<strong>in</strong>sicht endgültig eigene Wege. Die nächste<br />
Phase war die konservativ-katholische Phase 234 (1880-1897). In ihr beruhigte sich das<br />
Bildungswesen etwas. Neu waren hier die Förderungen von E<strong>in</strong>richtungen für unbeaufsichtigte,<br />
230 Tosch Frank, „den ganzen Menschen im Auge behalten und [...] die allseitige Durchbildung der Persönlichkeit<br />
bezwecken" - Die Antrittsrede im bildungshistorischen Spiegel gymnasialer Schulentwicklung, <strong>in</strong>: L<strong>in</strong>k Jörg – W.,<br />
Tosch Frank (Hg.), Bildungsgeschichte(n) <strong>in</strong> Quellen, Bad Heilbrunn 2007, S. 140.<br />
231 Engelbrecht Helmut, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.4, von 1848 bis zum Ende der Monarchie,<br />
Wien 1986, S. 27.<br />
232 Ebda, S. 28.<br />
233 Ebda, S. 28.<br />
234 Ebda, S. 29.<br />
31
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
verwahrloste oder auch krim<strong>in</strong>elle und lernbeh<strong>in</strong>derte K<strong>in</strong>der. Als letzte Phase kann man die<br />
nationalistische 235 sehen (1897-1918). Die Bildungspolitik bekam neuen Schwung. <strong>Das</strong><br />
Mädchenlyzeum (1900) und auch das Realgymnasium (1908) wurden e<strong>in</strong>geführt. 236<br />
Von 1848 bis 1916 regierte <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> Kaiser Franz Joseph I. 237 . In se<strong>in</strong>er Regierungszeit geschah<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, im Bereich der Bildungspolitik, viel. Franz Joseph galt als spröde, nüchterne<br />
Persönlichkeit aber er legte viel Wert auf e<strong>in</strong>en geordneten guten Bildungsbereich. 238 Er veranlasste<br />
schon am Anfang se<strong>in</strong>er Regierungsperiode Reformen für den mittleren Schulbereich. Für den<br />
Primarbereich, also die Haupt-, Trivial- und Normalschulen beziehungsweise Musterhauptschulen,<br />
galt noch immer die Schulverfassung von 1805. 239<br />
In der oktroyierten ´´Reichsverfassung für das Kaiserthum <strong>Österreich</strong>´´ 240 aus dem Jahre 1849 gab<br />
es e<strong>in</strong>ige Schulbestimmungen, die aber allgeme<strong>in</strong> gehalten waren und der Verwaltung Spielraum<br />
ließen. Beschlossen war nur die staatliche Oberaufsicht über das Erziehungs- und <strong>Schulwesen</strong>. Erst<br />
1855 wurden, durch das Konkordat, wieder e<strong>in</strong>ige Befugnisse im Bereich der Bildung an<br />
konfessionelle Gewalten übertragen. Dadurch bekam die Kirche wieder die volle Gewalt über die<br />
Volksschulen. Aber ihr E<strong>in</strong>fluss wirkte sich auch auf die Gymnasien aus. 241 1851 reformierte Kaiser<br />
Franz Joseph die Realschule und 1854 das Gymnasium. 242<br />
Auch die Revolution und die Kriege 1859 und 1866 trugen zu Veränderungen im Bildungsbereich<br />
bei. Die Revolution 1848 führte zum Umdenken im Bereich der Bildung und die Liberalen<br />
forderten Veränderungen. Auch die Niederlage 1859 <strong>in</strong> Italien 243 führte dazu, dass den Landtagen<br />
wieder mehr Entscheidungsgewalt im Bereich der Bildung zugewiesen und die zentrale Lenkung<br />
aufgegeben wurde. Ähnlich verhielt es sich bei der Niederlage gegen Preußen 1866 244 , die die<br />
235<br />
Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.4, S. 30.<br />
236<br />
Vgl. Ebda, S. 25-31.<br />
237<br />
Franz Joseph I.: geboren 1830, gestorben 1916. Er übernahm 1848 die Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Verheiratet mit<br />
Kaiser<strong>in</strong> Elisabeth (Sisi). Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 264.<br />
238<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.4, S. 7-9.<br />
239<br />
Vgl. Simon Gertrud, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm. Höhere Mädchenbildung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> – Anfänge und<br />
Entwicklung. E<strong>in</strong> Beitrag zur Historiographie und Systematik der Erziehungswissenschaften, Wien 1993. (= Reihe<br />
Dokumentation Bd. 9), S. 117.<br />
240<br />
Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.4, S. 9.<br />
241<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750 – 1938. S. 54-55.<br />
242<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 117.<br />
243<br />
Schlacht <strong>in</strong> Solfer<strong>in</strong>o, e<strong>in</strong> Ort <strong>in</strong> Italien südlich des Gardasees. Hier siegten 1859 die französisch- sard<strong>in</strong>ischen<br />
Truppen über die österreichischen. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S.786.<br />
244<br />
Schlacht bei Königgrätz, e<strong>in</strong>e Stadt an der oberen Elbe <strong>in</strong> Tschechien. Die preußischen Truppen besiegten 1866<br />
32
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Schulreformen von Neuem antrieb. 245<br />
Die Dezemberverfassung aus dem Jahr 1867 war ab diesem Zeitpunkt für die Bildungspolitik<br />
richtungsweisend. Der Staat erhielt nach dieser Verfassung die gesamte Gewalt über die Schule und<br />
den Unterricht. 246 Weiters wurden Ortsschulräte, Bezirksschulräte und Landesschulräte<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. 247 1867 entwickelte sich mehr das politische Bewusstse<strong>in</strong> der Bevölkerung und im<br />
Laufe der Zeit immer stärker die Parteien. Auch sie nahmen gewisse Positionen im Bildungsbereich<br />
e<strong>in</strong>. So waren die Sozialdemokraten 248 zum Beispiel für unentgeltliche Lehrmittel oder auch<br />
kostenlose Verpflegung <strong>in</strong> den Schulen, die Christlichsoziale Partei 249 für e<strong>in</strong>e erneutes E<strong>in</strong>greifen<br />
der Kirche im bildungspolitischen Bereich und das deutschnationale Lager 250 war vor allem für die<br />
Vorrangstellung der deutschen Sprache <strong>in</strong> der Schule. 251 Hiermit wurde das Primarschulwesen<br />
reformiert. Nun ersetzte die Allgeme<strong>in</strong>e Volksschule die Trivial- und die Hauptschule. Für die<br />
Oberstufe sollten <strong>in</strong> den etwas größeren Orten Bürgerschulen e<strong>in</strong>gerichtet werden, welche drei<br />
Jahre dauerten. 252<br />
Viel zu diesen Reformen im Bereich der Bildung trug auch die Sichtweise des K<strong>in</strong>des bei. Die<br />
K<strong>in</strong>der standen unter dem Schutz des Gesetzgebers und man wollte ihnen e<strong>in</strong>e positive Zuwendung<br />
und Förderung bieten. Dafür wurde unter anderem auch die Schulhygiene verbessert, e<strong>in</strong> Schularzt<br />
e<strong>in</strong>geführt und man befasste sich mehr mit der K<strong>in</strong>derpsychologie. Aber im Bereich der<br />
Arbeiterk<strong>in</strong>der war das K<strong>in</strong>d vor allem notwendig für die Produktion. Hier wurde nach<br />
K<strong>in</strong>derschutz und Jugendfürsorge verlangt. 253<br />
<strong>Österreich</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 438.<br />
245<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.4, S. 12-13.<br />
246<br />
Vgl. Ebda, S. 9-11.<br />
247<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 44-53<br />
248<br />
Sozialdemokraten: e<strong>in</strong>e Partei der Arbeiterbewegung. In <strong>Österreich</strong> entstand diese Partei 1888/89 unter Viktor Adler.<br />
In der Ersten Republik übernahmen sie zu Beg<strong>in</strong>n Regierungsgeschäfte, wurden dann unter dem Austrofaschismus<br />
und auch unter dem Nationalsozialismus verboten. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 789-790.<br />
249<br />
Christlichsoziale Partei: E<strong>in</strong>e katholische Partei <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, welche 1891 gegründet wurde. Sie bestand aus e<strong>in</strong>em<br />
Zusammenschluss des Christlichsozialen Vere<strong>in</strong>s und des konservativen Liechtenste<strong>in</strong>clubsmit kle<strong>in</strong>bürgerlichen<br />
Gruppen unter Karl Lueger. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 4 Boy- Conc, Mannheim-<br />
Wien-Zürich 1983, S. 311.<br />
250<br />
Deutschnationale Bewegungen: <strong>Das</strong> waren am deutschen Nationalgedanken ausgerichtete Gruppen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>-<br />
Ungarn. Unter G. von Schönerer bee<strong>in</strong>flusste das L<strong>in</strong>zer Programm 1882. Es gab die deutsche Nationalpartei (1887-<br />
1895) und die deutsche Volkspartei, welche 1896 gegründet wurde. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon,<br />
Bd. 5 Cond-Dun, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 213.<br />
251<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.4, S. 16-18.<br />
252<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 118.<br />
253<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.4, S. 31-38.<br />
33
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Es gab e<strong>in</strong>e positive qualitative und quantitative Weiterentwicklung bei den Unterrichtsmitteln 254<br />
und die Lehrerschaft wurde immer professioneller. 255<br />
Für die Schulverwaltung war das 1876 wieder neu e<strong>in</strong>gerichtete ´´M<strong>in</strong>isterium für Cultus und<br />
öffentlichen Unterricht´´ 256 zuständig. Aber dieses M<strong>in</strong>isterium konnte die Schulen nur über die<br />
Landesschulbehörden erreichen. 257<br />
Die K<strong>in</strong>dergärten entwickelten sich im 19. Jahrhundert stark weiter. 258 Ebenso wollte man die<br />
Volksschulen ab 1848 Reformen unterziehen, doch dies geschah weniger energisch. Sie galten nun<br />
als erstes und wichtigstes Glied <strong>in</strong> der Ausbildung der K<strong>in</strong>der zu Staatsbürgern, die für sich und das<br />
Wohl des Staates sorgen konnten. Doch hier wurden die Reformen nicht so streng durchgezogen, da<br />
sich das Bürgertum vor allem für die mittleren und höhere Schulen <strong>in</strong>teressierte, denn <strong>in</strong> die<br />
Volksschule g<strong>in</strong>gen auch K<strong>in</strong>der aus dem Bauernstand und dem unteren Bürgertum, was dem<br />
mittleren und hohem Bürgertum noch immer missfiel. Erst nach 1876 gab es bei den Volksschulen<br />
ertragreiche Reformen. 259<br />
Nach 1848 wurden, wie erwähnt, auch die Realschulen und die Gymnasien reformiert. <strong>Das</strong><br />
Gymnasium war achtjährig und neben den klassischen Sprachen wurde hier die realistische Bildung<br />
sehr wichtig. Die Realschule wurde dem Gymnasium noch nicht gleichwertig. Sie dauerte nur sechs<br />
Jahre. Doch auch hier erhielt man humane Allgeme<strong>in</strong>bildung, auf Grundlage der modernen<br />
Literatur. Im Gymnasium nahm man dafür die alte Literatur und die alten klassischen Sprachen. 260<br />
Zu verdanken hatte man diese Reformen alle Franz Exner 261 und Hermann Bonitz 262 . 263 Neuerungen<br />
für das Gymnasium waren die Achtklassigkeit, die Matura als Abschluss- und Reifeprüfung für die<br />
254<br />
Vgl. Ebda, S. 57.<br />
255<br />
Vgl. Ebda, S. 63.<br />
256<br />
Ebda, S. 87.<br />
257<br />
Vgl. Ebda, S. 86-88.<br />
258<br />
Vgl. Ebda, S. 101.<br />
259<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938, S. 41-46.<br />
260<br />
Vgl. Ebda, S. 46-47.<br />
261<br />
Franz Exner: geboren 1802 (Wien), gestorben 1853 (Padua). Er war Philosoph und Schulreformer und arbeitete an<br />
Reformen des Gymnasiums und des Philosophiestudiums. Er schuf die Grundzüge des öffentlichen<br />
Unterrichtswesens und durch ihn wurden die sechsklassigen Gymnasien und achtklassige umgewandelt. Zitiert<br />
nach: <strong>Das</strong> große Buch der <strong>Österreich</strong>er, Wien 1987, S. 99.<br />
262<br />
Hermann Bonitz: geboren 1814 (Langensalza/D), gestorben 1888 (Berl<strong>in</strong>). Er war e<strong>in</strong> klassischer Philologe und<br />
Universitätsprofessor <strong>in</strong> Wien. Er schuf das Grundkonzept für die Organisation der Gymnasien und Realschulen <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> (Organisationsentwurf 1849). Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S. 52-53.<br />
263<br />
Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750 – 1938, S. 46.<br />
34
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Aufnahme auf die Universität. Neu war auch die <strong>in</strong>nere Gliederung <strong>in</strong> Ober- und Untergymnasium,<br />
wobei das Untergymnasium e<strong>in</strong>erseits auf die Oberstufe des Gymnasiums, aber auch auf die eher<br />
technisch versierte obere Stufe der Realschule vorbereitete. 264<br />
Dadurch, dass es immer mehr Nachfrage nach Arbeitskräften im Bereich Bergbau, Technik, Handel,<br />
etc. gab, wurden Fachhochschulen e<strong>in</strong>gerichtet. Als Vorbereitung auf diese Fachhochschulen<br />
wurden die Realschulen gesehen, so wie die Gymnasien als Vorstufe für die Universität. Vor allem<br />
die mathematisch-naturwissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en wurden <strong>in</strong> der Realschule unterrichtet. 265<br />
1867 setzte sich <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> der liberale Gedanke nach der Niederlage <strong>in</strong> Königgrätz 1866<br />
endgültig durch. Durch das Staatsgrundgesetz 1867 erfolgte e<strong>in</strong>e endgültige Verstaatlichung der<br />
Schule und die Kirche wurde wieder zurückgedrängt. Dies wurde im ´´Schule-Kirche-Gesetz´´ im<br />
Mai 1868 durchgeführt. <strong>Das</strong> führte auch dazu, wie schon oben erwähnt, dass sich die Parteien<br />
immer mehr <strong>in</strong> die Schulpolitik e<strong>in</strong>mischten. 266<br />
Im Bereich der Volksschule entwickelte sich das ´´Reichsvolksschulgesetz´´ 267 im Jahre 1869 durch<br />
den Unterrichtsm<strong>in</strong>ister Leopold Ritter Hasner von Artha 268 . Die Volksschule trat an die Stelle der<br />
Trivial- und der Hauptschule und sie sollte so viele Klassen umfassen wie ihr Jahrgänge<br />
entsprachen. Religion verlor den Posten als Hauptfach und die Kirche durfte nur mehr über den<br />
Religionsunterricht bestimmen. Neben den Volksschulen entstanden <strong>in</strong> größeren Orten auch noch<br />
Bürgerschulen (bis dah<strong>in</strong> hießen sie Hauptschulen 269 ), die nach fünf Jahren Volksschule vertiefend,<br />
parallel als Oberstufenvariante neben der Volksschule, für drei Jahre, gewählt werden konnten.<br />
Privatschulen konnte man auch e<strong>in</strong>richten, doch man musste sich an die Vorlagen des Staates<br />
halten. 270 Die allgeme<strong>in</strong>e Schulpflicht wurde verlängert. Jedoch waren K<strong>in</strong>der, welche <strong>in</strong> Fabriken,<br />
Bergwerken, etc. arbeiteten, davon befreit. Dafür gab es Fabrikschulen. 271 Dort erhielten die<br />
ärmsten Arbeiterk<strong>in</strong>der Unterricht, doch die Verhältnisse dort waren katastrophal. 1885 wurde die<br />
264 Vgl. Ebda, S.48.<br />
265 Vgl. Ebda, S. 51-54.<br />
266 Vgl. Ebda, S. 56-57.<br />
267 Ebda, S. 57.<br />
268 Ritter Hasner von Artha: geboren 1818 (Prag), gestorben 1891 (Bad Ischl). Er war Jurist, Nationalökonom und<br />
Staatsmann und von 1867-1870 Unterrichtsm<strong>in</strong>ister. Er setzte 1869 das Reichsvolksschulgesetz durch, also e<strong>in</strong>e<br />
achtjährige Schulpflicht unter staatlicher Beaufsichtigung. Ebenso Gesetze zur Neuordnung der Realschulen und er<br />
rief an der Universität Innsbruck die mediz<strong>in</strong>ische Fakultät <strong>in</strong>s Leben. Zitiert nach: <strong>Das</strong> große Buch der<br />
<strong>Österreich</strong>er, S. 178.<br />
269 Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria Theresia bis 1962, S. 53.<br />
270 Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938. S. 57-60.<br />
271 Vgl. Weiss Sabiene, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>, Die Rolle der Frau <strong>in</strong> 1000 Jahre Geschichte, Graz-Wien –Köln 1996, S. 34.<br />
35
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
K<strong>in</strong>derarbeit geregelt und diese Schulen wurden, durch die verbesserte Lage der Arbeiterk<strong>in</strong>der,<br />
danach langsam aufgelöst. Die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Landwirtschaft erfuhren erst e<strong>in</strong> verbessertes <strong>Das</strong>e<strong>in</strong><br />
nach dem Ersten Weltkrieg, viele auch erst <strong>in</strong> der Zweiten Republik. 272 1908 gab es <strong>in</strong> allen<br />
österreichischen Ländern arbeitende Schulk<strong>in</strong>der. 273<br />
Auch die Realschule erfuhr nach 1867 noch e<strong>in</strong>e Reform. So bestand sie nun aus sieben Klassen,<br />
die sich aus e<strong>in</strong>er vierjährigen Unterrealschule und e<strong>in</strong>er dreijährigen Oberrealschule<br />
zusammensetzten. Weiters konnten Realschulabsolventen e<strong>in</strong>e Ergänzungsmaturitätsprüfung<br />
ablegen, sodass sie mit den Absolventen des Gymnasiums gleichgestellt waren. 274 Somit waren das<br />
Gymnasium nun sprachlich-historisch orientiert und die Realschule mathematisch-<br />
naturwissenschaftlich. Es kam gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu e<strong>in</strong>er Überflutung der<br />
Gymnasien, sodass man beschloss e<strong>in</strong>en neuen Typ e<strong>in</strong>zuführen, auch aus dem Grund, da die<br />
Gymnasien im Bereich der naturwissenschaftlichen Ausbildung h<strong>in</strong>terherh<strong>in</strong>kten. So wurde das<br />
achtjährige Realgymnasium 1908 geschaffen. In diesen Schulen waren sowohl der Humanismus als<br />
auch der Realismus vorherrschend. Sie waren vor allem gedacht für e<strong>in</strong>e Ausbildung mit<br />
Vorbereitung auf die Beamtenlaufbahn, während die Gymnasien eher für die Elitenausbildung<br />
zuständig waren. 275 Frau Buchmann erklärt, dass schon im Jahr 1864 e<strong>in</strong>e Unterstufe des<br />
Realgymnasiums geschaffen wurde. Es sollte als Vorbereitung für die Oberstufe des Gymnasiums<br />
und der Realschule gelten. 276<br />
Auch im Bereich der Berufsschulen tat sich e<strong>in</strong>iges. Es war nun wichtig, sich um jene Schüler zu<br />
kümmern, die nach der Volksschule e<strong>in</strong> Gewerbe erlernen sollten und daher diverse spezielle<br />
Fähigkeiten beherrschen mussten. Dies nahm man aber erst <strong>in</strong> der zweiten Phase des Liberalismus<br />
<strong>in</strong> Angriff. So wurden höhere Fachschulen beziehungsweise Gewerbeschulen,<br />
Werkmeisterfachschulen, Fachschulen, fachliche Fortbildungsschulen und allgeme<strong>in</strong>-gewerbliche<br />
Fortbildungsschulen für das technisch-gewerbliche <strong>Schulwesen</strong> geschaffen. 277 Für das<br />
kaufmännische <strong>Schulwesen</strong> wurden Handelsakademien und Handelsschulen, welche privat waren,<br />
272<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938. S. 63-64.<br />
273<br />
Vgl. Weiss, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>, S. 34.<br />
274<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938. S. 64-67.<br />
275<br />
Vgl. Ebda, S. 67-70.<br />
276<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des Schulrechts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 16.<br />
277 Vgl. Ebda, S. 75-78.<br />
36
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. Als niederste Form <strong>in</strong> diesem Bereich galt die kaufmännische Fortbildungsschule. 278<br />
Im Bezug auf das 20. Jahrhundert und die K<strong>in</strong>der und Jugendlichen sei noch zu erwähnen, dass sie<br />
etwas ganz Neues erhielten, was die K<strong>in</strong>der vor ihnen nicht hatten, und zwar e<strong>in</strong>en eigenen Bereich<br />
neben der Schule, der Familie und der Verwandtschaft. Es entwickelten sich Jugendbewegungen<br />
und die Jungen und Mädchen emanzipierten sich immer mehr. 279<br />
1.7. Veränderungen <strong>in</strong> der 1. Republik<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg veränderte sich viel für <strong>Österreich</strong>. Die Donaumonarchie zerfiel und<br />
<strong>Österreich</strong> wurde zu e<strong>in</strong>er demokratischen Republik. Nun wollte man auch das <strong>Schulwesen</strong><br />
demokratischer machen. Vor allem wurde die Schulpolitik von den zwei großen Parteien, der<br />
Christlichsozialen Partei und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, bestimmt und von ihren<br />
Konflikten. 280 Man kann die Zeit von 1918 bis 1933/34 <strong>in</strong> drei Phasen e<strong>in</strong>teilen: Die erste Phase,<br />
von 1918 bis 1920, wurde dom<strong>in</strong>iert von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Geme<strong>in</strong>sam mit<br />
den Christlichsozialen wurde e<strong>in</strong>e Koalitionsregierung unter Karl Renner 281 geführt. In der Phase<br />
von 1920 bis 1927 g<strong>in</strong>g es vor allem um die Sanierung der Währung und der Wirtschaft. Vor allem<br />
Bundeskanzler Ignaz Seipel 282 prägte diese Phase stark. In der letzten Phase von 1927 bis 1933/34<br />
fand e<strong>in</strong>e Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage <strong>Österreich</strong>s statt. Seipel trat zurück und se<strong>in</strong>e<br />
Nachfolger hatten schwer mit den aufkeimenden faschistischen und nationalsozialistischen<br />
Tendenzen zu kämpfen. Unter dem neuen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß 283 kam es zur<br />
Auslöschung des Parlamentes und damit auch der Demokratie. Diese f<strong>in</strong>anziellen Misslagen und<br />
278 Vgl. Ebda, S. 80-81.<br />
279 Vgl. Schöneberg, Schulen, S. 227.<br />
280 Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des Schulrechts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 28.<br />
281 Karl Renner: geboren 1870 (Untertannowotz/Mähren), gestorben 1950 (Wien). Sozialdemokrat aus <strong>Österreich</strong>. Er<br />
war von 1918-1920 Staatskanzler und von 1945-1950 Bundespräsident. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon,<br />
S. 692.<br />
282 Ignaz Seipel: geboren 1876 (Wien), gestorben 1932 (Pernitz). Er war Staatsmann <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> und katholischer<br />
Theologe. Von 1922-1924 und von 1926-1929 war er Bundeskanzler. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S.<br />
767.<br />
283 Engelbert Dollfuß: Geboren 1892 (Tex<strong>in</strong>g/NÖ), gestorben 1934 (ermordet/Wien). Er war von 1932 bis 1934<br />
Bundeskanzler <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>er. Er schaltete alle anderen Parteien aus und baute e<strong>in</strong>e ständestaatliche Regierung auf.<br />
Starb als Opfer e<strong>in</strong>es nationalsozialistischen Putsches. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 5, S. 282.<br />
37
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
der Umschwung <strong>in</strong> der Politik wirkten sich natürlich <strong>in</strong> Folge auch auf das Schulsystem aus. 284<br />
1919 übernahm der Sozialdemokrat Otto Glöckel 285 die Unterrichtsverwaltung. Er wollte die<br />
Volksbildung heben und e<strong>in</strong>e gerechte Auslese der Jugend für das Studium e<strong>in</strong>führen, sowie eben<br />
e<strong>in</strong>e demokratische Schulverwaltung. 286 Man wollte durch die Demokratisierung erreichen, dass<br />
auch Arbeiter- und Bauernk<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>en besseren Zugang zu den Mittelschulen und Schüler, Eltern<br />
und Lehrer mehr Mitspracherecht im Bereich der Schule bekamen. 287<br />
In <strong>Österreich</strong> galten damals im Bereich der Schulen noch das ´´Schule-Kirche-Gesetz´´, das<br />
Reichsvolksschulgesetz und die Reformen der Gymnasien und der Realschulen aus der<br />
Monarchie. 288<br />
Für die sechs- bis zehnjährigen gab es damals e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Volksschule. Nach dieser<br />
Volksschule konnte man e<strong>in</strong>e höhere Bildung auf e<strong>in</strong>er Mittelschule erhalten oder man besuchte<br />
e<strong>in</strong>e Pflichtschule bis zur Vollendung der Schulpflicht. Leider war noch immer die soziale und<br />
wirtschaftliche Stellung der Eltern maßgebend dafür, ob e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>e der Mittelschulen oder<br />
nur auf die Pflichtschule kam. E<strong>in</strong>e Entscheidung, welchen Beruf man wählen wollte, konnte man<br />
ab dem 14. Lebensjahr treffen. 289 Pflichtschulen waren die Bürgerschulen, mit Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />
höheren Bildung. Gymnasien und Realschulen blieben die Mittelschulen zwischen den<br />
Volksschulen und den Hochschulen. Die Volksschulen konnte man bis zum Ende der Schulpflicht,<br />
also 8 Jahre lang, besuchen. Die Bürgerschule ab der 6. Schulstufe bis h<strong>in</strong> zur 8. Schulstufe und die<br />
Gymnasien, Realgymnasien oder die Realschule von der 5. bis h<strong>in</strong> zur 12. Schulstufe. Ab der 8.<br />
Schulstufe konnte man e<strong>in</strong>e Fachschule besuchen. 290<br />
1920 trat e<strong>in</strong>e Verfassung <strong>in</strong> Kraft <strong>in</strong> welcher bestimmt wurde, dass der Wirkungsbereich des<br />
Bundes und der Bundesländer im Bereich des Schul-, Erziehungs- und Volksschulwesens durch e<strong>in</strong><br />
284<br />
Vgl. Engelbrecht Helmut, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, von 1918 bis zur Gegenwart, Wien<br />
1988,S. 18-21.<br />
285<br />
Otto Glöckel: geboren 1874 (Pottendorf/NÖ), gestorben 1935 (Wien). Er war Schulreformer und<br />
sozialdemokratischer Politiker <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Se<strong>in</strong>e Reformen <strong>in</strong> der 1. Republik hatten folgende Ziele:<br />
Chancengleichheit durch Abbau von Bildungsbarrieren, soziale Integration und Abschaffung des kirchlichen<br />
E<strong>in</strong>flusses. Er war erfolgreich beim Ausbau des Sonderschulwesens. Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S.<br />
156.<br />
286<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des Schulrechts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 28.<br />
287<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750 – 1938. S. 83.<br />
288<br />
Vgl. Ebda, S. 82.<br />
289<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des Schulrechts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 28-29.<br />
290<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750 – 1938. S. 85-86.<br />
38
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
bestimmtes Bundesverfassungsgesetz geregelt werden sollte. Dies trat erst 1962 wirklich <strong>in</strong><br />
Kraft. 291<br />
Es g<strong>in</strong>g dabei darum, dass die bestehenden Regelungen nur durch Übere<strong>in</strong>stimmung des Bundes<br />
und der daran beteiligten Länder abgeändert werden konnten. Auch <strong>in</strong> den Novellierungen <strong>in</strong> den<br />
Jahren 1925 und 1929 blieb man dabei. 292<br />
Nur <strong>in</strong> Burgenland, welches erst 1921 zu <strong>Österreich</strong> kam galten die alten Schulreformen nicht, dort<br />
wurde die Schule noch konfessionell geführt und dies wurde dort auch beibehalten. 293 Erst der<br />
Ständestaat und danach der Nationalsozialismus konnten die ungarischen Schulgesetze außer Kraft<br />
setzen. 294<br />
Vor 1920 trug, wie erwähnt, Otto Glöckel die Reformversuche der Schule und von 1920 bis 1934<br />
war der Wiener Stadtschulrat dafür zuständig, wo Glöckel ab 1922 als Präsident wirkte. Diese Phase<br />
wird als ´´Wiener Schulreform´´ bezeichnet. 295 Gefordert wurde vor allem e<strong>in</strong>e Reform der<br />
Mittelschulen. 296 Der Wiener Stadtschulrat übernahm dann, schlussendlich, die Funktion des<br />
Bezirksschulrates und des Landeschulrates. Die Kirchen bekamen nur Mitspracherecht im Bereich<br />
des Religionsunterrichtes. 297<br />
Die Reformideen sahen so aus, dass man, im Zuge der Demokratisierung, die Sekundarstufe I<br />
vere<strong>in</strong>heitlichen wollte, es sollte also e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Mittelschule geben, nach der 4. Klasse der<br />
Volksschule, mit zwei verschiedenen Klassenzügen. 298 Diese zwei Klassenzüge hatten<br />
unterschiedliche Niveaus und im Klassenzug I sollten leistungshomogene Gruppen geschaffen<br />
werden. 299 Es gab sechs Schulen <strong>in</strong> Wien, <strong>in</strong> welchen dieses Konzept erprobt wurde. Unterrichtet<br />
wurde <strong>in</strong> diesen allgeme<strong>in</strong>en Mittelschulen von Bürgerschullehren und Mittelschullehrer. Für die<br />
Oberstufe wurden Komb<strong>in</strong>ationen von diversen Typen vorgeschlagen. 300 Außerhalb Wiens fand<br />
diese Reformbewegung wenig Anklang. 301<br />
1927 kam es zu e<strong>in</strong>em neuen Mittelschulgesetz. Es gab e<strong>in</strong>e neue vierklassige Mittelstufenform, die<br />
291<br />
Vgl. Ebda, S. 82.83.<br />
292<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, S. 25-26.<br />
293<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750-1938. S. 82-83.<br />
294<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, S. 131.<br />
295<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750-1938. S. 83.<br />
296<br />
Vgl. Ebda, S. 88.<br />
297<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht unter Maria Theresia bis 1962, S. 59.<br />
298<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938. S. 89-90.<br />
299<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, S. 76.<br />
300<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938. S. 94.<br />
301<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, S. 79.<br />
39
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Hauptschule, vorher hieß sie Bürgerschule, mit zwei Klassenzügen (im ersten Klassenzug zum<br />
Beispiel Fremdsprachen als Wahlfächer). Ziel der Hauptschulen waren das Erlangen e<strong>in</strong>er<br />
abschließenden Bildung nach der 4. Klasse der Volksschule und auch die Vorbereitung fähiger<br />
Schüler auf den Übertritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Mittelschule oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e berufsbildende Fachschule. Damit wurde<br />
die Bürgerschule (wieder) von der Hauptschule abgelöst.<br />
<strong>Das</strong> ´´Mittelschulgesetz´´ wurde für die Gymnasien und die Realschulen entworfen. Die<br />
Mittelschulen wurden nun als achtklassige Schulen festgelegt, mit e<strong>in</strong>er Ober- und e<strong>in</strong>er Unterstufe.<br />
Man konnte sie nach der vierten Klasse der Volksschule besuchen und man konnte auch aus der<br />
Hauptschule, nach der ersten Klasse, dorth<strong>in</strong> wechseln. Es gab vier Typen: das Gymnasium (mit<br />
Late<strong>in</strong> und Griechisch), das Realgymnasium (mit Late<strong>in</strong> und lebenden Fremdsprachen),<br />
Realschulen (lebende Fremdsprachen) und Frauenoberschulen (dazu mehr im Kapitel zur<br />
Mädchenerziehung 302 ).<br />
Weiters wurden Aufbaumittelschulen (für fähige Schüler nach der Vollendung der Schulpflicht) und<br />
Arbeitermittelschulen (mehrjährige Kurse für Berufstätige) e<strong>in</strong>gerichtet. Es gab auch immer noch<br />
e<strong>in</strong>e Oberstufe der Volksschule bis zur 8. Schulstufe, für eher schwächere Schüler, und weiterh<strong>in</strong><br />
noch die Fachschulen.<br />
Im Bereich der Berufsschulen gab es die zweiklassige Handelsschulen, die vierklassigen<br />
Handelsakademien oder auch die gewerblich-technischen Mittelschulen. 303<br />
Auch das <strong>Schulwesen</strong> für lernbeh<strong>in</strong>derte Schüler wurde <strong>in</strong> der 1. Republik ausgebaut. Der Staat<br />
übernahm viele solcher privaten Sonderanstalten, baute sie aus und machten sie öffentlich. Doch<br />
beschränkte f<strong>in</strong>anzielle Mittel setzten dem Staat auch hier Grenzen. Trotz allem gab es e<strong>in</strong>e<br />
fruchtbare Weiterentwicklung im Bereich der ´´Abnormpädagogik´´ 304 , wie der Pädagogikbereich<br />
der Lernbeh<strong>in</strong>derten damals genannt wurde. 305 Es gab auch noch weiterh<strong>in</strong> Erziehungsanstalten für<br />
schwererziehbare K<strong>in</strong>der und Jugendliche und im Jahre 1929 wurden für junge Rechtsbrecher<br />
eigene Bundesanstalten geschaffen. 306 <strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> der M<strong>in</strong>derheiten <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> wies e<strong>in</strong>e<br />
andere Entwicklung auf und es gab nur grobe Richtl<strong>in</strong>ien. In Kärnten konnte man zum Beispiel<br />
erkennen, dass man eher versuchte die Slowenen im Bereich der Schule zu unterdrücken und zu<br />
302 Verweis: zur Mädchenerziehung für diese Zeit siehe Kapitel 2.2.4. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg Seite 86.<br />
303 Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750 – 1938. S. 94-99.<br />
304 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, S. 157.<br />
305 Vgl. Ebda, S. 156-157.<br />
306 Vgl. Ebda, S. 171-174.<br />
40
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
assimilieren, man wollte ihr Gedankengut unterdrücken. 307 Im Bereich der Universitäten gab es e<strong>in</strong>e<br />
geistige Erlahmung, da viele Professoren, aufgrund des Fehlens von f<strong>in</strong>anziellen Mitteln,<br />
Auslandsprofessuren annahmen. 1938 kam es dann endgültig zur Vertreibung von fähigen<br />
Wissenschaftlern aus <strong>Österreich</strong>, was dann zu e<strong>in</strong>em elenden Zustand des tertiären<br />
Bildungsbereiches führte. 308<br />
Durch die zweite Bundes-Verfassungs-Novelle aus dem Jahr 1929 wurde erneut festgelegt, dass die<br />
oberste Leitung und Aufsicht des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesen dem Bund unterstellt<br />
war. 309<br />
1.8. Die Schule im Ständestaat: 1934-1938<br />
Vom Gesichtspunkt der Schülerpersönlichkeit nämlich stellt sich das vaterländische Erziehungs-<br />
und Bildungswerk als fortschreitende Verwirklichung dieses Zieles im jungen Menschen, d.i. als<br />
pädagogischer Stufenbau dar, <strong>in</strong> dem der Schüler im Maße der Entfaltung se<strong>in</strong>er geistigen Kräfte<br />
von e<strong>in</strong>em triebhaften Gefühls- und Willenspatriotismus allmählich zu e<strong>in</strong>em begrifflich geklärten<br />
und ideell gefestigten <strong>Österreich</strong>bewusstse<strong>in</strong> emporsteigt. 310<br />
Im März des Jahres 1933 kam es zur Ausschaltung des Nationalrates und damit endete die Erste<br />
Republik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Im Mai 1934 trat die ständestaatliche Verfassung <strong>in</strong> Kraft. <strong>Österreich</strong> war<br />
nun e<strong>in</strong> autoritärer Staat und berufsständisch gegliedert 311 . 312 Auch für die Schulen bedeutet dies<br />
e<strong>in</strong>e Veränderung und auch neue Grundlagen im Bezug auf das Recht. 1934 kamen die<br />
Reformbestrebungen zu e<strong>in</strong>em Ende, da die Politiker der Sozialdemokraten, die für den Bereich<br />
307<br />
Vgl. Ebda, S. 175, 181.<br />
308<br />
Vgl. Ebda, S. 220.<br />
309<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht unter Maria Theresia bis 1962, S. 60.<br />
310<br />
Benda Oskar, Erziehung und Bildung im österreichischem Geist, Wien-Leipzig 1936. (=Schriften des pädagogischen<br />
Institutes der Stadt Wien), S. 3.<br />
311<br />
Austrofaschismus: E<strong>in</strong>e politische Bewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> seit 1918, stützte sich auf den rechten Flügel der<br />
Heimwehren. Sie bekämpften die SPÖ und waren vom italienischen Faschismus bee<strong>in</strong>flusst. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Taschenlexikon, Bd. 2 Ahn-Bahn, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 299.<br />
312<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des Schulrechts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 33.<br />
41
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Schule zuständig waren, aus ihren Ämtern entfernt wurden. 313 Die Nationalsozialisten, die<br />
Kommunisten, der Republikanische Schutzbund 314 und auch die Sozialdemokraten mussten sich<br />
auflösen. 315 Die Oberhand über das <strong>Schulwesen</strong> hatte der Bund. 316 Die Länder waren für die<br />
Ausführungsgesetzgebung zuständig. Als Partei wurde nur mehr die Vaterländische Front 317<br />
akzeptiert. 318<br />
1934 gab es e<strong>in</strong>e neue Verfassung, <strong>in</strong> welcher auch die Verhandlungen von <strong>Österreich</strong> und der<br />
katholischen Kirche 1933 festgehalten wurden. Die katholischen Privatschulen erhielten danach<br />
staatliche Zuschüsse, dafür mussten sie die öffentlichen Schulen entlasten. 319 Weiters behielt die<br />
Kirche die Oberaufsicht über den Religionsunterricht. 320 Durch das Konkordat konnte die Kirche<br />
also wieder e<strong>in</strong>ige staatliche Bereiche zurückerobern, als Gegenleistung unterstütze sie das<br />
autoritäre Regime. 321 <strong>Das</strong> katholische <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> wurde wieder gefördert und der<br />
autoritäre Staat trieb die Entwicklung zu öffentlichen katholischen Schulen voran. 322<br />
Weiters fand die Demokratisierung der Schulen e<strong>in</strong> Ende. So kam es zu Elim<strong>in</strong>ierungen von<br />
diversen Maßnahmen. Durch die Verordnung ´´Mittelschule´´ wurde der Fremdsprachenunterricht<br />
schon <strong>in</strong> die ersten Klassen <strong>in</strong> den Mittelschulen vorgezogen und ebenso wurde der Late<strong>in</strong>unterricht<br />
mehr <strong>in</strong> den Mittelpunkt gestellt. 323 <strong>Das</strong> Realgymnasium verlor se<strong>in</strong>en Status und wurde zu e<strong>in</strong>er<br />
Variante des Gymnasiums (statt Griechisch wurde e<strong>in</strong>e lebende Fremdsprache angeboten). Damit<br />
verlor das Realgymnasium se<strong>in</strong>e Zwischenstellung und es gab nur mehr die Typen Gymnasium und<br />
Realschule. Auch der fremdsprachliche Unterricht wurde <strong>in</strong> den Mittelschulen ausgebaut. Die<br />
realistischen Fächer erfuhren e<strong>in</strong>e Zurückdrängung. Vor allem im neu gestalteten Turnunterricht<br />
wurde klar, dass die Wehrbereitschaft und Kampfbereitschaft der Burschen gesteigert werden<br />
313<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750 – 1938. S. 102.<br />
314<br />
Republikanischer Schutzbund: E<strong>in</strong> Wehrverband der SPÖ, welcher 1923 gegründet wurde zur Verteidigung der<br />
Republik. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 18 Pur-Rt, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 207.<br />
315<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, S. 264.<br />
316<br />
Vgl. Buchmann, Die Entwicklung des Schulrechts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 33.<br />
317<br />
Vaterländische Front: E<strong>in</strong>e politische Bewegung, welche 1933 von Engelbert Dollfuß gegründet wurde. Sie vertrat<br />
die Selbstständigkeit von <strong>Österreich</strong> und e<strong>in</strong>en autoritär-ständestaatliche Gesellschaftsaufbau. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Taschenlexikon, Bd. 23 Unt-Wat, Mannheim-Wien-Zürich 1983, S. 89.<br />
318<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht unter Maria Theresia bis 1962, S. 61.<br />
319<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938. S. 102-103.<br />
320<br />
Vgl. Jocham, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht unter Maria Theresia bis 1962, S. 61.<br />
321<br />
Vgl. Ebda, S. 64.<br />
322<br />
Vgl. Lederhilger Carmen, Bildung und Erziehung <strong>in</strong> katholischen Schulen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im 20. Jahrhundert am<br />
Beispiel des Stiftsgymnasiums Schlierbach, Dipl., Graz, 2005, S. 20.<br />
323<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750–1938. S. 102-103.<br />
42
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
sollte. 324<br />
Bei den Hauptschulen gab es nur mehr e<strong>in</strong>en Klassenzug. Stattdessen gab es Abschlussklassen <strong>in</strong><br />
den Volksschulen für die leistungsschwächeren Schüler. In die Hauptschulen kamen somit<br />
leistungsstärkere Schüler, e<strong>in</strong> Übertritt <strong>in</strong> die Mittelschule war durch Lehrplanänderungen nicht<br />
mehr möglich, es sei denn man machte e<strong>in</strong>e strenge Aufnahmeprüfung. 325 Man konnte also nun <strong>in</strong><br />
den Volksschulen die 5. bis h<strong>in</strong> zur 7. Schulstufe besuchen. Dies gab es vor allem für jene Schüler,<br />
die für die Hauptschule als ´´nicht geeignet´´ empfunden wurden. 326 Neue Grundsätze im Unterricht<br />
waren zum Beispiel vaterländisches Handeln und Denken, Volkstreuheit, Religiosität, Sittlichkeit,<br />
etc. 327<br />
Die Bundeserziehungsanstalten erfuhren e<strong>in</strong>en Imageschaden, da 1933 drei Zögl<strong>in</strong>ge der<br />
Bundeserziehungsanstalt Traiskirchen dabei erwischt wurden, wie sie bei nationalsozialistischen<br />
Terroranschlägen mitmachten. Dies führte zu e<strong>in</strong>er strengeren Führung dieser Anstalten. Die<br />
Arbeitermittelschulen und die Aufbauschulen wurden beibehalten, sie wurden aber <strong>in</strong> das System<br />
der Mittelschulen e<strong>in</strong>gegliedert. 328 Bei den berufsbildenden Schulen hielten sich die Veränderungen<br />
<strong>in</strong> Grenzen. <strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> für Handel, Verkehr, für den kaufmännischen und gewerblichen<br />
Bereich erfuhr sogar e<strong>in</strong>e Aufwertung und die Anzahl der Schüler stieg. 329 Die Universitäten<br />
wurden auch stärker kontrolliert, denn man sah die Studenten und die Professoren als e<strong>in</strong>e<br />
aufrührerische Masse und man sah sie als ´´personelles Hauptreservoir des illegalen<br />
Nationalsozialismus´´. 330<br />
Für die Jugendlichen wurde das ´´<strong>Österreich</strong>ische Jungvolk´´, e<strong>in</strong>e Jugendorganisation, e<strong>in</strong>gerichtet.<br />
Man wollte die Jugendlichen so auch politisch b<strong>in</strong>den, wobei die Mitgliedschaft als eher freiwillig<br />
gesehen wurde. 331<br />
Vor dem Anschluss an das Deutsche Reich gab es <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> viele Privatschulen, vor allem viele<br />
von Orden errichtete Schulen. Ebenso wurden schon 1934 die Juden <strong>in</strong> eigene Klassen gegeben. Als<br />
324<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, S. 282-284.<br />
325<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von 1750 – 1938. S. 102-103.<br />
326<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, S. 276.<br />
327<br />
Vgl. Ebda, S. 281.<br />
328<br />
Vgl. Ebda, S. 286-288.<br />
329<br />
Vgl. Ebda, S. 288.<br />
330<br />
Vgl. Ebda, S. 297.<br />
331<br />
Vgl. Müller, Die Mobilisierung der Körper, S. 47.<br />
43
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Grund gab man an, dass es besser wäre die Schüler mit unterschiedlichen Konfessionen im<br />
Unterricht zu trennen. 332<br />
332 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.5, S. 300-303.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
II. Geschichte der Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> vom Mittelalter bis <strong>in</strong>s 20.<br />
Jahrhundert<br />
2.1. E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Stellung der Frau im Laufe der Geschichte<br />
2.1.1. Die Frau im Mittelalter<br />
Erst <strong>in</strong> der Zweiten Republik gab es <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, im Zuge der 5. Schulnovelle aus dem Jahr 1975,<br />
die Aufhebung der Geschlechtertrennung an den öffentlichen Schulen: ´´Öffentliche Schulen s<strong>in</strong>d<br />
allgeme<strong>in</strong> ohne Unterschied der Geburt, der Rasse, des Geschlechts, des Standes, der Klasse, der<br />
Sprache und des Bekenntnisses zugänglich.´´(§ 4 Abs. 1). 333 Doch bis es dazu kam, war es e<strong>in</strong><br />
langer Weg.<br />
Schon <strong>in</strong> der Antike sahen die großen Denker die Frauen als e<strong>in</strong> m<strong>in</strong>deres Wesen an. So betitelte<br />
Aristoteles sie als ´´Mängelwesen´´ und Platon erkannte <strong>in</strong> den Frauen Verkörperungen der niederen<br />
Seelenkräfte. 334 E<strong>in</strong> Anhänger von Platon 335 , Philon von Alexandria 336 , sah als Symbol des<br />
menschlichen Geistes den Mann und als Symbol der s<strong>in</strong>nlichen, leiblichen Welt die Frau. So galten<br />
die Frauen als Bedrohung, denn sie wurden mit Körperlichkeit und Fleischlichkeit identifiziert.<br />
Dies führte auch zu e<strong>in</strong>er Abwertung der Frauen. 337<br />
Es gibt auch unter den Menschen e<strong>in</strong>e natürliche Ordnung, derenfolge die Frauen den Männern<br />
und die Söhne den Eltern dienen, denn gerade dort zeigt sich diese Gerechtigkeit, dass der Mensch<br />
mit schwächerem Denkvermögen dem stärkeren dient. Dar<strong>in</strong> besteht nämlich für das Verhältnis von<br />
333 Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 29.<br />
334 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 34.<br />
335 Plato: geboren 427v. Chr. <strong>in</strong> Athen, gestorben 347 v. Chr. <strong>in</strong> Athen. Er war e<strong>in</strong> griechischer Philosoph und Schüler<br />
des Sokrates. Er begründete die Akademien <strong>in</strong> Athen. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 641-642.<br />
336 Philon von Alexandria: geboren um 25 v. Chr., gestorben um 50 n.Chr. Er war e<strong>in</strong> jüdisch-hellenistischer Philosoph.<br />
Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 632.<br />
337 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 34-36.<br />
45
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Herren und Sklaven diese wahre Gerechtigkeit, dass diejenigen, die sich durch Verstand<br />
auszeichnen, auch an Herrschaft hervorragen. 338 August<strong>in</strong>us ( 354-430)<br />
Im antiken Vorderen Orient entstand der archaische Staat im 2. Jahrtausend vor Christus. Dieses<br />
stramm durchstrukturierte System, welches auf Unterdrückung und Herrschaft des e<strong>in</strong>en über den<br />
anderen aufgebaut wurde, war auch e<strong>in</strong> System, das den Staat erhielt und lebensfähig machte. Der<br />
Mann hatte die Kontrolle über se<strong>in</strong>e Familie sowie der König se<strong>in</strong>e Untertanen und Soldaten<br />
kontrollierte. <strong>Das</strong> Patriarchat half dem hierarchischen System zu überleben, darum hielt sich diese<br />
sexuelle und soziale Kontrolle über Jahrhunderte. Die patriarchalisch organisierte Familie war der<br />
Grundstock, auf den der Staat aufbaute, das heißt also, dass die kle<strong>in</strong>ste E<strong>in</strong>heit im Staat<br />
funktionieren musste, sodass auch der Staat funktionieren konnte. Frauen mussten dieses System<br />
auch erhalten. Man h<strong>in</strong>derte sie daran, das System kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen, darum hielt man sie von<br />
Bildung fern. Die Frauen versuchten auch gar nicht sich dagegen zu wehren, denn diese<br />
Rollenverteilung wurde ihnen mehr oder weniger <strong>in</strong> die Wiege gelegt, sodass sie gar nicht auf die<br />
Idee kamen, etwas zu verändern. 339<br />
Ebenso war die Sexualität der Frau schon seit dem Beg<strong>in</strong>n der Kultur des Westens mehr oder<br />
weniger e<strong>in</strong> Produkt. Die Männer hatten Rechte den Frauen gegenüber und sie nutzten auch deren<br />
Fruchtbarkeit und die Fähigkeit K<strong>in</strong>der zu gebären, um damit den Nachwuchs zu sichern, aus. Dies<br />
war umgekehrt nicht so. In Mesopotamien wurden Frauen schon ca. 2000 Jahre vor Christus als<br />
Prostituierte, als Ehefrau oder auch als Sklav<strong>in</strong> verkauft. 340 Ebenso gab es damals die sexuelle<br />
Ausbeutung von Frauen aus der unteren Schicht durch Männer aus der oberen Schicht, genauso wie<br />
es dies später, zum Beispiel im 19. und 20. Jahrhundert, noch gab. 341<br />
Alles <strong>in</strong> allem begann die Geschichte des Mannes für die Gesellschaft ca. 3000 Jahre vor Christus,<br />
die der Frau mehr oder weniger erst im 19. Jahrhundert. 342<br />
Dieses Denken hält sich über lange Zeit im abendländischen Raum. Auch im Mittelalter herrschte<br />
das patriarchalische System. Der Mann ist der Herr im Haus und beherrscht se<strong>in</strong>e ´´famiglia´´. Trotz<br />
allem wird auf die Frau als Arbeiter<strong>in</strong> am Hof, auf den Feldern, <strong>in</strong> den Betrieben der Handwerker,<br />
338 Ebda, S. 37.<br />
339 Vgl. Lerner Gerda, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt-New York 1991, S. 268-271.<br />
340 Vgl. Ebda, S. 263-264.<br />
341 Vgl. Ebda, S. 266.<br />
342 Vgl. Ebda, S. 280.<br />
46
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
<strong>in</strong> anderen Gewerben und im Handel nicht verzichtet. Parallel zu dem patriarchalischen System gab<br />
es aber Bereiche, wo die Frau Verehrung fand. Dies geschah zum Beispiel durch die M<strong>in</strong>nesänger<br />
und die Troubadours. E<strong>in</strong>ige Mädchen, aus der adeligen Schicht, hatten <strong>in</strong> Frauenklöstern und<br />
Frauenorden die Möglichkeit lesen und schreiben zu lernen. Sehr gebildete Nonnen konnten sogar<br />
Late<strong>in</strong>. Adelige Frauen konnten Nonnen oder Äbtiss<strong>in</strong>nen werden und sich dadurch <strong>in</strong> den Klöstern<br />
etablieren, zum Beispiel als Philosoph<strong>in</strong>nen, Ärzt<strong>in</strong>nen, Mystiker<strong>in</strong>nen oder auch Dichter<strong>in</strong>nen.<br />
Durch die Gründung von Universitäten im 13. Jahrhundert, an denen nur Männer studieren durften,<br />
wurde der Ausschluss der Frauen von der höheren Bildung stark ersichtlich. 343 Im Gegensatz dazu<br />
galt aber ab 1156, dass auch Frauen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> das Recht hatten zu herrschen. 344 So vertraten sie<br />
also Herrscher, die e<strong>in</strong>ige Zeit lang abwesend waren oder sie leiteten selber die Regierung, wie es<br />
später Maria Theresia tat. 345<br />
Stärker wurde die Frauenfe<strong>in</strong>dlichkeit wieder <strong>in</strong> der Karol<strong>in</strong>gerzeit 346 . Zu dieser Zeit versuchte man<br />
die Polygamie 347 zu verh<strong>in</strong>dern. Die Ehe und die Monogamie 348 wurden zu e<strong>in</strong>er Basis der<br />
Gesellschaft. So hatten unverheiratete Frauen denkbar schlechte Karten zu dieser Zeit und es<br />
häuften sich auch Anklagen wegen Hexerei. 349<br />
Bei der Planung der Frauen, wie sie ihr Leben verbr<strong>in</strong>gen wollten, hatten sie nur drei<br />
Möglichkeiten: entweder sie traten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ehe e<strong>in</strong>, verzichteten darauf und g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>s Kloster oder<br />
sie blieben unfreiwillig ehelos und fristeten ihr <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> als Dienstbot<strong>in</strong>nen. Auch für Witwen,<br />
Jungfrauen und andere alle<strong>in</strong>stehende Frauen bot das Kloster Schutz, den sie sonst vom Vater oder<br />
vom Ehemann bekamen. Vor allem wurden sie im Kloster vor ihrem ´´liederlichen´´ Charakter<br />
beschützt. 350 Die Ehe war für viele das Hauptziel und daher wurde <strong>in</strong> der Erziehung schon darauf<br />
h<strong>in</strong>gearbeitet. Anerzogen wurden den Mädchen Gehorsam gegenüber dem Ehemann, Sittsamkeit<br />
343 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 37-38.<br />
344 Vgl. Weiss, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>, S. 109.<br />
345 Vgl. Pils Susanne Claud<strong>in</strong>e, Frauenleben im 17. Und 18. Jahrhundert. <strong>in</strong> : Aufmüpfig & angepasst. Frauenleben <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums zur NÖ Landesaustellung, Wien/Köln/Weimar<br />
1998, S. 69.<br />
346 Karol<strong>in</strong>ger: Sie waren e<strong>in</strong> fränkisches Herrschergeschlecht, welches nach Karl dem Großen benannt wurde. Ab 751<br />
stellet dieses Geschlecht die Könige für das Deutsche Reich und ab 911 für Frankreich bis 987. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Handlexikon, S. 412.<br />
347 Polygamie: sogenannte Vielehe, also mehrere Partner. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 195.<br />
348 Monogamie: sogenannte E<strong>in</strong>ehe, also nur e<strong>in</strong> Partner. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 195.<br />
349 Vgl. Lerner Gerda, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, Vom Mittelalter bis zur Ersten<br />
Frauenbewegung, Frankfurt-New York 1993, S. 6.<br />
350 Vgl. Weiss, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>, S. 36, 339.<br />
47
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
und e<strong>in</strong> angenehmes Wesen, genauso wie weibliche Handarbeiten und Fähigkeiten, damit die<br />
Ehefrau den Haushalt gut führen konnte. Vermittelt wurde dies von Müttern oder <strong>in</strong> weiblichen<br />
Klosterschulen. Weiters sollten die Mädchen auch s<strong>in</strong>gen und tanzen erlernen, sodass sie ihren<br />
Ehemann unterhalten konnten. Dies hielt sich bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert. 351 Es gab unterschiedliche<br />
Textsorten wie Ehespiegel, Ehezuchten, Ehetraktate oder auch Ehepredigten. In solchen Texten<br />
wurde, zum Beispiel, erklärt, dass es e<strong>in</strong>e Todsünde sei, wenn Frauen während ihrer Menstruation<br />
sexuelles Verlangen zeigten. Wenn der Mann aber Geschlechtsverkehr während dieser Zeit wollte,<br />
dann hatte die Frau se<strong>in</strong>en Wünschen nachzukommen. 352<br />
Für Frauen war es, im Mittelalter, e<strong>in</strong>e schwere Entscheidung zwischen Bildung und dem Leben,<br />
welches e<strong>in</strong>e Frau normalerweise führte, also mit e<strong>in</strong>em Mann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ehegeme<strong>in</strong>schaft und mit<br />
K<strong>in</strong>dern. Gebildete Frauen wurden mehr oder weniger von der Gesellschaft ausgestoßen, denn sie<br />
waren anders und hielten sich nicht an die vorgegebenen Rollen. 353<br />
Falls es zu außerehelichen Sexualbeziehungen kam, dann erfuhren die Frauen e<strong>in</strong>e strenge<br />
Verachtung und wenn durch diese ´´Unzucht´´ auch noch e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d entstand, blieb für viele Frauen<br />
nur mehr die Flucht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e grausame Abtreibung oder sie ermordeten ihre K<strong>in</strong>der. Erst im 18.<br />
Jahrhundert wurden Gebär- und F<strong>in</strong>delanstalten gegründet. 354 Unter Joseph II. wurde das<br />
allgeme<strong>in</strong>e Krankenhaus und im Zuge dessen auch das Wiener Gebärhaus gegründet, welches von<br />
Johann Lukas Boer 355 geleitet wurde. Dies war e<strong>in</strong> Zufluchtsort für ledige Mütter. 356<br />
Die Kirche hatte im Laufe der Zeit zwei unterschiedliche Frauenbilder entwickelt. Die<br />
Stammmutter Eva galt als Verführer<strong>in</strong> und als Grund für den Sündenfall. Auf der anderen Seite<br />
stand Maria, welche das Heil brachte und das Böse besiegte. Die Bibel diente der Kirche auch als<br />
Beleg, dass sich die Frau dem Mann unterzuordnen hatte. Sie galt als m<strong>in</strong>deres Wesen, so wie zum<br />
351 Vgl. Ebda, S. 36.<br />
352 Vgl. Bennewitz, ´´Darum lieben Toechter/seyt nicht zu gar fürwitzig…´´ Deutschsprachige moralisch-didaktische<br />
Literatur des 13. -15. Jahrhunderts, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und<br />
Frauenbildung, Bd. 1, vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt –New York 1996, S. 30.<br />
353 Vgl. Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, S. 278.<br />
354 Vgl. Pils; Frauenleben im 17. Und 18. Jahrhundert, S. 81.<br />
355 Johann Lukas Boer: geboren 1751 (Uffenheim bei Ansbach/D), gestorben 1835 (Wien). Er war Geburtshelfer und<br />
Begründer der Geburtshilfe <strong>in</strong> Wien. Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S. 50.<br />
356 Vgl. Angerer, Vom ´´Schlachtfeld weiblicher Körper, zum sprechenden Körper der Frau´´, Verschiebungen im<br />
Diskurs zur weiblichen Sexualität im 19. Jahrhundert, <strong>in</strong>: Good David F., Grandmer Margarete, Maynes Mary Jo<br />
(Hg.), Frauen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Beiträge zu ihrer Situation im 19. Und 20. Jahrhundert, Wien-Köln-Weimar 1993,S.<br />
194.<br />
48
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Beispiel Aristoteles 357 es <strong>in</strong> der Antike schon sah, und die Kirche sah sie als verh<strong>in</strong>derten Mann,<br />
denn die Frau wurde, laut der Kirche, aus der Rippe von Adam erschaffen. 358<br />
Gegen Ende des Mittelalters erlangte die Frau e<strong>in</strong>e bessere Stellung. In der Stadt waren die Frauen<br />
damals an diversen Produktionen beteiligt, wie zum Beispiel an der Stoffproduktion oder der<br />
Lebensmittelherstellung. Ebenso bekam die Frau im Haushalt e<strong>in</strong>e bessere Stellung und konnte<br />
e<strong>in</strong>iges bestimmen. Weiters waren sie durch diverse Rechte geschützt, jedoch <strong>in</strong> der Bildung und <strong>in</strong><br />
der Politik waren Frauen gegen Ende des Mittelalters weiterh<strong>in</strong> benachteiligt. 359<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Rolle nahm hier auch Christ<strong>in</strong> de Pizan 360 e<strong>in</strong>. Sie forderte e<strong>in</strong>e bessere Bildung für<br />
Frauen und betonte auch immer wieder, dass beide Geschlechter gleich begabt seien. Dies tat sie<br />
zum Beispiel <strong>in</strong> ihrem Werk ´´<strong>Das</strong> Buch von der Stadt der Frauen´´. Christ<strong>in</strong> begann auch die<br />
berühmten Debatten, welche unter ´´Querelle des femmes´´ bekannt und fast vierhundert Jahre lang<br />
weiterbearbeitet wurden. 361 Diskutiert werden zum Beispiel die weibliche Natur und die rechtliche,<br />
<strong>in</strong>tellektuelle und auch moralische Stellung der Frau. In den ´´Querelle des femmes´´ gab es zwei<br />
Lager. So gab es das frauenfe<strong>in</strong>dliche und das frauenfreundliche Lager. Die e<strong>in</strong>en sahen den<br />
Herrschaftsanspruch der Männer e<strong>in</strong> und die anderen wollten e<strong>in</strong>e Besserung der Stellung der Frau<br />
<strong>in</strong> der Gesellschaft und auch im Bildungsbereich. 362<br />
357<br />
Aristoteles: geboren 384 v. Chr., gestorben 322 v.Chr. Er war e<strong>in</strong> griechischer Philosoph, Schüler des Plato und<br />
Lehrer von Alexander dem Großen. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 53.<br />
358<br />
Vgl. Weiss, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>, S. 101.<br />
359<br />
Vgl. Berghofer Beatrix, Die soziale und rechtliche Stellung der Frau am Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, phil. Diss.,<br />
Graz 1984, S. 16.<br />
360<br />
Christ<strong>in</strong> de Pizan: geboren 1365 (Venedig), gestorben nach 1430 (Poissy). Sie war e<strong>in</strong>e französische Dichter<strong>in</strong> und<br />
die erste französische Humanist<strong>in</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Personenlexikon, S. 253.<br />
361<br />
Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 235-237.<br />
362<br />
Vgl. Fietze Kathar<strong>in</strong>a, Frauenbildung <strong>in</strong> der ´´Querelle des femmes´´, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.),<br />
Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Bd. 1, vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt –New York<br />
1996, S. 237.<br />
49
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
2.1.2. Die Frau <strong>in</strong> der Neuzeit<br />
Man möchte glauben, dass sich zu Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit, im 15. / 16. Jahrhundert, das Denken durch<br />
Renaissance und Humanismus stark veränderte, doch dem war nicht so. Die Frauen wurden wieder<br />
mehr e<strong>in</strong>geschränkt, vor allem im Bildungsbereich, weil die Beschäftigung mit den antiken<br />
Philosophen auch die alten Denkweisen wieder bestärkten. So zog sich die Abwertung und die<br />
Ausgrenzung der Frau wie e<strong>in</strong> roter Faden von der Antike bis zur Neuzeit und dies konnte der<br />
Humanismus nicht beenden. Die Leistung, das Wesen und damit die Eigenschaften der Frauen<br />
galten weiterh<strong>in</strong> als etwas weniger Wertvolles im Gegensatz zu den Eigenschaften und Taten der<br />
Männer. So stand dem Mann weiterh<strong>in</strong> zu, Macht über die Frau auszuüben. Nur <strong>in</strong> seltenen Fällen<br />
hatten Frauen ihre eigenen Räume. Es gab <strong>in</strong> früheren Gesellschaften, so auch bei den Kelten 363 , des<br />
Öfteren Zustände, die nicht e<strong>in</strong>er patriarchalen Gesellschaft entsprachen, sondern wo die Frau e<strong>in</strong>en<br />
anderen, e<strong>in</strong>en besseren Stellenwert hatte. 364 Auch <strong>in</strong> der Hausväterliteratur 365 wurde erwähnt, dass,<br />
zum Beispiel, nicht nur Frauen für die Hausarbeit verantwortlich waren, sondern auch Männer. 366<br />
Dies zeigt uns, dass doch e<strong>in</strong>ige noch e<strong>in</strong>e Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau anstrebten.<br />
Vom 15. bis h<strong>in</strong> zum 18. Jahrhundert gab es <strong>in</strong> Europa noch e<strong>in</strong>e weitere Entwicklung, die<br />
ke<strong>in</strong>eswegs positive Effekte hatte. Durch die Bekämpfung von Häresie 367 entwickelte die Kirche<br />
e<strong>in</strong>en wahren Feuereifer diverse Personen, die sie als Zauberer oder Hexen bezeichneten, zu<br />
elim<strong>in</strong>ieren. Man warf e<strong>in</strong>igen Frauen vor, dass sie Unzucht mit dem Teufel trieben oder andere<br />
Menschen mit Magie bee<strong>in</strong>flussten und quälten. Grausame Inquisitionen folgten den Anklagen. 368<br />
Auch <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> breitete sich der Hexenwahn aus. Naturkatastrophen, Ernteschäden oder<br />
363 Kelten: E<strong>in</strong> <strong>in</strong>dogermanisches Volk <strong>in</strong> Westeuropa, welches im 8. Jahrhundert vor Christus sich <strong>in</strong> ganz Europa<br />
verbreitete. <strong>Das</strong> keltische Volkstum ist heute noch <strong>in</strong> Irland, Schottland, der Bretagne und Wales erhalten. Zitiert<br />
nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 419.<br />
364 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 31-33.<br />
365 Hausväterliteratur: E<strong>in</strong>e Gebrauchsliteratur, verwendet <strong>in</strong> der Frühen Neuzeit bis <strong>in</strong>s 18. Jahrhundert, <strong>in</strong> welcher<br />
Anweisungen zur Führung e<strong>in</strong>es Haushalts gegeben werden. Es geht um praktische aber auch um sittliche<br />
Darstellungen. Diese Literatur betont die starke Stellung des Hausvaters. Zitiert nach: Enzyklopädie der Neuzeit,<br />
Bd. 5, Gymnasium-Japanhandel, Stuttgart –Weimar 2007, Sp. 254-256.<br />
366 Vgl. Simon Gertrud, ``Die tüchtige Hausfrau: Gebildet, aber nicht gelehrt´´. <strong>Das</strong> bürgerliche Frauenbild als<br />
Erziehungsziel im 18. Und 19. Jahrhundert, <strong>in</strong>: Brehmer Ilse, Simon Gertrud (Hg.), Geschichte der Frauenbildung<br />
und Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S. 32.<br />
367 Häresie: diverse Glaubensüberzeugungen, die von denen der katholischen Kirche abweichen, zum Beispiel diverse<br />
Sekten. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S.332.<br />
368 Vgl. Weiss, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>, S. 391.<br />
50
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Todesfälle waren Gründe um Frauen wegen Hexerei anzuklagen. Vor allem <strong>in</strong> den Jahren 1640 bis<br />
1683 wurden viele Frauen deshalb h<strong>in</strong>gerichtet. 369 Erst unter Maria Theresia erlahmte und endete<br />
dieses grausame Treiben. 370<br />
E<strong>in</strong>e weitere Folge der neuen Ereignisse, wie zum Beispiel die Entdeckung der neuen Welt 371 und<br />
der damit ansteigende Handel, war die Verdrängung der Frauen aus diversen Berufsbereichen. Die<br />
Männer übernahmen mehr oder weniger die Überhand <strong>in</strong> fast allen Bereichen, wie eben im Handel,<br />
<strong>in</strong> den Zünften 372 , etc. und die Frauen wurden aus diversen Positionen verdrängt, die sie eigentlich<br />
im Mittelalter <strong>in</strong>nehatten. Es gab auch e<strong>in</strong>e Trennung <strong>in</strong> ´´männliche´´ und ´´weibliche´´ Arbeit.<br />
Trotz allem hatten sie im Haus, am Hof oder auch <strong>in</strong> den Handwerksbetrieben e<strong>in</strong>ige Aufgaben,<br />
sodass der komplette Rückzug der Frau <strong>in</strong> die Familie noch nicht gegeben war. 373<br />
E<strong>in</strong>e weitere Rolle spielten natürlich die Lebensbed<strong>in</strong>gungen der Frauen. So machte es große<br />
Unterschiede ob man am Land oder <strong>in</strong> der Stadt wohnte, wobei ca. 90 Prozent der Bevölkerung <strong>in</strong><br />
der frühen Neuzeit damals auf dem Land lebten. Auch bei den Frauen, die <strong>in</strong> der Stadt wohnten, gab<br />
es gravierende Unterscheide. So lebte e<strong>in</strong>e Magd ganz anderes wie die Frau e<strong>in</strong>es adeligen<br />
Stadtbürgers. 374 Es gab aber auch positive Aspekte. So sah es im Bereich der Bauernschaft so aus,<br />
dass die Frau im Haus ´´Alle<strong>in</strong>herrscher<strong>in</strong>´´ war und dem Mann bei der Arbeit half. 375 In der Stadt<br />
zählte eben der soziale Rang. So hatte e<strong>in</strong>e adelige Frau sicher e<strong>in</strong>e günstigere Situation <strong>in</strong> der Stadt<br />
und e<strong>in</strong>ige Frauen besaßen Verfügung über e<strong>in</strong> gewisses Vermögen. Jedoch wurden sie im<br />
gewerblichen Bereich verdrängt. Auch <strong>in</strong> der Stadt besaßen Frauen ke<strong>in</strong>e politischen oder<br />
bildungstechnischen Rechte. 376 Adelige Frauen hatten <strong>in</strong> der Neuzeit oft bedeutende Stellungen. 377<br />
Die Ehe erfuhr e<strong>in</strong>e Aufwertung <strong>in</strong> den Augen der Kirche und allmählich bildeten sich immer mehr<br />
kle<strong>in</strong>ere Haushalte und e<strong>in</strong>e Professionalisierung <strong>in</strong> diversen Arbeitsbereichen. Der Mann war<br />
immer noch der Herr im Haus und durch die Reformation entwickelte sich immer mehr die<br />
369<br />
Vgl. Berghofer, Die soziale und rechtliche Stellung der Frau am Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 219-220.<br />
370<br />
Vgl. Ebda, S. 225.<br />
371<br />
Neue Welt: durch Entdeckungsreisen neu entdeckte Länder, zum Beispiel Amerika. Fand im 15./16. Jahrhundert statt<br />
und war e<strong>in</strong>e weltweite europäische Expansion. Zitiert nach: Meyers Großes Taschenlexikon, Bd.7, S. 170-171.<br />
372<br />
Zünfte: das waren Genossenschaften der Handwerker, welche bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert bestanden. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Handlexikon, S. 969.<br />
373<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 39-42.<br />
374<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 43-46.<br />
375<br />
Vgl. Berghofer, Die soziale und rechtliche Stellung der Frau am Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 69.<br />
376 Vgl. Ebda, S. 144.<br />
377 Vgl. Ebda, S. 168.<br />
51
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Vorstellung von e<strong>in</strong>em Haus, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> christliches, frommes Leben geführt werden sollte. Trotz<br />
allem war die Frau auch noch im öffentlichen Bereich tätig. Dies änderte sich erst im Verlauf des<br />
17. bis h<strong>in</strong> zum 19. Jahrhundert, <strong>in</strong> welchen die Frau von der Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde<br />
und sich <strong>in</strong> die Familie als Mutter und Hausfrau zurückziehen musste. 378<br />
An das Gedankengut des Humanismus und der Renaissance grenzt die Aufklärung mit ihrer<br />
E<strong>in</strong>stellung, dass alle Menschen gleich geboren und frei s<strong>in</strong>d. Doch auch hier gab es Probleme,<br />
denn zu allen Menschen zählten hier wieder nicht die Frauen, obwohl sie dann, zur Erlangung von<br />
gewissen Freiheiten, aktiv bei der Französischen Revolution 379 mitkämpften, wie zum Beispiel<br />
Olymp de Gouges 380 . 381 Somit griffen Frauen <strong>in</strong> die Politik e<strong>in</strong> und es gab Salons, die von Damen<br />
geführt wurden und Treffpunkte von Diskussionsforen wurden. 382<br />
Ebenso erzogen die Mütter zuhause die K<strong>in</strong>der, eben auch die Mädchen, darum fiel die<br />
Benachteiligung <strong>in</strong> der Bildung bei den Mädchen zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert nicht<br />
so stark auf. Erst als immer mehr junge Burschen auf die Universitäten kamen, auf die sie vorher <strong>in</strong><br />
den Schulen vorbereitet wurden, wurde die Bildungskluft zwischen Mädchen und Knaben stärker<br />
sichtbar. Diese Benachteiligung erfuhren <strong>in</strong> der westlichen Welt mehr oder weniger die Mädchen <strong>in</strong><br />
allen Ländern. Ausnahmen bildeten hier die Klosterschulen <strong>in</strong> Europa. E<strong>in</strong> weiteres Problem war,<br />
dass Bildung bis <strong>in</strong>s 16. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Privileg der oberen Klassen war. 383<br />
378<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 43-46.<br />
379<br />
Französische Revolution: Revolution des Bürgerstandes gegen den Absolutismus und die Ausnutzungen <strong>in</strong><br />
Frankreich zwischen 1789 und 1799. Dann folgte der Aufstieg Napoleons, welcher dann ganz Europa belkriegte und<br />
bee<strong>in</strong>flusste und 1815 se<strong>in</strong>e endgültige Niederlage <strong>in</strong> Waterloo erlebte. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon,<br />
S. 263.<br />
380<br />
Olymp de Gouges: geboren 1748 (Montauban/F), gestorben 1793 (Paris). Sie war e<strong>in</strong>e französische Schriftsteller<strong>in</strong><br />
und von der Revolution begeistert. Weiters forderte sie die Emanzipation der Frau. Sie wurde 1793 guillot<strong>in</strong>iert.<br />
Zitiert nach: Meyers Großes Personenlexikon, S. 545.<br />
381<br />
Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 56.<br />
382<br />
Vgl. Ebda, S. 54-59.<br />
383<br />
Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 40-41.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
2.1.3. Die Frau im 19. Jahrhundert und zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts<br />
Immer mehr Befürworter der Gleichberechtigung änderten jedoch ihre Me<strong>in</strong>ung und bis zum Ende<br />
des 18. Jahrhunderts endete das Pr<strong>in</strong>zip Gleichheit. 384 So verloren die Frauen die Hoffnung auf e<strong>in</strong><br />
Mitwirken <strong>in</strong> der Öffentlichkeit und wurden dann im 19. Jahrhundert, im Jahrhundert des<br />
Bürgertums, immer mehr <strong>in</strong> den privaten Bereich zurückgedrängt. 385 Nun galt die Frau wieder als<br />
sanftes, hilfloses Wesen und ihre Hauptaufgabe war das Wohlergehen des Mannes, der K<strong>in</strong>der und<br />
auch deren Erziehung. Für viele war e<strong>in</strong>e gebildete Frau sogar erschreckend. 386 Der Begriff<br />
´´Öffentlichkeit´´ kam mit dem Bürgertum auf und entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert. Zu<br />
dieser Öffentlichkeit zählte das Bürgertum auch die öffentliche Me<strong>in</strong>ung. Übernommen wurden<br />
diese Begriffe aus der Französischen Revolution. Dieser Begriff me<strong>in</strong>t vor allem die Teilnahme am<br />
Staat, am Kapitalismus, etc. Jedoch sieht sich nur e<strong>in</strong>e bestimmte Gruppe von Männern durch diese<br />
Privilegien begünstigt. E<strong>in</strong> Teil der Männer und Frauen wurden von der ´´Öffentlichkeit´´<br />
ausgeschlossen. Vor allem das Private wurde zum Beschäftigungsgebiet der Frauen gemacht. Der<br />
Mann war der Herr <strong>in</strong> der Familie und die Frau war verpflichtet mit ihm sexuellen Kontakt zu<br />
pflegen, das Haus, beziehungsweise den Haushalt, <strong>in</strong> Ordnung zu halten, auf die K<strong>in</strong>der<br />
aufzupassen und sie zu erziehen und bei Bedarf musste sie dem Mann auch bei dessen Arbeit<br />
helfen. Weiters hatte der Mann alle Rechte über das Geld der Frau und war ihr rechtlicher und<br />
poltischer Vormund. 387<br />
Wie bereits erwähnt, tat sich im 18. und im 19. Jahrhundert im Bereich der Frauenmediz<strong>in</strong> etwas.<br />
So entwickelt sich unter Johann Lukas Boer, dem Leiter des Wiener Gebärhauses, auch die<br />
Methode der ´´sanften Geburt´´ <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Es wurde abgelehnt, bei der Geburt viele Instrumente<br />
zu verwenden, wie zum Beispiel die Zange. Weiters setzte er sich dafür e<strong>in</strong>, dass Frauen ihre K<strong>in</strong>der<br />
selber stillen sollten. Boer wird aber dann vom kaiserlichen Leibarzt vertrieben und<br />
zwangspensioniert im Jahre 1822. Daraufh<strong>in</strong> wurden wieder alte mediz<strong>in</strong>ische Verfahren e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Weiters entwickelte sich zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts die Gynäkologie als e<strong>in</strong>e Diszipl<strong>in</strong> der<br />
384 Vgl. Simon, ``Die tüchtige Hausfrau: Gebildet, aber nicht gelehrt´´, S. 36.<br />
385 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 54-59.<br />
386 Vgl. Simon, ``Die tüchtige Hausfrau: Gebildet, aber nicht gelehrt´´, S. 36, 38.<br />
387 Vgl. Hauch Gabriella, Frau Biedermeier auf den Barrikaden, Frauenleben <strong>in</strong> der Wiener Revolution 1848, Wien 1990.<br />
(= <strong>Österreich</strong>ische Texte zur Gesellschaftskritik, Bd. 49), S. 9-26.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Männer, denn die Hebammen wurden als Konkurrent<strong>in</strong>nen sozusagen verdrängt. So wurden die<br />
Frauenkrankheiten immer mehr untersucht, doch die weibliche Sexualität wurde weiterh<strong>in</strong><br />
unterdrückt und unter Verschluss gehalten. 388 Im Jahr 1784 wurde e<strong>in</strong> Gebärhaus <strong>in</strong> Wien für ledige<br />
Mütter e<strong>in</strong>gerichtet. Leider wurden die Frauen hier auch mediz<strong>in</strong>isch ausgenutzt und als<br />
´´Versuchskan<strong>in</strong>chen´´ für Hebammen und Ärzte benutzt. 389 Dem wurde erst 1860 E<strong>in</strong>halt<br />
geboten. 390 Trotz allem war dieses Geburtshaus e<strong>in</strong> großer Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung, wenn<br />
man bedenkt, dass für ledige Frauen oft nur der K<strong>in</strong>desmord e<strong>in</strong>e Lösung war.<br />
E<strong>in</strong> weiterer <strong>in</strong>teressanter Gesichtspunkt s<strong>in</strong>d die Untersuchungen zur viel diskutierten<br />
´´weiblichen Hysterie´´ <strong>in</strong> dieser Zeit. So erkannte man <strong>in</strong> der Mitte des 19. Jahrhunderts, dass die<br />
Hysterie e<strong>in</strong>e Nervenkrankheit ist, doch Sigmund Freud 391 sah dann dar<strong>in</strong> die Folgen der<br />
Unterdrückung der Sexualität der Frau. Auch die Magersucht und die Fresssucht galten im 19.<br />
Jahrhundert als typische weibliche Krankheiten. 392<br />
Vor allem die Industrialisierung wirkte sich auf das Leben im 19. Jahrhundert aus. So galten<br />
Arbeiter<strong>in</strong>nen und K<strong>in</strong>der nun als billigste Arbeitskräfte und sie wurden dementsprechend<br />
ausgebeutet. Bei den Handwerkern und Kle<strong>in</strong>bürgern gab es immer mehr e<strong>in</strong>e Trennung von<br />
Arbeitsbereich und Wohnbereich. Diese Trennung gab es auch beim Bildungsbürgertum und den<br />
Beamten und hatte zur Folge, dass die Frau nun, wie erwähnt, <strong>in</strong> den privaten Bereich, das Heim,<br />
zurückgedrängt wurde. Die Emanzipation der Frau wurde im Keim erstickt. 393<br />
In der Literatur wurde die Stellung der Frau gefestigt, so zum Beispiel <strong>in</strong> Jean–Jacques<br />
Rousseaus 394 Werk ´´Émile oder Weil es die Natur so will´´. Er sah es so, dass die Frau passiv und<br />
schwach se<strong>in</strong> soll, der Mann aber aktiv und stark. Weiters sei die Frau geschaffen worden um dem<br />
Mann zu gefallen und um sich ihm zu unterwerfen. 395 Er sagte: ´´Abhängigkeit ist e<strong>in</strong> natürlicher<br />
388 Vgl. Angerer, Vom ´´Schlachtfeld weiblicher Körper, zum sprechenden Körper der Frau´´, S. 195-197.<br />
389 Vgl. Pils, Frauenleben im 17. und 18. Jahrhundert, S. 81.<br />
390 Vgl. Wis<strong>in</strong>ger Marion, Land der Töchter, 150 Jahre Frauenleben <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Wien 1992, S. 72-75.<br />
391 Sigmund Freud: geboren 1856 (Freiberg/Mähren), gestorben 1939 (London). Neurologe und Psychiater aus<br />
<strong>Österreich</strong> und Begründer der Psychoanalyse und der Traumanalyse. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S.<br />
269.<br />
392 Vgl. Angerer, Vom ´´Schlachtfeld weiblicher Körper, zum sprechenden Körper der Frau´´, S. 200-206.<br />
393 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 59-62.<br />
394 Rousseau: geboren 1712 (Genf), gestorben 1778 (Ermenoville bei Paris). Er war e<strong>in</strong> französischer Schriftsteller und<br />
Kulturphilosoph. Er hatte auch E<strong>in</strong>fluss auf die Französische Revolution und die europäische Romantik. Zitiert<br />
nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 711.<br />
395 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 64-72.<br />
54
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Zustand der Frauen, und die Mädchen fühlen, dass sie zum Gehorchen geschaffen s<strong>in</strong>d.´´ 396<br />
Auch Joachim He<strong>in</strong>rich Campe 397 hatte ähnliche Ansichten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk ´´ Väterlicher Rath für<br />
me<strong>in</strong>e Tochter oder Wider die Gelehrsamkeit´´. Er sah es als e<strong>in</strong>zige Aufgabe für die Frau, den<br />
Mann zu beglücken, und für Bildung und Arbeit im Haushalt zuständig zu se<strong>in</strong>. 398 E<strong>in</strong>e Frau<br />
braucht Hausverstand, Menschenkenntnis und Klugheit, sie muss nähen, sp<strong>in</strong>nen, kochen, stricken<br />
können und sie muss nur soweit gebildet se<strong>in</strong>, dass sie den <strong>in</strong>telligenten Gatten damit unterhalten<br />
und die K<strong>in</strong>der erziehen kann. 399 Weiters sagt er: Dazu bist du nun e<strong>in</strong>mal geboren; dazu bist du<br />
nun e<strong>in</strong>mal von der Natur sowohl als auch von der menschlichen Gesellschaft bestimmt, und alles<br />
Sträuben und Sperren dagegen würde dir wahrlich zu weiter nichts dienen, als die sanften Bande<br />
der Liebe, welche diese Abhängigkeit leicht machen sollen, <strong>in</strong> drückende Ketten der Knechtschaft<br />
zu verwandeln. Sey also weise, junge Weltbürger<strong>in</strong>, und lerne, dich willig <strong>in</strong> die Ordnung zu fügen,<br />
welche die Natur selbst beliebt und die ganze menschliche Gesellschaft, soweit wir sie kennen,<br />
angenommen hat. 400<br />
In Europa gab es parallel zwei Frauenbewegungen, die der Frauen aus der Unterschicht und jene der<br />
Frauen aus der Oberschicht. Sie waren anfangs e<strong>in</strong>e Gruppe und spalteten sich erst gegen Ende des<br />
19. Jahrhunderts auf. In Amerika 401 jedoch g<strong>in</strong>gen diese zwei Gruppen von Anfang an getrennte<br />
396 Rousseau zitiert nach Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 69.<br />
397 Joachim He<strong>in</strong>rich Campe: geboren 1746 (Deensen/D), gestorben 1818 (Braunschweig). Er war e<strong>in</strong> deutscher<br />
Pädagoge und Jugendschriftsteller. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 129.<br />
398 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 72-73.<br />
399 Vgl. Campe zitiert nach: Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 76-77.<br />
400 Campe zitiert nach Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S.81.<br />
401 Auch <strong>in</strong> Amerika festigte sich das Gedankengut der Aufklärung und es galt vor allem der Leitspruch, dass alle frei<br />
und gleich geboren s<strong>in</strong>d. Doch mit ´´alle´´ waren eben nicht alle geme<strong>in</strong>t, denn die Frauen, die Schwarzen und die<br />
Indianer waren mehr oder weniger nicht <strong>in</strong> die Verfassung des Jahres 1786 <strong>in</strong> Amerika mit e<strong>in</strong>bezogen. Zitiert nach:<br />
Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S 56.<br />
In den USA waren die meisten Frauen während der Kolonialzeit (Vom Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit bis zum Ersten<br />
Weltkrieg erwarben europäische Staaten Kolonien, die sie für politische, militärische und auch wirtschaftliche<br />
Zwecke nutzten. Die Kolonialmächte übten Herrschaft über diese Länder aus. Zitiert nach: Brockhaus<br />
Enzyklopädie, Bd. 12 KIR-LAG, Mannheim 1990, S. 186.) <strong>in</strong> der Hauswirtschaft tätig. Sie produzierten vor allem<br />
Schuhe, Stoffe und auch Kleidung. Sie arbeiteten aber auch als Metzger<strong>in</strong>nen oder Waffenschmied<strong>in</strong>nen. Doch die<br />
gesamte Kolonialgesellschaft war hierarchisch strukturiert. Aus diesem Grund waren die Frauen auch abhängig von<br />
ihren Männern und auch von deren Status. Doch nach der amerikanischen Revolution (Der Prozess der Loslösung<br />
der 13 britischen Kolonien <strong>in</strong> Nordamerika vom Mutterland. Dieser Prozess führte zum Unabhängigkeitskrieg<br />
(1775-83) und <strong>in</strong>folgedessen zur Gründung der USA. Zitiert nach: Der Brockhaus Geschichte, Personen, Daten,<br />
H<strong>in</strong>tergründe, Mannheim – Leipzig 2003, S. 37.) hatte sich auch die Gesellschaftsordnung verändert, die danach<br />
nicht mehr hierarchisch war. Nun konnte man auch aus der untern Schicht e<strong>in</strong>en sozialen Aufstieg erleben und für<br />
die Frauen wurde die ´´elegante Dame´´ zum neuen Vorbild. Politisch waren sie noch immer nicht relevant. Zitiert<br />
nach: Lerner Gerda, Frauen f<strong>in</strong>den ihre Vergangenheit, Grundlagen der Frauengeschichte, New York-Frankfurt<br />
55
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Wege. 402 Man konnte hier beobachten, dass e<strong>in</strong>e Frauenrechtsbewegung wie die <strong>in</strong> Amerika meist<br />
nur zustande kommen konnte, wenn es gebildete Frauen gab, die aber auch über die Zeit verfügten<br />
sich damit zu beschäftigen. 403 Man erkannte, dass nicht alle Frauen die gleichen Forderungen haben<br />
und das nicht für alle das gleiche wichtig war. So war für Frauen aus der Arbeiterschicht, die<br />
eigentlich nichts besaßen, zum Beispiel das Erbrecht unwichtig. Für Töchter aus der Arbeiterschicht<br />
war e<strong>in</strong>e Ehe wichtiger als Bildung, denn e<strong>in</strong>e Ehe ermöglichte es e<strong>in</strong>em Mädchen eher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
höhere soziale Schicht aufzusteigen. Doch auch die Frauen aus der Unterschicht emanzipierten sich.<br />
So erfuhren sie Verbesserungen im Bereich der mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung oder der<br />
Geburtenkontrolle. 404<br />
Frauenbewegungen konnten sich auch nur entwickeln, weil Frauen aus ihrem privaten Raum<br />
austraten und mit anderen Frauen <strong>in</strong> Kontakt kamen. Dies geschah zum Beispiel <strong>in</strong> diversen<br />
Nähgruppen oder <strong>in</strong> Frauenclubs. So konnten sie e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Bewusstse<strong>in</strong> entwickeln. 405<br />
Natürlich gab es Frauen, die sich gegen dies Unterdrückung auflehnten. Vor und während der<br />
Revolution waren dies zum Beispiel Mary Wollstonecraft 406 oder eben Olymp de Gouges. Doch<br />
nach der Revolution <strong>in</strong> Frankreich flaute dieses kle<strong>in</strong>e, aber doch vorhandene Bollwerk der Frauen<br />
ab. Es erfolgte, wie erwähnt, e<strong>in</strong> Rückzug <strong>in</strong>s Privatleben. Nach der Revolution 1848 begann es<br />
wieder zu brodeln und erneut traten Frauen auf, die sich auflehnten, wie zum Beispiel Louise Otto-<br />
Peters 407 <strong>in</strong> Deutschland. Auch Fanny Lewald-Stahr 408 , geboren <strong>in</strong> Königsberg, galt als e<strong>in</strong>e weitere<br />
1995, S. 50-53.<br />
Die Industrialisierung <strong>in</strong> Amerika stützte sich auch sehr auf die Frauen- und K<strong>in</strong>derarbeit. Hier wurde auch die Kluft<br />
zwischen den Frauen aus der untern Arbeiterschicht und der edleren, fe<strong>in</strong>en Dame immer größer. Vor allem den<br />
Frauen aus der mittleren Schicht eröffnete sich durch den größeren Wohlstand die Möglichkeit zu e<strong>in</strong>er fe<strong>in</strong>en Dame<br />
der oberen Schicht zu werden. Der erste öffentliche Auftritt von engagierten Frauen fand 1848 <strong>in</strong> Seneca Falls statt.<br />
Bei dieser Frauenbewegung wurde aber auch nicht wirklich auf die Probleme der Frauen der unteren Schicht<br />
e<strong>in</strong>gegangen. Auch hier passierte das gleiche wie bei der Frauenbewegung <strong>in</strong> Europe, es trennten sich nämlich die<br />
Forderungen der Frauen der unteren Schicht von denen der oberen Schicht. So forderten die Mittelschichtfrauen<br />
politisches Mitspracherecht, ebenso wie e<strong>in</strong>e besseren Status und Eigentumsrechte. Zitiert nach: Lerner, Frauen<br />
f<strong>in</strong>den ihre Vergangenheit, S. 58-63.<br />
402<br />
Vgl. Lerner, Frauen f<strong>in</strong>den ihre Vergangenheit, S. 66.<br />
403<br />
Vgl. Ebda, S. 83.<br />
404<br />
Vgl. Ebda, S. 87-90.<br />
405<br />
Vgl. Ebda, S. 156-157.<br />
406<br />
Mary Wollstonecraft: geboren 1759 (Hoxton), gestorben 1797 (London). Sie war e<strong>in</strong>e englische Schriftsteller<strong>in</strong> und<br />
die erste Frauenrechtler<strong>in</strong> Englands. Zitiert nach: Meyers Großes Personenlexikon, S. 528.<br />
407<br />
Louise Otto-Peters: geboren 1819 (Meißen/D), gestorben 1895 (Leipzig). Sie war e<strong>in</strong>e deutsche Schriftsteller<strong>in</strong> und<br />
Journalist<strong>in</strong>. Ebenso war sie die Hauptvertreter<strong>in</strong> der deutschen Frauenbewegung und gründete 1865 den deutschen<br />
Frauenvere<strong>in</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 600.<br />
408<br />
Fanny Lewald Stahr: geboren 1811 (Königsberg/Preußen), gestorben 1889 (Dresden). Sie war e<strong>in</strong>e vielgelesene<br />
deutsche Schriftsteller<strong>in</strong> und trat für Frauenemanzipation e<strong>in</strong>. Zitiert nach: Meyers Großes Personenlexikon, S. 801<br />
56
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Vertreter<strong>in</strong> der ersten Phase der Frauenbewegung im deutschen Raum. Ansonsten hielten sich die<br />
Frauen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> und Deutschland aber eher zurück. 409<br />
Mary Wollstonecraft war die erste, welche e<strong>in</strong>e fem<strong>in</strong>istische Theorie schrieb. Sie nahm Abstand<br />
von den religiösen Argumenten gegen die Bildung der Frau und brachte die Probleme der Frauen <strong>in</strong><br />
Zusammenhang mit der liberalistischen Theorie der Gesellschaft. 410<br />
Die Französische Revolution war nicht nur e<strong>in</strong>e Zäsur <strong>in</strong> der europäischen Geschichte sondern auch<br />
e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>schnitt für die Frauengeschichte. So wurde hier zum ersten Mal auf die Probleme der Frauen<br />
aufmerksam gemacht und die Frauen engagierten sich auch politisch. Viele Männer warfen daher<br />
der Revolution vor, dass sie schuld daran gewesen war, dass Frauen nun aus ihren alten Rollen<br />
ausgebrochen waren und somit das Weltbild veränderten. 411 Dadurch zerfielen die alten Ordnungen<br />
im 19. Jahrhundert immer mehr, dies war allen klar. 412 Die Männer versuchten aber, diese<br />
Veränderungen im 19. Jahrhundert rückgängig zu machen, auch dadurch, dass sie die Frauen zurück<br />
<strong>in</strong> den Haushalt drängten, sozusagen zurück an den Herd. Doch die Frauen schafften es wiederum<br />
auszubrechen. Dies waren meist nur Kle<strong>in</strong>igkeiten, aber so verschafften sie sich immer mehr<br />
Zugang zum öffentlichen Raum. In der Stadt waren dies zum Beispiel wohltätige Taten, wie<br />
Krankenpflege oder Gefangenenbesuche. Lohn erhielten sie dafür ke<strong>in</strong>en. 413<br />
So galten also gegen Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts folgende<br />
Leitsätze: ´´die natürliche Ordnung, die gesellschaftlichen Sitten, die größere Kraft des Mannes,<br />
se<strong>in</strong>e höhere Intelligenz, die Aufgaben der Frau als Erzieher<strong>in</strong> und Hausfrau, ihre ger<strong>in</strong>ge<br />
Denkfähigkeit und die Sorge um ihre Sittsamkeit.´´ 414<br />
Die Zurückdrängung aus dem öffentlichen Bereich erfolgte vor allem bei den Bürgern und<br />
Kle<strong>in</strong>bürgern. Durch die Industrialisierung wurden die Arbeiterfrauen und ihre Töchter zu<br />
Billigarbeitskräften und brutal ausgebeutet, 415 wie zum Beispiel Frauen, die <strong>in</strong> Fabriken arbeiteten.<br />
Falls sie heirateten, mussten sie auch die Arbeit im Haus zusätzlich übernehmen und bei e<strong>in</strong>er<br />
409 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 95-102.<br />
410 Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 254.<br />
411 Vgl. Sledziewski Elisabeth G., Die Französische Revolution als Wendepunkt, <strong>in</strong>: Duby Georges, Perrot Michelle<br />
(Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 4, 19. Jahrhundert, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1997, S. 45-47.<br />
412 Vgl. Fraisse Geneviéve, Von der sozialen Bestimmung zum <strong>in</strong>dividuellen Schicksal, <strong>in</strong>: Duby Georges, Perrot<br />
Michelle (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 4, 19. Jahrhundert, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1997, S. 63.<br />
413 Vgl. Perrot Michelle, Ausbrücke, <strong>in</strong>: Duby Georges, Perrot Michelle (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 4, 19.<br />
Jahrhundert, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1997, S. 505-507.<br />
414 Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 58.<br />
415 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 60-61.<br />
57
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Schwangerschaft mussten sie trotzdem noch Heimarbeit verrichten, die noch schlechter bezahlt<br />
war. 416 Die bürgerlichen Frauen und ihre K<strong>in</strong>der hatten ke<strong>in</strong>e Verpflichtung e<strong>in</strong>er Arbeit<br />
nachzugehen. Die Frauen aus dieser Schicht hatten vor allem die Aufgabe K<strong>in</strong>der zu bekommen<br />
und sich um diese und den Haushalt zu kümmern. 417<br />
So gab es eben e<strong>in</strong>ige, die nach Gleichberechtigung strebten und e<strong>in</strong>ige, denen dies nicht gefiel.<br />
Sigmund Freud sah <strong>in</strong> Frauen, die sich emanzipierten, sexuell abnorme Frauen, die ihren Penisneid<br />
noch nicht überwunden hatten und darum dem Mann nacheiferten. Man sah die<br />
Frauenemanzipation vor allem als Ursache der Gesellschaftskrise. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />
gab es e<strong>in</strong>ige, die Frauen hassten und Angst vor ihnen hatten und e<strong>in</strong>ige, die sie verehrten, wie zum<br />
Beispiel Gustav Klimt 418 . 419 Im 18. Jahrhundert waren viele Frauen aus der unteren Schicht,<br />
aufgrund ihrer f<strong>in</strong>anziellen Notlage, gezwungen zu betteln oder sich zu prostituieren. E<strong>in</strong>ige waren<br />
der Me<strong>in</strong>ung, dass dies an der Eigenschaft der Frauen lag faul und liederlich zu se<strong>in</strong>. So übersahen<br />
viele, dass Frauen durch ihre schlechten Chancen auf Arbeit zu solchen schlimmen Beschäftigungen<br />
gezwungen waren. 420<br />
Im Revolutionsjahr 1848 zogen auch <strong>in</strong> Wien Arbeiterfrauen demonstrierend durch die Stadt, um<br />
sich gegen Lohnkürzungen zu wehren. 421 <strong>Das</strong> eigentlich bereits niedrige Gehalt der Arbeiterfrauen<br />
wurde noch mehr gekürzt. Dies führte zu ´´Überlebenspanik´´ der Arbeiterfrauen und so<br />
protestierten sie. Dieser Protest endete blutig, durch e<strong>in</strong>en Zusammenstoß mit der Nationalgarde<br />
und wurde seit dem als ´´Praterschlacht´´ bezeichnet. Die Frauen der Bürgerschicht erklärten sich<br />
solidarisch mit den Arbeiterfrauen und es wurde von e<strong>in</strong>er Adeligen namens Karol<strong>in</strong>e von Per<strong>in</strong> 422<br />
der ´´Wiener demokratische Frauenvere<strong>in</strong>´´ gegründet. Aber nach zwei Monaten wurde er wieder<br />
416 Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 36-37.<br />
417 Vgl. Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden, S. 24.<br />
418 Gustav Klimt: geboren 1862 (Baumgarten/Wien), gestorben 1918 (Wien). Er war e<strong>in</strong> österreichischer Maler des<br />
Jugendstils. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 427.<br />
419 Vgl. Musner Lutz, Stadt. Masse. Weib, Metropolenwandel, Massenphobie und Misogynie im F<strong>in</strong>-de Siécle, <strong>in</strong>: Hödl<br />
Günther, Mayrhofer Fritz, Opll Ferd<strong>in</strong>and (Hg.), Frauen <strong>in</strong> der Stadt, L<strong>in</strong>z 2003, (= Beiträge zur Geschichte der<br />
Städte Mitteleuropas, Bd. XVIII und Schriftenreihe der Akademie Friesach, Bd. 7), S. 76-77.<br />
420 Vgl. Pils, Frauenleben im 17. Und 188. Jahrhundert. In: aufmüpfig & angepasst, S. 81.<br />
421 Vgl. Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden, S. 170.<br />
422 Karol<strong>in</strong>e von Per<strong>in</strong> (Karol<strong>in</strong>e Freifrau von Per<strong>in</strong>-Gradenste<strong>in</strong>): geboren 1806 (Wien), gestorben 1888 (Wien). Sie war<br />
e<strong>in</strong>e österreichische Frauenrechtler<strong>in</strong> und wurde 1848 Präsident<strong>in</strong> des demokratischen Frauenvere<strong>in</strong>s. Zitiert nach:<br />
Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 7 May-Pleßner, München 1998, S. 600.<br />
58
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
aufgelöst und politische Vere<strong>in</strong>e von Frauen verboten. Erst nach 18 Jahren begannen die<br />
bürgerlichen Frauen sich wieder für mehr Bildung des weiblichen Geschlechts e<strong>in</strong>zusetzen. Dann<br />
haben sie sich aber von der Gruppe der Arbeiter<strong>in</strong>nen getrennt und andere Wege e<strong>in</strong>geschlagen. 423<br />
In <strong>Österreich</strong> gab es seit den 1860ern mehr Frauen als Männer. Damit hatten viele nicht mehr die<br />
Möglichkeit zu heiraten und e<strong>in</strong>e ´´gute Partie´´ zu machen. Dazu kam die Wirtschaftskrise 1873.<br />
Viele Frauen, welche noch von der Familie erhalten werden mussten, hatten diese Möglichkeit nun<br />
auch nicht mehr, wodurch es zu Verarmungen e<strong>in</strong>iger Familien kam. Die meisten Frauen, vor allem<br />
aus dem bürgerlichen Bereich hatten aber nichts gelernt, um nun die Familien zu erhalten. Dies<br />
mussten sie nun schmerzlich erkennen. 424 So organisierten Auguste Fickert 425 und Marie Schwarz 426<br />
im Oktober 1890 die erste politische Frauenversammlung <strong>in</strong> Wien. 427 1893 organisierte Auguste<br />
Fickert, Rosa Mayreder und Marie Lang den ´´Allgeme<strong>in</strong>en österreichischen Frauenvere<strong>in</strong>´´. 428<br />
Marianne Ha<strong>in</strong>isch 429 gründete dann auch 1902 den ´´Bund <strong>Österreich</strong>ischer Frauenvere<strong>in</strong>e´´. Sie<br />
war e<strong>in</strong>e jener Frauen, die erkannten, dass e<strong>in</strong>e Ehe alle<strong>in</strong> nicht reichte um abgesichert zu se<strong>in</strong>. Sie<br />
heiratete mit 18 Jahren e<strong>in</strong>en Industriellen, Michael Ha<strong>in</strong>isch. Zu Anfang verlief ihr Leben normal,<br />
sie bekam zwei Söhne und war e<strong>in</strong>e gute Mutter und Ehefrau. E<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> von ihr, welche auch<br />
mit e<strong>in</strong>em Industriellen verheiratet war, erlitt durch die Wirtschaftskrise <strong>in</strong> den Sechzigern des 18.<br />
Jahrhunderts starke Verluste und musste am Ende sich und ihre K<strong>in</strong>der alle<strong>in</strong>e ernähren. Marianne<br />
Ha<strong>in</strong>isch erkannte dadurch, dass es für e<strong>in</strong>e ungebildete Frau nahezu unmöglich war sich selbst zu<br />
erhalten. Aus dieser Empörung über diese Situation erwuchs ihre Leidenschaft sich für e<strong>in</strong>e bessere<br />
423 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 122-123.<br />
424 Vgl. He<strong>in</strong>dl Waltraud, Frauenbild und Frauenbildung <strong>in</strong> der Wiener Moderne, <strong>in</strong>: Fischer Lisa, Brix Emil, (Hg.), Die<br />
Frauen <strong>in</strong> der Wiener Moderne, Wien 1997, S. 22-23.<br />
425 Auguste Fickert: geboren 1855 (Wien), gestorben 1910 (Maria Enzersdorf/Wien). Sie war Sozialreformer<strong>in</strong> und<br />
Frauenrechtler<strong>in</strong>. Sie setzte sich für die Gleichberechtigung der Frau e<strong>in</strong>, für das Wahlrecht, Berufsrecht und<br />
Hochschulstudium von Frauen. Zitiert nach: <strong>Das</strong> große Buch der <strong>Österreich</strong>er, S. 110.<br />
426 Marie Schwarz: geboren 1852 (Wien), gestorben 1920 (Wien). Sie war Pädagog<strong>in</strong> und Politiker<strong>in</strong>. Sie leitete als<br />
erste Frau e<strong>in</strong>e Mädchenvolksschule <strong>in</strong> Wien 1895. Sie trat auch für das Wahlrecht und e<strong>in</strong>e bessere Stellung der<br />
Frau e<strong>in</strong>. Zitiert nach: <strong>Österreich</strong>isches Biographisches Lexikon 1850-1950 Bd.12 (Schwarz)Marie-Spannagel<br />
Rudolf, Wien 2005, S. 1.<br />
427 Vgl. Weiss, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>, S. 297-300.<br />
428 Vgl. Hauch Gabriella, Frauen bewegen Politik, <strong>Österreich</strong> 1848-1938, Innsbruck-Wien-Bozen 2009. (= Studien zur<br />
Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 10), S. 27-28.<br />
429 Marianne Ha<strong>in</strong>isch: geboren 1839 (Baden), gestorben 1936 (Wien). Sie war die Begründer<strong>in</strong> und Führer<strong>in</strong> der<br />
österreichischen Frauenbewegung. Sie forderte 1870 die Errichtung des Realgymnasiums für Mädchen und die<br />
Zulassung zur Universität. 1902 gründete sie den ´´Bund österreichischer Frauenvere<strong>in</strong>e´´. Nach dem 1. Weltkrieg<br />
leitete sie die Friedenskomission <strong>in</strong> diesem Bund. Ebenso war sie die Initiator<strong>in</strong> des Muttertags, welcher seit 1924<br />
gefeiert wird. Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S. 117.<br />
59
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Ausbildungssituation für Frauen e<strong>in</strong>zusetzen und so schloss sie sich der Frauenbewegung an. 430<br />
Neben Marianne Ha<strong>in</strong>isch gehörten auch Auguste Fickert, Rosa Mayreder 431 , Marie Lang 432 und<br />
Adelheid Popp 433 zu den wichtigsten Kämpfer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der Frauenbewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. 434<br />
Ebenfalls 1866 begann der ´´Frauen-Erwerb-Vere<strong>in</strong>´´ mit se<strong>in</strong>er Tätigkeit. Marianne Ha<strong>in</strong>isch<br />
datierte mit der Gründung dieses Vere<strong>in</strong>s auch den aktiven Beg<strong>in</strong>n der Frauenbewegung <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>. Der Vere<strong>in</strong> hatte die Aufgabe Frauen e<strong>in</strong>e Ausbildung zu ermöglichen. Aus diesem<br />
Grund eröffnete er Nähschulen oder auch Fortbildungsschulen. 435<br />
Dieser Vere<strong>in</strong> ahmte <strong>in</strong> gewisser Weise den Lettevere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> nach. Sowohl dieser<br />
´´Lettevere<strong>in</strong>´´, als auch der ´´Frauen-Erwerb-Vere<strong>in</strong>´´ <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> hatten die ´´English Society for<br />
Promot<strong>in</strong>g the Employment of Women´´ zum Vorbild. 436<br />
Der ´´Vere<strong>in</strong> für erweiterte Frauenbildung´´ wurde <strong>in</strong> Wien 1888 gegründet. Dieser Vere<strong>in</strong> war<br />
verantwortlich, dass 1892 das Gymnasium für Mädchen <strong>in</strong> Wien eröffnet werden konnte. 437<br />
E<strong>in</strong>e weitere Frau, die für ihr Engagement berühmt wurde, war Berta von Suttner 438 . Sie gründete<br />
den österreichischen Friedensvere<strong>in</strong> und vertrat <strong>Österreich</strong> auf den diversen Friedenskongressen. 439<br />
Leider gab es immer Differenzen zwischen den Arbeiter<strong>in</strong>nen, den Frauen der unteren Schicht,<br />
welche sozialistisch waren, und den Bürger<strong>in</strong>nen, welche mittelständisch liberal waren, sodass es<br />
ihnen schwer fiel an e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Strang zu ziehen. Die Bürger<strong>in</strong>nen setzten sich für<br />
430 Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 20.<br />
431 Rosa Mayreder: geboren 1858 (Wien), gestorben 1938 (Wien). Sie war Frauenrechtler<strong>in</strong> und Schriftsteller<strong>in</strong> und<br />
gründete den ´´Allgeme<strong>in</strong>en österreichischen Frauenvere<strong>in</strong>´´ 1893 und sie war Vorsitzende der ´´Frauenliga für<br />
Frieden und Freiheit´´. Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S. 317.<br />
432 Marie Lang: geboren 1858 (Wien), gestorben 1934 (Altmünster/OÖ). Sie war Sozialarbeiter<strong>in</strong> und Frauenrechtler<strong>in</strong><br />
und gehörte zum Kreis um Rosa Mayreder. Sie setzte sich vor allem für Mutterschutz und die rechtliche Stellung<br />
unehelicher K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>. Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S. 278.<br />
433 Adelheid Popp: geboren 1869 (Wien), gestorben 1939 (Wien). Sie war sozialdemokratische Politiker<strong>in</strong>, Journalist<strong>in</strong><br />
und führende Vertreter<strong>in</strong> der Frauenbewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Von 1919-1920 war sie Mitglied der konstituierenden<br />
Nationalversammlung und von 1920-1934 Abgeordnete im Nationalrat. Zitiert nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S.<br />
379.<br />
434 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 170.<br />
435 Vgl. Ha<strong>in</strong>isch Marianne, Die Geschichte der Frauenbewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, <strong>in</strong>: Lange Helene, Bäumer Gertrud<br />
(Hg.), 1. Teil, die Geschichte der Frauenbewegung <strong>in</strong> den Kulturländern, Berl<strong>in</strong> 1901. (= Handbuch der<br />
Frauenbewegung, herausgegeben von Lange Helene und Bäumer Gertrud), S. 171.<br />
436 Vgl. Albisetti, Mädchenerziehung im deutschsprachigen <strong>Österreich</strong>, im Deutschen Reich und <strong>in</strong> der Schweiz, 1866-<br />
1914, <strong>in</strong>: Good David F., Grandmer Margarete, Maynes Mary Jo (Hg.), Frauen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Beiträge zu ihrer<br />
Situation im 19. und 20. Jahrhundert, Wien-Köln-Weimar 1993, S. 17.<br />
437 Vgl. Ha<strong>in</strong>isch, Die Geschichte der Frauenbewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 173.<br />
438 Bertha von Suttner: geboren 1843 (Prag), gestorben 1914 (Wien). Sie war e<strong>in</strong>e österreichische Schriftsteller<strong>in</strong> und<br />
e<strong>in</strong>e Pazifist<strong>in</strong>. Sie schrieb den Roman ´´Die Waffen nieder´´ und bekam 1905 den Friedensnobelpreis. Zitiert nach:<br />
Meyers Großes Handlexikon, S. 828.<br />
439 Vgl. Ha<strong>in</strong>isch, Die Geschichte der Frauenbewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 180.<br />
60
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Gleichberechtigung <strong>in</strong> der Bildung und Politik e<strong>in</strong> und die Arbeiterschicht für e<strong>in</strong>e bessere<br />
wirtschaftliche Lage. Auch <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> waren diese beiden Lager tief verfe<strong>in</strong>det. 440<br />
Die Arbeiterfrauen lehnten ihre Wünsche, wie e<strong>in</strong>e verbesserte Arbeitslage und e<strong>in</strong>e bessere soziale<br />
Situation, stark an die ihrer männlichen Kollegen. Darum waren ihre Vorgehensweisen und ihre<br />
Ziele auch anders gesetzt als die der bürgerlichen Frauen. Viele dieser Frauen stellten ihre<br />
Forderungen offen dar und g<strong>in</strong>gen damit auf die Straße oder fertigten Flugblätter an. E<strong>in</strong>e sehr<br />
engagierte Frau aus den sozialdemokratischen Reihen war Adelheit Popp. Sie wuchs wie viele<br />
andere <strong>in</strong> sehr armen Verhältnissen auf. Ihr Vater trank, es gab viel Streit und sie hatten nicht immer<br />
Essen im Haus. Mit zehn Jahren musste sie schon schwere Arbeiten zuhause erledigen, nachdem ihr<br />
Vater an Krebs starb. Trotz allem verlor sie nie ihr Interesse an Büchern. Wegen e<strong>in</strong>es<br />
Nervenleidens und Unterernährung kam sie e<strong>in</strong>e Zeit lang <strong>in</strong> die Psychiatrie. Nach e<strong>in</strong>em zweiten<br />
Rückfall wurde sie wiederum e<strong>in</strong>geliefert und wurde dann, e<strong>in</strong>ige Zeit danach, für arbeitsunfähig<br />
erklärt. Trotz allem fand sie erneut Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Korkstoppelfabrik. Durch die besseren<br />
Arbeitsverhältnisse verbesserte sich ihr Zustand zusehends und sie kam immer mehr <strong>in</strong> Kontakt mit<br />
den Sozialdemokraten und las auch Werke von Karl Marx 441 und Friedrich Engels 442 . Im Laufe der<br />
Zeit übernahm sie immer stärker Funktionen <strong>in</strong> der Arbeiter<strong>in</strong>nenorganisation. Leidenschaftlich<br />
setzte sie sich auch immer stärker für Bildung der Arbeiterfrauen e<strong>in</strong>. 443<br />
Die stark katholischen Frauen des 19. Jahrhunderts hielten sich zu Beg<strong>in</strong>n der Emanzipation der<br />
Frauen stark zurück. Für sie stand die karitative Hilfe im Vordergrund und sie akzeptierten auch die<br />
patriarchalische Rollenverteilung. Erst unter Gräf<strong>in</strong> Zichy-Metternich 444 schloss sich die<br />
440<br />
Vgl. Anderson/Z<strong>in</strong>sser, A history of their own. Women <strong>in</strong> Europe from Prehistory to the Present, Volume II, New<br />
York 1989, S. 356-357.<br />
441<br />
Karl Marx: geboren 1818 (Trier), gestorben 1883 (London). Er war deutscher Theoretiker des Sozialismus und<br />
Begründer des Marxismus. Er arbeitete mit Friedrich Engels zusammen und sie schrieben das ´´Kommunistische<br />
Manifest´´. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 510.<br />
442<br />
Friedrich Engels: geboren 1820 (Barmen/Preußen), gestorben 1895 (London). Er war deutscher Theoretiker des<br />
Sozialismus und auch wissenschaftlicher Arbeiter zur Theorie des Sozialismus. In England lernte er die schlimme<br />
Situation der Proletarier kennen und setzte sich dann geme<strong>in</strong>sam mit Karl Marx für diese e<strong>in</strong>. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Handlexikon, S. 212.<br />
443<br />
Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 28.<br />
444<br />
Gräf<strong>in</strong> Zichy-Metternich (Metternich-W<strong>in</strong>neburg): geboren 1832 (Wien), gestorben 1919 (Wien). Tochter von<br />
Clemens Wenzel Lothar Fürst Metternich und se<strong>in</strong>er dritten Frau Melanie Zichy-Ferraris. Sie gründete 1907 die<br />
katholische Reichsfrauenorganisation. Zitiert nach: Frauen <strong>in</strong> Bewegung,<br />
http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/bio_zichy.htm (Stand 21.1.2010)<br />
61
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
´´Katholische Reichsfrauenorganisation´´ der Frauenbewegung an. 445 In der Religion fanden Frauen<br />
oft e<strong>in</strong>en Halt und konnten sich durch sie def<strong>in</strong>ieren. Viele engagierte und emanzipierte Frauen<br />
stammen aus dem katholisch-konservativen Bereich. 446<br />
2.1.4. Die Stellung der Frau vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Ständestaates<br />
Während des Ersten Weltkrieges engagierten sich Frauen auch <strong>in</strong> jenen Berufen, die sonst ihre<br />
Männer übernahmen, welche nun an der Front waren. So waren sie nun das Oberhaupt <strong>in</strong> der<br />
Familie und arbeiteten <strong>in</strong> den Fabriken, zum Beispiel als Munitionsarbeiter<strong>in</strong>nen. Viele Frauen<br />
sahen dies als Emanzipation und als Ausbruch aus ihren alten Rollen. E<strong>in</strong>ige sahen dies aber nicht<br />
so und waren der Me<strong>in</strong>ung, dass der Krieg die Frauen wieder endgültig <strong>in</strong> die ihnen zugedachten<br />
Rollen als Hausfrau und Mutter abdrängte. 447<br />
Zu den ersten Frauen, die sich politisch engagierten beziehungsweise zum aktiven Handeln<br />
aufriefen, gehörten vorwiegend Lehrer<strong>in</strong>nen, die dem bürgerlich-liberalem Zweig angehörten. Vor<br />
allem die Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen engagierten sich für das Wahlrecht der Frauen, doch hier steckten<br />
sie zurück, um das allgeme<strong>in</strong>e Männerwahlrecht nicht zu gefährden. 448 Die Frauen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
begannen spät sich <strong>in</strong>tensiv für ihr Wahlrecht e<strong>in</strong>zusetzen. Eher beschäftigten sie sich mit<br />
Berufsmöglichkeiten und e<strong>in</strong>er besseren Ausbildung für Mädchen. E<strong>in</strong> weiterer Grund dafür war<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich auch, dass e<strong>in</strong>ige Frauen, welche Besitz hatten, wie e<strong>in</strong> Haus oder e<strong>in</strong> eigenes<br />
E<strong>in</strong>kommen, bereits wählen durften, wenn auch meist nur durch e<strong>in</strong>en männlichen<br />
Bevollmächtigten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Regelung, dass das Wahlrecht von<br />
Besitz abhängig sei, un<strong>in</strong>teressant, da nun immer mehr Männer das Wahlrecht erhielten. E<strong>in</strong> neuer<br />
Faktor als Voraussetzung für das Wahlrecht war nun das Geschlecht. E<strong>in</strong> weiteres Problem <strong>in</strong> der<br />
445 Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 31.<br />
446 Vgl. Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden, S. 166<br />
447 Vgl. Thébaud Françoise, Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, <strong>in</strong>: Duby Georges, Perrot Michelle<br />
(Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 5, 20. Jahrhundert, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1997, S. 33-36.<br />
448 Vgl. Zaar Birgitta, Frauen und Politik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, 1890-1934, Ziele und Visionen, <strong>in</strong>: Good David F., Grandmer<br />
Margarete, Maynes Mary Jo (Hg.), Frauen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Beiträge zu ihrer Situation im 19. Und 20. Jahrhundert,<br />
Wien-Köln-Weimar 1993, S. 51.<br />
62
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Monarchie <strong>Österreich</strong> war, dass die Frauen <strong>in</strong> den verschiedenen Ländern, mit den verschiedenen<br />
Nationalitäten ke<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>samen Organisationen im Bezug auf das Stimmrecht hatten. 449 1918<br />
erhielten alle <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>nen, welche 20 waren, das Wahlrecht. Die Prostituierten bekamen erst<br />
1923 das Wahlrecht. 450 Ebenso bekamen Frauen 1918 die Versammlungs- und Vere<strong>in</strong>sfreiheit und<br />
wurden als für-die–Politik-zulässig empfunden. 451<br />
Trotz der Erreichung dieses Zieles mussten die Frauen erkennen, dass sie damit noch lange nicht<br />
auf der politischen Ebene ernst genommen und akzeptiert wurden. Die Parteien warben zwar um<br />
ihre Wählerstimmen, g<strong>in</strong>gen aber nicht auf ihre Anliegen e<strong>in</strong>. 452 Rund e<strong>in</strong> Drittel der<br />
sozialdemokratischen Partei bestand aus Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen. Sie setzten sich im Parlament und <strong>in</strong><br />
den Kommunen vor allem für die arbeitenden Frauen e<strong>in</strong>. So verfolgten sie Verbesserungen für<br />
diese Frauen im Familienrecht, im Bereich des Strafrechts (Legalisierung der Abtreibung) und im<br />
Versicherungsbereich. 453 Die Frauen, welche der Christlichsozialen Partei angehörten, engagierten<br />
sich für Moral, Sittlichkeit und offene Fragen, zum Beispiel im Bereich der Scheidung. Im Bezug<br />
auf die Moral und die Sittlichkeit waren sie für e<strong>in</strong> Verbot der Prostitution und der<br />
Verhütungsmittel. 454 Die deutschnationalen Frauen bildeten ke<strong>in</strong> festes Gebilde <strong>in</strong> der Politik wie<br />
die Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen oder die christlichsozialen Frauen. Sie setzten sich aber zum Beispiel für<br />
e<strong>in</strong>e bessere, vom Staat f<strong>in</strong>anzierte Bildung für Frauen e<strong>in</strong>. Es gab auch solche, die sich für den<br />
Faschismus e<strong>in</strong>setzten und illegale Mitglieder bei den Nationalsozialisten <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> waren. 455<br />
E<strong>in</strong>e Gruppe um Marianne Ha<strong>in</strong>isch setzte sich für die Gründung e<strong>in</strong>er Frauenpartei e<strong>in</strong>, diese kam<br />
jedoch nicht zustande und man e<strong>in</strong>igte sich dann darauf, e<strong>in</strong>en ´´politischen Frauenbund´´ zu<br />
gründen. 1929 gründete man dann doch die ´´<strong>Österreich</strong>ische Frauenpartei´´. 1935 wurde der Bund<br />
österreichischer Frauenvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> die Vaterländische Front <strong>in</strong>tegriert. 456<br />
So kam es, dass sich die Frauen von 1925 bis 1945 auch vor allem für den Frieden, die öffentliche<br />
Fürsorge und den Antifaschismus e<strong>in</strong>setzten. 457 Doch die Beteiligung der Frauen an der Politik<br />
449<br />
Vgl. Ebda, S. 50-52.<br />
450<br />
Vgl. Ebda, S. 60.<br />
451<br />
Vgl. Hauch, Frauen bewegen Politik, S. 129.<br />
452<br />
Vgl. Zaar, Frauen und Politik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, 1890-1934, S. 75-76.<br />
453<br />
Vgl. Hauch, Frauen bewegen Politik, S. 131.<br />
454<br />
Vgl. Ebda, S. 135.<br />
455<br />
Vgl. Ebda, S. 137-139.<br />
456<br />
Vgl. Ebda, S. 141-144.<br />
457<br />
Vgl. Anderson/Z<strong>in</strong>sser, A history of their own. Women <strong>in</strong> Europe from Prehistory to the Present, S. 397-398.<br />
63
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
endete nach e<strong>in</strong>igen Jahren wieder unter Dollfuß 458 und Schuschnigg 459 und damit auch die Träume<br />
der Frauen von Gleichberechtigung und Emanzipation. 460<br />
In den USA der 1920er entwickelte sich immer mehr e<strong>in</strong>e emanzipierte, moderne Frau. Zu dieser<br />
modernen Frau gehörte e<strong>in</strong> offener Umgang mit Sexualität, der Konsum von Massenprodukten und<br />
auch e<strong>in</strong> verändertes Aussehen, wie zum Beispiel der ´´Bubikopf´´. Trotz e<strong>in</strong>igem Unmut diesem<br />
neuen Frauenbild gegenüber, kam es durch den Film und andere Medien auch nach Europa und<br />
wurde von den Frauen übernommen. 461 Auf dem Land sah alles anders aus. Die meisten Frauen dort<br />
waren nicht am neuen Konsumwahn <strong>in</strong>teressiert. Sie mussten ihr tägliches Brot durch harte Arbeit<br />
am Feld erwirtschaften. Die meisten Töchter von Bauern wurden nach dem zehnten Lebensjahr zu<br />
e<strong>in</strong>em anderen Bauern geschickt und mussten dort als Dienstmagd arbeiten. Vor allem die<br />
Religiosität spielte am Land e<strong>in</strong>e große Rolle. 462<br />
Während des Austrofaschismus blieben die Frauenbünde bestehen, sie solidarisieren sich aber auch<br />
mit ihren männlichen Kollegen. Die Partei der Frauen standen Dollfuß unterstützend gegenüber,<br />
denn sie sahen durch ihn auf der e<strong>in</strong>en Seite e<strong>in</strong>en Schutz vor dem Nationalsozialismus und auf der<br />
anderen Seite hofften sie im Ständestaat die Hausfrauen als eigenen Berufsstand e<strong>in</strong>zuführen. 463<br />
458 Engelbert Dollfuß: geboren 1892, gestorben 1934 (erschossen). Er war e<strong>in</strong> österreichischer Politiker und von 1932<br />
bis 1934 Bundeskanzler <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. 1934 errichtete er <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> e<strong>in</strong>en autoritären christlichen Ständestaat du<br />
wurde 1934 bei e<strong>in</strong>em nationalsozialistischen Putsch ermordet. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 182.<br />
459 Kurt Schuschnigg: geboren 1897 (Süd-Tirol), gestorben (Innsbruck/Tirol). Er war Jurist und e<strong>in</strong> österreichischer<br />
Politiker der Christlichsozialen Partei und von 1934 bis 1938 Bundeskanzler und führte den autoritären Staat von<br />
Dollfuß fort, näherte sich dem Italien unter Mussol<strong>in</strong>i an und sah <strong>Österreich</strong> als den zweiten deutschen Staat. <strong>Das</strong><br />
Juliabkommen 1936 und das Berchtesgardener-Abkommen sollten laut Schuschnigg die Unabhängigkeit sichern,<br />
doch das war e<strong>in</strong>e Fehle<strong>in</strong>schätzung. Er wurde 1938 verhaftet und lebte von 1948 bis 1967 <strong>in</strong> den USA. Zitiert nach:<br />
Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S. 447.<br />
460 Vgl. Zaar, Frauen und Politik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, 1890-1934.Ziele und Visionen, S. 75.<br />
461 Vgl. Cott Nancy F., Die moderne Frau, Der amerikanische Stil der zwanziger Jahre, <strong>in</strong> : Duby Georges, Perrot<br />
Michelle (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 4, 19. Jahrhundert, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1997, S. 93-109 .<br />
462 Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 100-102.<br />
463 Vgl. Zaar, Frauen und Politik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, 1890-1934. S. 74-75.<br />
64
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
2.2. Die Mädchenerziehung und -bildung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
2.2.1. Die Anfänge im Mittelalter<br />
Die zuvor skizzierte Stellung der Frau im Laufe der Geschichte hatte natürlich auch starke<br />
Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Mädchen und Frauen im Bereich der Bildung.<br />
Bei der Mädchenerziehung im Mittelalter sollte alles Weltliche ferngehalten werden, vor allem die<br />
Gesellschaft der Burschen, denn dies könnte die Mädchen schlecht bee<strong>in</strong>flussen und zu Unzucht<br />
führen. Die Erziehung der Seele galt als oberstes Ziel. Daraus ergab sich e<strong>in</strong>e klare<br />
geschlechtergetrennte Erziehung, bei der nur Frauen und Mädchen mite<strong>in</strong>ander Umgang hatten. Vor<br />
allem sollten von den Mädchen s<strong>in</strong>nliche Genüsse ferngehalten werden. Dazu zählten zum Beispiel<br />
scharfe Speisen, Schmuck oder auch Musik. Weitere Leitbilder <strong>in</strong> der Erziehung waren die<br />
Unterdrückung der weiblichen Sexualität und auch die Unterb<strong>in</strong>dung der weiblichen<br />
´´Geschwätzigkeit´´. Sie sollten kontrolliert und diszipl<strong>in</strong>iert werden, auch ihr Streben nach Wissen,<br />
sodass sie <strong>in</strong>s patriarchalische System passten. 464 Die weibliche Sexualität galt allgeme<strong>in</strong> als<br />
gefährlich, darum sollten die Frauen im Kloster Gehorsam, Keuschheit und Zurückgezogenheit<br />
erlernen. 465 Bis <strong>in</strong>s 12. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> war die Mädchenerziehung re<strong>in</strong> geistlich ausgerichtet. 466<br />
Seit den Anfängen des Christentums gab es auch schon fromme Frauengeme<strong>in</strong>schaften. Man<br />
erkannte diese Frauen vor allem durch den Schleier, den sie meist trugen. Zu dieser Zeit lebten die<br />
Frauen entweder zuhause oder bei Verwandten.<br />
Im Jahre 360 wurde <strong>in</strong> Rom das erste Frauenkloster im Westen errichtet und zwar durch die<br />
römische Adelige Marcella. Sie stand <strong>in</strong> engem Kontakt zu den ´´Kirchenvätern´´ Hieronymus 467<br />
464 Vgl. Brehmer Ilse, ´´Wo die Frau regiert, ist der Teufel Hausknecht´´. <strong>Das</strong> Bild von Frauen als Bildungsziel <strong>in</strong> der<br />
abendländisch christlichen Tradition, <strong>in</strong>: Brehmer Ilse, Simon Gertrud (Hg.), Geschichte der Frauenbildung und<br />
Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S. 21.<br />
465 Vgl. Brehmer Ilse, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, <strong>in</strong>: Glumpler Edith (Hg.),<br />
Mädchenbildung Frauenbildung. Beiträge der Frauenforschung für die Lehrer<strong>in</strong>nenbildung, Bad Heilbronn/Obb.<br />
1992, S. 96.<br />
466 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 127.<br />
467 Hl. Hieronymus: geboren 347, gestorben um ca. 420. Er war e<strong>in</strong> late<strong>in</strong>ischer Kirchenlehrer und schrieb die<br />
´´Vulgata´´. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 351.<br />
65
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
und Ambrosius 468 . 469<br />
Im 7. Jahrhundert traten sehr viele Frauen <strong>in</strong> die Klöster e<strong>in</strong>. Vor allem <strong>in</strong> Frankreich und<br />
Großbritannien stieg die Anzahl der Klöster stark an. 470<br />
Im deutschen Raum reichen die Anfänge der Mädchenschulen bis <strong>in</strong>s 8. Jahrhundert zurück.<br />
Bonifatius 471 rief damals für die Aufgabe der Mädchenerziehung se<strong>in</strong>e Base Lioba (Leobgyth, um<br />
710-782) aus England herbei. Diese errichtete im Kloster Tauberbischofsheim e<strong>in</strong>e Klosterschule.<br />
Lioba war vor allem bekannt für ihre Klugheit, Tugend und Belesenheit. In <strong>Österreich</strong> wurde als<br />
erstes Kloster für die Mädchenerziehung das Frauenkloster auf dem Nonnberg <strong>in</strong> Salzburg<br />
bekannt. 472 Im Jahre 712/715 fand die Errichtung dieses Klosters statt. Die erste Äbtiss<strong>in</strong> war<br />
Er<strong>in</strong>trud. 473<br />
Wie bereits erwähnt, gab es für die Frauen nur drei Möglichkeiten, die Ehe, das Leben als<br />
unverheiratete Dienstmagd oder das Leben im Kloster. Und eben <strong>in</strong> diesen Klöstern fand auch die<br />
Mädchenbildung ihren Anfang. In den Frauenklöstern gab es die Abschirmung der Frau von der<br />
Welt, und damit von Männern, sowie e<strong>in</strong>e strenge Klausur. Ihr ´´verführerisches´´ Wesen wurde also<br />
gebändigt. 474 Auch Witwen traten oft <strong>in</strong>s Kloster e<strong>in</strong>, dort suchten sie Schutz und Geborgenheit. Die<br />
Töchter von eher ärmeren Adeligen wurden <strong>in</strong> den Klöstern aufgenommen und erhielten so, ihr<br />
Leben lang, e<strong>in</strong>e gute Versorgung. Doch für viele Mädchen und Frauen zählte vor allem ihr<br />
Interesse an der Bildung, welchem sie im Kloster nachgehen konnten. So war der Andrang auf die<br />
Klöster groß. 475<br />
Mit etwa sieben Jahren, e<strong>in</strong>ige schon früher, traten die Mädchen <strong>in</strong>s Kloster e<strong>in</strong>. Dort kamen sie<br />
entweder <strong>in</strong> die <strong>in</strong>nere Klosterschule, wenn sie im Kloster bleiben wollten, oder <strong>in</strong> die äußere, wenn<br />
468<br />
Hl. Ambrosius: geboren um 340, gestorben um 397. Er war e<strong>in</strong> late<strong>in</strong>ischer Kirchenlehrer und Bischof von Mailand.<br />
Er wird auch als ´´Vater´´ des abendländischen Kirchengesangs bezeichnet. Zitiert nach: Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 36.<br />
469<br />
Vgl. Opitz Claudia, Erziehung und Bildung <strong>in</strong> Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters (12.-15.<br />
Jahrhundert), <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1, vom<br />
Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt –New York 1996 , S. 65.<br />
470<br />
Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 41.<br />
471<br />
Hl. Bonifatius: geboren um 672/75, gestorben um 754. Er war Benedikt<strong>in</strong>er und Missionar <strong>in</strong> den germanischen<br />
Ländern. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 105.<br />
472<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 128.<br />
473<br />
Brehmer Ilse, Simon Gertrud, Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S.<br />
318.<br />
474<br />
Vgl. Brehmer, ´´Wo die Frau regiert, ist der Teufel Hausknecht´´. <strong>Das</strong> Bild von Frauen als Bildungsziel <strong>in</strong> der<br />
abendländisch christlichen Tradition, S. 17.<br />
475<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 128.<br />
66
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
sie dann, mit vierzehn Jahren, wieder zu ihren Familien zurückkehren wollten. 476 In der Schule<br />
trugen sie die klösterliche Tracht, lebten aber abgesondert von den älteren Nonnen. Die schulische<br />
Ausbildung der Mädchen war sehr wichtig, da sie, wie die Mönche, auch beten und lesen<br />
mussten. 477 Im 11. und 12. Jahrhundert gab es viele Mädchen aus reichen oder adeligen Familien,<br />
die <strong>in</strong>s Kloster g<strong>in</strong>gen, sie blieben aber meist nur vorübergehend um diverse Grundkenntnisse zu<br />
erlernen. Diese Mädchen wurden getrennt von den Noviz<strong>in</strong>nen unterrichtet und trugen e<strong>in</strong><br />
weltliches Gewand. 478 . Der Besuch der äußeren Schule kostete die Eltern oft viel Geld oder e<strong>in</strong>ige<br />
Schenkungen. 479 Mit 14 bis 15 Jahren traten dann e<strong>in</strong>ige Mädchen wieder aus dem Kloster aus. 480<br />
Die Mädchen wurden aber nicht immer von den Nonnen unterrichtet, sondern manchmal<br />
übernahmen dies auch die Beichtväter oder die Mönche aus den befreundeten Klöstern. 481<br />
Der Vorteil, wenn e<strong>in</strong> Mädchen sich für e<strong>in</strong> Leben im Kloster entschieden hatte, war, dass sie ihr<br />
restliches Leben Zugang zur Literatur genoss. Die Benedikt<strong>in</strong>er<strong>in</strong>nen waren zum Beispiel auch zur<br />
geistigen Lesung und nicht nur zum Gebet verpflichtet. So entwickelten sich im Laufe der Zeit<br />
hochgebildete Nonnen, wie zum Beispiel Hroswita von Gandersheim 482 oder Hildegard von<br />
B<strong>in</strong>gen 483 . E<strong>in</strong> weiterer Erfolg <strong>in</strong> den Frauenklöstern war, dass die Frau nicht nur die Möglichkeit<br />
bekam zu lernen, sondern auch zu lehren. Wie im ersten Teil dieser Arbeit ausgeführt, hießen die<br />
Leiter von Männerschulen ´´scholare´´. Dieser Ausdruck wurde auch für Frauen gebraucht und hieß<br />
<strong>in</strong> weiblicher Form ´´scholastica´´. 484 Gebildete Frauen, wie eben Hildegard von B<strong>in</strong>gen, mussten<br />
jedoch, wenn sie e<strong>in</strong> Werk verfassten, ständig beweisen, dass dies ihre eigenen Gedanken waren<br />
und sie sie nicht von e<strong>in</strong>em Mann abgeschrieben hatten. Viele bevorzugten es, <strong>in</strong> den Werken ihre<br />
M<strong>in</strong>derwertigkeit zu betonen. 485<br />
Im 9. und 10. Jahrhundert lernten die Mädchen <strong>in</strong> den Klöstern vor allem Late<strong>in</strong>, Psalmenkunde<br />
476 Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 98.<br />
477 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 128.<br />
478 Vgl. Ebda, S. 128.<br />
479 Vgl. Ebda, S. 128.<br />
480 Vgl. Ebda, S. 130.<br />
481 Vgl. Opitz, Erziehung und Bildung <strong>in</strong> Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters, S. 68.<br />
482 Hroswita von Gandersheim: geboren um 935, gestorben nach 973. Sie war e<strong>in</strong>e deutsche Dichter<strong>in</strong> und Nonnen.<br />
Zitiert nach: Meyers Großes Personenlexikon, S. 657.<br />
483 Hildegard von B<strong>in</strong>gen: geboren 1098, gestorben 1179. Sie war e<strong>in</strong>e deutsche Mystiker<strong>in</strong> und Benedikt<strong>in</strong>er<strong>in</strong>. Zitiert<br />
nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 351.<br />
484 Vgl. Liedtke Max, Männersache Bildung. Der weite Schulweg der Mädchen – Historische Wurzeln e<strong>in</strong>er<br />
Benachteiligung, <strong>in</strong>: Glumpler Edith (Hg.), Mädchenbildung Frauenbildung. Beiträge der Frauenforschung für die<br />
Lehrer<strong>in</strong>nenbildung, Bad Heilbronn/Obb. 1992, S. 76.<br />
485 Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 68, 71.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
und sie erlangten Wissen über die Bibel und über Teile des Triviums. E<strong>in</strong>e ältere Nonne leitete die<br />
Schule und der Unterricht war wie der <strong>in</strong> den Klosterschulen für Knaben aufgebaut. 486<br />
Sie lernten die Herstellung von Tuch, schrieben Psalter ab, illustrierten diese und stickten<br />
Paramenten 487 . 488 Weiters lernten sie viel über Kräuter- und Heilkunde. In den Klöstern, vor allem<br />
<strong>in</strong> den Frauenklöstern, entwickelte sich sehr stark die deutsche Volkssprache, durch die Übersetzung<br />
der late<strong>in</strong>ischen Texte. 489 Wie bereits erwähnt, gab es e<strong>in</strong>en großen Andrang <strong>in</strong> die Klöster, sodass<br />
<strong>in</strong> der Synode im Jahre 817 <strong>in</strong> Aachen bestimmt wurde, dass es Aufnahmeprüfungen geben und die<br />
Klöster nur so viele aufnehmen sollten, wie es ihre Mittel erlaubten, doch dies wurde nicht immer<br />
e<strong>in</strong>gehalten. 490<br />
Liedtke führte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bericht an, dass es H<strong>in</strong>weise darauf gibt, dass an die Frauenklöster<br />
teilweise Schulen angegliedert waren, <strong>in</strong> denen Mädchen unterrichtet wurden, die nicht <strong>in</strong>s Kloster<br />
g<strong>in</strong>gen. Es muss hier aber angemerkt werden, dass alle diese Mädchen vor allem aus der höheren<br />
Schicht kamen. Dies traf sowohl auf die Mädchen im Kloster zu, als auch auf die wenigen, die<br />
außerhalb des Klosters unterrichtet wurden. Es gab <strong>in</strong> den Klöstern auch Schwestern aus der<br />
unteren Schicht, die vorwiegend als Diener<strong>in</strong>nen im Kloster waren. Diese genossen ke<strong>in</strong>e so gute<br />
Ausbildung. Somit sollte die Bildungssituation der Mädchen im Mittelalter nicht überschätzt<br />
werden. 491 In den Klöstern wurden vor allem die Töchter des Adels und ab dem späten Mittelalter<br />
auch die Töchter der höheren Bürgerschicht unterrichtet. 492<br />
Im 11. Jahrhundert erfolgten vermehrt Gründungen von Frauenklöstern. 493 Nach 1100 nahm der<br />
Unterricht <strong>in</strong> den Klosterschulen an Bedeutung zu. In den Frauenklöstern beziehungsweise<br />
Nonnenklöstern wirkten vor allem die ´´sorores litteratae´´, die gelehrten Schwestern. 494 <strong>Das</strong><br />
Frauenkloster <strong>in</strong> Admont (gegründet 1116/1120, aufgehoben 1570) tat sich besonders im 12.<br />
486<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 128.<br />
487<br />
Paramente: Liturgische Altartücher und Gewänder. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 612.<br />
488<br />
Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 97.<br />
489<br />
Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 98.<br />
490<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 128.<br />
491<br />
Vgl. Liedtke, Männersache Bildung. Der weite Schulweg der Mädchen – Historische Wurzeln e<strong>in</strong>er Benachteiligung,<br />
S. 76.<br />
492<br />
Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 98.<br />
493<br />
Frauenklöster: zum Beispiel Göß (nach 1000, aufgehoben 1782), St. Georgen am Längsee (vor 1023, 1782<br />
aufgehoben), Sonnenburg im Pustertal (um ca. 1020), Traunkirchen (nach 1020), Gurk (1043) oder auch Erla (um<br />
1050). Zitiert nach: Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 1, S. 129 und<br />
Brehmer/Simon, Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 318.<br />
494<br />
Vgl. Brehmer/Simon, Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 318.<br />
68
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Jahrhundert <strong>in</strong> der Mädchenerziehung hervor. Ebenso wichtig wurde der Chorfrauenstift <strong>in</strong> Seckau<br />
(gegründet ca. 1150, aufgehoben 1488). 495<br />
Vor allem die Benedikt<strong>in</strong>er<strong>in</strong>nen waren im Bereich der Erziehung tätig, doch neben ihnen<br />
engagierten sich auch die Chorfrauen <strong>in</strong> ihren Stiften für die Bildung von Mädchen. Die weiblichen<br />
Orden ließen sich oft neben den Männerklöstern nieder. Sie waren dadurch aber sehr abhängig von<br />
den Mönchen und hatten wenige Freiräume. Solche Frauenkonvente überlebten nicht sehr lange,<br />
e<strong>in</strong>ige nur bis <strong>in</strong>s 16. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. 496<br />
In e<strong>in</strong>igen Klöstern lernten die Frauen das gleiche wie die Mönche. 497 So hatten die sehr gebildeten<br />
Frauen, wie zum Beispiel Hildegard von B<strong>in</strong>gen, Kenntnisse im Bereich des Triviums (Grammatik,<br />
Rhetorik, Logik) und des Quadriviums (Arithmetik, Geometrie, Astrologie, Musik). Diese sehr gute<br />
Ausbildung erhielten nicht alle. So beschränkten sich e<strong>in</strong>ige Klöster meist auf das elementare<br />
Wissen wie Lesen und Schreiben. Zur höheren Bildung, wie zu den Universitäten, hatten die Frauen<br />
im Mittelalter ke<strong>in</strong>en Zugang. Diese stand nur den Männern zu. 498<br />
Doch auch außerhalb der Klöster zeichneten sich Veränderungen für die Frauen im Bereich der<br />
Bildung ab. E<strong>in</strong> Umstand der dazu führte, war vor allem die negative E<strong>in</strong>stellung gegenüber<br />
literarischer Bildung, die sich im Bereich der Männer <strong>in</strong> den adeligen Kreisen entwickelte. Für die<br />
Jungen zählten nun andere Ideale und vor allem e<strong>in</strong> ritterliches Bildungsziel. Wichtig waren nun die<br />
Waffenfähigkeit und die Kriegstüchtigkeit. Bücher konnten e<strong>in</strong>em angehenden Ritter, so dachten<br />
viele, nicht helfen. Viele adelige Söhne wuchsen ohne Lese- und Schreibkenntnisse auf. Dafür<br />
zählte für sie das Erlernen des Reitens, des Schwimmens, des Pfeilschießens, des Fechtens, des<br />
Jagens, des Schachspielens oder auch des Versemachens. Für den Schriftverkehr oder für diverse<br />
Übersetzungen dienten den Rittern die Kleriker, da sie es selbst nicht meistern konnten. 499<br />
Dies alles brachte den Frauen Vorteile. Da der Ritter nun die literarische Bildung verachtete,<br />
erschien sie für die Frauen als angebracht. 500 Für Ritter war lesen auch etwas ´´Weibisches´´. 501 So<br />
erlangten adelige Töchter Kenntnisse im Lesen, Schreiben und auch <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>. Ihre Lektüre war<br />
495<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 130.<br />
496<br />
Vgl. Ebda, S. 129.<br />
497<br />
Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 97.<br />
498<br />
Vgl. Liedtke, Männersache Bildung. Der weite Schulweg der Mädchen – Historische Wurzeln e<strong>in</strong>er Benachteiligung,<br />
S. 77.<br />
499<br />
Vgl. Ebda, S. 78.<br />
500<br />
Vgl. Ebda, S. 78-79.<br />
501<br />
Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 99.<br />
69
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
e<strong>in</strong>e leichtere, also ke<strong>in</strong>e klassischen römischen und geistlichen Werke, sondern Lieder,<br />
Ritterromane oder auch Anstandsbücher.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Fortschritt war die Entwicklung von weltlichen Lehrer<strong>in</strong>nen, neben den geistlichen, die<br />
den Mädchen schulische Inhalte beibrachten, diese wurden meist als ´´Zuchtmeister<strong>in</strong>nen´´<br />
bezeichnet, was auch e<strong>in</strong> deutlicher Schritt zur Säkularisierung der Mädchenbildung war. 502 Diese<br />
Zuchtmeister<strong>in</strong>nen kamen meist aus Frankreich und so wurde auch Französisch zu e<strong>in</strong>er neuen<br />
Verb<strong>in</strong>dungssprache im europäischen Raum. Von diesen Meister<strong>in</strong>nen lernten sie die höfischen<br />
Sitten, tanzen, Handarbeiten und Musik. Der Adel war nun der Me<strong>in</strong>ung, dass e<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong>ige<br />
Ausbildung im Kloster nicht reichte, da diese zu theologisch war. 503<br />
Doch Frauen lernten nicht nur <strong>in</strong> Klöstern oder durch Privatlehrer. Im Laufe der Zeit erlangten<br />
Frauen diverse Fähigkeiten, die sie durch das tägliche Leben erlernten. Sie konnten zum Beispiel im<br />
Bereich der Landwirtschaft Pflanzen anbauen, Kle<strong>in</strong>vieh aufziehen, diverse Lebensmittel erzeugen<br />
und diese auch konservieren. Weiters waren sie <strong>in</strong> der Lage Wolle und Flachs zu Tüchern und<br />
Kleidung zu verarbeiten und sie waren dazu fähig, Kranke zu pflegen und e<strong>in</strong>en gesamten Haushalt<br />
zu organisieren. Neben dem Haushalt halfen sie ihren Männern bei deren handwerklichen<br />
Tätigkeiten und erzogen die K<strong>in</strong>der. Durch mündliche Überlieferungen erlernten die Frauen damals<br />
die Regeln der Gesellschaft. Dies erfolgte durch die Bibel, Märchen oder Fabeln aber auch durch<br />
diverse Anekdoten und Erzählungen. Trotz all ihres Wissens zählten die meisten Frauen zu den 90<br />
Prozent der Bevölkerung, welche Analphabeten waren. 504 Doch leider war es immer noch so, dass<br />
man im Mittelalter Bildung für alle Frauen nicht schätzte. 505 Im 15. Jahrhundert schrieben viele<br />
gebildete Frauen, Autor<strong>in</strong>nen und Dichter<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> ihren Werken, dass auch sie die Mutterschaft und<br />
die Ehe als e<strong>in</strong>e der wichtigsten Aufgaben der Frauen sahen. 506<br />
Während des ganzen Mittelalters wurden von adeligen Frauen Klöster gegründet 507 . Hier wurden<br />
nicht nur ihre Töchter unterrichtet, sondern auch arme Mädchen, oder auch Knaben und Mädchen<br />
geme<strong>in</strong>sam. Arme Knaben fanden leichter Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kloster. Die Aufnahme e<strong>in</strong>es<br />
502<br />
Vgl. Liedtke, Männersache Bildung. Der weite Schulweg der Mädchen – Historische Wurzeln e<strong>in</strong>er Benachteiligung,<br />
S. 78-79.<br />
503<br />
Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 98.<br />
504<br />
Vgl. Ebda, S. 93-95.<br />
505<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 130.<br />
506<br />
Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 147.<br />
507<br />
Gegründet wurde von adeligen Frauen zum Beispiel die Abteien Gandersheim und Quedl<strong>in</strong>burg <strong>in</strong> Sachsen. Zitiert<br />
nach: Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 44.<br />
70
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Mädchens <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kloster h<strong>in</strong>g jedoch davon ab, wie viel ihre Familie dem Kloster spendete. Für die<br />
armen Knaben entwickelten sich immer mehr Laienschulen, die sie besuchen konnten, vor allem <strong>in</strong><br />
den Städten, <strong>in</strong> denen ihnen das Grundwissen, also lesen, schreiben und rechnen beigebracht wurde.<br />
E<strong>in</strong>ige Laienschulen wurden auch für Mädchen errichtet. In Frankreich wurden im 15. Jahrhundert<br />
städtische Grundschulen gegründet, <strong>in</strong> die auch Mädchen gehen konnten. 508<br />
Durch die Entwicklung des Bürgertums im späten Mittelalter veränderte sich im Bereich der<br />
Bildung etwas, sogar für die Frauen. Viele Frauen unterstützten ihre Männer bei den<br />
Handelsgeschäften, so war es für sie auch wichtig, das Rechnen zu erlernen. 509 Im Bereich der<br />
Berufe entwickelten sich die Frauen weiter, so gab es Lohnschreiber<strong>in</strong>nen, Schulmeister<strong>in</strong>nen,<br />
Bademägde, F<strong>in</strong>delk<strong>in</strong>dpfleger<strong>in</strong>nen, Leichenfrauen, Krankenpfleger<strong>in</strong>nen und sie verrichteten auch<br />
handwerkliche Arbeiten und waren im Bereich des Handels tätig. Im 16. Jahrhundert gab es wieder<br />
e<strong>in</strong>en Rückzug der Frauen aus der Arbeitswelt. 510<br />
Im Spätmittelalter nutzten die adeligen Mädchen immer mehr die Klosterschulen, aber auch die<br />
deutschen Schulen oder Privatlehrer. Ab dem 13. Jahrhundert wandten sich die adeligen Mädchen<br />
immer mehr vom Weltlichen ab, sie lasen also nicht mehr so gerne volkssprachliche Schriften oder<br />
die Dichtungen der Spielleute, sondern lieber Religiöses. Dies brachte die Frauenklöster erneut zum<br />
Erblühen. 511<br />
Es gab auch Literatur, die zur Erziehung im Mittelalter diente. Zu dieser didaktischen Literatur<br />
zählten zum Beispiel das Werk ´´W<strong>in</strong>sbecke´´ und ´´W<strong>in</strong>sbeck<strong>in</strong>´´ 512 . Dieses Werk wurde <strong>in</strong> der<br />
Form e<strong>in</strong>es Dialoges geschrieben. Es waren Lehrgedichte für Frauen und für Männer und<br />
entstanden im 13. Jahrhundert. Diese Lehrgedichte stellten e<strong>in</strong> Gespräch zwischen Vater und Sohn<br />
und zwischen Mutter und Tochter dar. Im Gespräch zwischen Mutter und Tochter g<strong>in</strong>g es vor allem<br />
um die rechte M<strong>in</strong>nepraxis, also um die Fragen über Ehe und M<strong>in</strong>ne. Es g<strong>in</strong>g darum, dass die<br />
Tochter lernen sollte ihren guten Ruf zu bewahren und wie sie e<strong>in</strong>en passenden Kandidaten für die<br />
Ehe fand, sowie der rechte Umgang mit der M<strong>in</strong>ne. Kritisiert wurde <strong>in</strong> den didaktischen Schriften<br />
508<br />
Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 43-45.<br />
509<br />
Vgl. Brehmer, Mädchenerziehung und Frauenbildung im deutschsprachigen Raum, S. 99.<br />
510<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd.1, S. 177.<br />
511<br />
Vgl. Ebda, S. 176-177.<br />
512<br />
Vgl. Bennewitz, ´´Darum lieben Toechter/seyt nicht zu gar fürwitzig…´´ Deutschsprachige moralisch-didaktische<br />
Literatur des 13. -15. Jahrhunderts, S. 26.<br />
71
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
vor allem der soziale Aufstieg, also das Ausbrechen aus der von Gott gegebenen Ordnung. Weiters<br />
war es wichtig, die Rollen und Aufgaben der Geschlechter e<strong>in</strong>zuhalten. <strong>Das</strong> Mädchen sollte e<strong>in</strong><br />
begehrtes Heiratsobjekt werden und weiters e<strong>in</strong>e gute Frau, Hausfrau und Mutter se<strong>in</strong>. 513 Auch drei<br />
andere didaktische Werke aus dem 13. Jahrhundert zeigten solche Unterweisungen für die Frauen<br />
auf: ´´Der Wälsche Gast´´ von Thomas<strong>in</strong> von Zerklaere 514 , Freidanks 515 ´´Bescheidenheit´´ und der<br />
´´Renner´´ von Hugo von Trimberg 516 . 517 So wurde zum Beispiel im ´´Wälschen Gast´´ den Frauen<br />
nahegelegt ihren Körper zu verhüllen, sie durften sich nicht überall aufhalten und sie sollten, zum<br />
Beispiel, auch nicht überall mitreden. 518<br />
In der Forschung wird davon ausgegangen, dass sich der Bildungsstand der Frauen und Nonnen<br />
gegen Ende des Mittelalters verschlechterte. 519 E<strong>in</strong> Grund dafür könnte se<strong>in</strong>, dass Nonnen, im<br />
Gegensatz zu den Mönchen, ihre Kloster nicht verlassen durften um sich Zugang zu den neuen<br />
Bildungse<strong>in</strong>richtungen und auch den Universitäten zu verschaffen. Vielen fehlte auch die höhere<br />
Bildung, also die Fähigkeit late<strong>in</strong>isch zu schreiben oder Texte auf Late<strong>in</strong> zu lesen, was den Zugang<br />
zu den höheren Bildungsanstalten verh<strong>in</strong>derte. 520 Natürlich gab es Ausnahmen, so wiesen e<strong>in</strong>ige<br />
Frauenklöster e<strong>in</strong>e Bildung auf hohem Niveau auf, doch diese Frauen beteiligten sich mit ihrem<br />
Wissen nicht an der Öffentlichkeit. 521<br />
Im späten Mittelalter entwickelte sich immer mehr die Kaufmannsschicht. Die Töchter aus dieser<br />
Schicht wurden dazu angehalten lesen und schreiben zu lernen. Viele solche Lai<strong>in</strong>nen hatten die<br />
Möglichkeit <strong>in</strong> Kloster- oder Pfarrschulen zu gehen, denn e<strong>in</strong>ige dieser kirchlichen Schulen standen<br />
eben auch den Laien und Lai<strong>in</strong>nen offen. Vor allem viele Bürger, der immer wichtiger werdenden<br />
Städte, wollten ihre K<strong>in</strong>der zur Schule schicken. 522 Die ersten Städte, <strong>in</strong> denen auch Mädchen<br />
513<br />
Vgl. Ebda, S. 26-29.<br />
514<br />
Thomas<strong>in</strong> von Zerklare: geboren um 1186, gestorben um 1235. Er war e<strong>in</strong> mittelhochdeutscher Dichter mit<br />
italienischer Herkunft. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 846.<br />
515<br />
Freidank: lebte ca. um 1230. Er war e<strong>in</strong> südwestdeutscher Magister. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S.<br />
268.<br />
516<br />
Hugo von Trimberg: geboren um 1230, gestorben nach 1313. Er war e<strong>in</strong> mittelhochdeutscher Dichter. Meyers Großes<br />
Handlexikon, S. 363.<br />
517 Vgl. Bennewitz, ´´Darum lieben Toechter/seyt nicht zu gar fürwitzig…´´ Deutschsprachige moralisch-didaktische<br />
Literatur des 13. -15. Jahrhunderts, S. 31.<br />
518 Vgl. Ebda, S. 33.<br />
519 Vgl. Opitz, Erziehung und Bildung <strong>in</strong> Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters, S. 70.<br />
520 Vgl. Ebda, S. 71.<br />
521 Vgl. Ebda, S. 75.<br />
522 Vgl. Kammeier-Nebel Andrea, Frauenbildung im Kaufmannsmilieu spätmittelalterlicher Städte, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke,<br />
72
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
öffentliche Schulen besuchten waren Paris und Flandern im 13. Jahrhundert. In diesen Städten<br />
wurden, zu Beg<strong>in</strong>n des 14. Jahrhunderts, die ersten städtischen Mädchenschulen <strong>in</strong>s Leben gerufen.<br />
Doch so e<strong>in</strong>e Ausbildung für Mädchen stand nur wenigen Privilegierten offen. Bei den<br />
Kaufmännern war es vor allem wichtig, dass auch die Frau e<strong>in</strong>e Zeit lang die Geschäfte<br />
übernehmen konnte, wenn der Mann auf Handelsreisen war. 523 Bei den Mädchen legte man bei der<br />
Ausbildung besonderen Wert darauf, dass sie handwerkliche Fähigkeiten beherrschten, wie zum<br />
Beispiel im Haushalt mitzuhelfen, und das sie weiters die weiblichen Tugenden, wie Gehorsam,<br />
Sanftmut, etc., erlernten. 524 In der Schule lernten sie meist nur das Nötigste, also Lesen, Rechnen<br />
und Schreiben. Den meisten blieb der Weg zu e<strong>in</strong>er höheren Ausbildung versperrt, viele<br />
beschäftigten sich aber zuhause mit Literatur, Theologie oder zum Beispiel auch Kunst. 525<br />
Ab dem 12. Jahrhundert etablierten sich die Universitäten. In Paris und Bologna entstanden die<br />
ersten Unis, auch Oxford wurde im 12. Jahrhundert errichtet. Im 13. Jahrhundert folgten weitere<br />
Errichtungen <strong>in</strong> Frankreich und <strong>in</strong> Italien und im Jahre 1365 wurde schließlich auch die Universität<br />
<strong>in</strong> Wien gegründet. 526 Viele dieser Universitäten, welche damals gegründet wurden, g<strong>in</strong>gen aus<br />
Domschulen hervor. Diese geistliche Abstammung wirkte sich weiter aus und somit war vielen<br />
Frauen der Zutritt verwehrt, auch deshalb, weil sie ja nicht das Priesteramt bekleiden durften. So<br />
kam es erneut zu antifem<strong>in</strong>istischen Haltungen und zu Ausgrenzungen der Frauen und der<br />
akademische Stand wurde von da an als etwas Männliches betrachtet. 527 Vielen Frauen fehlte auch<br />
das Geld. E<strong>in</strong> weiterer Grund, warum sie nicht auf die Universitäten g<strong>in</strong>gen war, dass sie dort zu<br />
viel Umgang mit Männern gehabt hätten, was nicht den moralischen Vorstellungen entsprach. 528<br />
Trotz allem galt e<strong>in</strong>e Frau als Träger<strong>in</strong> des Wissens, die Alma Mater, die Mutter der Weisheit, die<br />
den Wissenshunger der Gelehrten stillte. 529<br />
Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1, vom Mittelalter bis zur Aufklärung,<br />
Frankfurt –New York 1996, S. 78-79.<br />
523<br />
Vgl. Ebda, S. 80-82.<br />
524<br />
Vgl. Ebda, S. 85.<br />
525<br />
Vgl. Ebda, S. 87-89.<br />
526<br />
Vgl. Lundt Bea, Zur Entstehung der Universität als Männerwelt, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte<br />
der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1, vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt –New York 1996, S. 104-<br />
105.<br />
527<br />
Vgl. Ebda, S. 109-111.<br />
528 Vgl. Ebda, S. 114.<br />
529 Vgl. Ebda, S. 118.<br />
73
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
2.2.2. Die Bildungsmöglichkeiten der Mädchen <strong>in</strong> der Neuzeit<br />
Obwohl man davon ausgehen kann, dass die Mädchen im Mittelalter meistens nur Bildung erhalten<br />
konnten, wenn sie zur privilegierten Schicht gehörten, sollte man aber bedenken, dass immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Teil der Mädchen die gleichen Bildungschancen wie die Burschen hatten. In der Neuzeit veränderte<br />
sich dies wieder und zwar zuungunsten der Mädchen und Frauen. So erklärt auch Erasmus von<br />
Rotterdam 530 , dass die Bücher gefährlich für den Verstand der Frauen seien und dass sie e<strong>in</strong>en<br />
schwierigeren Charakter hätten als die Knaben, weshalb Müßiggang für sie gefährlich gewesen<br />
wäre und ihre Keuschheit und Sittlichkeit bewahrt werden musste. 531 Trotz allem sahen diese<br />
Theoretiker, darunter auch Johannes Ludovicus Vives 532 , Bildung für Frauen als etwas positives,<br />
aber nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Ausmaß wie bei den Burschen. Vives empfand e<strong>in</strong> ungebildetes<br />
Mädchen für gefährlicher als e<strong>in</strong> gebildetes, da e<strong>in</strong> gebildetes e<strong>in</strong>e bessere Ehefrau abgeben<br />
würde. 533 Bildung für Frauen hatte e<strong>in</strong>e andere Funktion als Bildung für Männer, denn Frauen<br />
sollten durch die Bildung e<strong>in</strong>e gute Hausfrau, Ehefrau und Mutter werden.<br />
E<strong>in</strong>en besonderen E<strong>in</strong>schnitt brachte die Reformation für die Mädchenerziehung. Obwohl Mart<strong>in</strong><br />
Luther betonte, dass e<strong>in</strong>e elementare Ausbildung für Mädchen sehr wichtig sei, wurde die<br />
Ausbildung der Mädchen auf Lesen, Schreiben, hausfrauliche Tätigkeiten und e<strong>in</strong>en religiös-<br />
sittlichen Unterricht beschränkt. Für Luther war wichtig, dass Frauen die Bibel lesen konnten,<br />
darum empfahl er, die Mädchen e<strong>in</strong>mal am Tag zur Schule zu schicken. Weiters sollten die Städte<br />
eigene Mädchenschulen gründen und weibliches Lehrpersonal e<strong>in</strong>setzen, welches alt, gebildet und<br />
vor allem sittlich war. Doch vieles davon blieb unerledigt. Entweder fehlte das Geld oder die<br />
Geme<strong>in</strong>den und Städte <strong>in</strong>teressierten sich nicht sehr dafür.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Rückschlag <strong>in</strong> diesem Bereich war die Schließung vieler Klöster während der<br />
Reformation. Viele erlebten e<strong>in</strong>en starken Verfall und erloschen endgültig im 16. Jahrhundert. Nur<br />
wenige Klöster überstanden diese Wirren, wie zum Beispiel das Kloster <strong>in</strong> Göß (Steiermark). Viele<br />
530 Erasmus von Rotterdam: geboren 1469 (Rotterdam), gestorben 1536 (Basel). Er war niederländischer Theologe und<br />
Philologe, aber auch Humanist und Gegner von Mart<strong>in</strong> Luther. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 217.<br />
531 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 226.<br />
532 Johannes Ludovicus Vives: geboren 1492 (Valencia), gestorben 1540 (Brügge). Er war Humanist und Pädagoge. Er<br />
galt als Wegbereiter für die empirische Psychologie und für die neuere Sozialpädagogik. Zitiert nach: Meyers<br />
Großes Handlexikon, S. 905.<br />
533 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 47.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Nonnen verließen ihre Wirkungsstätte und somit fiel auch das Lehrpersonal aus. 534 Göß konnte sich<br />
vor allem wegen se<strong>in</strong>er guten Verb<strong>in</strong>dungen zum Herrscherhaus erhalten, jedoch g<strong>in</strong>g es zum<br />
Beispiel dem Nonnenkloster <strong>in</strong> Admont schlechter, denn dieses wurde wegen zu wenig Nachwuchs<br />
geschlossen. 535<br />
Obwohl es zu Beg<strong>in</strong>n der Reformation so aussah, dass sich das Bildungssystem für Mädchen<br />
verbesserte wurde im Laufe der Zeit wiederum klar, dass sie <strong>in</strong> ihre alten Rollen zurückgedrängt<br />
wurden. In den Late<strong>in</strong>schulen im 16. Jahrhundert wurde zum Beispiel den Burschen e<strong>in</strong>e<br />
Ausbildung ermöglicht, wobei jedoch die Mädchen daheim von Gouvernanten erzogen und<br />
unterrichtet wurden. 536<br />
Bis <strong>in</strong>s 17. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> hatten Mädchen eigentlich nur e<strong>in</strong>e Chance auf Bildung wenn sie<br />
adelig waren, aus e<strong>in</strong>er Familie stammten, <strong>in</strong> der es ke<strong>in</strong>e Söhne gab, oder wenn sie e<strong>in</strong>en Vater<br />
hatten, der e<strong>in</strong>er Bildung für Mädchen gegenüber offen war. E<strong>in</strong>ige wurden geme<strong>in</strong>sam mit ihren<br />
Brüdern zuhause von privaten Lehrern unterrichtet. 537<br />
Auch die neuen Zunftordnungen verdrängten die Frauen aus der Arbeitswelt, was wiederum dazu<br />
führte, dass für sie e<strong>in</strong>e Ausbildung, die über die elementare h<strong>in</strong>ausg<strong>in</strong>g, nicht mehr notwendig<br />
erschien. Leider fand man diese Me<strong>in</strong>ung sowohl bei Protestanten als auch bei Katholiken. Nur <strong>in</strong><br />
Städten, die stärker besiedelt waren, gab es oft Frauen oder auch Witwen von Schulmeistern, die<br />
Mädchen unterrichteten. 538 In den Schulen, wo Mädchen und Buben geme<strong>in</strong>sam unterrichtet<br />
wurden, achtete man nun immer mehr auf e<strong>in</strong>e streng getrennte Sitzordnung zwischen den<br />
Geschlechtern. Viele glaubten, dass Koedukation zu e<strong>in</strong>er sittlichen Gefährdung der beiden<br />
Gruppen führte. Alles <strong>in</strong> allem brachte der verbesserte Stellenwert der Bildung für Mädchen nichts<br />
Gutes, denn sie erfuhren meist nur e<strong>in</strong>e elementare Ausbildung mit E<strong>in</strong>schränkungen oder auch<br />
kle<strong>in</strong>en Ergänzungen. 539<br />
Für die Töchter aus der unteren Schicht bedeutete der Besuch der deutschen Schulen e<strong>in</strong>e deutliche<br />
Verbesserung, für die Töchter der oberen und der adeligen Schicht e<strong>in</strong>e drastische Verschlechterung.<br />
534<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 227.<br />
535<br />
Vgl. Schill<strong>in</strong>ger-Praßl Christa, ´´Die jungen Fräule<strong>in</strong> <strong>in</strong> allen guten Sitten und Tugenden zu unterweisen´´, Die<br />
weiblichen Schulorden <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> <strong>in</strong> der Frühen Neuzeit, <strong>in</strong>: Brehmer Ilse, Simon Gertrud (Hg.), Geschichte der<br />
Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S. 92.<br />
536<br />
Vgl. Lerner, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s, S. 5.<br />
537<br />
Vgl. Ebda, S. 45-46.<br />
538<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 227.<br />
539<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 50.<br />
75
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
<strong>Österreich</strong> war bis zur Gegenreformation teils zu 80% protestantisch. In den vielen protestantischen<br />
Geme<strong>in</strong>den fehlten oft das Geld und das Verständnis, Lehrer<strong>in</strong>nen für Mädchenschulen angemessen<br />
zu bezahlen. Es kam immer mehr zu e<strong>in</strong>er erneuten Diskrim<strong>in</strong>ierung der Mädchen und Frauen im<br />
Bereich der Bildung. 540<br />
Dadurch, dass die meisten Frauenklöster geschlossen wurden, erbat der Klosterrat von Wien im<br />
Jahre 1569 von Kaiser Maximilian I., dass er e<strong>in</strong>e Schule für Mädchen errichten sollte. Es kam<br />
tatsächlich zur Eröffnung e<strong>in</strong>er solchen Schule und zwar im Kloster der Büßer<strong>in</strong>nen zu St.<br />
Hieronymus. Es wurden dort 20 Mädchen aus ärmeren Verhältnissen aufgenommen, welche gesund,<br />
arm, verweist oder auch ehelich geboren waren, und Mädchen von reicheren Bürgern, die sich e<strong>in</strong><br />
Schulgeld leisten konnten. Die Ausbildung dauerte vom sechsten bis h<strong>in</strong> zum fünfzehnten<br />
Lebensjahr und be<strong>in</strong>haltete Lesen, Schreiben und natürlich auch die Unterweisung <strong>in</strong><br />
haushaltstechnischen Arbeiten. Im Jahre 1524 übersiedelte diese Schule <strong>in</strong>s Bürgerspital. Durch die<br />
Gegenreformation kam es zu besonders strengen Kontrollen solcher Schulen. 541 Es wurde im Jahre<br />
1598 das Formular der <strong>in</strong>nerösterreichischen Religionsformationsordnung herausgegeben und dar<strong>in</strong><br />
wurde festgehalten, dass Mädchen nur <strong>in</strong> katholischen Schulen erzogen werden durften. Sowohl die<br />
Protestanten, als auch die Katholiken sahen vor allem die Wichtigkeit dar<strong>in</strong>, dass Mädchen und<br />
Buben e<strong>in</strong>en getrennten Unterricht erhielten, um die Sittsamkeit zu bewahren. Selten gab es eigene<br />
Klassenräume für Mädchen, oft wurde nur e<strong>in</strong> Verschlag e<strong>in</strong>gebaut.<br />
Wie bereits festgehalten, erhielten Mädchen zu dieser Zeit e<strong>in</strong>e elementare Ausbildung, welche das<br />
Lesen, Schreiben, Rechnen, den Katechismus, Nähen und andere hausfrauliche Tätigkeiten<br />
be<strong>in</strong>haltete.<br />
Den Quellen nach zu urteilen gibt es sehr wenige H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>en regen Besuch von Mädchen.<br />
Auch im Bereich der Ausbildung der adeligen Mädchen konnte man e<strong>in</strong>en Rückgang erkennen. Die<br />
meisten adeligen Mädchen wurden im privaten Bereich unterrichtet. Auch der Adel zeigte wenig<br />
Interesse daran, eigene Bildungsanstalten für ihre Töchter zu errichten. 542<br />
Weder die Late<strong>in</strong>schulen und die adeligen Landschaftsschulen der Protestanten, noch die<br />
Gymnasien der Jesuiten sahen es vor, die Mädchen <strong>in</strong> ihr Schulprogramm aufzunehmen. Da sich im<br />
17. Jahrhundert das Gymnasium durchsetzte, bedeutet dies also für die Mädchen, dass sie wiederum<br />
540 Vgl. Ebda, S. 49.<br />
541 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 228.<br />
542 Vgl. Ebda, S. 229-230.<br />
76
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
nicht im Bereich der höheren Bildung Fuß fassen konnten. Nur im privaten Bereich, und dies galt<br />
auch nur für die adeligen Mädchen, stand ihnen e<strong>in</strong>e bessere Ausbildung zur Verfügung.<br />
E<strong>in</strong>e erste Wende gab es durch die Gründung der weiblichen Schulorden der Ursul<strong>in</strong>en 543 und der<br />
Englischen Fräule<strong>in</strong> 544 . Diese nahmen sich auch der armen und verwaisten Mädchen an. E<strong>in</strong>e<br />
Änderung war also <strong>in</strong> Sicht. 545<br />
Im 17. Jahrhundert kam es unter Maria Theresia zu ständigen Schulreformen. Dies betraf natürlich<br />
auch den Bereich der Mädchenerziehung. Die gehobene Mädchenerziehung <strong>in</strong> den weiblichen<br />
Lehrorden wurde e<strong>in</strong>geschränkt, denn der Staat wollte auch diesen Bereich kontrollieren. Wichtig<br />
war aber nach wie vor die Erziehung der Mädchen zu guten Hausfrauen, Ehegatt<strong>in</strong>nen, Müttern<br />
oder Dienstbot<strong>in</strong>nen. Die Ursul<strong>in</strong>en und auch viele andere Orden fügten sich diesen<br />
Unterweisungen. 546<br />
Wie schon im ersten Teil dieser Arbeit, dem historischen <strong>Überblick</strong> über das <strong>Schulwesen</strong><br />
ausgeführt, wurden <strong>in</strong> Orten mit e<strong>in</strong>er Pfarrkirche oder e<strong>in</strong>e Filialkirche Trivialschulen e<strong>in</strong>gerichtet.<br />
In den Hauptstädten entstanden Normalschulen und <strong>in</strong> den Kreisstädten Hauptschulen. Die<br />
Schulordnung aus dem Jahr 1774 brachte die Veränderung, dass sie für beiderlei Geschlecht galt<br />
und, dass Mädchen und Burschen getrennt zu unterrichten seien. Offen blieb die Frage, wie oft<br />
Mädchen die Haupt- und Normalschulen besuchten. Weiters durften Mädchen die Hauptschulen nur<br />
besuchen, wenn dort nicht bereits zu viele Knaben unterrichtet wurden. Die K<strong>in</strong>der der Arbeiter<br />
sollten <strong>in</strong> Abendschulen oder <strong>in</strong> Sonn- und Feiertagsschulen auf Kosten der Eltern und<br />
Fabrik<strong>in</strong>haber unterrichtet werden. 547<br />
Unter Joseph II. gab es wieder e<strong>in</strong>e Verschärfung der Situation. Wiederum kam es zur Schließung<br />
e<strong>in</strong>iger Orden und Klöster, darunter auch Schulorden der Mädchen. So sollten Mädchen nun <strong>in</strong> die<br />
Normalschulen oder <strong>in</strong> die eigens errichteten ´´Mägden Schulen´´ kommen. Die re<strong>in</strong>en Lehrorden<br />
blieben von diesen Maßnahmen unbetroffen.<br />
543<br />
Ursul<strong>in</strong>en: e<strong>in</strong> Schulorden, der 1535 <strong>in</strong> Oberitalien <strong>in</strong> Brescia gegründet wurde, Hauptaufgabe war die Gründung von<br />
Mädchenschulen und man sah den Orden als weibliches Gegenstück zu den Ursul<strong>in</strong>en. Zitiert nach: Kle<strong>in</strong>au/Mayer<br />
(Hg.), Erziehung und Bildung des weiblichen Geschlechts, Bd. 1, S. 22.<br />
544<br />
Englische Fräule<strong>in</strong>: e<strong>in</strong> englischer Orden, gegründet 1609 von Maria Ward unter dem Namen ´´Institutum Beatea<br />
Mariae Virg<strong>in</strong>is´´, bei uns bekannt als ´´Englische Fräule<strong>in</strong>´´. Zitiert nach: Flich Renate, Wider die Natur der Frau?<br />
Entstehungsgeschichte der höheren Mädchenschulen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, dargestellt anhand von Quellenmaterial, Wien<br />
1992, S. 42.<br />
545<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 230-231.<br />
546<br />
Vgl. Ebda, Bd. 3, S. 164-165.<br />
547<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 112-114.<br />
77
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
In diesen Klosterschulen befanden sich entweder zahlende Kostmädchen oder auch von der Stiftung<br />
erhaltene Stiftmädchen. Doch die Anzahl war nicht sehr hoch. 548 Unter Joseph II. wurde e<strong>in</strong> Institut<br />
für verwaiste oder mittellose Töchter von Offizieren errichtet. Dieses ´´Officierstöchter-Erziehungs-<br />
Institut´´ wurde 1775 <strong>in</strong> St. Pölten gegründet. 1876 übersiedelte es nach Wien. Erlernt wurde die<br />
französische Sprache, lesen, rechnen, schreiben, Musik und weibliche Handarbeiten (nähen,<br />
sp<strong>in</strong>nen, etc.). 549 Joseph II. legte großen Wert darauf, dass die Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> dieser Schule aus<br />
<strong>Österreich</strong> kamen und nicht aus Frankreich, um diese privilegierten Töchter auszubilden. Die<br />
Mädchen konnten ab sechs Jahren diese Schule besuchen und blieben, bis sie zwanzig waren. Die<br />
Ausbildung war meistens auch e<strong>in</strong>e sehr strenge. Diese Schule konnte ab dem Jahr 1877 auch von<br />
anderen Mädchen besucht werden, da sie öffentlich wurde und nach dem Reichsvolksschulgesetz<br />
1867 wurden dar<strong>in</strong> auch Lehrer<strong>in</strong>nen ausgebildet. Nach 1918 wurde daraus e<strong>in</strong>e<br />
Bundeserziehungsanstalt. 550<br />
Die Mädchen erfuhren aber auch e<strong>in</strong>en Nachteil unter Joseph II. So mussten sie für die Haupt- und<br />
Trivialschulen weiterh<strong>in</strong> Schulgeld bezahlen, was den Burschen zum Großteil erlassen wurde. 551<br />
Die Privatlehrer<strong>in</strong> Therese Luzac 552 , setzte sich für e<strong>in</strong>e Gründung e<strong>in</strong>er öffentlichen<br />
Erziehungsanstalt unter Joseph II. e<strong>in</strong>. Die Mädchen sollten dar<strong>in</strong> zu Lehrer<strong>in</strong>nen und Erzieher<strong>in</strong>nen<br />
der Jugend ausgebildet werden. Es kam zur Gründung dieser Schule am 1. März im Jahre 1787. Die<br />
Schule erhielt den Namen ´´Zivilmädchenpensionat´´. Die Ausbildung der Mädchen dauerte sechs<br />
Jahre und aufgenommen wurden Töchter von Beamten und Offizieren, zwischen dem zehnten und<br />
dem zwölften Lebensjahr. Sie mussten sich vorher untersuchen lassen und weiters schon gewisse<br />
Fähigkeiten, wie lesen, schreiben und andere gute Talente mitbr<strong>in</strong>gen. 553 Die Mädchen konnten <strong>in</strong><br />
diesem Internat bleiben bis sie zwanzig waren und wurden zu Lehrer<strong>in</strong>nen oder auch Erzieher<strong>in</strong>nen<br />
ausgebildet. Kaiser Franz I. 554 wollte diese Schule auflösen, dennoch blieb sie bestehen. 555<br />
Joseph II. verfolgte mit dieser Eröffnung das Ziel, die höhere Mädchenausbildung zu<br />
vere<strong>in</strong>heitlichen. Er ordnete daher auch 1787 an, dass alle weiblichen Orden dreiklassige öffentliche<br />
548<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 165.<br />
549<br />
Vgl. Ebda, S. 165.<br />
550<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 115-116.<br />
551<br />
Vgl. Ebda, S. 115.<br />
552<br />
Therese Luzac: ke<strong>in</strong>e biographischen Daten auff<strong>in</strong>dbar.<br />
553<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 165-166.<br />
554<br />
Franz I.: geboren 1768, gestorben 1835. Seit 1804 Kaiser von <strong>Österreich</strong>, legte aber 1806 die deutsche Kaiserkrone<br />
nieder. Zitiert nach: Meyers Großes Handlexikon, S. 264.<br />
555<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 116-117.<br />
78
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Mädchenschulen führen mussten. Es wurde auch nur mehr Noviz<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Orden aufgenommen,<br />
die zu Lehrer<strong>in</strong>nen ausgebildet wurden. Doch diese Bestimmung wurde 1790 wieder aufgehoben.<br />
Nun bestand wieder die Hoffnung auf e<strong>in</strong>e freiere Entwicklung der Mädchenschulen. 556<br />
Trotz allem gab es noch immer die Me<strong>in</strong>ung, dass Mädchen ´´anders´´ waren und man dachte noch<br />
immer, dass Mädchen mehr Schwächen und Laster hätten als Burschen, wie zum Beispiel<br />
Oberflächlichkeit, Kle<strong>in</strong>geistigkeit oder auch Leichtfertigkeit. Dies war auch der Grund, dass man<br />
ke<strong>in</strong>eswegs daran dachte, den Mädchen gleiche Schulen und Bildungschancen wie den Burschen zu<br />
gewähren und somit mussten die Frauen im kommenden 19. Jahrhundert sich mehr für die<br />
Errichtung von höheren Mädchenschulen e<strong>in</strong>setzen. 557 E<strong>in</strong>e Ausnahme machte aber zum Beispiel<br />
Theodor Gottlieb von Hippel 558 , welcher sich für e<strong>in</strong>e Emanzipation der Gesellschaft e<strong>in</strong>setzte, egal<br />
welchen Geschlechts. Er sagte, dass nur die fehlende schulische Ausbildung daran schuld sei, dass<br />
Frauen so wenig wissen. 559<br />
Der Großteil der Bevölkerung war, zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts, ke<strong>in</strong>esfalls überzeugt von der<br />
Idee, dass Mädchen höhere Schulen oder sogar die Universität besuchen sollten. Wie schon<br />
erwähnt, gab es e<strong>in</strong>ige Schulorden, wie die Ursul<strong>in</strong>en, die Englischen Fräule<strong>in</strong> oder auch die<br />
Schulschwestern und sogar Schulen wie das oben erwähnte Offizierstöchter-Institut oder auch das<br />
Zivilmädchenpensionat, welche für die Ausbildung der Mädchen zuständig waren. Doch auch <strong>in</strong><br />
diese Schulen g<strong>in</strong>gen meist nur Mädchen aus der oberen Schicht oder der gehobenen Mittelschicht.<br />
Wichtig waren hier zum Beispiel die Konversation im Salon, Fremdsprachen, Musik und<br />
Handarbeiten für Frauen. 560 Es wurden noch immer viele Mädchen zuhause unterrichtet, zum<br />
Beispiel vom Vater oder von e<strong>in</strong>em älteren Bruder. 561<br />
1805 erließ Franz I. die politische Schulverfassung, welche 1806 <strong>in</strong> Kraft trat. Statt den<br />
Normalschulen gab es nun Musterhauptschulen und es wurden Realschulen e<strong>in</strong>gerichtet für die<br />
556<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 166.<br />
557<br />
Vgl. Ruf Kathar<strong>in</strong>e, Bildung hat (k)e<strong>in</strong> Geschlecht. Über erzogene und erziehende Frauen, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1998,<br />
S. 31-33.<br />
558<br />
Theodor Gottlieb Hippel: geboren 1741 <strong>in</strong> Ostpreußen, gestorben 1796. Studierte Theologie und<br />
Rechtswissenschaften. Er schrieb ´´Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber´´, <strong>in</strong> welchem er Kritik an dem<br />
patriarchalischen System übte. Er gab das Werk aber anonym heraus. Zitiert nach: Flich, Wider die Natur der Frau?<br />
S. 24.<br />
559<br />
Vgl. Flich, Wider die Natur der Frau?, S. 24-25.<br />
560<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 278.<br />
561 Vgl. Flich, Wider die Natur der Frau?, S. 39.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Knaben, welche sich mit Handel, Buchhaltung, etc. beschäftigen wollten. Weiters wurde erneut die<br />
Wichtigkeit der Trennung der Geschlechter <strong>in</strong> den Schulen betont. Es sollten auch eigene Schulen<br />
für Mädchen errichtet werden und Fabrikschulen für Arbeiterk<strong>in</strong>der. Ebenso erhielt die Kirche<br />
wieder die Oberhand über das niedere <strong>Schulwesen</strong>. 562<br />
Pädagogen sahen es als äußerst gefährlich, wenn Mädchen das gleiche lernen würden wie Männer.<br />
Es würde zu Vermännlichung, Spott, Neid und Mißfallen der Umwelt kommen. Ebenso schaden<br />
Philosophie und Politik der weiblichen Rolle. 563<br />
Karl Ludwig Renner 564 beschrieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk ´´Wie soll sich e<strong>in</strong>e Jungfrau würdig bilden?´´ im<br />
Jahr 1824 die wesentlichen Eigenschaften der Frauen als folgende: Bildung des Herzens,<br />
K<strong>in</strong>destreue, Geschwisterliebe, häuslicher S<strong>in</strong>n, Menschenfreundlichkeit, heiterer S<strong>in</strong>n und<br />
Freundlichkeit, Ordnung und Re<strong>in</strong>lichkeit, Sanftmut, Gefügigkeit, Selbstverleugnung, Geduld,<br />
Selbsterkenntnis, Selbständigkeit und Festigkeit, Religiosität, weibliche Würde, Sittsamkeit und<br />
Bescheidenheit. Er erwähnte auch die wichtigsten Rollen der Frauen: ´´Freundschaft, Umgang mit<br />
dem männlichen Geschlecht, Ehe und Mutterstand, Beruf als Hausfrau, Wirtschaftlichkeit und der<br />
Umgang mit Menschen.´´ 565<br />
Im Revolutionsjahr 1848 und im darauffolgenden Jahr 1849 geschah nichts im Bezug auf die<br />
Mädchenbildung. Für die Veränderungen im <strong>Schulwesen</strong> lag das Augenmerk nach wie vor auf den<br />
Bereich der Knaben. Der Großteil der Frauen und Mädchen aus der unteren Schicht (Arbeiter<strong>in</strong>nen,<br />
etc.) waren damals auch von vornhere<strong>in</strong> schon zur Erwerbstätigkeit gezwungen, vor allem jene, die<br />
vom Land <strong>in</strong> die Stadt kamen. Für sie kam e<strong>in</strong>e schulische Ausbildung meist von vornhere<strong>in</strong> nicht<br />
<strong>in</strong> Frage. Ebenso verschlechterte sich die Situation für die bürgerlichen Frauen. Jene, welche<br />
verheiratet waren, waren von ihrem Mann abhängig. Die weiblichen Familienangehörigen, welche<br />
nicht verheiratet waren, denn die Heiratsrate g<strong>in</strong>g damals zurück, wurden mit der Situation<br />
konfrontiert, sich e<strong>in</strong>en Beruf suchen zu müssen, um sich erhalten zu können. Genau von diesen<br />
Frauengruppen g<strong>in</strong>gen die Bestrebungen aus e<strong>in</strong>e bessere Bildung zu erhalten. Die unverheirateten<br />
Frauen wollten nicht mittellos und verarmt dastehen und die verheirateten Frauen fürchteten sich<br />
davor was sei, wenn ihre Männer, und damit auch ihr Ernährer und F<strong>in</strong>anzier, sterben würden. Vor<br />
562 Vgl. Simon, Von Maria Theresia zu Eugenie Schwarzwald, S. 180.<br />
563 Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 92-93.<br />
564 Karl Ludwig Renner: ke<strong>in</strong>e biographischen Daten auff<strong>in</strong>dbar.<br />
565 Ebda, S. 94.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
allem nach 1866 mussten die Frauen schmerzlich erfahren, was es bedeutet wirtschaftlich <strong>in</strong> Not zu<br />
se<strong>in</strong>. Aus diesem Grund wurde zu dieser Zeit auch der ´´Wiener-Frauen-Erwerbs-Vere<strong>in</strong>´´<br />
gegründet. Dieser Vere<strong>in</strong> wollte den Frauen neue Berufswege eröffnen. 566<br />
Im Jahre 1867 kam es zu e<strong>in</strong>em Staatsgesetz, welches den Frauen eigentlich Gleichberechtigung vor<br />
dem Gesetz e<strong>in</strong>räumte. Man hätte also nun beg<strong>in</strong>nen müssen auch für Mädchen e<strong>in</strong> gleichwertiges<br />
<strong>Schulwesen</strong> wie für die Burschen zu errichten. Dies geschah jedoch noch immer nicht. Als erstes<br />
richteten die berufsbildenden Schulen eigene Zweige für die Mädchenausbildung e<strong>in</strong>, so wurde zum<br />
Beispiel 1868 <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong>e zweiklassige Handelsschule für Mädchen e<strong>in</strong>gerichtet.<br />
Es wurden dann immer mehr Vere<strong>in</strong>e, weibliche Orden und auch Genossenschaften für Frauen<br />
gegründet. Diese sorgten vor allem für Bildungsstätten, <strong>in</strong> denen den Mädchen hauswirtschaftliche<br />
Fähigkeiten vermittelt wurden.<br />
Durch das Reichsvolksschulgesetz 1869 wurde den Frauen e<strong>in</strong> weiterer Bildungsweg eröffnet. Nun<br />
konnten sie Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Volksschulen oder auch K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nen werden. Sie wurden<br />
gleich bezahlt wie ihre männlichen Kollegen, doch sobald sie heirateten schieden sie aus dem<br />
Lehrberuf aus. Auch mussten sie viel Kritik von ihren männlichen Kollegen ertragen, denn diese<br />
befürchteten e<strong>in</strong>e ´´Verweiblichung der Schule´´. Im Großen und Ganzen brachten die<br />
berufsbildenden Schulen e<strong>in</strong>e Besserung für die Situation der Frauen, doch e<strong>in</strong>e wirkliche<br />
Veränderung gab es erst zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Schritt der Frauen war der Versuch auch <strong>in</strong> den öffentlichen ´´Mittelschulen´´, also<br />
dem Sekundarschulwesen, aufgenommen zu werden. Doch dies erwies sich schwieriger als<br />
angenommen. Obwohl durch die Gleichberechtigung gesetzlich nichts gegen e<strong>in</strong>e Aufnahme der<br />
Mädchen <strong>in</strong> diese sekundaren Schulstufen sprach, wehrte man sich mit allen Mitteln dagegen.<br />
Jegliche Berechtigung diese Schulen zu besuchen wurde den Mädchen aberkannt. Weiters wurden<br />
sie nicht zum Unterricht <strong>in</strong> den Gymnasien und Realschulen zugelassen, sondern durften nur die<br />
Prüfungen ablegen und <strong>in</strong> ihren Maturazeugnissen gab es e<strong>in</strong>en Vermerk, der ihnen ke<strong>in</strong>e<br />
Inskription an den Hochschulen gestattete. Dies führte dazu, dass die Mädchen auch ke<strong>in</strong> großes<br />
Interesse zeigten solche ´´Mittelschulen´´ zu besuchen. 567<br />
Auch die Reformen unter Kaiser Franz Joseph I. im Bereich des Gymnasiums und der Realschulen<br />
566 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 279.<br />
567 Vgl. Ebda, S. 280-281.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
veränderten nichts für Mädchen. Die Trivial-, Haupt- und Musterhauptschulen blieben bestehen.<br />
Die Volksschule, die nach dem Reichsvolksschulgesetz 1869 e<strong>in</strong>gerichtet wurde und die Trivial-<br />
und Hauptschulen ersetzte, sollte allen K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>e gleiche Ausbildung ermöglichen. 568 <strong>Das</strong><br />
Reichsvolksschulgesetz ermöglichte vielen Frauen Volksschullehrer<strong>in</strong>nen zu werden. Staatlich<br />
gefördert wurde die hohe Mädchenbildung nur für die Schüler<strong>in</strong>nen des Offizierstöchter-<br />
Erziehungs<strong>in</strong>stitutes und für jene des Zivil-Mädchen-Pensionats. 569<br />
Als Oberstufenschulen wurde die Bürgerschule, welche als Oberstufenform zur Volksschule unter<br />
Kaiser Franz Joseph I. entstand, e<strong>in</strong>gerichtet, doch sie waren zuerst für Mädchen nicht zugänglich.<br />
Dies änderte sich jedoch später. 570 Obwohl immer mehr Mädchenbürgerschulen errichtet wurden,<br />
waren die Absolvent<strong>in</strong>nen dieser Schulen noch immer von e<strong>in</strong>er weiteren, höheren Ausbildung<br />
ausgeschlossen. So blieb vielen noch immer nur e<strong>in</strong>e Ehe, um nicht ungesichert zu se<strong>in</strong>. 571<br />
Man erkannte jedoch auch <strong>in</strong> der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dass e<strong>in</strong>e Ausbildung für<br />
Mädchen auch für die Wirtschaft wichtig wäre. Diverse Vere<strong>in</strong>e, Orden oder auch Privatpersonen<br />
versuchten sich für e<strong>in</strong>e bessere Ausbildung der Mädchen e<strong>in</strong>zusetzen. 572<br />
E<strong>in</strong>e Frau, die sich besonders für e<strong>in</strong>e gute Ausbildung der Mädchen e<strong>in</strong>setze, war, wie erwähnt,<br />
Marianne Ha<strong>in</strong>isch. Sie forderte Parallelklassen <strong>in</strong> den Realschulen für die Mädchen, doch dies<br />
lehnten sowohl die Geme<strong>in</strong>de Wien als auch die Regierung ab. 573 Sie setzte sich dann im Wiener-<br />
Frauen-Erwerb-Vere<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Errichtung e<strong>in</strong>es Institutes für die höhere Mädchenbildung e<strong>in</strong>. Der<br />
Antrag wurde vom Vere<strong>in</strong> angenommen und 1871 entstand <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong>e vierjährige höhere<br />
Bildungsschule für Mädchen, welche ungefähr e<strong>in</strong>er sechsjährigen Realschule für Burschen<br />
entsprach. E<strong>in</strong>treten konnte man <strong>in</strong> diese Schule nach Ende des 12. Lebensjahres. 574 Es war<br />
eigentlich nicht das, was sich Marianne Ha<strong>in</strong>isch erhofft hatte. Man wollte diese Schulen im Jahr<br />
1874 zu vollwertigen Mittelschulen ausbauen, doch dies geschah nicht. 1877 wurden sie aber auf<br />
sechs Jahre erweitert und 1892 wurden sie öffentlich. In Graz bekam diese Schule für die höhere<br />
568 Vgl. Simon, Von Maria Theresia zu Eugenie Schwarzwald, S. 180-181.<br />
569 Vgl. Albisetti, Mädchenerziehung im deutschsprachigen <strong>Österreich</strong>, im Deutschen Reich und <strong>in</strong> der Schweiz, 1866-<br />
1914, S. 18-19.<br />
570 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 118.<br />
571 Vgl. Ebda, S. 128.<br />
572 Vgl. Simon, Von Maria Theresia zu Eugenie Schwarzwald. In: Brehmer/Simon, Geschichte der Frauenbildung und<br />
Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 182.<br />
573 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 129.<br />
574 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 282.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Mädchenbildung den Namen ´´Lyzeum´´. Dieser Name wurde 1889 auch für dieselben Schulen <strong>in</strong><br />
Wien übernommen. 575<br />
Diese Mädchenschule <strong>in</strong> Graz war das Vorbild aller späteren Schulen dieser Art. In diesen Schulen<br />
sollte allgeme<strong>in</strong>e Bildung vermittelt werde, aber, wegen der Angst vor ´´zu klugen´´ Frauen, nur <strong>in</strong><br />
ger<strong>in</strong>gem Maß. <strong>Das</strong> Lyzeum sollte auch nicht zu e<strong>in</strong>em Universitätsstudium führen, sondern es<br />
sollte e<strong>in</strong>e Bildungsanstalt für die Mädchen se<strong>in</strong>, um sie auf das Leben als gute Mutter und Ehefrau<br />
vorzubereiten. An e<strong>in</strong>en späteren Beruf wurde hierbei nicht gedacht. Weiters waren auch noch mehr<br />
Bürgerschulen für Mädchen geplant, die aber ke<strong>in</strong>e Konkurrenz für die Lyzeen darstellten, da sie<br />
nur bis zum 14. Lebensjahr g<strong>in</strong>gen, das Lyzeum aber bis zum 16. Jahr. Zuerst war dieses Lyzeum<br />
e<strong>in</strong>e Privatschule, man fand dort auch Töchter aus der höheren Bürgerschicht vor. Im Lehrplan<br />
waren vor allem Sprachen, zum Beispiel Französisch, vorgesehen und reduzierter<br />
naturwissenschaftlicher Unterricht. Unterrichtet wurden die Mädchen vor allem von männlichen<br />
Lehrern, aber Gesang, Englisch, den Handwerksunterricht und die Aufsicht übernahmen Frauen.<br />
1885 wurde dieses Lyzeum zur ersten öffentlichen höheren Mädchenschule <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. 576 Die<br />
Lehrpläne dieser höheren Mädchenschulen waren nicht vom Staat vorgegeben, im Gegensatz zu<br />
jenen von den Knaben. 577<br />
Im Jahre 1880 entstanden mehrere Schulen für die Mädchenbildung. Es gab nun e<strong>in</strong>ige Lyzeen,<br />
höhere Töchterschulen, welche auf die Bürgerschule aufbauten und drei bis fünf Jahre dauerten.<br />
1892 schaffte es der ´´Vere<strong>in</strong> für erweiterte Frauenbildung´´, welcher 1888 gegründet wurde, <strong>in</strong><br />
Wien e<strong>in</strong> Gymnasium für Mädchen zu gründen. Dieses Gymnasium, es war das erste se<strong>in</strong>er Art im<br />
deutschen Raum und es nannte sich ´´gymnasiale Mädchenschule´´, blieb Jahrzehnte lang die<br />
e<strong>in</strong>zige humanistische Schule für Mädchen auf österreichischem Boden. Die meisten höheren<br />
Schulen wurden <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Vere<strong>in</strong>en getragen, waren privat oder wurden auch von e<strong>in</strong>zelnen<br />
Frauen wie e<strong>in</strong> Unternehmen geführt. Nur das Lyzeum von Graz schaffte 1885 die Aufnahme <strong>in</strong> die<br />
städtische Verwaltung. 578<br />
Bei der Gründung dieses Gymnasiums kam man den Forderungen von Marianne Ha<strong>in</strong>isch schon<br />
näher, denn sie forderte e<strong>in</strong>e höhere Schule für Mädchen, die den gleichen Lehrplan wie die<br />
575<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 130.<br />
576<br />
Vgl. Ebda, S. 135-151.<br />
577<br />
Vgl. Albisetti, Mädchenerziehung im deutschsprachigen <strong>Österreich</strong>, im Deutschen Reich und <strong>in</strong> der Schweiz, 1866-<br />
1914, S. 20.<br />
578<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 283.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Schulen der Burschen hatte und vorbereitend auf die Universität und akademische Berufe wirkten.<br />
Doch bis es zu e<strong>in</strong>er endgültigen Anerkennung der Mädchenschulen und ihrer Bildung kam dauerte<br />
es noch e<strong>in</strong>ige Zeit. <strong>Das</strong> Gymnasium bekam ab 1903 sieben Klassen und wurde erst 1910<br />
öffentlich. 579<br />
1905 wurde <strong>in</strong> Wien, unter Eugenie Schwarzwald 580 , die erste Volksschule mit Koedukation<br />
gegründet. 581 Koedukation bedeutete für Mädchen vor allem e<strong>in</strong>e Chance auf die gleiche Bildung,<br />
wie sie die Burschen bekamen. Für viele andere bedeutete dies wiederum e<strong>in</strong>en Verfall der Sitten. 582<br />
2.2.3. Die Situation um die Jahrhundertwende und zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts<br />
Um 1900 wurde e<strong>in</strong>e neue Regelung für die Schulen beschlossen, unter anderem auch für die<br />
Schulen der Mädchen. So wurde beschlossen, dass alle Mädchenschulen ´´der Eigenart des<br />
weiblichen Geschlechts angepasst werden´´ mussten. 583<br />
Um die Jahrhundertwende besuchten ca. 90 Prozent aller Mädchen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> die allgeme<strong>in</strong>e<br />
Volksschule und danach die anschließende Bürgerschule. In den ärmeren Dörfern gab es sogar<br />
geme<strong>in</strong>same Klassen, also Koedukation, für Mädchen und Burschen. In den meisten Städten wurde<br />
<strong>in</strong> den Pflichtschulen getrennter Unterricht abgehalten. Nach dem Ende der Schulpflicht, also mit<br />
14 Jahren, konnte Mädchen nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Fachschule, <strong>in</strong> Fortbildungskurse zur Erweiterung des <strong>in</strong><br />
der Pflichtschule Gelernten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e höhere Töchterschule oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Fortbildungsschule für<br />
gewerbliche Berufe gehen. Die höheren Töchterschulen galten als B<strong>in</strong>deglied zwischen den<br />
Bürgerschulen und den Lyzeen für Mädchen. Es gab auch diverse Handelsschulen und<br />
579 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 156-157.<br />
580 Eugenie Schwarzwald: geboren 1872 (Polupanowka/UE), gestorben 1940 (Zürich). Richtete 1901 e<strong>in</strong><br />
Mädchenschulzentrum <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong>. 1939 emigrierte sie und das Zentrum und die Schulen wurden aufgelöst. Zitiert<br />
nach: Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, S. 451.<br />
581 Vgl. Flich Renate, ´´Mütterlich-sozial und hauswirtschaftlich-praktisch´´, Mädchenbildungswesen nach dem Ersten<br />
Weltkrieg bis 1945, <strong>in</strong>: Brehmer Ilse, Simon Gertrud (Hg.), Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S. 236.<br />
582 Vgl. Horstkemper Marianne, Die Koedukationsdebatte um die Jahrhundertwende, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia<br />
(Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, vom Vormärz bis zur Gegenwart, New York-Frankfurt 1996,<br />
S. 203.<br />
583 Vgl. Ha<strong>in</strong>isch, Die Geschichte der Frauenbewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, S. 174.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Handelskurse für Mädchen. 1907 entstand e<strong>in</strong>e höhere Handelsakademie für Mädchen <strong>in</strong> Wien. 584<br />
In vielen anderen Ländern schritt der Ausbau der Sekundarschulen für Mädchen schon schnell<br />
voran, deshalb wollte man auch <strong>in</strong> den Neunzigern des 19. Jahrhunderts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>heitliche Form der höheren Mädchenbildung e<strong>in</strong>führen. Doch erst 1895 begann man sich <strong>in</strong> der<br />
Regierung ernsthaft Gedanken darüber zu machen. Diese legte fest, dass es sowohl den Mädchen<br />
als auch den Buben nicht gut getan hätte, wenn man sie geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Klasse unterrichtet<br />
hätte. So wollten sie nun eigenständige Schulen für Mädchen errichten, aber mit begrenztem<br />
Zugang zu den Hochschulen. Am 11. Dezember 1900 kam es zur Vere<strong>in</strong>heitlichung des<br />
Mädchenschulwesens. Geschaffen wurden sechsklassige Mädchenlyzeen, welche mit e<strong>in</strong>er<br />
Reifeprüfung abgeschlossen werden konnten. 1911 gab es bereits 27 solcher Lyzeen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
und auch Orden wie die Ursul<strong>in</strong>en, die Dom<strong>in</strong>ikaner<strong>in</strong>nen, etc. richteten solche Schulen e<strong>in</strong>. Doch<br />
auch dieser Aufschwung der Mädchenschulen dauerte nicht lange an. 585 Erst ab dem Jahr 1904 kam<br />
es zur Gleichstellung der Mauren von den Mädchen und den Burschen, jedoch mussten die<br />
Mädchen die Matur bis 1910 <strong>in</strong> den Gymnasien der Burschen ablegen. 586<br />
1904/05 gab es <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> erst zwölf Gymnasien für Mädchen, welche von Privatpersonen,<br />
Vere<strong>in</strong>en oder Klöstern getragen wurden. Somit hatte man sich noch immer nicht dafür entschieden,<br />
den Mädchen die gleiche Ausbildung wie den Burschen zu gewähren. Dabei hätten nur Abschlüsse<br />
an solchen Gymnasien den Mädchen den Zugang zu den Universitäten garantiert. 587 Nach der<br />
Matura an den Lyzeen konnten die Mädchen nach 1900 als außerordentliche Hörer<strong>in</strong>nen an die<br />
Philosophische Fakultät, Pharmazie studieren, e<strong>in</strong>e Lehrbefähigungsprüfung ablegen oder <strong>in</strong><br />
Abschlusskurse der Wiener Handelsakademien wechseln. 588 An den Lyzeen wurden den Mädchen<br />
Late<strong>in</strong>kurse angeboten, sodass sie zum Beispiel für das Pharmaziestudium berechtigt waren. 589<br />
Vielen Mädchen, auch den armen, eröffneten diese Schulen neue Möglichkeiten <strong>in</strong> der Arbeitswelt<br />
und e<strong>in</strong>ige erhofften sich sogar e<strong>in</strong>en Zugang zu den Universitäten. E<strong>in</strong>ige Mädchen gelangten<br />
sogar als außerordentliche Hörer<strong>in</strong>nen an die philosophische und die mediz<strong>in</strong>ische Fakultät.<br />
Als Endpunkt der Blütezeit der Mädchenschulen erwies sich die neue Regelung für<br />
584 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 177- 182.<br />
585 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 284-286.<br />
586 Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 58.<br />
587 Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 185.<br />
588 Vgl. Ebda, S. 187-188.<br />
589 Vgl. Ebda, S. 212.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Mädchenschulen im Jahr 1912. Es entstand nun e<strong>in</strong>e Zweistufigkeit, also e<strong>in</strong>e Ober- und e<strong>in</strong>e<br />
Unterstufen, sodass die Mädchen nach Ende der vierten Klasse auch schon über e<strong>in</strong>e<br />
abgeschlossene allgeme<strong>in</strong>e Bildung verfügten und <strong>in</strong> andere schulische E<strong>in</strong>richtungen übertreten<br />
konnten. Die Lyzeen wurden weiters zu sieben Klassen erweitert.<br />
In Folge mussten die Lyzeen, um zu überleben, <strong>in</strong> achtklassige ´´Mädchenreformrealgymnasien´´<br />
umgewandelt werden, denn die Eltern forderten auch e<strong>in</strong>e höhere Bildung für ihre Töchter. Viele<br />
der höheren Mädchenschulen wurden von Privaten f<strong>in</strong>anziert und mussten sich daher auch nach<br />
deren Wünschen richten. So gab es ab der fünften Klasse, <strong>in</strong> diesen umgeformten Schulen, auch<br />
Late<strong>in</strong>, was den Mädchen den Zugang zu den Universitäten als ordentliche Hörer<strong>in</strong>nen ermöglichte.<br />
Doch der Staat strich jegliche Gelder für solche Realgymnasien für Mädchen. So gab es 1917 für<br />
Mädchen nur e<strong>in</strong> Gymnasium für <strong>in</strong> Wien und vier Realgymnasien, davon zwei <strong>in</strong> Wien, e<strong>in</strong>es <strong>in</strong><br />
Salzburg und e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> Innsbruck.<br />
Durch den Ersten Weltkrieg wurden viele Männer e<strong>in</strong>berufen und die Frauen übernahmen nun auch<br />
vielfach deren Arbeitsposten. Nur dies zeigte den Männern, was Frauen leisten konnten und<br />
verh<strong>in</strong>derte den totalen Absturz des bisher Erkämpften im Bereich der Bildung für Frauen. 590<br />
Die Mädchen konnten nach der Schule noch e<strong>in</strong>ige weitere Wege beschreiten. So konnten sie zum<br />
Beispiel Fortbildungsschulen, wie Handelslehranstalten, Hebammenschulen, Stenographie und<br />
Masch<strong>in</strong>enschreibschulen, etc. oder auch Frauen<strong>in</strong>dustrie und gewerbliche Fachschulen, zu denen<br />
Kleidermachen, Wäschepflege oder Frisieren gehörte, besuchen. Ebenso konnten sie sich im<br />
Bereich der Kunst und der Musik weiterbilden. 591<br />
Schon <strong>in</strong> den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts versuchten Mädchen zu den Universitäten<br />
zugelassen zu werden, doch der Unterrichtsm<strong>in</strong>ister beschloss 1878, dass die abgelegte<br />
Reifeprüfung den Mädchen ke<strong>in</strong>en Zugang zu den Universitäten erlauben sollte. Nur <strong>in</strong> ganz<br />
seltenen Fällen konnten Frauen sie besuchen. Im Ausland, vor allem <strong>in</strong> der Schweiz konnten Frauen<br />
studieren. Im Jahr 1897 öffnete die philosophische Fakultät <strong>in</strong> Wien ihre Tore für die Frauen. In<br />
Graz kamen sie erst 1900/01 als außerordentliche Hörer<strong>in</strong>nen zur Universität. Ab 1900 konnten<br />
Mädchen mit gymnasialer Reifeprüfung auch die mediz<strong>in</strong>ische Fakultät besuchen und e<strong>in</strong>e<br />
590 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 288-289.<br />
591 Vgl. Simon, Von Maria Theresia zu Eugenie Schwarzwald, S. 186.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
pharmazeutische Ausbildung konnten sie bereits nach den ersten sechs Klassen beg<strong>in</strong>nen. 1916<br />
wurde e<strong>in</strong>e ´´Rechtsakademie für Frauen´´ gegründet.<br />
Die meisten Student<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> stammten aus der gehobeneren Schicht der Bevölkerung.<br />
Mädchen aus der Mittelklasse, dem Kle<strong>in</strong>bürgertum, zeigten noch ke<strong>in</strong> besonderes Interesse an<br />
e<strong>in</strong>em Studium und für die Mädchen aus der Arbeiterklasse schien e<strong>in</strong>e Ausbildung auf e<strong>in</strong>er<br />
Hochschule sowieso unerreichbar.<br />
Erst nach 1910, nachdem die achtklassigen Mittelschulen für Mädchen e<strong>in</strong>gerichtet wurden,<br />
vermehrte sich der Andrang auf die Universitäten, denn erst die e<strong>in</strong>gerichteten Realschulen gaben<br />
den Mädchen Gleichberechtigung im Bereich der Universitäten. Dies taten die Mädchenlyzeen<br />
nicht. 592 Trotz allem galt weiterh<strong>in</strong> der Gedanke, dass Frauen für e<strong>in</strong>e höhere Ausbildung, also für<br />
e<strong>in</strong> Studium nicht geeignet seien. 593 Interessant ist auch, dass die meisten Mädchen, welche vor dem<br />
Ersten Weltkrieg studieren, also e<strong>in</strong>e höhere Bildung erlangen wollten, jüdischer Abstammung<br />
waren. 594<br />
2.2.4. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Ständestaates<br />
Obwohl die Frauen während des Ersten Weltkrieges auch Männerberufe übernahmen, trat danach<br />
kaum e<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ungsänderung im Bezug auf die Geschlechterrollen auf. 595<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg befanden sich auch die Mädchenschulen, vor allem die privaten, <strong>in</strong><br />
f<strong>in</strong>anziellen Schwierigkeiten. Weiters wurden zwischen 1912 und 1926/27 ca. 20 Lyzeen <strong>in</strong><br />
Reformrealgymnasien umgewandelt.<br />
Otto Glöckel, Sozialdemokrat und Unterstaatssekretär im Unterrichtsamt, wollte ab 1919 die höhere<br />
Mädchenbildung vere<strong>in</strong>heitlichen und sie vor allem für Mädchen aus allen Schichten zugänglich<br />
machen. Er wollte zum Beispiel alle Lyzeen schließen und die Mädchen auf die Burschenschulen<br />
lassen. Damit sprach er sich für Koedukation aus, dies stieß aber auf Widerstand. Somit lenkte er<br />
592<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 290-294.<br />
593<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 195.<br />
594<br />
Vgl. Albisetti, Mädchenerziehung im deutschsprachigen <strong>Österreich</strong>, im Deutschen Reich und <strong>in</strong> der Schweiz, 1866-<br />
1914, S. 30.<br />
595<br />
Vgl. Flich, ´´Mütterlich-sozial und hauswirtschaftlich-praktisch´´, S. 220.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
e<strong>in</strong> und es sollten, bei mehr als dreißig Mädchen, Parallelklassen <strong>in</strong> den Knabenschulen entstehen.<br />
Schon 1920, als Otto Glöckel Präsident des Stadtschulrates war, wurden Mädchen an<br />
Knabenschulen <strong>in</strong> Wien generell toleriert. Es begann also e<strong>in</strong>e Verstaatlichung des<br />
Mädchenschulwesens, doch durch die schlechte Wirtschaftslage <strong>in</strong> den 1920ern kam es wieder zu<br />
Rückgängen der staatlichen Subventionen. 596 Es wurden auch e<strong>in</strong>ige Lehrkörper <strong>in</strong> den<br />
Bundesdienst übernommen. 597<br />
Die Koedukation führte zu heftigen Debatten. So sprachen sich die Lehrervere<strong>in</strong>e, aber auch die<br />
Frauenvere<strong>in</strong>e dagegen aus, denn diese fürchteten dadurch den Untergang der<br />
Mädchenmittelschulen und sie wiesen auch auf das unterschiedliche Lern- und- Entwicklungstempo<br />
der Mädchen und Knaben h<strong>in</strong>. Trotz allem besuchten immer mehr Mädchen die Knabenschulen. 598<br />
E<strong>in</strong>ige Leiter und Leiter<strong>in</strong>nen von Mädchenschulen sprachen sich vehement gegen die Koedukation<br />
aus, denn sie forderten höhere Schulen, die eigens für Mädchen konzipiert seien und auch deren<br />
Wesen entsprachen.<br />
Im Jahre 1927 gab es also, neu <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, zwanzig Reformrealgymnasien für Mädchen, neun<br />
Realgymnasien, sechs Frauenoberschulen, e<strong>in</strong> humanistisches Gymnasium im Wien, das des Wiener<br />
Frauen-Erwerb-Vere<strong>in</strong>s, und fünf deutsche Mittelschulen, die nach den Reformen von Glöckel<br />
e<strong>in</strong>gerichtet wurden. 599 Die Frauenoberschule wurde <strong>in</strong> den Anfängen der 1920er e<strong>in</strong>geführt. Die<br />
Frauenoberschulen waren eben mehr auf die Mädchen zugeschnitten und unterstützten ihr<br />
mütterliches und wirtschaftliches Wesen. Sie sollten dadurch zur Weiterbildung, zum Beispiel auf<br />
dem Gebiet der Fürsorge oder der Volkspflege, vorbereitet werden. Es gab Fächer wie K<strong>in</strong>derpflege,<br />
Fürsorge, Nähen, Kochen, etc. Trotz allem war der Abschluss dieser Frauenoberschulen ke<strong>in</strong>esfalls<br />
gleichwertig wie der e<strong>in</strong>es Gymnasiums oder e<strong>in</strong>er Realschule. 600<br />
Durch das Mittelschulgesetz aus dem Jahr 1927 endeten die Reformen von Otto Glöckel. Nach der<br />
Volksschule gab es nun vierklassige Hauptschulen (statt den Bürgerschulen) oder achtklassige<br />
Mittelschulen mit Ober- und Unterstufen. Es gab weiters ab dem 2. August 1927 e<strong>in</strong><br />
Hauptschulgesetz und e<strong>in</strong> Mittelschulgesetz. Zu den Mittelschulen zählten die Gymnasien, die<br />
Realgymnasien, die Realschulen und für die Mädchen gab es die Frauenoberschulen. Die<br />
596<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 217-220.<br />
597<br />
Vgl. Flich, ´´Mütterlich-sozial und hauswirtschaftlich-praktisch´,. S. 221.<br />
598<br />
Vgl. Ebda, S. 239-240.<br />
599<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 224.<br />
600<br />
Vgl. Flich, ´´Mütterlich-sozial und hauswirtschaftlich-praktisch´´, S. 221-223.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Unterstufen waren großteils ane<strong>in</strong>ander angeglichen. Die Frauenoberschulen galten nun als höhere<br />
Mädchenschulen und waren mehr an die Mädchen angepasst als die früheren Lyzeen. 601 Die<br />
Koedukation wurde weiterh<strong>in</strong> abgelehnt, aber es gab e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>heitlichung der Schulen zwischen<br />
dem zehnten und vierzehnten Lebensjahr. 602 Nach dem Gesetz von 1927 konnten die Mädchen mit<br />
e<strong>in</strong>em Abschluss der Frauenoberschule zum Beispiel ordentlicher Hörer<strong>in</strong>nen an der Hochschule für<br />
Bodenkultur werden. Weiters forderte das Gesetz, dass der Stoff für die Mädchen anders aufbereitet<br />
werden sollte als der für die Knaben. 1934 gab es nur acht Frauenoberschulen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. 603<br />
Bis 1933/34 gab es viele Mädchen, die <strong>in</strong> Knabenschulen g<strong>in</strong>gen oder es wurden Parallelklassen<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. Im Ständestaat verschlechterte sich aber die Bildungssituation für Mädchen wieder.<br />
Koedukation wurde strikt abgelehnt somit gab es nur mehr Parallelklassen. Als neue Form wurde<br />
neben den Frauenoberschulen das Oberlyzeum e<strong>in</strong>gerichtet. Wenn Gymnasien, Realgymnasien oder<br />
Realschulen für Mädchen e<strong>in</strong>gerichtet wurden, mussten diese dem Wesen von Mädchen<br />
entsprechen. 604 Im Oberlyzeum, welches an das Realgymnasium angelehnt war, zählten vor allem<br />
die Fremdsprachen und Late<strong>in</strong>, <strong>in</strong> den Frauenoberschulen auch die hauswirtschaftlichen Fächer und<br />
Religion. Bei den Frauen wurde im Austrofaschismus wieder mehr Wert auf ihre Fürsorge und<br />
Mütterlichkeit gelegt. 605<br />
601<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 230.<br />
602<br />
Vgl. Flich, ´´Mütterlich-sozial und hauswirtschaftlich-praktisch´´, S. 245.<br />
603<br />
Vgl. Ebda, S. 224.<br />
604<br />
Vgl. Simon, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm, S. 231-232.<br />
605<br />
Vgl. Flich, ´´Mütterlich-sozial und hauswirtschaftlich-praktisch´´, S. 225-226.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
III. Die Veränderungen <strong>in</strong> der Schule während des Nationalsozialismus <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong><br />
3.1. Die Folgen des Anschlusses oder: die ´´Heimkehr der Ostmark bzw. der Donau- und<br />
Alpengaue <strong>in</strong>s Reich!´´ 606<br />
<strong>Österreich</strong> wurde <strong>in</strong> sechs Alpen- und Donaugaue e<strong>in</strong>geteilt, <strong>in</strong> Oberdonau, Unterdonau, Salzburg,<br />
Kärnten, Steiermark und Tirol. 607 Als oberstes Organ galt nun die NSDAP. Kontrolliert wurde alles<br />
durch die SA (Sturmabteilung), die SS (Schutzstaffel) und die HJ (Hitlerjugend) mit dem Bund<br />
Deutscher Mädchen (BDM). Auch wurden alle anderen Bereiche <strong>in</strong> diverse Verbände unterteilt, wie<br />
zum Beispiel der Nationalsozialistische Lehrerbund oder der Nationalsozialistische Juristenbund.<br />
Die Sturmabteilung galt als e<strong>in</strong>es der schlimmsten Terror<strong>in</strong>strumente <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, obwohl sie <strong>in</strong><br />
Deutschland viel an ihrer Macht verlor, vor allem nachdem Hitler den SA-Führer Röhm 608<br />
ermorden ließ. Trotz allem tat sie sich besonders bei der Vertreibung und Vernichtung der<br />
österreichischen Juden hervor. Die SS stand unter der Leitung von He<strong>in</strong>rich Himmler 609 . Sie tat sich<br />
mit der Polizei zusammen und bildete e<strong>in</strong> noch schlimmeres Terrororgan als die SA <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>.<br />
Sie waren die Hauptbeteiligten <strong>in</strong> der Reichskristallnacht und auch bei den Morden an den Juden.<br />
Himmler leitete auch die GESTAPO (Die Geheime Staatspolizei) und den SD (Sicherheitsdienst der<br />
SS). Die Methoden ihrer Unterdrückung waren Folter, Mord und E<strong>in</strong>weisungen <strong>in</strong> die<br />
Konzentrationslager. Ebenso gab es die Kripo (Krim<strong>in</strong>alpolizei), welche unpolitische Verbrechen<br />
606 Rebhann Fritz M., Wien war die Schule, Wien/München 1978. (=Sammlung: <strong>Das</strong> e<strong>in</strong>same Gewissen. Beiträge zur<br />
Geschichte <strong>Österreich</strong>s 1938-1945, Bd. VIII), S. 23.<br />
607 Vgl. Vocelka Karl, Geschichte <strong>Österreich</strong>s, Kultur – Gesellschaft – Politik, München 2002, S. 297-300.<br />
608 Ernst Röhm: geboren 1887 München, gestorben 1934 Stadelheim bei München (ermordet). Er war e<strong>in</strong> deutscher<br />
Politiker und zählte zum antikapitalistischen Flügel der NSDAP. Nach 1933 kam er <strong>in</strong> Interessenskonflikt zum<br />
Beispiel mit der SS und somit wurde er 1934 im Auftrag Hitlers ermordet. Zitiert nach: Harenbergs Personenlexikon<br />
20. Jahrhundert, S. 1075.<br />
609 He<strong>in</strong>rich Himmler: geboren 1900 München, gestorben 1945 Lüneburg (Selbstmord). Er war e<strong>in</strong>er der der<br />
grausamsten Handlanger von Hitler und zutiefst von der Rassenideologie überzeugt. Er baute die SS aus und<br />
organisierte die Errichtung der Vernichtungslager. Zitiert nach: Harenbergs Personenlexikon 20. Jahrhundert, S. 555-<br />
556.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
verfolgte aber auch die Roma und S<strong>in</strong>ti. 610 Zu den am meisten verfolgten Gegnern der<br />
Nationalsozialisten gehörten die Anhänger des Ständestaates, sowie die Sozialisten, die<br />
Kommunisten, die Juden und Künstler, die sich gegen die Nationalsozialisten stellten. 611 Auch <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> wurden Konzentrationslager errichtet, zum Beispiel <strong>in</strong> Mauthausen. Hier wurden Juden<br />
und politische Gegner e<strong>in</strong>geliefert und ermordet. Nur die wenigsten überlebten diese grausame<br />
Zeit. 612 Auch <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> mussten die Menschen ihre ´´arische´´ Abstammung beweisen und wenn<br />
sie dies nicht konnten, dann verloren sie auf der Stelle ihren Posten und wurden dann, <strong>in</strong> Folge,<br />
vertrieben oder auch <strong>in</strong>haftiert. Ebenso erg<strong>in</strong>g es jenen, die e<strong>in</strong>e Krankheit hatten, beh<strong>in</strong>dert oder<br />
krim<strong>in</strong>ell waren. Viele dieser Menschen wurden sterilisiert, damit sie ihr Erbgut nicht weitergeben<br />
konnten oder e<strong>in</strong>fach umgebracht, beziehungsweise hieß dies bei den Nationalsozialisten<br />
´´Euthanasie´´, also Sterbehilfe. Dies betraf K<strong>in</strong>der, aber auch Insassen von Psychiatrien oder auch<br />
Altersheimen. 613 Ebenso erg<strong>in</strong>g es den österreichischen Juden. Zuerst wurden sie gekennzeichnet,<br />
enteignet, gedemütigt, gefoltert, mussten <strong>in</strong> eigene Viertel ziehen und diese unglaublich grausame<br />
Kampagne gipfelte ab 1941 <strong>in</strong> der Deportation der Juden <strong>in</strong> die Vernichtungslager. In <strong>Österreich</strong><br />
ermordeten die Nationalsozialisten ca. 65.000 Juden. 614<br />
Der Großteil des österreichischen Bundesheeres schwor e<strong>in</strong>en Eid auf Hitler, ebenso wie die<br />
meisten der anderen Beamten, des Exekutivapparates und der öffentlichen Bediensteten. 615 E<strong>in</strong> sehr<br />
wichtiges Instrument für den Nationalsozialismus war die Presse und andere öffentliche Medien.<br />
Der Großteil dieser g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den Besitz der NSDAP über und durfte auch nur von ´´arischen´´<br />
610 Vgl. Klamper Elisabeth, Neugebauer Wolfgang, NS-Terror, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem<br />
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder<br />
aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 26-28.<br />
611 Vgl. Neugebauer Wolfgang, N<strong>in</strong>führ Thomas, Wohnout Helmut, Verfolgung politischer Gegner, <strong>in</strong>:<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-<br />
Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 29.<br />
612 Vgl. Freund Florian, Perz Bertrand, <strong>Das</strong> Konzentrationslager Mauthausen, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und<br />
dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und<br />
Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 32.<br />
613 Vgl. Klamper Elisabeth, Neugebauer Wolfgang, Von der Rassenhygiene zum Massenmord, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />
für Inneres und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 33-35.<br />
614 Vgl. Klamper Elisabeth, Die Verfolgung der österreichischen Juden, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem<br />
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder<br />
aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 36<br />
615 Vgl. Rauchenste<strong>in</strong>er Manfred, Die E<strong>in</strong>gliederung des österreichischen Bundesheeres, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für<br />
Inneres und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>.<br />
Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 14.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Personen geleitet werden. 616 Die Jugend wurde <strong>in</strong> das neue politische System <strong>in</strong>tegriert. Sie<br />
wurden, durch die Hitlerjugend und das neue Schulsystem und die neuen Unterrichts<strong>in</strong>halte, zu<br />
mehr oder weniger willenlosem Material, welches dazu diente Befehle auszuführen und diese nicht<br />
zu h<strong>in</strong>terfragen. Auch hier hatten aber nur ´´arische´´ K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e Chance. Jüdische K<strong>in</strong>der, K<strong>in</strong>der<br />
e<strong>in</strong>es anderen Volkes, Beh<strong>in</strong>derte und Entwicklungsgestörte hatten <strong>in</strong> diesem System ke<strong>in</strong>en Platz<br />
und wurden verschleppt und ermordet. Viele der Jugendlichen sahen <strong>in</strong> der Hitlerjugend e<strong>in</strong>e<br />
Chance unabhängig zu werden und Macht zu erlangen. Dies machte es für viele auch so<br />
<strong>in</strong>teressant. 617 Ebenso wurden die Universitäten <strong>in</strong> das nationalistische System <strong>in</strong>tegriert. Viele<br />
jüdische Wissenschaftler mussten gehen und leider gab es auch viele Intellektuelle, die sich der<br />
NSDAP anschlossen und schwere Verbrechen beg<strong>in</strong>gen. 618<br />
3.2. Genauere Betrachtung der Frauen im Nationalsozialismus<br />
Der nationalsozialistische Staat wurde von Männern dom<strong>in</strong>iert. Alle Verb<strong>in</strong>dungen, wie eben die<br />
SS, die SA, die Gestapo oder auch die Hitlerjugend wurden entweder von Männern geleitet oder es<br />
wurden überhaupt nur Männer zugelassen. Die Frauen hatten ke<strong>in</strong> Anrecht mehr auf höhere<br />
Positionen. Die Frau war Gebärende, Mutter und Ehefrau. Sie sollte viele K<strong>in</strong>der bekommen, aber<br />
nur ´´re<strong>in</strong>rassige´´, ´´arische´´. Wenn sie viele gesunde, ´´arische´´ K<strong>in</strong>der bekam, also dem Staat <strong>in</strong><br />
den Augen des Nationalsozialismus gut gedient hatte, dann wurde ihr e<strong>in</strong> Orden, nämlich das<br />
´´Mutterkreuz´´ verliehen. Frauen, die falsche Veranlagungen hatten, wo die Möglichkeit bestand,<br />
dass das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Krankheit erben könnte, wurden sterilisiert.<br />
Die Frauen sollten sich also auf ihr <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> als Mutter und Hausfrau konzentrieren und nur solche<br />
Berufe ausführen, die ihrem Wesen entsprachen. Die Frau sei, so sahen es die Nationalsozialisten,<br />
mitleidig und barmherzig, sanftmütig, demütig und e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>gebungsvolle Mutter, sie erduldet viel<br />
616 Vgl. Hausjell, Die Gleichschaltung der Presse, S. 14.<br />
617 Vgl. Mal<strong>in</strong>a Peter, Jugend im Nationalsozialismus, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem<br />
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder<br />
aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 15-16.<br />
618 Vgl. Heiß Gernot, Die Gleichschaltung der Universitäten, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem<br />
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder<br />
aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 17.<br />
92
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
und opfert sich für ihre K<strong>in</strong>der, ihren Mann und ihr Volk auf. Auch <strong>in</strong> den Schulen wurden<br />
Unterrichtsfächer e<strong>in</strong>gerichtet, die ihrem Wesen angepasst waren, also Hauswirtschaft,<br />
Handarbeiten, Sprachen, etc. Nur mehr 10 % der Frauen wurden zu e<strong>in</strong>em Studium zugelassen. 619<br />
Ebenso wurden sie aus der Politik verdrängt, wobei die Nationalsozialisten behaupteten, dass sie die<br />
Frauen nur vor dem grausamen Geschäft der Politik ´´beschützen´´ wollten, da sie zu etwas<br />
´´Besserem´´ bestimmt seien. 620<br />
Es gab auch Frauen, die Widerstand leisteten. Dazu gehörten Frauen aus dem Bürgerstand, mit<br />
humanistischen Motiven, oder auch Frauen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er organisierten Widerstandsgruppe waren.<br />
Ebenso gab es Widerstände der Frauen <strong>in</strong> den Konzentrationslagern oder auch unter den<br />
Arbeiter<strong>in</strong>nen oder den Bäuer<strong>in</strong>nen. 621<br />
1931 wurde e<strong>in</strong>e NS-Frauenschaft gegründet, auch diese Organisation vertrat die Ideologien der<br />
Nationalsozialisten und so wurden die Frauen <strong>in</strong> dieser Gruppe auf ihre Bestimmung vorbereitet.<br />
Sie sollten m<strong>in</strong>destens vier K<strong>in</strong>der gebären. Wenn sie verheiratet waren, dann sollten sie nicht mehr<br />
arbeiten und falls sie alle<strong>in</strong>e waren oder ihre K<strong>in</strong>der ernähren mussten, dann sollten sie höchstens<br />
Berufe ausführen, die ihrem Wesen entsprachen, also zum Beispiel Pfleger<strong>in</strong>, etc. Die höhere<br />
Schulausbildung und die höheren Berufe blieben den Frauen unzugänglich. Nur wenige, sehr<br />
gebildete Mädchen hatten die Chance auf e<strong>in</strong>e universitäre Ausbildung. Es wurde für Mädchen nur<br />
mehr e<strong>in</strong>e Schule für die höhere Bildung e<strong>in</strong>gerichtet, und zwar die Oberschule, mit e<strong>in</strong>em<br />
sprachlichen und e<strong>in</strong>em hauswirtschaftlichen Zweig. Es gab auch e<strong>in</strong>e Aufbauform für diese Schule,<br />
welche aber mehr die hauswirtschaftlichen, sozialen und mütterlichen Fähigkeiten der Mädchen<br />
fördern sollte. Auf dem Land konnten Mädchen die Burschenschulen besuchen, wenn zu wenige<br />
K<strong>in</strong>der für zwei Schulen vorhanden waren und es gab auch Nationalpolitische Erziehungsanstalten<br />
(NAPOLAS) für Mädchen.<br />
Die Frauen mussten sich daran halten, denn wenn e<strong>in</strong>e Frau sich weigerte so zu se<strong>in</strong> oder das zu tun<br />
was die Nationalsozialisten verlangten, dann galt sie als m<strong>in</strong>derwertig und unnütz.<br />
Es gab für die Frauen sogar Gebote, nach denen sie ihren Gatten auswählen sollten, sodass<br />
gesunder, kräftiger Nachwuchs gezeugt werden konnte.<br />
619<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg Renate (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, Amtliche Erlässe und Richtl<strong>in</strong>ien 1933-<br />
1945,phil. Diss., Opladen 1989, S. 190-191.<br />
620<br />
Vgl. Wiggershaus Renate, Frauen unterm Nationalsozialismus, Wuppertal 1984, S. 16.<br />
621<br />
Nyssen, Frauen und Frauenopposition im Dritten Reich, <strong>in</strong>: Flessau Kurt-Ingo, Nyssen Elke, Günter Pätzold (Hgg.),<br />
Erziehung im Nationalsozialismus ´´…und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!´´, Köln/Wien 1987, S. 39.<br />
93
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Die Nationalsozialisten drehten dies natürlich alles so, dass die Frauen glaubten, sie seien <strong>in</strong> den<br />
Augen der NSDAP gleich viel wert wie die Männer. Hitler behauptete sogar, dass er für<br />
Frauenemanzipation war und dass er die Erfüllung dieser <strong>in</strong> dem <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> als Mutter und Hausfrau<br />
sah. 622<br />
In <strong>Österreich</strong> gab es ab 1938 die NS-Frauenschaft. Ebenso gab es das Deutsche Frauenwerk, zu<br />
welchem alle Frauen beitreten konnten, denn <strong>in</strong> die NS-Frauenschaft durften nur Frauen, die etwas<br />
geleistet hatten, beziehungsweise welche schon vorher bei den illegalen Nationalsozialisten <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> mitwirkten. 623<br />
Auch <strong>in</strong> der Hitlerjugend (HJ) bekamen die Mädchen ihren Platz und zwar im Bund Deutscher<br />
Mädel (BDM). Vom 10. bis h<strong>in</strong> zum 15. Lebensjahr waren sie Jungmädel im BDM und ab dem 15.<br />
bis h<strong>in</strong> zum 21. Jahr gehörten sie zum BDM. Auch der BDM unterstand der HJ und somit e<strong>in</strong>em<br />
Mann. Weiters war der BDM e<strong>in</strong>e sehr wichtige Institution der NSDAP neben der Schule, um den<br />
Mädchen ihre Ideale zu <strong>in</strong>filtrieren und er gab den Mädchen das Gefühl, dass sie sich von der<br />
Familie emanzipieren konnten und mehr Freiheiten hatten, durch die diversen Ausflüge und<br />
Feiern. 624 Wenn die Mädchen 18 Jahre alt waren, wurden sie <strong>in</strong> der NSDAP aufgenommen und mit<br />
21 <strong>in</strong> die NS-Frauenschaft. 625 Die Mädchen hatten auch die Möglichkeit durch Sport diverse Preise<br />
zu erlangen, denn auch für sie wurden Wettkämpfe im BDM ausgerichtet. Auch das gab ihnen das<br />
Gefühl den Burschen gleichgestellt zu se<strong>in</strong>. 626 Man muss hier anmerken, dass die Mutterschaft beim<br />
BDM ke<strong>in</strong>e allzu große Rolle spielte, dadurch grenzte sich der BDM von der NS-Frauenschaft ab.<br />
Vor allem der Sport, Diszipl<strong>in</strong> und Leistungsfähigkeit zählten, was aber wiederum Vorteile für die<br />
späteren Mütter br<strong>in</strong>gen sollte. Weiters konnten die Mädchen Erfahrungen außerhalb ihrer Familie<br />
machen, was die Attraktivität des BDM für die Mädchen steigerte. 627<br />
Während des Krieges hatten die Frauen vor allem die Aufgabe die Männer und Soldaten zu<br />
versorgen und zu pflegen. Ebenso wurden Frauen <strong>in</strong> der Kriegswirtschaft e<strong>in</strong>gesetzt, was sie aber<br />
622<br />
Vgl. Lauf-Immesberger Kar<strong>in</strong>, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, St. Ingbert 1987. (= Saarbrücker Beiträge<br />
zur Literaturwissenschaft, Bd. 16), S. 187-194.<br />
623<br />
Vgl. Tidl Georg, Die Frau im Nationalsozialismus, Wien-München-Zürich 1984, S. 102-105.<br />
624<br />
Vgl. Wiggershaus, Frauen unterm Nationalsozialismus, S. 38- 41.<br />
625<br />
Vgl. Gugler Petra, ´´Bund Deutscher Mädchen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>-Erziehung zwischen Tradition und Modernisierung?´´,<br />
Dipl., Graz 1997, S. 45.<br />
626<br />
Vgl. Ebda, S. 81.<br />
627<br />
Vgl. Reese Dagmar, Mädchen im Bund Deutscher Mädel, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der<br />
Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, vom Vormärz bis zur Gegenwart, New York-Frankfurt 1996, S. 279-280.<br />
94
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
ehrenamtlich machen mussten, denn ihre Aufgabe war es dem Staat <strong>in</strong> jeder Situation zu dienen. 628<br />
Sie arbeiteten <strong>in</strong> der Rüstungs<strong>in</strong>dustrie, da es an männlichen Arbeitskräften mangelte. E<strong>in</strong>ige<br />
Frauen bewiesen ihre Brutalität im Krieg auch als KZ-Aufseher<strong>in</strong>nen, wie zum Beispiel die<br />
Wiener<strong>in</strong> Herm<strong>in</strong>e Ryan–Braunste<strong>in</strong>er im KZ Ravensbrück. 629<br />
Die reicheren Frauen konnten sich diesen Arbeiten entziehen. 630 Viele Frauen waren aber selbst der<br />
Me<strong>in</strong>ung, dass es e<strong>in</strong> Vorrecht und e<strong>in</strong>e Ehre für sie sei den Männern und dem Führer ´´dienen zu<br />
dürfen´´. 631 Oft wurden die reichen, ´´arischen´´ Frauen als ´´Rassepferde´´ bezeichnet und die<br />
Arbeiter<strong>in</strong>nen als Arbeitspferde. Die ´´Rassepferde´´ brauchte man für die ´´Zucht´´ und waren <strong>in</strong><br />
den Augen der Nationalsozialisten nicht geeignet niedere Arbeiten zu verrichten. Weiters sagten sie,<br />
dass wenn e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>rassige Frau e<strong>in</strong>mal mit e<strong>in</strong>em Juden geschlafen habe, sei ihr Blut für immer<br />
verunre<strong>in</strong>igt und sie damit auch. 632<br />
Auch das Aussehen wurde genau bestimmt, so mussten sie im BDM e<strong>in</strong>heitlich gekleidet se<strong>in</strong>:<br />
blauer Rock, weiße Bluse, braune Weste oder e<strong>in</strong>e Trachtenjacke, bestenfalls aus Berchtesgarden.<br />
Wenn sie aufstiegen, dann bekamen sie e<strong>in</strong> schwarzes Halstuch mit Lederknoten. 633 Ab 1939<br />
wurden die HJ und damit auch der BDM verpflichtend. 634 Für Frauen wurden auch<br />
´´Mütterschulen´´ e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> denen lernten sie kochen, nähen, Säugl<strong>in</strong>gspflege, etc. und es gab<br />
auch ´´Bräuteschulen´´, <strong>in</strong> denen die zukünftigen Bräute auf die Ehe vorbereitet wurden. Sie lernten<br />
dort zum Beispiel, wie sie ihr Haus e<strong>in</strong>richten sollten, wie Brauchtum zu pflegen war, etc. 635<br />
Während des Nationalsozialismus gab es vier verschiedene Gruppen von Frauen. Erstens die, die<br />
Widerstand leisteten, zweitens die der aktiven Nationalsozialist<strong>in</strong>nen, drittens die Mitläufer oder<br />
Unparteiischen und viertens die der Opfer. 636<br />
Alles <strong>in</strong> allem kann man sagen, dass die Emanzipation und e<strong>in</strong>e Gleichstellung der Frauen mit den<br />
628<br />
Vgl. Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus, S. 111-114.<br />
629<br />
Vgl. Bailer, Frauen im Nationalsozialismus, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem Dokumentationsarchiv des<br />
österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der gleichnamigen<br />
Ausstellung, Wien 1998, S. 21-22.<br />
630<br />
Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 129-133.<br />
631<br />
Kle<strong>in</strong>au/Mayer (Hg.), Erziehung und Bildung des weiblichen Geschlechts, Bd.2. S. 127.<br />
632<br />
Vgl. Wiggershaus, Frauen unterm Nationalsozialismus, S. 18.<br />
633<br />
Vgl. Ebda, S. 38.<br />
634<br />
Vgl. Ebda, S. 53.<br />
635<br />
Vgl. Dannemann Geesche, Von Frauenbildung zu Frauenschulung im Nationalsozialismus, Am Beispiel der<br />
Bildungsarbeit Bertha Ramsauers <strong>in</strong> der Heimvolksschule Husbäke/Edewecht, Oldenburg 1994, S. 69-75.<br />
636<br />
Vgl. Wiggershaus, Frauen unterm Nationalsozialismus, S. 63.<br />
95
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Männern durch das Dritte Reich endeten. 637<br />
3.3. Die Situation der Schule während des Nationalsozialismus<br />
3.3.1. Die Umstrukturierung der Schule<br />
Nach dem E<strong>in</strong>marsch der deutschen Truppen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> am 12./13. März 1938 war klar, dass<br />
auch die Schulen dem nationalsozialistischen System unterstellt werden würden. Ab dem 14. März<br />
mussten alle Schüler <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> den ´´Hitler-Gruß´´, ´´Heil Hitler´´, anwenden. Ebenso war<br />
strenger Gehorsam angesagt. Im März mussten die Lehrer dem Nationalsozialistischen Lehrerbund<br />
beitreten und ca. 10 % verloren ihre Arbeit. Der katholische Lehrervere<strong>in</strong> und auch der katholische<br />
Jugendvere<strong>in</strong> wurden verboten, ebenso wie die sozialistischen Lehrer- und Jugendbünde. 638 Die<br />
Lehrer und Lehrer<strong>in</strong>nen mussten sich ebenfalls <strong>in</strong>tensiv mit dem neuen System und se<strong>in</strong>en<br />
Ideologien beschäftigen. So zählten zu der wichtigsten Lektüre das Werk ´´Me<strong>in</strong> Kampf´´ von<br />
Adolf Hitler und auch die Tageszeitungen. 639<br />
Adolf Hitler lehnte die Schule eher ab. Trotz allem erkannte er, dass die Schule e<strong>in</strong> wichtiges<br />
Instrument war, um an die K<strong>in</strong>der heranzukommen und um sie zu formen. So war es e<strong>in</strong> großes<br />
Anliegen der Nationalsozialisten, die Schulen zu kontrollieren und ihrem System anzugleichen. 640<br />
Um die Situation der Schule während des Nationalsozialismus zu behandeln, muss man die<br />
Vorgeschichte kennen, wie die Nationalsozialisten <strong>in</strong> Deutschland die Schulen umformten.<br />
Als erstes wollten sie die Verwaltung der Schulen <strong>in</strong> Deutschland zentralisieren und lösten somit<br />
das föderalistische System der Schulen während der Weimarer Republik auf. Dann wurden<br />
Privatschulen aufgelöst, ebenso wie private Schülerheime. Auch die konfessionellen Schulen wollte<br />
man aus dem Weg räumen. Die komplette Umwandlung von solchen Schulen <strong>in</strong><br />
637<br />
Vgl. Dannemann, Von Frauenbildung zu Frauenschulung im Nationalsozialismus, S. 63.<br />
638<br />
Vgl. Cerwenka Kurt, Die Fahne ist mehr als der Tod. Erziehung und Schule <strong>in</strong> ´´Oberdonau´´ 1938-1945, Grünbach<br />
1996, S. 9-15.<br />
639<br />
Vgl. Ebda, S. 17.<br />
640<br />
Vgl. Lauf-Immesberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, S. 33-36.<br />
96
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Geme<strong>in</strong>schaftschulen oder überhaupt die Schließung erfolgte endgültig 1941. 641 E<strong>in</strong> wichtiges<br />
Anliegen der Nationalsozialisten <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, war, im Bereich der Schule, die Ausschaltung der<br />
starken Position der Kirche. 1938 wurde die Kirche aus dem <strong>Schulwesen</strong> total verdrängt, dies<br />
bedeutet für <strong>Österreich</strong> aber auch e<strong>in</strong>en starken Verlust an Schulen, denn viele wurden von der<br />
Kirche geführt. Ebenso wurden konfessionelle Handlungen im Unterricht, wie zum Beispiel der<br />
Schulgottesdienst, aufgelöst. 642<br />
Bereits im Jahre 1933 begannen sie, die Schulen <strong>in</strong> Deutschland zu vere<strong>in</strong>heitlichen. 643 Ebenso, als<br />
Zeichen der Vere<strong>in</strong>heitlichung, wurde 1933 der ´´Hitler-Gruß´´ und die ´´Flaggenehrung´´ <strong>in</strong> den<br />
Schulen e<strong>in</strong>geführt. 644<br />
Als Erziehungs<strong>in</strong>stitutionen für die kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>der galten das Elternhaus, der K<strong>in</strong>dergarten und die<br />
Volksschulen, mit den Hilfs- und Sonderschulen.<br />
Die Volksschule konnte man acht Jahre besuchen. E<strong>in</strong>ige besuchten danach e<strong>in</strong>e Berufsschule,<br />
andere verließen die Volksschule nach drei oder vier Jahren und g<strong>in</strong>gen auf die Mittelschule, welche<br />
dann später im ganzen Reich zur Hauptschule wurde. Diese konnten sie vier bis sechs Jahre<br />
besuchen, um dann e<strong>in</strong>en höheren Beruf zu erlernen, Lehrer zu werden oder e<strong>in</strong>e Fachschule zu<br />
besuchen. Manche besuchten e<strong>in</strong>e höhere Schule, also Oberschulen und Gymnasien, nach dem<br />
spätestens sechsten Jahr der Volksschule.<br />
Nebenbei mussten sie zur HJ oder zum BDM und sie hatten auch andere Pflichten, wie diverse<br />
Arbeitsdienste oder militärische Ausbildungen. 645<br />
Auch <strong>in</strong> den Volksschulen gab es Veränderungen. Alle K<strong>in</strong>der sollten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />
Grundschule gehen. Die Nationalsozialisten sahen die Grund- bzw. Volksschulen als den Grundste<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> der Erziehung der K<strong>in</strong>der. So musste hier begonnen werden, die K<strong>in</strong>der im S<strong>in</strong>ne des<br />
Nationalsozialismus zu erziehen. Im Mittelpunkt standen die Heimatkunde und die Volkskunde. 646<br />
641<br />
Vgl. Ebda, S. 39-40.<br />
642<br />
Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, S. 308-309.<br />
643<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 22-26.<br />
644<br />
Vgl. Scholtz Harald, Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz, Gött<strong>in</strong>gen 1985. (= Kle<strong>in</strong>e Vandenhoecken–<br />
Reihe 1512), S. 18.<br />
645<br />
Vgl. Benze Rudolf, Erziehung im Großdeutschen Reich. E<strong>in</strong>e Überschau über ihre Ziele, Wege und E<strong>in</strong>richtungen,<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1943, S. 20-21.<br />
646<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 22-26.<br />
97
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Die Volksschule sollte also den Geist der Volksgeme<strong>in</strong>schaft unter den Schülern verbreiten. 647 Sie<br />
sollte die K<strong>in</strong>der auf den Dienst für Staat und Partei vorbereiten und die Mädchen sollten auch<br />
schon spezifisch auf ihre Rolle als Mutter und Hausfrau vorbereitet werden. Die Volksschulen<br />
mussten sich auch an allen Veranstaltungen der Partei beteiligen, sodass die K<strong>in</strong>der von Anfang an<br />
<strong>in</strong> die geme<strong>in</strong>schaftlichen Aktivitäten <strong>in</strong>tegriert wurden. 648<br />
Am 6.7.1938 kam es zum ´´Reichsschulpflichtgesetz´´. Dieses besagte, dass man ab dem 6.<br />
Lebensjahr <strong>in</strong> die Schule gehen musste. 649 Die Volksschule f<strong>in</strong>g also ab dem sechsten Lebensjahr an<br />
und endete für die, die alle acht Jahre durchliefen, mit dem vierzehnten Lebensjahr. 650<br />
Die Hilfs- und Sonderschulen waren jene Schulen für die körperlich und geistig beh<strong>in</strong>derten<br />
Schüler. 651 So wollten die Nationalsozialisten den Sche<strong>in</strong> wahren und es schien zu Beg<strong>in</strong>n so, als<br />
würden sie sich auch der benachteiligten Schüler annehmen. Jedoch, wie bereits erwähnt, wurden<br />
diese K<strong>in</strong>der von den Nationalsozialisten elim<strong>in</strong>iert im Zuge der nationalsozialistischen<br />
´´K<strong>in</strong>dereuthanasie´´.<br />
Nach der Volksschule konnte man e<strong>in</strong>e Berufsausbildung machen. Während der Lehrzeit besuchte<br />
man die Berufsschulen, während der Meisterlehre die Berufsfachschulen und die Fachschulen, diese<br />
waren für ´´gehobenere´´ Berufe. In diesem Bereich gab es Schulen für Landwirtschaft, Bergbau,<br />
Hauswirtschaft und andere Arbeiten. 652<br />
Nach der Neuordnung der höheren Schulen wurden 1938 auch die mittleren Schulen umgestaltet.<br />
Zuerst wurden <strong>in</strong> Deutschland alle Mittelschulen auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Form gebracht und dort<br />
wurde dann die Form der Hauptschule aus <strong>Österreich</strong> übernommen. Dies geschah 1940. Die<br />
Hauptschulen galten dann als e<strong>in</strong>e Art Ausleseschulen für jene Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen, die e<strong>in</strong>en<br />
mittleren Beruf anstrebten. 653 Solche Berufe waren zum Beispiel jene <strong>in</strong> der Landwirtschaft, im<br />
Handel, <strong>in</strong> der Technik, <strong>in</strong> der Industrie oder auch <strong>in</strong> der Verwaltung. Ebenso zählte man dazu die<br />
647<br />
Vgl. Giesecke Hermann, Hitlers Pädagogen, Theorie und Praxis nationalsozialistischer Erziehung, We<strong>in</strong>heim-<br />
München 1993, S. 130.<br />
648<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 31-33.<br />
649<br />
Vgl. Giesecke, Hitlers Pädagogen, S. 138.<br />
650<br />
Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 24.<br />
651<br />
Vgl. Ebda, S. 28.<br />
652<br />
Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 28-42.<br />
653<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 54-61.<br />
98
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Berufe der Frauen im sozialen oder im hauswirtschaftlichen Bereich. 654 Die Hauptschule dauerte<br />
vier Jahre und man schloss sie mit vierzehn ab. Danach konnte man dort noch zwei Jahre e<strong>in</strong>e<br />
vertiefende Ausbildung machen, dies blieb von der alten deutschen Mittelschule erhalten 655<br />
1938 kam es dann zu e<strong>in</strong>er neuen Regelung. Als höhere Schulen gab es nur mehr die Oberschulen,<br />
jeweils für Mädchen und Knaben. Als e<strong>in</strong>e Art Sonderform gab es weiterh<strong>in</strong> noch das Gymnasium,<br />
welches nur für Knaben zugänglich war. Für die Jungen gab es <strong>in</strong> der Oberstufe entweder e<strong>in</strong>en<br />
mathematischen oder e<strong>in</strong>en sprachlichen Zweig. Für die Mädchen wurden e<strong>in</strong> hauswirtschaftlicher<br />
und e<strong>in</strong> sprachlicher Zweig e<strong>in</strong>gerichtet. Auf dem Land hatten die Mädchen ke<strong>in</strong>e Wahl und<br />
mussten den hauswirtschaftlichen Zweig wählen, da der sprachliche gar nicht angeboten wurde. 656<br />
In diesen Oberschulen wurden eben vor allem Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Zeichnen und Musik<br />
unterrichtet. Wichtig war auch das Erlernen des Liedschatzes des Dritten Reiches oder auch<br />
Wehrgeographie. Die wichtigste Fremdsprache war Englisch, als zweite Sprache konnte man Late<strong>in</strong><br />
erlernen. 657 Abgeschlossen wurden diese höheren Schulen mit der Reifeprüfung und man konnte<br />
danach studieren oder hohe Positionen erreichen. Sie dauerte acht Jahre. 658 Es gab noch<br />
sechsjährige Aufbauschulen, wiederum getrennt für Knaben und Mädchen. 659 Diese konnte man<br />
nach sechs Jahren Volksschule besuchen. Sie war für die Schüler vom Land gedacht, welche somit<br />
bis zum 12. Lebensjahr bei den Eltern wohnen konnten.<br />
Nur wo mehrere Oberschulen angesiedelt waren, konnte man auch Gymnasien errichten. Es gab<br />
auch <strong>in</strong> der Oberschule Late<strong>in</strong>, was die Gymnasien weniger <strong>in</strong>teressant machte, jedoch<br />
Altgriechisch gab es nur <strong>in</strong> den Gymnasien, welches man für diverse Studien benötigte. 660<br />
Im gleichen Jahr wurde die Umformung der Schulen auch auf <strong>Österreich</strong> ausgeweitet. Ab 1943<br />
wurde die Oberstufe auf sieben Jahre verkürzt, damit die Knaben schneller <strong>in</strong> den Krieg als<br />
Soldaten e<strong>in</strong>treten konnten. Um <strong>in</strong> diese Oberschulen zu kommen wurden bei den Jugendlichen<br />
charakterliche, körperliche, ´´völkische´´ und geistige Auslesen durchgeführt. Bei der körperlichen<br />
654<br />
Vgl. Giesecke, Hitlers Pädagogen, S. 127.<br />
655<br />
Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 49.<br />
656<br />
Vgl. Lauf-Immesberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, S. 39-40.<br />
657<br />
Vgl. Schnorbach Hermann(Hg.), Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz, Dokumente des Widerstands von 1930 bis<br />
1945, Königste<strong>in</strong> /Ts. 1983, S. 131-132.<br />
658<br />
Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 50-51.<br />
659<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 90.<br />
660<br />
Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 53.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Auslese g<strong>in</strong>g es darum, dass das K<strong>in</strong>d gesund war und auch ke<strong>in</strong>e Scheu vor Körperpflege aufwies.<br />
E<strong>in</strong>en guten Charakter im S<strong>in</strong>ne der Nationalsozialisten hatte e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, wenn es kameradschaftlich<br />
war und Zucht und Ordnung vertrug und sich unterordnen konnte. Entscheidend war auch die<br />
geistige Gesamtreife und die ´´arische´´ Abstammung, beziehungsweise hatten K<strong>in</strong>der die als<br />
´´Nichtarier´´ bezeichnet wurden ke<strong>in</strong> leichtes Leben auf den Schulen, solange sie diese noch<br />
besuchen durften. 661<br />
Am 13. März 1938 kam es <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> zum Wiedervere<strong>in</strong>igungsgesetz. Damit wurden <strong>Österreich</strong><br />
und Deutschland wieder zu e<strong>in</strong>em Reich zusammengeschlossen. <strong>Österreich</strong> bekam den Namen<br />
Ostmark und so wurde für die Schulen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> das ´´Ostmarkgesetz´´ beschlossen. Ziel war<br />
e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>heitlichung, Auflösung der Privatschulen und auch e<strong>in</strong>e Entkofessionalisierung. E<strong>in</strong>ige<br />
sehr bekannte Anstalten wurden von den Nationalsozialisten demonstrativ besetzt und<br />
übernommen, wie zum Beispiel das Theresianum <strong>in</strong> Wien oder auch Seckau. 662<br />
In <strong>Österreich</strong> sah es so aus, dass die Schüler nach der vierten Klasse der Volksschule die<br />
Hauptschule besuchten. Auf dem Land gab es noch e<strong>in</strong>e Oberstufenform der Volksschule. Die<br />
Schüler erlernten nach der Hauptschule meist e<strong>in</strong>en Beruf. Nur wenige wechselten danach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
höhere Schule. Die höheren Schulen aus <strong>Österreich</strong>, also die Gymnasien, die Realschulen und die<br />
Realgymnasien wurden den deutschen höheren Schulen angepasst. In der Ostmark (<strong>Österreich</strong>)<br />
wurde die Hauptschule nun sechsjährig, dies wurde von den deutschen Mittelschulen übernommen.<br />
Auch die Schüler für die Hauptschule wurden genau ausgewählt. Dazu wurden wiederum die<br />
Hitlerjugend, Ärzte, Kreisleiter, etc. herangezogen. 663<br />
Durch den Krieg wurde die E<strong>in</strong>führung der Hauptschulen immer mehr zurückgestellt. Diese<br />
mittleren Schulen sollten den K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong> abgeschlossenes, abgerundetes Wissen über die<br />
politische, wirtschaftliche und geographische Geschichte des deutschen Volkes geben und natürlich<br />
auch wieder den Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n der Jugendlichen stärken. Auch die Hauptschulen sollten sich<br />
an allen Aktionen, Festen, etc. der NSDAP beteiligen. 664<br />
661<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 90-94.<br />
662<br />
Vgl. Müllner Rudolf, Die Mobilisierung der Körper, Der Schul- und Hochschulsport im nationalsozialistischen<br />
<strong>Österreich</strong>, Wien 1993, S. 54.<br />
663<br />
Vgl. Habla Otto, Die Übernahme österreichischer Schulformen <strong>in</strong> das Deutsche Reich, Die Hauptschule 1938-1945,<br />
Wien 1881. (=Beiträge zur pädagogischen Psychologie Heft 379), S. 1-10.<br />
664<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 54-61.<br />
100
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Es wurde auch gefordert, dass an den Hauptschulen, die ja von Knaben und Mädchen besucht<br />
werden konnten, beide ´´e<strong>in</strong>e dem Geschlecht angepasste´´ Ausbildung bekommen konnten. So<br />
mussten die Mädchen auch Unterricht haben, der ihre hauswirtschaftlichen und mütterlichen<br />
Fähigkeiten förderte. 665<br />
Es wurden auch Schüler aus dem Unterricht ausgeschlossen. Dazu gehörten körperlich Beh<strong>in</strong>derte,<br />
schwerfällige oder zu langsame K<strong>in</strong>der, die sich zum Beispiel im Sportunterricht schwer taten.<br />
Ebenso jene, die sich gewissen Zuchtmaßnahmen widersetzten, kritisch dachten, beziehungsweise<br />
gewisse Sachen <strong>in</strong> Frage stellten oder nicht <strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft passten. ´´Nichtarischen´´ Schülern<br />
war e<strong>in</strong> Platz <strong>in</strong> den nationalsozialistischen Schulen sowieso verwehrt. Hitler wollte sozusagen<br />
ke<strong>in</strong>e selbstdenkenden Schüler, sondern solche, die zu allem ´´ja und Amen´´ sagten und allem<br />
zustimmten und es für gut befanden. 666<br />
Die Nationalsozialisten errichteten sogar eigene Erziehungsanstalten, die noch mehr ihrem Ideal<br />
von Schulen entsprachen und auch die Funktion von Ausleseschulen hatten. Sie hatten nämlich die<br />
Aufgabe die Elite unter den nationalsozialistischen K<strong>in</strong>dern auszubilden. Zu diesen Schulen<br />
gehörten die NAPOLAS (Nationalpolitische Erziehungsanstalten) und die AHS (Adolf Hitler<br />
Schulen).<br />
Die NAPOLAS sollten die zukünftigen Führer <strong>in</strong> den Reihen der Nationalsozialisten heranbilden.<br />
Bis Ende des Jahres 1938 wurden e<strong>in</strong>undzwanzig solcher NAPOLAS errichtet und vier davon<br />
waren <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> angesiedelt. Bis 1942 waren es neununddreißig. Ausgewählt wurden die<br />
Schüler für diese Schulen von den staatlichen Organen. Nach dem zehnten Lebensjahr konnten sie<br />
e<strong>in</strong>treten, also nach der Volksschule. Sie konnten die Matura machen und waren nach der<br />
Ausbildung auf den NAPOLA´S auch auf Universitäten zugelassen. Die Ausbildung dort dauerte<br />
acht Jahre. Geleitet wurden dieses Schulen von ehemaligen Mitgliedern mit höherem Posten bei der<br />
SA oder SS und der Lehrkörper bestand aus Zivilisten. Die wichtigsten Fächer waren hier Deutsch,<br />
Geschichte, Biologie und Mathematik, ebenso wie Wehrmathematik und Wehrphysik. Nach der<br />
NAPOLA mussten die Schüler e<strong>in</strong>en neunmonatigen Arbeitsdienst verrichten, zum Beispiel bei<br />
e<strong>in</strong>em Bauern, dann folgten zwei Jahre Wehrdienst. Danach traten sie <strong>in</strong> die SS e<strong>in</strong>, wurden Offizier<br />
bei der Wehrmacht oder g<strong>in</strong>gen zur Polizei. 667 E<strong>in</strong> besonderer Schwerpunkt <strong>in</strong> diesem NAPOLAS<br />
665 Vgl. Ebda, S. 81.<br />
666 Vgl. Lauf-Immesberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, S. 40-42.<br />
667 Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus. S. 351-354.<br />
101
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
war der Sport und die körperliche Ertüchtigung. Boxen, schießen, rudern, reiten, etc. standen auf<br />
dem Sportplan. Dadurch, dass die NAPOLA´s auch Internate waren und die Knaben dort bleiben<br />
mussten, standen sie den ganzen Tag unter dem E<strong>in</strong>fluss des nationalsozialistischen Drills, das<br />
Programm f<strong>in</strong>g nämlich um 6.45 Uhr an (zum Beispiel mit Frühsport 668 ) und endete um 22 Uhr. 669<br />
Es gab auch NAPOLA´S für Mädchen, zum Beispiel <strong>in</strong> Niederdonau (Unterstufe <strong>in</strong> Türnitz und<br />
Oberstufe <strong>in</strong> Hubertendorf). 670<br />
Die AHS, also die Adolf Hitler Schulen, wurden unter anderem von der Hitlerjugend <strong>in</strong>s Leben<br />
gerufen. Sie galten ebenso als Schulen für die Eliten. Wenn e<strong>in</strong> Knabe <strong>in</strong> der HJ sich besonders<br />
hervortat und tüchtig war, konnte er mit zwölf Jahren <strong>in</strong> die AHS e<strong>in</strong>treten. Auch hier sollte der<br />
Nachwuchs für die Partei erzogen werden. Durch das Heranzüchten von solchem Nachwuchs,<br />
wollte man den Bestand des deutschen, ´´arischen´´ Volkes sichern und e<strong>in</strong>e neue ´´Herrenrasse´´<br />
heran erziehen, die sich durch ihre kriegerischen Fähigkeiten hervortaten sowie vor allem durch ihre<br />
´´Re<strong>in</strong>rassigkeit´´. Die Ausbildung dauerte sechs Jahre, ab dem 12. Lebensjahr, und die Schüler<br />
konnten hier ebenfalls mit Matura abschließen. Der Lehrplan und der Unterrichtsstoff wurden von<br />
der HJ und der NSDAP ausgewählt. Nach dem Abschluss konnten sie ohne Probleme ´´Karriere´´ <strong>in</strong><br />
der NSDAP machen. 671 In <strong>Österreich</strong> wollte man auch e<strong>in</strong>e AHS <strong>in</strong> L<strong>in</strong>z errichten, jedoch blieb dies<br />
nur e<strong>in</strong> Projekt. 672<br />
Man konnte sich nicht melden, wenn man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e AHS wollte, sondern man wurde ausgewählt. Auf<br />
den AHS spielten Militarismus und Sport e<strong>in</strong>e noch größere Rolle als auf den NAPOLA´S. Weiters<br />
standen hier auf dem Lehrplan noch diverse Arbeitse<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> Fabriken und auf dem Land oder<br />
auch Ausflüge und Fahrten mit der HJ. 673 E<strong>in</strong> sehr großer Nachteil der AHS, beziehungsweise der<br />
Eliteschulen war, dass auf die geistige Ausbildung ke<strong>in</strong> großer Wert gelegt wurde, mehr auf die<br />
körperliche und auf das E<strong>in</strong>trichtern der nationalsozialistischen Ideologien. 674<br />
Für die Eliteschulen musste man, für die Aufnahme, <strong>in</strong> der HJ gewesen se<strong>in</strong>, gesund wirken und<br />
se<strong>in</strong>e ´´arische´´ Abstammung nachweisen können, sportliche e<strong>in</strong>e gute Leistung erbr<strong>in</strong>gen und man<br />
668 Vgl. Giesecke, Hitlers Pädagogen, S. 144.<br />
669 Vgl. Lauf-Immesberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, S. 42-43.<br />
670 Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 61.<br />
671 Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus. S.366-367.<br />
672 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, S. 320-321.<br />
673 Vgl. Lauf-Immesberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, S. 43-44.<br />
674 Vgl. Klüver Max, Die Adolf – Hitler- Schulen, E<strong>in</strong>e Richtigstellung, Plön 1983, S. 24.<br />
102
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
brauchte auch e<strong>in</strong> politisches Gutachten von dem jeweiligen Kreisleiter. 675 Oft wurden <strong>in</strong> diese<br />
Schulen auch Knaben zugelassen, die weniger geeignet waren, die jedoch Väter <strong>in</strong> sehr hohen<br />
Positionen hatten. Dies senkte sehr oft die Qualität dieser Schulen. 676<br />
Auch die Schulgebäude selbst wurden umgestaltet. So wurde alles entfernt, was an das frühere<br />
System er<strong>in</strong>nerte. 677<br />
Für viele bedeuteten der Nationalsozialismus und diese Umstellungen, dass sie die Schulen nicht<br />
mehr besuchen durften.<br />
Die NSDAP musste, zu Anfang der Gleichschaltung der Schulen, sicherstellen, dass auch die Lehrer<br />
h<strong>in</strong>ter ihnen standen. Sie mussten sich zum Nationalsozialismus bekennen und ihre ´´arische´´<br />
Abstammung nachweisen können. War dies nicht der Fall wurden sie suspendiert oder gleich<br />
entlassen und ersetzt durch Lehrkörper, die der NSDAP angemessen erschienen. Juden wurden<br />
gänzlich aus dem Lehrerberuf ausgeschlossen. 678<br />
So kam es 1933 dazu, dass Lehrer, die nicht zum Regime passten, gehen mussten. In Deutschland<br />
wurden 1933 Lehrer verboten, die zum kommunistischen System gehörten, ebenso wie die<br />
sozialdemokratischen Lehrer und natürlich jene, die nicht ´´arisch´´ waren, wie eben die jüdischen<br />
Lehrer. Viele von ihnen flohen <strong>in</strong>s Exil. 679<br />
Auch viele K<strong>in</strong>der mussten fliehen, da sie nicht zum nationalsozialistischen System ´´passten´´. Die<br />
K<strong>in</strong>der wurden <strong>in</strong> ´´ungefährlichen´´ Ländern <strong>in</strong> Pflegefamilien gegeben oder auch adoptiert. Viele<br />
Eltern jedoch stellten die Emigration h<strong>in</strong>tenan und wollten, dass ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Deutschland noch<br />
die Schule beendeten, doch dies wurde sehr vielen zum Verhängnis. Länder, die solche K<strong>in</strong>der<br />
aufnahmen waren zum Beispiel die Schweiz, Holland, Belgien, Frankreich oder auch England. 680<br />
Dort wurden Schulen e<strong>in</strong>gerichtet, die auf die Bedürfnisse dieser K<strong>in</strong>der abgestimmt waren. Sie<br />
mussten helfen, die grausamen Erlebnisse zu verarbeiten und auch die Familien zu ersetzen. Auch<br />
die Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen mussten selbst <strong>in</strong> den Schulen mithelfen, wie zum Beispiel im Garten<br />
und <strong>in</strong> den Heimen. Die K<strong>in</strong>der sahen sich noch als Deutsche, da auch ihre Eltern, die <strong>in</strong><br />
675 Vgl. Giesecke, Hitlers Pädagogen, S. 144.<br />
676 Vgl. Klüver, Die Adolf – Hitler- Schulen, S. 90.<br />
677 Vgl. Cerwenka, Die Fahne ist mehr als der Tod, S. 17.<br />
678 Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 54-61.<br />
679 Vgl. Feidel-Mertz Hildegard (Hg.), Schulen im Exil, Die verdrängte Pädagogik nach 1933. Hamburg 1983.<br />
(=Kulturen und Ideen), S. 20-21.<br />
680 Vgl. Ebda, S. 63-70.<br />
103
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Deutschland bleiben mussten, Deutsche waren. So wollten sie <strong>in</strong> dieser Sprache unterrichtet werden<br />
und auch die deutsche Geschichte lernen. Diese Exilschulen waren dann im Laufe der Zeit über die<br />
ganze Welt verstreut. 681<br />
Während des Krieges erkannte man, dass die Schulen immer mehr an Niveau verloren, vor allem<br />
weil der Unterricht durch viele außerschulische Aktivitäten unterbrochen wurde, wie diverse Feiern<br />
der Partei, oder auch durch Bombenalarme. Ebenso wurden die Schüler auch im Kriegsdienst<br />
benötigt, so mussten sie zum Beispiel für Verpflegung sorgen, <strong>in</strong> den Fabriken arbeiten oder auch <strong>in</strong><br />
den Krieg ziehen. Am 1. September kam es zum E<strong>in</strong>satz der gesamten Schüler der Sekundar- und<br />
Tertiärstufe für den Krieg. 682<br />
3.3.2. Veränderungen <strong>in</strong> der Schule und im Unterricht<br />
<strong>Das</strong> wichtigste Ziel der Erziehung im Nationalsozialismus schien die Heranbildung<br />
beziehungsweise Umformung der K<strong>in</strong>der und Jugendlichen <strong>in</strong> ´´Marionetten´´ zu se<strong>in</strong>, die ke<strong>in</strong>e<br />
eigene Me<strong>in</strong>ung mehr hatten, für das Volk und den Führer lebten und auch bereit waren, dafür zu<br />
sterben. <strong>Das</strong> K<strong>in</strong>d war e<strong>in</strong> ´´Material´´, welches dem Staat gehörte und welches er auch so formen<br />
konnte, wie es ihm passte. Dies geschah durch Zucht und Ordnung, sowie durch Verdrängen von<br />
humanem Gedankengut bei den K<strong>in</strong>dern. Die Nationalsozialisten übernahmen die Schulen, die<br />
Erziehung und auch die Freizeitgestaltung der K<strong>in</strong>der. Dies geschah zum Beispiel durch Feiern oder<br />
durch Ausflüge. Die Eltern und die Kirche hatten ke<strong>in</strong>en Platz mehr und wurden als Vorbilder und<br />
Lehrmeister komplett verdrängt. Ehre, Treue, Opferbereitschaft und Gehorsam waren die neuen<br />
erzieherischen Ziele für die K<strong>in</strong>der. 683 Der Nationalsozialismus erkannte, dass K<strong>in</strong>der das am<br />
leichtesten zu formende ´´Menschenmaterial´´ waren. Widerstand wurde sofort gebrochen und<br />
unterdrückt. 684<br />
681 Vgl. Ebda, S. 63-70.<br />
682 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, S. 336-337.<br />
683 Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus. S. 242- 246.<br />
684 Vgl. Lauf-Immersberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus. S. 34.<br />
104
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Zu den erzieherischen Institutionen zählten im Nationalsozialismus die Familie, die ihr K<strong>in</strong>d im<br />
nationalsozialistischen Geist erzog, die Schule, das Heer, welches die Erziehung zu e<strong>in</strong>em<br />
´´deutschen ´´ Mann vollendete und schließlich die Jugendorganisationen, wie die Hitlerjugend und<br />
der Bund Deutscher Mädchen. 685<br />
Es war auch Hitler wichtig, dass gesunde und kräftige K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Staat lebten, mit<br />
´´re<strong>in</strong>rassigem´´ Erbgut. Die geistige Ausbildung konnte se<strong>in</strong>er Ansicht nach ruhig vernachlässigt<br />
werden, wichtig war, dass der Charakter der Jugendlichen geformt wurde und zwar so, dass sie sich<br />
dem Staat unterordneten. Dazu gehörten Treue, Ehre, Opferbereitschaft für den Staat und die Partei<br />
sowie vor allem Verschwiegenheit. Die Schulausbildung wurde also mehr oder weniger auf e<strong>in</strong>en<br />
bevorstehenden Krieg ausgerichtet. 686 Essentiell war es, dass der Führer und se<strong>in</strong>e wichtige Stellung<br />
<strong>in</strong> den Schulen behandelt wurden und dass die Schüler den Führer als oberste Instanz sahen und ihn<br />
nicht anzweifelten. 687 Die Nationalsozialisten wollten e<strong>in</strong> Gleichgewicht zwischen Körper, Geist<br />
und Seele erreichen, also nicht nur geistige Ausbildung, sondern auch der Körper sollte gefördert<br />
werden. Die Mädchen als auch die Burschen sollten zu e<strong>in</strong>em willigen Glied <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft<br />
werden. Es zählte also e<strong>in</strong> gesunder Geist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesunden Körper zum Wohle der<br />
Volksgeme<strong>in</strong>schaft und der Bereitschaft sich für diese und den Führer zu opfern. Intellektuelle<br />
Querdenker und Kritiker wollte man vermeiden und ausschalten. 688<br />
In den Schulen wurde den K<strong>in</strong>dern vor allem beigebracht andere ´´Rassen´´ beziehungsweise<br />
andere Völker und auch andere Menschen, die körperlich schwächer oder auch beh<strong>in</strong>dert waren, zu<br />
verachten und als m<strong>in</strong>derwertig anzusehen. Weiters zählte <strong>in</strong> der Schule nicht mehr das Erlangen<br />
von Wissen, die <strong>in</strong>tellektuelle Schulung wurde verdrängt, sondern mehr die Heranbildung von sich<br />
für das Volk e<strong>in</strong>setzenden K<strong>in</strong>dern, die wehrtüchtig waren und e<strong>in</strong>iges aushalten konnten. Dies sah<br />
man vor allem bei den Knaben, denn der Sportunterricht und die körperliche Ertüchtigung nahmen<br />
bei ihnen e<strong>in</strong>en unglaublich hohen Stellenwert <strong>in</strong> der Schule e<strong>in</strong>. Wichtig war es, die K<strong>in</strong>der so zu<br />
formen, dass sie dem Führer und der Politik bl<strong>in</strong>d vertrauten und dass sie ke<strong>in</strong>esfalls das System<br />
oder die Ideologien der Nationalsozialisten h<strong>in</strong>terfragten.<br />
Die Position der Mädchen verschlechterte sich immer mehr. Der Hauptteil der Fächer für die<br />
685 Vgl. Schnorbach (Hg.), Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz, S. 47-48.<br />
686 Vgl. Lauf-Immesberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, S. 44-48, 52.<br />
687 Vgl. Giesecke, Hitlers Pädagogen, S. 132.<br />
688 Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 5-11.<br />
105
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Mädchen bestand <strong>in</strong> den Schulen aus Kursen, welche sie auf die Wirtschaft im Haus und das <strong>Das</strong>e<strong>in</strong><br />
als Mutter vorbereiten sollten. 689<br />
Neben den Schulen galten die anderen Organisationen, wie die SS, die SA oder auch die<br />
Hitlerjugend als gleichberechtigte Orte der Schulung. 690<br />
Die Hitlerjugend (HJ) nahm e<strong>in</strong>e starke Position bei der Ausbildung der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>. Sie war e<strong>in</strong>e<br />
Art Zwangsverband und sollte die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> das nationalsozialistische System <strong>in</strong>tegrieren. Sie<br />
entstand am 4. Juli 1926 aus e<strong>in</strong>em Zusammenschluss des Jugendbundes der NSDAP und der<br />
Großdeutschen Jugendbewegung. Alle anderen nicht nationalsozialistischen Jugendbewegungen<br />
wurden unter der NSDAP verboten. 1936 gab es nur noch sehr wenige katholische und auch<br />
jüdische Jugendgruppen. Die HJ war untergliedert, und zwar gab es das Jungvolk, für die zehn- bis<br />
vierzehnjährigen Burschen, und eben die Hitlerjugend, für die vierzehn- bis achtzehnjährigen<br />
Knaben. Bei den Mädchen gab es, für die zehn- bis vierzehnjährigen, den Jungmädelbund und, für<br />
die vierzehn- bis siebzehnjährigen, den BDM (Bund Deutscher Mädel). Die NSDAP übertrug der<br />
HJ und dem BDM die gesamte sittliche, geistige und auch körperliche Erziehung neben der Schule,<br />
wobei die HJ die Schule immer mehr verdrängen wollte. In den Schulen gab es zum Beispiel<br />
´´Klassenführer´´, die neben dem Lehrer für Zucht und Ordnung <strong>in</strong> der Klasse sorgten.<br />
Voraussetzung für diesen Posten war, dass der Knabe <strong>in</strong> der HJ war. Ebenso bestand die<br />
Möglichkeit, dass Mitglieder der HJ, obwohl sie eigentlich sitzen geblieben wären, <strong>in</strong> die nächste<br />
Klasse aufsteigen konnten, eben durch den E<strong>in</strong>fluss der HJ. Durch den frühen E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die HJ oder<br />
den BDM konnten die K<strong>in</strong>der von den Nationalsozialisten gut geformt werden, vor allem war dies<br />
möglich, da der Beitritt verpflichtend war. Am Ende sah es schon so aus, dass die HJ die Oberhand<br />
über die Jugenderziehung hatte und die Schulen sowie die Eltern an zweiter Stelle kamen. Härte,<br />
soldatische Haltung, Tapferkeit, Zusammenhalt und Untergebenheit konnte nur die HJ beibr<strong>in</strong>gen,<br />
so sah es die NSDAP. Ebenso weckte die HJ das Misstrauen der Schüler gegenüber den Lehrern<br />
und Lehrer<strong>in</strong>nen, sodass diese bald immer mehr an Autorität verloren. Die HJ lockte die Jugend<br />
auch durch die ganzen Veranstaltungen die sie immer anboten, wie Feste, Ausflüge, sportliche<br />
Unternehmungen und Wettkämpfe. Dies gefiel den K<strong>in</strong>dern natürlich, schweißte sie zusammen und<br />
brachte e<strong>in</strong>e willkommene Alternative zur Familie und Schule, sodass die K<strong>in</strong>der sich von diesen<br />
689 Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus, S. 247-273.<br />
690 Vgl. Ebda, S. 307.<br />
106
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
zwei Instanzen immer mehr entfernten. 691 1936 war die HJ bereits zu e<strong>in</strong>er sehr mächtigen<br />
Organisation geworden. 692 Zusammenfassend ist hier zu sagen, dass man mit der HJ e<strong>in</strong>e<br />
Organisation schaffen wollte, die die gesamte Jugend vere<strong>in</strong>igt. Weiters wollte man damit die<br />
Jugendlichen dem Führer verpflichten und ihre soziale Stellung verbessern. Die jungen Mädchen<br />
und Burschen hatten nun also mehr Macht, was ihnen natürlich auch sehr zusagte. 693<br />
Der BDM war die e<strong>in</strong>zige Organisation für Mädchen. Sie unterstand der HJ und auch im BDM<br />
sollten Mädchen zu starken Frauen erzogen werden, die ihrem Land als Mutter und Hausfrau gut<br />
dienen konnten. Ab 1940 war der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den BDM Pflicht, natürlich nur für ´´re<strong>in</strong>rassige´´<br />
Mädchen aus dem deutschen Reich. Sport, basteln, s<strong>in</strong>gen und musizieren gehörte zu den<br />
Angeboten des BDM, aber auch Ausflüge und Feste wie bei der HJ. Auf ke<strong>in</strong>en Fall wollte man<br />
emanzipierte Frauen, sondern solche, die sich ihren Männern, der Partei und auch dem Staat<br />
unterordneten und e<strong>in</strong>en gesunden Nachwuchs produzierten. Zwischen dem siebzehntem und dem<br />
fünfundzwanzigstem Lebensjahr mussten die Mädchen dann e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>jährigen Reichsdienst<br />
verrichten. Dies konnten sie zum Beispiel auf e<strong>in</strong>em Bauernhof oder im sozialen Bereich, wie bei<br />
der Pflege von Verwundeten. 694 Der BDM plante auch, dass die Frauen <strong>in</strong> Berufe e<strong>in</strong>traten, die eben<br />
für sie vorgesehen waren, also zum Beispiel soziale Berufe. Weiters plante er auch, dass<br />
Eliteschulen, wie zum Beispiel die Adolf–Hitler-Schulen für Mädchen errichtet wurden. E<strong>in</strong>e<br />
positive Ersche<strong>in</strong>ung im oder durch den BDM war, dass Frauen mit unehelichen K<strong>in</strong>dern nicht<br />
mehr so stark diskrim<strong>in</strong>iert wurden wie <strong>in</strong> der Zeit davor. Der BDM bot vielen Mädchen die<br />
Möglichkeit, ihre Situation zu verbessern, da sie durch ihn, außerhalb der Familie, diversen<br />
Aktivitäten nachgehen und eigene Berufe erlernen konnten, was <strong>in</strong> manchen Familien zuvor nicht<br />
akzeptiert wurde. 695<br />
Wie schon erwähnt, schafften es die Mädchen und Burschen durch die HJ und den BDM, sich der<br />
elterlichen Kontrolle zu entziehen, was für viele sehr attraktiv wirkte. 696 Auch die Hitlerjugend<br />
führte schulische Tätigkeiten aus. So wurden hier auch die diversen ´´Rassengesetze´´ gelehrt, die<br />
691<br />
Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus, S. 377-394.<br />
692<br />
Vgl. Scholtz Harald, Schule unterm Hakenkreuz, <strong>in</strong>: Dithmar Re<strong>in</strong>hard(Hg.), Schule und Unterricht im Dritten Reich,<br />
Neuwied 1989, S. 3.<br />
693<br />
Vgl. Giesecke, Hitlers Pädagogen, S. 172.<br />
694<br />
Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus, S. 395-397.<br />
695<br />
Vgl. Giesecke, Hitlers Pädagogen, S. 209-217.<br />
696<br />
Vgl. Krüger He<strong>in</strong>z-Hermann, Jugendopposition im Dritten Reich, <strong>in</strong>: Flessau Kurt-Ingo, Nyssen Elke, Günter<br />
Pätzold (Hgg.), Erziehung im Nationalsozialismus ´´…und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!´´, Köln-<br />
Wien 1987, S. 18.<br />
107
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Geschichte der NSDAP oder auch die Biographie von Adolf Hitler. 697 Sehr oft wurde Hitler auch<br />
mit Jesus gleichgesetzt, es wurden also beide als ´´Erretter´´ gesehen: ´´Wie Jesus die Menschen<br />
von der Sünde und der Hölle befreite, so rettet Hitler das deutsche Volk vor dem Verderben´´. Oder<br />
es gab auch e<strong>in</strong> Hitler-Gebet: Adolf Hitler! Dir s<strong>in</strong>d wir alle<strong>in</strong> verbunden! Wir wollen <strong>in</strong> dieser<br />
Stunde das Gelöbnis erneuern: Wir glauben, dass der Nationalsozialismus der alle<strong>in</strong> seligmachende<br />
Glaube für unser Volk ist. Wir glauben, dass es e<strong>in</strong>en Herrgott im Himmel gibt, der uns geschaffen<br />
hat, der uns führt, der uns lenkt und der uns sichtbarlich segnet. Und wir glauben, dass dieser<br />
Herrgott uns Adolf Hitler gesandt hat, damit Deutschland für alle Ewigkeiten e<strong>in</strong> Fundament werde.<br />
(Von Reichsleiter Robert Ley, 10.2.1937) 698<br />
Als der Krieg begann wurden bereits die ersten Mitglieder der HJ aus den Jahren 1921-1923 zu<br />
Soldaten ausgebildet und e<strong>in</strong>gesetzt. Während des Krieges wurden die Mitglieder der HJ und des<br />
BDM für diverse Arbeiten e<strong>in</strong>gesetzt, da e<strong>in</strong> großer Mangel an Arbeitskräften herrschte, wie zum<br />
Beispiel für Feldarbeiten, etc. 699<br />
Viele Jugendliche, die sozialistischen, kommunistischen oder anderen antifaschistischen<br />
Jugendgruppen angehörten, wurden <strong>in</strong> Zuchthäuser gebracht oder kamen <strong>in</strong> Konzentrationslager.<br />
Dies geschah <strong>in</strong> Deutschland vor allem <strong>in</strong> den Jahren 1933 und 1934. 700 Es entwickelten sich immer<br />
mehr Jugendbanden und Cliquen, die den Nationalsozialisten e<strong>in</strong> Dorn im Auge waren. Diese<br />
Gruppen waren vor allem <strong>in</strong> den Industriezentren anzutreffen und es waren meist junge Arbeiter,<br />
welche aus der unteren Schicht stammten. Die Nationalsozialisten sahen <strong>in</strong> ihnen krim<strong>in</strong>elle<br />
Jugendliche und verfolgten sie. 701 Zu den leichten Strafen für Vergehen von Jugendlichen gehörten<br />
Verwarnungen oder Hausarrest mit diversen Strafarbeiten. Die schlimmste Strafe war die<br />
Überführung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> KZ. Weitere Vergehen bei Jugendlichen waren zum Beispiel Verweigerung des<br />
E<strong>in</strong>trittes <strong>in</strong> die HJ oder den BDM, wenn die Eltern Widerstand leisteten, Trunksucht,<br />
Homosexualität, Mitgliedschaft bei e<strong>in</strong>er Sw<strong>in</strong>g-Gruppe oder körperliche ´´Fehler´´, wie e<strong>in</strong>e<br />
Beh<strong>in</strong>derung. 702<br />
697<br />
Vgl. Cerwenka, Die Fahne ist mehr als der Tod, S. 34.<br />
698<br />
Ebda, S. 53.<br />
699<br />
Vgl. Ebda, S. 45-48.<br />
700<br />
Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus. S. 395-397.<br />
701<br />
Vgl. von Hellfeld, Bündische Jugend und Hitlerjugend, S. 225.<br />
702<br />
Vgl. Cerwenka, Die Fahne ist mehr als der Tod, S. 65-66.<br />
108
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Ebenfalls mussten Lehrer e<strong>in</strong>gesetzt werden, die eigens geschult wurden, und die Ideologien des<br />
Nationalsozialismus an die K<strong>in</strong>der weitergaben. Als Unterrichtsmethoden standen der<br />
Frontalunterricht und auch Bestrafungen an erster Stelle. Weiters wurde die Koedukation als etwas<br />
gesehen, das, sowohl für die Knaben als auch für die Mädchen, nicht fördernd war und somit wurde<br />
sie abgeschafft. 703 Auch die Prügelstrafe wurde nun wieder zu e<strong>in</strong>em wichtigen Unterrichtsmittel,<br />
sowohl bei den Mädchen, als auch bei den Burschen. 704<br />
Die Lehrer hatten die Aufgabe, den Schülern die ´´Rassenkunde´´ und ´´Rassenpflege´´ 705 , die<br />
´´Erbpflege´´ 706 beziehungsweise die ´´Vererbungslehre´´ und die Familienkunde 707 und auch die<br />
Bevölkerungspolitik 708 zu <strong>in</strong>filtrieren und e<strong>in</strong>zuhämmern. Zu den wichtigsten Fächern zählt der<br />
Geschichtsunterricht. Hier wurden den K<strong>in</strong>dern meist die (verzerrten) Geschichten der heroischen<br />
Germanen und der Vorfahren des deutschen Volkes beigebracht. Ebenso wichtig war der<br />
Deutschunterricht. Auch hier wurde den Schülern und Schüler<strong>in</strong>nen die Überlegenheit des<br />
Deutschen Volkes gegenüber den anderen vorgepredigt. Weiters waren der Sportunterricht, also die<br />
körperliche Ertüchtigung, e<strong>in</strong> ungeme<strong>in</strong> wichtiges Element <strong>in</strong> den Schulen der Nationalsozialisten,<br />
ebenso wie die erwähnte Lebens- und ´´Rassenkunde/Rassenpflege´´ und eben die<br />
´´Vererbungslehre´´, alles meist im Rahmen des Faches Biologie. 709 Der Religionsunterricht wurde<br />
gänzlich abgeschafft und <strong>in</strong> Folge die gesamten kirchlichen Schulen. 710 Auch die Literatur für die<br />
Schule wurde bewusst ausgesucht, wobei darauf geachtet wurde, dass diese Literatur nur die<br />
Ideologien des Nationalsozialismus vertrat. 711 So gab es eigene Literaturlisten. Zu e<strong>in</strong>em<br />
Hauptbestandteil dieser Listen wurden zum Beispiel ´´Me<strong>in</strong> Kampf´´ von Hitler, oder auch<br />
gesammelte Reden von Hitler ebenso wie zum Beispiel ´´Rassenpolitische Erziehung´´ von Groß<br />
703<br />
Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 217.<br />
704<br />
Vgl. Schnorbach, Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz, S. 44.<br />
705<br />
Der Schüler soll zum Beispiel den Unterscheid zwischen Rasse und Volk verstehen und ebenso die Bedeutung der<br />
Auslese für den Erhalt der Rasse. Zitiert nach: Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 217<br />
706<br />
Die K<strong>in</strong>der werden darauf h<strong>in</strong>gewiesen, wie wichtig es ist. e<strong>in</strong>en richtigen arischen Partner zu f<strong>in</strong>den. Zitiert nach:<br />
Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus. S. 310-320.<br />
707<br />
In diesem Unterricht sollen Ahnentafeln angelegt (Zitiert nach: Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus<br />
und Schule, S. 217) und die ´´rassenbewusste´´ Familienpflege durchgenommen werden. Zitiert nach: Spannaus,<br />
Pädagogik im Nationalsozialismus. S. 310-320.<br />
708<br />
Bei der Bevölkerungspolitik g<strong>in</strong>g es darum den K<strong>in</strong>derreichtum zu fordern. Zitiert nach: Spannaus, Pädagogik im<br />
Nationalsozialismus. S. 310-320.<br />
709<br />
Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus. S. 310- 20.<br />
710<br />
Vgl. Scholtz, Schule unterm Hakenkreuz, S. 10.<br />
711<br />
Vgl. Lauf-Immesberger, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, S. 60.<br />
109
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Walther. 712 An oberster Stelle standen aber von allen Fächern immer noch der Sport und die<br />
körperliche Ertüchtigung, als Grundlage für die weitere Entwicklung. 713<br />
3.3.2.1. Unterricht <strong>in</strong> den höheren Schulen<br />
Helmut Engelbrecht hat auch e<strong>in</strong>e Stundentafel für die Oberschule für Jungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em fünften<br />
Band der ´´Geschichte des österreichischen Bildungswesens´´ veröffentlicht. Durch diese<br />
Stundentafel wird ersichtlich, dass der Leibeserziehung, mit fünf Wochenstunden, <strong>in</strong> allen<br />
Schulstufen viel Zeit e<strong>in</strong>geräumt wurde. Weiters gab es die Überfächer Deutschkunde (mit Deutsch,<br />
Geschichte, Erdkunde, Kunsterziehung und Musik), Naturwissenschaften und Mathematik (mit<br />
Biologie, Chemie, Physik und Rechnen und Mathematik), Fremdsprachen (Englisch und Late<strong>in</strong>,<br />
wobei Englisch <strong>in</strong> den ersten beiden Schulstufen 6 Wochenstunden e<strong>in</strong>geräumt wurde und Late<strong>in</strong><br />
f<strong>in</strong>g erst ab der 3. Klasse an) und Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften (Hier konnte man zwischen<br />
naturwissenschaftlichen und sprachlichen, also e<strong>in</strong>er zweiten Fremdsprache, wählen). In der ersten<br />
Klasse hatten sie 31 Wochenstunden und <strong>in</strong> der achten Klasse 36 Wochenstunden. Es wurde sogar<br />
Konfessionsunterricht angeboten, aber falls man diesen besuchen wollte, fand er aus diversen<br />
Gründen nie statt. 714 Im Gymnasium sah es ähnlich aus, doch gab es ke<strong>in</strong>e Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften<br />
und man hatte Griechisch, als dritte Fremdsprache ab der zweiten Klasse, Late<strong>in</strong> ab der ersten<br />
Klasse und Englisch erst ab der fünften Klasse. 715 Auch die Stundentafel der sprachlichen<br />
Oberschule für Mädchen wies Ähnliches auf. So hatten auch die Mädchen regelmäßig <strong>in</strong> allen<br />
Klassen Leibeserziehung. Zur Deutschkunde gehörte bei ihnen noch Handarbeiten und sie konnten,<br />
ab der sechsten Klasse, e<strong>in</strong>e lebende Fremdsprache wählen. Die hauswirtschaftliche Oberschule für<br />
Mädchen hatte zusätzlich Fächer des Frauenschaffens, wie Hauswirtschaft (Kochen, Haus-und<br />
Gartenarbeit), Pflege (Gesundheitslehre und –pflege, Beschäftigungslehre) und Dienste <strong>in</strong><br />
Säugl<strong>in</strong>gsheimen, K<strong>in</strong>dergärten und Familien. 716<br />
712 Vgl. Cerwenka, Die Fahne ist mehr als der Tod, S. 18-19.<br />
713 Vgl. Benze, Erziehung im Großdeutschen Reich, S. 57.<br />
714 Vgl. Engelbrecht, Die Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, S. 743.<br />
715 Vgl. Ebda, S. 744.<br />
716 Vgl. Ebda, S. 746.<br />
110
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Der Umstand, dass die Leibeserziehung e<strong>in</strong>en so hohen Stellenwert e<strong>in</strong>nahm, wäre auch darauf<br />
zurückzuführen, dass nach dem Ersten Weltkrieg ja e<strong>in</strong> Verbot der allgeme<strong>in</strong>en Wehrpflicht <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> galt. Dieses konnte umgangen werden, <strong>in</strong>dem man die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schule tra<strong>in</strong>ierte<br />
und trimmte. 717<br />
Diverse menschliche Werte wie Barmherzigkeit, Toleranz oder auch Solidarität gegenüber anderen<br />
Völkern wurden komplett von der Tagesordnung des Unterrichts gestrichen. Diese Werte galten im<br />
Nationalsozialismus als lächerlich, schwach und unnütz. 718 In e<strong>in</strong>em Buch, über die Erlässe und<br />
Neuordnungen zum höheren <strong>Schulwesen</strong> aus dem Jahr 1938, wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kapitel auch strikt<br />
darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass ´´leistungsunfähige´´ Schüler oder auch ´´charakterschwache´´ Schüler<br />
nicht zum Unterricht zugelassen werden dürfen. 719 Auch dies wies wiederum auf die unbarmherzige<br />
Auslese bei den Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen h<strong>in</strong>.<br />
Als gutes Beispiel für die Übertriebenheit des Nationalgefühls im Nationalsozialismus mag<br />
sicherlich der Geschichtsunterricht dienen. Voraussetzungen für das Geschichtsverständnis der<br />
Schüler war zu wissen, dass das Leben e<strong>in</strong> Kampf sei, dass sie nichts ohne den Führer wären, dass<br />
das Volk ihre Zukunft sei, dass die Volksgenossen ihre Schicksalsgenossen seien und dass ihr Blut<br />
ihr höchstes Gut sei. Weiters lernte man, dass die nordische Menschenrasse die Träger<strong>in</strong> der<br />
Menschheit sei und dass die Germanen, <strong>in</strong> der Antike, die Erben Roms waren. Im Mittelalter waren<br />
vor allem Karl der Große, He<strong>in</strong>rich I, welcher das Deutsche Reich schuf und somit auch die<br />
deutsche Nationalpolitik, und He<strong>in</strong>rich der Löwe, der expandieren und das Deutsche Reich<br />
vergrößern wollte, wichtig. In der Frühen Neuzeit zählte Mart<strong>in</strong> Luther und danach vor allem<br />
Bismarck, der Erste Weltkrieg und Hitler als Begründer des Dritten Reiches. 720 Weitere Themen<br />
wären auch ´´Deutsches Heldentum im Ersten Weltkrieg´´, ´´Folgen des Diktates von Versailles´´,<br />
´´Zusammenbruch und Leidensweg nach dem Schandvertrag´´, ´´Befreiung durch den Führer´´ oder<br />
auch ´´Schaffung und Sicherung Großdeutschlands´´. 721 Im Deutschunterricht herrschten auch<br />
717<br />
Vgl. Petscharnig Peter He<strong>in</strong>rich, Der Sport im Nationalsozialismus - unter besonderer Berücksichtigung der<br />
Leibeserziehung, Dipl., Graz 2004, S. 21.<br />
718<br />
Vgl. Cerwenka, Die Fahne ist mehr als der Tod, S. 21.<br />
719<br />
Vgl. Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Höheren Schule, Amtliche Ausgabe des Reichs- und Preußischen M<strong>in</strong>isteriums<br />
für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Berl<strong>in</strong> 1939, S. 1.<br />
720<br />
Vgl. Schausberger Norbert, Intention des Geschichtsunterrichts im Rahmen der nationalistischen Erzeihung, <strong>in</strong>:<br />
He<strong>in</strong>emann Manfred (Hg.), Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 1: K<strong>in</strong>dergarten, Schule, Jugend,<br />
Berufserziehung, Stuttgart 1980. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft<br />
für Erziehungswissenschaft, Bd. 4,1), S. 251-262.<br />
721<br />
Vgl. Gies Horst, Geschichtsunterricht als deutschkundliche Weihestunde, Historische Nabelschau <strong>in</strong> der<br />
111
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
nationalsozialistische Themen vor. So mussten die K<strong>in</strong>der Kampfdichtung oder auch Dichtungen<br />
über den Ersten Weltkrieg lesen und es wurde vor allem darauf geachtet, das nur Literatur gelesen<br />
wurde, <strong>in</strong> welcher das deutsche Volk gut dastand, sodass der Stolz der K<strong>in</strong>der auf ihr Volk geweckt<br />
wurde. Wichtig waren die Erzählungen über germanische Götter und Helden oder über<br />
mittelhochdeutsche Epen (davon zum Beispiel das Nibelungenlied, das Hildebrandslied, die Edda)<br />
und über den Weltkrieg und die anderen Kämpfe. 722 Vom Deutschunterricht wurde nun auch<br />
erwartet: ´´.., dass das Schwergewicht verlagert wird vom Sprachwissen auf das Sprachkönnen,<br />
vom Aufnehmen auf das Gestalten, von der stofflichen Bereicherung auf das Werterlebnis, vom<br />
bloßen <strong>Überblick</strong> auf die S<strong>in</strong>nerfassung aus dem völkischen Lebensgrund.´´ 723 Im<br />
Geographieunterricht mussten sich die Schüler die Erdteile ver<strong>in</strong>nerlichen, aber mit besonderem<br />
Blick auf die dort lebenden Völker und ´´Rassen´´. Weiters g<strong>in</strong>g es um die Relevanz der<br />
´´nordischen´´ Rasse für die Kultur auf der Welt, um die Wehrgeographie, die Präsenz der deutschen<br />
Wehrmacht <strong>in</strong> der Luft, am Land und auch auf See und es wurden sogar die festgelegten Grenzen<br />
nach dem Versailler Vertrag als unrechte Grenzen dargestellt. 724 Englisch wurde gelernt, nicht weil<br />
es e<strong>in</strong>e Kultursprache, sondern e<strong>in</strong>e Sprache war, die für die Nationalsozialisten von e<strong>in</strong>em Volk<br />
stammte, welches der ´´arischen´´ Rasse ähnlich war. Late<strong>in</strong> und Griechisch wurden gelernt, weil<br />
die Römer und Griechen laut den Nationalsozialisten auch zwei nordische ´´Rassen´´ waren. 725 Im<br />
Chemieunterricht lernten die Mädchen zum Beispiel, wie sie mit ger<strong>in</strong>gen Mitteln <strong>in</strong> Kriegszeiten<br />
den Haushalt führen und meistern konnten. Die Jungen lernten die Zusammensetzung von<br />
Sprengstoffen, oder auch anderen für den Kampf wichtigen Stoffen, <strong>in</strong> diesen Stunden. In den<br />
Biologiestunden wurden die K<strong>in</strong>der vor allem mit der Rassenideologie und der Vererbungslehre<br />
konfrontiert. 726 Im Musikunterricht g<strong>in</strong>g es vor allem darum, der Jugend die deutsche Volksmusik<br />
und die deutschen Lieder nahezubr<strong>in</strong>gen, wiederum zur Stärkung des Nationalgefühls und der<br />
Geme<strong>in</strong>schaft. 727<br />
E<strong>in</strong> wichtiger Punkt, der den Schülern und Schüler<strong>in</strong>nen beigebracht wurde, war die Erhaltung des<br />
nationalsozialistischen Schule, <strong>in</strong>: Dithmar Re<strong>in</strong>hard (Hg.), Schule und Unterricht im Dritten Reich, Neuwied 1989,<br />
S. 45.<br />
722<br />
Vgl. Flessau Kurt-Ingo, Schule und Diktatur, Lehrpläne und Schulbücher des Nationalsozialismus, Frankfurt am<br />
Ma<strong>in</strong> 1984, S. 102-105, 136, 140.<br />
723<br />
Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Höheren Schule, S. 36.<br />
724<br />
Vgl. Flessau, Schule und Diktatur, S. 113-115.<br />
725<br />
Vgl. Ebda, S. 118-121.<br />
726<br />
Ebda, S. 122-124.<br />
727<br />
Vgl. Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Höheren Schule, S. 132.<br />
112
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
deutschen Volkes. Man war der Me<strong>in</strong>ung, dass diese auf drei Säulen beruhte, nämlich<br />
´´Re<strong>in</strong>erhaltung der Rasse´´, ´´Gesunderhaltung des Blutes´´ und ´´ausreichende Stärke des<br />
Nachwuchses´´. Dies gehörte laut der Zeitschrift ´´Dem deutschen Erzieher´´ zu den Aufgaben der<br />
Schule und musste den K<strong>in</strong>dern anerzogen werden. 728 So legten die Nationalsozialisten auch ihre<br />
Hoffnung <strong>in</strong> die Erzieher, welche die Jugend formen sollten: ´´An den Erzieher: Wer so wie du <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>es Volkes Dienste steht, im Allerkle<strong>in</strong>sten oft am Größten baut, und durch die Arbeitstage wie<br />
e<strong>in</strong> König geht, wenn er <strong>in</strong> K<strong>in</strong>deraugen schaut, der sei sich auch bewußt: Es adelt ihn die Pflicht.<br />
Des Volkes Zukunft blüht aus de<strong>in</strong>er Hand. Du formst des deutschen Siegers Heldenangesicht. De<strong>in</strong><br />
Glaube sei wie e<strong>in</strong>e Burg im Land.´´ 729<br />
3.3.2.2. Unterricht <strong>in</strong> den mittleren Schulen (Hauptschule, Volksschule Oberstufe)<br />
Die Mittelschulen hatten die Aufgabe jene Schicht von K<strong>in</strong>dern zu unterrichten, welche danach<br />
gleich <strong>in</strong> das Berufsleben e<strong>in</strong>steigen wollten, also zum Beispiel <strong>in</strong> die Industrie, die Technik, die<br />
Landwirtschaft oder auch der Bergbau. Die Bildung sollte <strong>in</strong> solchen Schulen über jene <strong>in</strong> den<br />
Volksschulen h<strong>in</strong>ausgehen, aber nicht so weit wie <strong>in</strong> den höheren Schulen. Vor allem die Praxis<br />
sollte hier vorherrschen, ebenso wie die Gegenwartsnähe und vor allem die politische Erziehung.<br />
Man verfolgte somit Ziele wie <strong>in</strong> allen anderen Schulen. Der Unterricht hier sollte bodenständig<br />
und volksnah se<strong>in</strong>. Bei den Mädchen wollte man <strong>in</strong> diesen Schulen den Drang zum ´´Schaffen´´ und<br />
´´Dienen´´ unterstützen. So gab es Fächer wie Hauswirtschaft, Handarbeit, Gartenbau (den die<br />
Burschen auch hatten) oder auch Gesundheits-, Säugl<strong>in</strong>gs- und Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derpflege und eben auf die<br />
Praxis, zum Beispiel <strong>in</strong> K<strong>in</strong>derheimen, wurde Wert gelegt. Die Mädchen sollten zu<br />
´´rassenbewussten´´ deutschen Frauen erzogen werden. 730 Die Stundentafeln für die Hauptschulen<br />
der Burschen und Mädchen wiesen natürlich auch gleiche Fächer wie die höheren Schulen auf, mit<br />
728 Vgl. Danzer Paul, Erziehung zur Volkserhaltung, <strong>in</strong> : Der Deutsche Erzieher. Reichszeitung des<br />
Nationalsozialistischen Lehrerbundes. Heft 3, 1. Februar 1939. S. 52 (=Der Deutsche Erzieher. Reichszeitung des<br />
nationalsozialistischen Lehrerbundes. Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs1939), S. 52.<br />
729 Luchs J.R., An den Erzieher, <strong>in</strong>: Der Deutsche Erzieher. Reichszeitung des Nationalsozialistischen Lehrerbundes.<br />
Heft 12, Dezember 1940. (=Der Deutsche Erzieher. Reichszeitung des nationalsozialistischen Lehrerbundes.<br />
Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1940), S. 363.<br />
730 Vgl. Bestimmungen über Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Mittelschule, Berl<strong>in</strong> 1939, S. 4-9.<br />
113
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
gleichen Inhalten, wie Leibeserziehung, Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Musik, Englisch und e<strong>in</strong>e<br />
zweite Fremdsprache aber auch neue Fächer wie Lebenskunde, Gartenbau, Naturlehre, Rechnen<br />
und Raumlehre, Zeichnen und Werken (die Mädchen hatten zusätzlich noch Handarbeiten),<br />
Kurzschrift und Masch<strong>in</strong>enschreiben. In der Oberstufe der Volksschule gab es die gleichen Fächer,<br />
nur hatten die Mädchen nur Englisch als Fremdsprache und zusätzlich noch das Fach Hauswerk. In<br />
beiden Schulen wurde auch Religion als Fach angeführt, kam aber meist nicht zustande. 731 In<br />
Deutsch war vor allem der deutsche Sprachgebrauch wichtig, also schönes Sprechen und natürlich<br />
die Lehre über das schriftliche Erbe des deutschen Volkes. 732 In Geschichte g<strong>in</strong>g es um die<br />
Gestaltung des deutschen Reiches und um die heroischen Kämpfe des deutschen Volkes, gleich wie<br />
<strong>in</strong> den höheren Schulen. Wichtig war es, den Schülern beizubr<strong>in</strong>gen, dass sie sich opferbereit für die<br />
Erhaltung dieses Reiches und Volkes e<strong>in</strong>setzen mussten. 733 Im Erdkundeunterricht g<strong>in</strong>g es darum,<br />
dass die K<strong>in</strong>der alles über ihr Heimatland lernen sollten und auch über das deutsche Volk und se<strong>in</strong>e<br />
Relevanz als Kulturträger für die restliche Welt. 734 Anstelle von Biologie gab es hier Lebenskunde.<br />
Unterrichtet wurden unter anderem die ´´Vererbungslehre´´, ´´Rassengesetze´´ oder auch wie man<br />
den menschlichen Körper gesund erhält und auch pflegt. 735 Die anderen Fächern erklären sich meist<br />
von selbst, wie Gartenbau, Naturlehre oder auch Rechnen und Raumlehre. In dem Fach<br />
´´Hauswerk´´ lernten die Mädchen e<strong>in</strong>en Haushalt zu führen und alle Tätigkeiten, welche man dazu<br />
brauchte. 736<br />
Auch <strong>in</strong> diesen Schulen galten die gleichen Richtl<strong>in</strong>ien und ´´Werte´´ der Nationalsozialisten wie <strong>in</strong><br />
den höheren Schulen und Volksschulen.<br />
731 Vgl. Ebda, S. 9-13.<br />
732 Vgl. Ebda, S 15.<br />
733 Vgl. Ebda, S 26.<br />
734 Vgl. Ebda, S. 32.<br />
735 Vgl. Ebda, S. 41.<br />
736 Vgl. Ebda, S 67.<br />
114
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
3.3.2.3. Unterricht <strong>in</strong> der Volksschule<br />
Die Volksschule hatte die Aufgabe, die Grundlegenden Kenntnisse und das grundlegende Wissen<br />
aufzubauen, sodass die K<strong>in</strong>der zu fähigen Gliedern im Nationalsozialismus werden konnten.<br />
Wichtig waren: ´´Erziehung zur Geme<strong>in</strong>schaft´´, ´´Dienst an Volk und Staat´´, ´´lebensnaher<br />
Unterricht´´, ´´Führerauslese und Führerbildung´´, ´´Anteilnahme am völkischen Geschehen´´,<br />
´´Vorbereitung auf HJ und BDM und ´´freudige Bejahung der nationalsozialistischen<br />
Weltanschauung´´. In den Volksschulen für Mädchen war der E<strong>in</strong>fluss e<strong>in</strong>er weiblichen Lehrer<strong>in</strong><br />
wichtig, darum gab es dort zwei Drittel weibliches Lehrpersonal. 737<br />
Die Burschen und die Mädchen hatten die Fächer Leibeserziehung, Deutsch, Heimatkunde,<br />
Geschichte, Erdkunde, Naturkunde, Musik, Zeichnen und Werken, Rechnen und Raumlehre sowie<br />
Religion. Die Mädchen hatten zusätzlich noch Handarbeit und Hauswerk. 738 In Deutsch war das<br />
Schrifttum wichtig, also zum Beispiel deutsche Dichtung, mündliche und schriftliche Übungen, um<br />
die Muttersprache nahezubr<strong>in</strong>gen und den gepflegten Ausdruck zu fördern, und ebenso die<br />
Sprachlehre und die Sprachkunde waren essentiell. 739 Heimatkunde sollte die K<strong>in</strong>der stolz machen<br />
auf ihre Heimat, ihr Volk und auf den Führer, zum Beispiel durch heimatgeschichtliche Erzählungen<br />
und Bilder. Dies sollte ebenso im Geschichtsunterricht passieren, vor allem durch den H<strong>in</strong>weis auf<br />
die heldenhaften Taten des deutschen Volkes <strong>in</strong> der Geschichte und die politische Erziehung durch<br />
Gegenwartsgeschichte. 740 In den anderen Unterrichtsfächern stand neben den fachlichen Inhalten<br />
auch vor allem das Ziel im Vordergrund, die K<strong>in</strong>der zu kameradschaftlichen und opferbereiten<br />
Untertanen der Nationalsozialisten zu erziehen. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Beispiel ist noch der<br />
Hauswerkunterricht der Mädchen, denn auch hier begann man schon die Schüler<strong>in</strong>nen mit Kochen<br />
und häuslicher Arbeit vertraut zu machen, zum Beispiel wie man richtig e<strong>in</strong>kaufen g<strong>in</strong>g. 741<br />
In e<strong>in</strong>em Buch über den ´´Lehrstoff für die Kärntner Grundschule´´ aus dem Jahr 1941 wurde auch<br />
darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass <strong>in</strong> der Volksschule die Möglichkeit gegeben war, alle Schüler und<br />
Schüler<strong>in</strong>nen zu erfassen, um zu kontrollieren, ob wohl alle diese besuchten. Weiters wurde darauf<br />
737 Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Volksschule, Berl<strong>in</strong> 1940, S. 9-12.<br />
738 Vgl. Ebda, S. 31-32.<br />
739 Vgl. Ebda, S. 13-16.<br />
740 Vgl. Ebda, S. 16-20.<br />
741 Vgl. Ebda, S. 26.<br />
115
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
h<strong>in</strong>gewiesen, dass nur der Stoff im Unterricht Platz hatte, welcher dazu diente, dass die K<strong>in</strong>der dem<br />
Volk und dem Staat dienen konnten. 742<br />
Beispiel aus der ´´Fibel K<strong>in</strong>derwelt´´ für die Volksschule aus dem Jahr 1940:<br />
Unsere Helden! Heil! Die Soldaten kommen! Wie stramm sie marschieren! Und die Musik spielt<br />
auch. Alle Leute bleiben stehen. Wir grüßen die Fahne der Wehrmacht. Sie marschieren zum<br />
Denkmal der toten Helden. Es soll uns immer an die gefallenen Soldaten er<strong>in</strong>nern. Sie waren<br />
tapfere Krieger und haben ihr Blut und Leben für Deutschland gegeben. Sie s<strong>in</strong>d gestorben, damit<br />
Deutschland leben kann. Wir grüßen die toten Helden! 743 oder auch: Me<strong>in</strong> Führer! Ich denk an dich<br />
und habe dich lieb wie Vater und Mutter. Ich will dir immer gehorsam se<strong>in</strong> wie Vater und Mutter.<br />
Und wenn ich groß b<strong>in</strong>, helfe ich dir wie Vater und Mutter. Und freuen sollst du dich an mir wie<br />
Vater und Mutter. 744 Man f<strong>in</strong>det auch ganz normale K<strong>in</strong>dergeschichten <strong>in</strong> diesem Buch wie zum<br />
Beispiel über Tiere, den Osterhasen oder auch über die Natur. Doch wenn man dazwischen<br />
Gedichte liest wie: ´´ Schütze, Gott, mit de<strong>in</strong>er Hand unser liebes Vaterland! Gib zu se<strong>in</strong>em<br />
schweren Werke unserm Führer Kraft und Stärke´´ 745 , dann wird klar welchen H<strong>in</strong>tergrund die<br />
Schulbücher und Geschichten hatten. Den Nationalsozialisten war bewusst, dass K<strong>in</strong>der leicht<br />
formbar waren.<br />
Den K<strong>in</strong>dern wurde vor allem vor Augen gehalten, dass es ganz wichtig war, sich von den jüdischen<br />
K<strong>in</strong>dern zu unterscheiden, denn diese hätten, so sahen es die Nationalsozialisten, e<strong>in</strong> anderes,<br />
´´hässlicheres´´ Aussehen und auch e<strong>in</strong>e komplett andere Körperhaltung. Die jüdischen Lehrer<br />
wurden von den Schulen entlassen und die jüdischen Schüler wurden zuerst <strong>in</strong> Sonderschulen<br />
abgeschoben, bis sie endgültig ab dem 5.11.1938 von allen Schulen verwiesen wurden. 746 Die<br />
anderen Lehrer blieben <strong>in</strong> den Schulen, wurden aber im Nationalsozialistischen Lehrerbund<br />
zusammengefasst und erhielten e<strong>in</strong>e neue Ausbildung, oder besser gesagt e<strong>in</strong>e Umerziehung. So<br />
wurden die Lehrer <strong>in</strong> Deutschland zum Beispiel beauftragt ´´Die kle<strong>in</strong>e Rassenkunde des deutschen<br />
742<br />
Vgl. NS-Lehrerbund/Gauwaltung Kärnten (Hg.), Lehrstoff für die Kärntner Grundschule. Bearbeitet nach den<br />
Richtl<strong>in</strong>ien vom 15. im Julmond 1939 von Dr. Walter Tsch<strong>in</strong>kel, Kärnten 1941, S. 6-7.<br />
743<br />
Brauner Franz, Fibel K<strong>in</strong>derwelt, Graz 1940, S. 68.<br />
744<br />
Ebda, S. 76.<br />
745<br />
Ebda, S. 76.<br />
746<br />
Vgl. Spannaus, Pädagogik im Nationalsozialismus. S. 310- 320.<br />
116
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Volkes´´ bei ihren Schülern zu praktizieren und wurden auch dazu angehalten<br />
´´Schädelmessungen´´ durchzuführen. 747 Schon vierzehnjährige konnten <strong>in</strong> die<br />
Nationalsozialistischen Lehrerbildungsanstalten e<strong>in</strong>treten, wurden aber vorher <strong>in</strong> sogenannten<br />
Musterungslagern überprüft, ob sie tauglich waren. Am 18.2.1943 wurde der Nationalsozialistische<br />
Lehrerbund wieder aufgelöst, weil alle für den Krieg gebraucht wurden. 748<br />
Nach den Nürnberger Gesetzen das Jahres 1935 begann e<strong>in</strong>e grausame Isolierung und<br />
Unterdrückung der jüdischen Gesellschaft. Ab dem 15.11.1938, nach der Reichskristallnacht 749 ,<br />
wurde den jüdischen Schülern verboten auf die nationalsozialistischen Schulen zu gehen. Sie<br />
mussten eigene jüdische Schulen besuchen. Obwohl 1942 die Deportation der Juden schon e<strong>in</strong><br />
starkes Ausmaß angenommen hatte, blieben ´´Mischl<strong>in</strong>ge´´, also halb Jude, halb ´´Arier´´, noch<br />
schulpflichtig. Jüdische K<strong>in</strong>der hatten ke<strong>in</strong>e Schulpflicht mehr im Dritten Reich. 750<br />
Auch die Presse, die Medien, die Kunst und andere öffentliche Organe wurden unter die Aufsicht<br />
der Nationalsozialisten gebracht, sodass bei ihnen nicht die Möglichkeit bestand, dass sie<br />
parteife<strong>in</strong>dliche Ideen verbreiteten, vor allem nicht bei der Jugend. 751<br />
Im Zuge me<strong>in</strong>er Arbeit möchte ich an die grausamen Verbrechen an K<strong>in</strong>dern während des<br />
Nationalsozialismus h<strong>in</strong>weisen und auch daran er<strong>in</strong>nern.<br />
Wie schon erwähnt, wurden e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der und Jugendliche aus vielen Gründen, von dem Regime,<br />
nicht akzeptiert und aus dem Weg geschaffen. Unter anderem zählten dazu eben schwache,<br />
zurückgebliebene und beh<strong>in</strong>derte K<strong>in</strong>der. Die K<strong>in</strong>der wurden unter diversen Vorwänden und<br />
erfundenen Geschichten von den Familien und aus den Heimen weggeholt und dann <strong>in</strong><br />
verschiedenen Anstalten der Nationalsozialisten untergebracht, wo sie ermordet und verbrannt<br />
wurden. 752<br />
Am 1.9.1939 veröffentlichte Hitler e<strong>in</strong>en Erlass, <strong>in</strong> welchem er anordnete, dass alle beh<strong>in</strong>derten und<br />
747 Vgl. Scholtz, Schule unterm Hakenkreuz, S. 3, 5.<br />
748 Vgl. Schnorbach (Hg.), Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz, S. 30-31.<br />
749 Reichskristallnacht: die Nacht vom 9. auf den 10. 11 1938. Es war e<strong>in</strong> von den Nationalsozialisten organisiertes<br />
Pogrom gegen die Juden. Der Name könnte aufgrund der vielen zertrümmerten Fenster entstanden se<strong>in</strong>. Zitiert nach:<br />
Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 12, S. 523.<br />
750 Vgl. Fricke-F<strong>in</strong>kelburg (Hg.), Nationalsozialismus und Schule, S. 258-259.<br />
751 Vgl. Schnorbach (Hg.), Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz, S. 46.<br />
752 Vgl. Cerwenka, Die Fahne ist mehr als der Tod, S. 67-69.<br />
117
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
kranken Erwachsenen und K<strong>in</strong>der umgebracht werden sollten. 753 Diese K<strong>in</strong>der wurden durch<br />
´´Euthanasie´´ von den Nationalsozialisten umgebracht. 754<br />
In Wien wurde zum Beispiel für diese Zwecke e<strong>in</strong>e neue ´´Fürsorgeanstalt´´ gegründet und zwar am<br />
Gelände der Psychiatrie Ste<strong>in</strong>hof mit dem Namen ´´Am Spiegelgrund´´. 755 Hier wurde Euthanasie<br />
an Säugl<strong>in</strong>gen, K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen verübt. 756 Die K<strong>in</strong>der wurden meist aus dem gesamten<br />
Deutschen Reich <strong>in</strong> die Ostmark, <strong>Österreich</strong>, unter schlimmsten Bed<strong>in</strong>gungen gekarrt, um hier von<br />
der Bildfläche zu verschw<strong>in</strong>den, also umgebracht zu werden. 757<br />
H<strong>in</strong>zuweisen ist auch auf die vielen K<strong>in</strong>der aus den eroberten Gebieten, die für die<br />
Nationalsozialisten arisches, germanischen Aussehen besaßen, und aus diesem Grund ihren Eltern<br />
entrissen und gestohlen wurden. E<strong>in</strong>ige dieser Mädchen bekamen Hormone, damit sie schneller<br />
geschlechtsreif wurden und Nachwuchs produzieren konnten. Die Burschen wollte man so bald wie<br />
möglich als Soldaten e<strong>in</strong>setzen. Die Eltern dieser K<strong>in</strong>der wurden oft gleich ermordet oder<br />
verschwanden <strong>in</strong> den Konzentrationslagern. K<strong>in</strong>der aus diesen Ländern, die den Nationalsozialisten<br />
nicht ´´passten´´, wurden meist umgebracht. 758<br />
753 Vgl. Häupl Waltraud, Der organisierte Massenmord an K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen <strong>in</strong> der Ostmark 1940-1945,<br />
Gedenkdokumentation für die Opfer der NS-Euthanasie, Wien-Köln-Weimar 2008, S. 37.<br />
754 Vgl. Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus, S. 74.<br />
755 Vgl. Cervik Karl, K<strong>in</strong>dermord <strong>in</strong> der Ostmark, K<strong>in</strong>dereuthanasie im Nationalsozialismus 1938-1945, Münster –<br />
Hamburg-London 2001. (= Anpassung – Selbstbehauptung – Widerstand, Bd. 18), S. 17.<br />
756 Vgl. Ebda, S. 41.<br />
757 Vgl. Häupl, Der organisierte Massenmord an K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen <strong>in</strong> der Ostmark 1940-1945, S. 25.<br />
758 Vgl. Wis<strong>in</strong>ger, Land der Töchter, S. 152-154.<br />
118
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
VI. Der Weg der Schule <strong>in</strong> der 2. Republik<br />
4.1. Die allgeme<strong>in</strong>en Umstände nach dem Weltkrieg<br />
Nach dem Krieg wurde unter Karl Renner e<strong>in</strong>e provisorische Staatsregierung errichtet. <strong>Österreich</strong><br />
wurde, von den Alliierten, <strong>in</strong> vier Besatzungszonen e<strong>in</strong>geteilt, um kontrolliert zu werden 759 .<br />
Niederösterreich, Burgenland und Oberösterreich nördlich von der Donau waren von den Sowjets<br />
besetzt und Oberösterreich südlich der Donau, das steirische Salzkammergut und Salzburg<br />
unterlagen der USA. Frankreich besetzte Tirol und Vorarlberg (ohne Osttirol) und die Engländer<br />
Kärnten, Osttirol und die Steiermark. Wien wurde eigens <strong>in</strong> vier Besatzungszonen unterteilt. 760<br />
4.2. Die Zeit <strong>in</strong> der Schule nach dem 2. Weltkrieg<br />
<strong>Das</strong> Schulsystem wurde nach dem 2. Weltkrieg verstaatlicht und zentralisiert. Wiedere<strong>in</strong>geführt<br />
wurden das Gymnasium, das Realgymnasium und die Realschule, die Frauenoberschule blieb<br />
bestehen. 761<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n wurde das <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von den Alliierten stark kontrolliert. Die Aufgabe<br />
der Schule war es nun, die Schüler zu treuen Bürgern der Republik zu machen und sie im S<strong>in</strong>ne der<br />
Demokratie, der Neutralität und des österreichischen Heimatbewusstse<strong>in</strong>s zu erziehen. 762<br />
Die drei wichtigsten Lager <strong>in</strong> der österreichischen Politik waren damals SPÖ, ÖVP und KPÖ (Die<br />
kommunistische Partei <strong>Österreich</strong>s). Von 1947 bis 1966 gab es e<strong>in</strong>e große Koalition zwischen der<br />
ÖVP und der SPÖ. Diese beiden Parteien mussten nun versuchen Kompromisse, im Bezug auf die<br />
759 Alliierten: So bezeichneten sich die Gegner der Mittelmächte im Ersten und der Achsenmächte im Zweiten<br />
Weltkrieg. Zitiert nach: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 1, S. 391.<br />
760 Vgl. Scheipl Josef, Seel Helmut, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> der Zweiten Republik 1945-<br />
1987, Graz 1987. (Studientexte für die pädagogische Ausbildung der Lehrer höherer Schulen)S. 9-12.<br />
761 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5., S. 348-349.<br />
762 Vgl. Ebda, S. 351-352.<br />
119
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Reformierung der Schulen, zu f<strong>in</strong>den. 763<br />
Man muss dabei bedenken, dass es ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong>fach war nach dem Krieg wieder e<strong>in</strong>en normalen<br />
Schulbetrieb aufzunehmen. Viele Schulgebäude waren zerstört, von Alliierten als Unterkünfte<br />
genutzt oder konnten nicht beheizt werden. Am stärksten waren diese Zerstörungen im Osten von<br />
<strong>Österreich</strong>, trotz allem wurde dort der Schulbetrieb relativ bald wieder aufgenommen, denn vor<br />
allem die sowjetischen Truppen forderten e<strong>in</strong>e schnelle Wiederaufnahme des Unterrichts. 764 Die<br />
USA setzte sich vor allem für die komplette Unterdrückung und Vernichtung des<br />
nationalsozialistischen Gedankengutes e<strong>in</strong>. Leider war ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Handeln der Alliierten im<br />
Bereich der Bildung zu erkennen. E<strong>in</strong> wichtiges Anliegen von den vier Besatzungsmächten war<br />
aber die Entnazifizierung der Lehrer. Nicht immer gelang dies jedoch. 765 Es kamen viele Spenden<br />
<strong>in</strong>s Land, wie von der USA, der Schweiz oder auch Dänemark, so wurde vor allem für die<br />
Ernährung der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schule durch diese Länder gesorgt.<br />
Trotz allem ließen die Alliierten der neuen Regierung unter Karl Renner viel Freiheit und hielten<br />
sich eher zurück. 766<br />
4.2.1. Die Verordnungen<br />
Die K<strong>in</strong>der kamen ab dem sechsten Lebensjahr <strong>in</strong> die Schule. 767<br />
Die Volksschule bestand aus acht Klassen, bot also Abschlussklassen beziehungsweise e<strong>in</strong>e<br />
Oberstufe. Nach der vierten Klasse konnte man aber auf e<strong>in</strong>e andere Schule wechseln.<br />
Die Hauptschule bekam nun wieder zwei Klassenzüge, wobei der erste Klassenzug für<br />
leistungsstärkere Schüler und der zweite für leistungsschwächere waren und er ersetzte die<br />
Oberstufe der Volksschule. Es gab also e<strong>in</strong>e Volksschuloberstufe, e<strong>in</strong>e Hauptschule und e<strong>in</strong>e<br />
Unterstufe der höheren Schulen für die Schüler von der sechsten bis zur neunten Klasse.<br />
Im Bereich der höheren Schulen gab es nun wieder das Gymnasium, das Realgymnasium, die<br />
763 Vgl. Ebda, S. 353-354.<br />
764 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5., S. 394-396.<br />
765 Vgl. Ebda, S. 398,400.<br />
766 Vgl. Ebda, S. 408-409.<br />
767 Vgl. Ebda, S. 418.<br />
120
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Realschule und die Frauenoberschule. 768<br />
4.3. Die Schulreform von 1962<br />
Man war vor allem bemüht e<strong>in</strong>en Kompromiss zwischen den Ideen der beiden Großparteien ÖVP<br />
und SPÖ zu f<strong>in</strong>den. 769<br />
Wichtig war es nun, dass man die schulischen Regelungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gesetz verankerte. Es gab die<br />
Bestimmung, dass alle öffentlichen Schulen, für beide Geschlechter, egal welcher ethnischer<br />
Abstammung, welcher Stand oder auch welcher Religion, frei zugänglich waren und ke<strong>in</strong> Schulgeld<br />
zu entrichten war. 770<br />
Auch mit der Kirche wurde e<strong>in</strong> Abkommen vere<strong>in</strong>bart, das ihr wieder e<strong>in</strong>e starke Position <strong>in</strong> den<br />
Schulen gab. So wurde zum Beispiel der Religionsunterricht wieder e<strong>in</strong> Pflichtgegenstand.<br />
Die Schulpflicht wurde um e<strong>in</strong> Jahr verlängert und dauerte nun neun Schuljahre. Für das 9.<br />
Schuljahr wurde der Polytechnische Lehrgang, zur Absolvierung der vollständigen Schulpflicht,<br />
falls ke<strong>in</strong>e höheren Schulen besucht wurden, e<strong>in</strong>gerichtet.<br />
Die Mittelschulen wurden nun als AHS (Allgeme<strong>in</strong>bildende höhere Schule) bezeichnet und<br />
dauerten neun Jahre. Die Realschule bekam die Bezeichnung Realgymnasium. Als Grundform hatte<br />
man also das Gymnasium, das Realgymnasium und das wirtschaftskundliche Realgymnasium für<br />
Mädchen. Die Oberstufe bestand aus dem realistischen, dem humanistischen, dem neusprachlichen,<br />
dem mathematischen und dem naturwissenschaftlichen Gymnasium und dem wirtschaftskundlichen<br />
Realgymnasium für Mädchen. Neu e<strong>in</strong>gerichtet wurde auch e<strong>in</strong> musisch–pädagogisches<br />
Realgymnasium, welches e<strong>in</strong>e Vorbereitung für pädagogische und soziale Berufe se<strong>in</strong> sollte. 771<br />
Zu den Pflichtschulen gehörten also nun die Volksschule, die Hauptschule, die Sonderschule, der<br />
Polytechnische Lehrgang oder diverse Berufsschulen (gewerbliche, kaufmännische,<br />
hauswirtschaftliche). Zu den höheren Schulen zählten das Gymnasium, das Realgymnasium und<br />
768 Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> der Zweiten Republik, S. 13-17.<br />
769 Vgl. Dermutz Susanne, Der österreichische Weg, Schulreform und Bildungspolitik <strong>in</strong> der Zweiten Republik, Wien<br />
1983. (= <strong>Österreich</strong>ische Texte zur Gesellschaftskritik, Bd. 15), S. 55.<br />
770 Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> der Zweiten Republik, S. 50.<br />
771 Vgl. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5., S. 479-484.<br />
121
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
diverse Sonderformen dieser Typen. Weiters gab es noch diverse Fachschulen, Handelsschulen und<br />
Bildungsanstalten, zum Beispiel für Lehrer<strong>in</strong>nen, etc.<br />
Die Volksschule hatte weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Oberstufe und die Hauptschule war <strong>in</strong> zwei Klassenzüge<br />
geteilt. Die AHS, also das Gymnasium und das Realgymnasium, besaßen e<strong>in</strong>e Ober- und e<strong>in</strong>e<br />
Unterstufe. Weiters gab es berufsbildende höhere Schulen (BHS), wie die höhere technische<br />
Lehranstalt, die Handelsakademie und die höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe.<br />
Die Polytechnische Lehranstalt konnte man <strong>in</strong> der 9. Schulstufe, zur Beendigung der Schulpflicht<br />
nach der Volkschuloberstufe oder Hauptschule, besuchen. Danach konnte man e<strong>in</strong>e Berufsschule<br />
besuchen. Die höheren Schulen wurden mit e<strong>in</strong>er Reifeprüfung abgeschlossen. Die Hauptschüler<br />
konnten aber auch, sofern sie leistungsstärker waren, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e AHS wechseln. 772<br />
772 Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> der Zweiten Republik, S. 51-58.<br />
122
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
V. Ausblicke<br />
Die Jahre nach den Reformen des Jahres 1962 brachten auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung<br />
des Geplanten, zum Beispiel die Erweiterung der Hauptschulen oder die Veränderungen <strong>in</strong> der AHS<br />
sowie den größeren Bedarf an Lehrkräften und Raum <strong>in</strong> den Schulen. 773<br />
Auch <strong>in</strong> den Jahren darauf hörte man nicht auf, sich mit der Weiterentwicklung und Förderung der<br />
Schulen zu beschäftigen, so wurde zum Beispiel die <strong>in</strong>dividuelle Förderung thematisiert, also die<br />
Verbesserung der pädagogischen und fachdidaktischen Bereiche, oder auch die Integration der<br />
Sonderschüler und -schüler<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Grundschulen. 774<br />
Aktuell Themengebiete s<strong>in</strong>d zum Beispiel die Bildungsstandards. Hierbei geht es darum,<br />
festzustellen, welche Ziele, im Bezug auf das Wissen, welches Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den<br />
jeweiligen Schulstufen erreichen und erreicht haben sollten, und auch um die Verbesserung der<br />
Wege zur Erreichung dieser Ziele. 775<br />
Weitere Themen wären die Verbesserung der politischen Erziehung, sowie die Erziehung im Bezug<br />
auf die Menschenrechte, die Lesepädagogik, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terkulturelle Erziehung und e<strong>in</strong>e größere<br />
Sprachvielfalt an den Schulen. Ebenso die Erziehung zum Wissen über die Gleichstellung von<br />
Männern und Frauen und der Chancengleichheit und Antiunterdrückung aller wurden thematisiert.<br />
Man erkannte die Notwendigkeit, die Gesundheit, die Bewegung und den Sport bei den K<strong>in</strong>dern,<br />
sowie e<strong>in</strong>en bewussten Umgang mit dem Körper und der Sexualität zu fördern. Der Umgang mit<br />
der Umwelt und die Berufsplanung beziehungsweise die Zukunftsplanung wurden auch wichtige<br />
Aspekte bei der Weiterentwicklung der Schulen. 776<br />
773<br />
Vgl. Scheipl/Seel, Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> der Zweiten Republik, S. 67.<br />
774<br />
Vgl. Ebda, S. 144.<br />
775<br />
Vgl. Bundesm<strong>in</strong>isterium für Unterricht, Kunst und Kultur und Bundesm<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und Forschung<br />
(Hg.), Bildungsentwicklung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von 2004-2007, S. 82. URL:<br />
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/17146/bildungsentwicklung_07.pdf Stand (8.4.2010)<br />
776<br />
Vgl. Bundesm<strong>in</strong>isterium für Unterricht, Kunst und Kultur und Bundesm<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und Forschung<br />
(Hg.), Bildungsentwicklung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von 2004-2007, S. 87-110. URL:<br />
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/17146/bildungsentwicklung_07.pdf Stand (8.4.2010)<br />
123
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
AHS Adolf Hitler Schulen<br />
AHS Allgeme<strong>in</strong>bildende höhere Schulen<br />
Bd. Band<br />
BDM Bund deutscher Mädchen<br />
BHS Berufsbildende höhere Schulen<br />
bzw. beziehungsweise<br />
Ebda Ebenda<br />
Etc. et cetera<br />
Hg. Herausgeber/<strong>in</strong>(nen)<br />
HJ Hitlerjugend<br />
Kripo Krim<strong>in</strong>alpolizei<br />
NAPOLA Nationalpolitische Erziehungsanstalt<br />
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />
S. Seite<br />
SA Sturmabteilung<br />
Sp. Spalte<br />
SS Schutzstaffel<br />
Vgl. Vergleiche<br />
124
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
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Wien 1984.<br />
126
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
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Nationalsozialismus<br />
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127
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
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Nationalsozialismus<br />
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Nabelschau <strong>in</strong> der nationalsozialistischen Schule, <strong>in</strong>: Dithmar Re<strong>in</strong>hard (Hg.), Schule und<br />
Unterricht im Dritten Reich, Neuwied 1989, S. 39-54.<br />
34. Giesecke Hermann, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Pädagogik, München 1975.<br />
35. Giesecke Hermann, Hitlers Pädagogen. Theorie und Praxis nationalsozialistischer<br />
Erziehung, We<strong>in</strong>heim-München 1993.<br />
36. Gönner Rudolf, Felbigers Schulreform und die Auswirkung über <strong>Österreich</strong> h<strong>in</strong>aus, <strong>in</strong>:<br />
Kriss-Rettenbeck Lenz, Liedtke Max (Hg.), Regionale Schulentwicklung im 19. und 20.<br />
Jahrhundert. Vergleichende Studien zur Schulgeschichte, Jugendbewegung und<br />
Reformpädagogik im süd-deutschen Sprachraum, Bad Heilbrunn/Obb. 1984, S. 17-30.<br />
(Schriftenreihe zum bayrischen Schulmuseum Ichenhausen, Bd. 2)<br />
37. Grimm Gerald, Elitäre Bildungs<strong>in</strong>stitution oder ´´Bürgerschule´´? <strong>Das</strong> österreichische<br />
Gymnasium zwischen Tradition und Innovation 1773-1819, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1995.<br />
(=Aspekte pädagogischer Innovation, herausgegeben von Erich Leitmer Bd. 20)<br />
38. Gugler Petra, ´´Bund Deutscher Mädchen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> – Erziehung zwischen Tradition und<br />
Modernisierung?´´, Dipl., Graz 1997.<br />
39. Habla Otto, Die Übernahme österreichischer Schulformen <strong>in</strong> das Deutsche Reich. Die<br />
Hauptschule 1938-1945, Wien 1881. (=Beiträge zur pädagogischen Psychologie Heft 379)<br />
40. Hauch Gabriele, Frauen bewegen Politik, <strong>Österreich</strong> 1848-1938, Innsbruck-Wien-Bozen<br />
2009. (= Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 10)<br />
41. Hauch Gabriella, Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben <strong>in</strong> der Wiener<br />
Revolution 1848, Wien 1990. (= <strong>Österreich</strong>ische Texte zur Gesellschaftskritik, Bd. 49)<br />
42. Häupl Waltraud, Der organisierte Massenmord an K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen <strong>in</strong> der Ostmark<br />
1940-1945. Gedenkdokumentation für die Opfer der NS-Euthanasie, Wien-Köln-Weimar<br />
2008.<br />
43. He<strong>in</strong>dl Waltraud, Frauenbild und Frauenbildung <strong>in</strong> der Wiener Moderne, <strong>in</strong>: Fischer Lisa,<br />
Brix Emil, (Hg.), Die Frauen <strong>in</strong> der Wiener Moderne, Wien 1997. S. 21-33.<br />
44. Heiß Gernot, Die Gleichschaltung der Universität, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und<br />
dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 17.<br />
128
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
45. Horstkemper Marianne, Die Koedukationsdebatte um die Jahrhundertwende, <strong>in</strong> : Kle<strong>in</strong>au<br />
Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, vom<br />
Vormärz bis zur Gegenwart, New York-Frankfurt 1996, S. 203-218.<br />
46. Jocham Maria, Die Entwicklung der staatlichen Schulaufsicht <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von Maria<br />
Theresia bis 1962, Dipl., St. Johann ob Hohenburg 2006.<br />
47. Kammeier – Nebel Andrea, Frauenbildung im Kaufmannsmilieu spätmittelalterlicher Städte,<br />
<strong>in</strong> : Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1,<br />
vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt –New York 1996, S. 78-90.<br />
48. Klamper Elisabeth, Die Verfolgung der österreichischen Juden, <strong>in</strong> : Bundesm<strong>in</strong>isterium für<br />
Inneres und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-<br />
Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998,<br />
S. 36-39.<br />
49. Klamper Elisabeth, Neugebauer Wolfgang, Von der Rassenhygiene zum Massenmord, <strong>in</strong> :<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen<br />
Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der<br />
gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 33-35.<br />
50. Klamper Elisabeth, Neugenauer Wolfgang, NS-Terror, <strong>in</strong> : Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres<br />
und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-<br />
Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998,<br />
S. 26-28.<br />
51. Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1,<br />
vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt –New York 1996.<br />
52. Kle<strong>in</strong>au Elke, Mayer Christ<strong>in</strong>e (Hg.), Erziehung und Bildung des weiblichen Geschlechts.<br />
E<strong>in</strong>e kommentierte Quellensammlung zur Bildungs- und Berufsbildungsgeschichte von<br />
Mädchen und Frauen, We<strong>in</strong>heim 1996. (= E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Frauenforschung, Bd. 1)<br />
53. Kle<strong>in</strong>au Elke, Mayer Christ<strong>in</strong>e (Hg.), Erziehung und Bildung des weiblichen Geschlechts.<br />
E<strong>in</strong>e kommentierte Quellensammlung zur Bildungs- und Berufsbildungsgeschichte von<br />
Mädchen und Frauen. We<strong>in</strong>heim 1996. (= E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Frauenforschung, Bd. 2).<br />
54. Klüver Max, Die Adolf-Hitler-Schulen. E<strong>in</strong>e Richtigstellung, Plön 1983.<br />
55. Krüger He<strong>in</strong>z-Hermann, Jugend- und Jugendopposition im Dritten Reich, <strong>in</strong>: Flessau Kurt-<br />
Ingo, Nyssen Elke, Günter Pätzold (Hgg.), Erziehung im Nationalsozialismus ´´…und sie<br />
werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!´´, Köln-Wien 1987, S. 9-22.<br />
129
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
56. Lauf-Immesberger Kar<strong>in</strong>, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, St. Ingbert 1987.<br />
(=Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft, Bd. 16)<br />
57. Lederhilger Carmen, Bildung und Erziehung <strong>in</strong> katholischen Schulen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im 20.<br />
Jahrhundert am Beispiel des Stiftsgymnasiums Schlierbach, Dipl., Graz 2005.<br />
58. Lerner Gerda, Die Entstehung des fem<strong>in</strong>istischen Bewusstse<strong>in</strong>s. Vom Mittelalter bis zur<br />
Ersten Frauenbewegung, Frankfurt-New York 1993.<br />
59. Lerner Gerda, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt-New York 1991.<br />
60. Lerner Gerda, Frauen f<strong>in</strong>den ihre Vergangenheit. Grundlagen der Frauengeschichte, New<br />
York-Frankfurt 1995.<br />
61. Liedtke Max, Männersache Bildung. Der weite Schulweg der Mädchen – Historische<br />
Wurzeln e<strong>in</strong>er Benachteiligung, <strong>in</strong> : Glumpler Edith (Hg.), Mädchenbildung Frauenbildung.<br />
Beiträge der Frauenforschung für die Lehrer<strong>in</strong>nenbildung, Bad Heilbronn/Obb. 1992, S.<br />
62-92.<br />
62. Lundt Bea, Zur Entstehung der Universität als Männerwelt, <strong>in</strong>: Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia<br />
(Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1, vom Mittelalter bis zur<br />
Aufklärung, Frankfurt –New York 1996, S. 103-120.<br />
63. Mal<strong>in</strong>a Peter, Jugend im Nationalsozialismus, <strong>in</strong> : Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem<br />
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 15-16.<br />
64. Müllner Rudolf, Die Mobilisierung der Körper. Der Schul- und Hochschulsport im<br />
nationalsozialistischen <strong>Österreich</strong>, Wien 1993.<br />
65. Musner Lutz, Stadt. Masse. Weib. Metropolenwandel, Massenphobie und Misogynie im F<strong>in</strong>de<br />
Siécle, <strong>in</strong>: Hödl Günther, Mayrhofer Fritz, Opll Ferd<strong>in</strong>and (Hg.), Frauen <strong>in</strong> der Stadt,<br />
L<strong>in</strong>z 2003, S. 63-82. (= Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, Bd. XVIII und<br />
Schriftenreihe der Akademie Friesach, Bd. 7)<br />
66. Neugebauer Wolfgang, N<strong>in</strong>führ Thomas, Wohnout Helmut, Verfolgung politischer Gegner,<br />
<strong>in</strong> : Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen<br />
Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der<br />
gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 29-31.<br />
67. Nyssen Elke, Frauen- und Frauenopposition im Dritten Reich, <strong>in</strong>: Flessau Kurt-Ingo, Nyssen<br />
Elke, Günter Pätzold (Hgg.), Erziehung im Nationalsozialismus ´´…und sie werden nicht<br />
mehr frei ihr ganzes Leben!´´, Köln/Wien 1987, S. 23-44.<br />
130
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
68. Opitz Claudia, Erziehung und Bildung <strong>in</strong> Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters<br />
(12.-15. Jahrhundert), <strong>in</strong> : Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.), Geschichte der Mädchen- und<br />
Frauenbildung, Bd. 1, vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt –New York 1996, S.<br />
63-77.<br />
69. Perrot Michelle, Ausbrüche, <strong>in</strong> : Duby Georges, Perrot Michelle (Hg.), Geschichte der<br />
Frauen, Bd. 4, 19. Jahrhundert, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1997, S. 505-538.<br />
70. Petersen Peter, Bildung und Erziehung, <strong>in</strong>: Weber Erich (Hg.), Der Erziehungs- und<br />
Bildungsbegriff im 20. Jahrhundert. Bad Heilbrunn/Obb. 1976, S. 30-36. (= Kl<strong>in</strong>khards<br />
Pädagogische Quellentexte)<br />
71. Petscharnig Peter He<strong>in</strong>rich, Der Sport im Nationalsozialismus- unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Leibeserziehung, Dipl., Graz 2004.<br />
72. Pils Susanne Claud<strong>in</strong>e, Frauenleben im 17. Und 18. Jahrhundert, <strong>in</strong> : Aufmüpfig &<br />
angepasst. Frauenleben <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums<br />
zur NÖ Landesaustellung, Wien/Köln/Weimar 1998, S. 63-82.<br />
73. Priehse Astrid, ´´Selbstbildung und Weiterbildung <strong>in</strong> der Aufklärung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>´´, Dipl.,<br />
Graz 2003.<br />
74. Rauchenste<strong>in</strong>er Manfred, Die E<strong>in</strong>gliederung des österreichischen Bundesheeres, <strong>in</strong> :<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen<br />
Widerstandes (Hg.), 1938 NS-Herrschaft <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Texte und Bilder aus der<br />
gleichnamigen Ausstellung, Wien 1998, S. 14.<br />
75. Rebhann Fritz M., Wien war die Schule, Wien/München 1978. (= Sammlung: <strong>Das</strong> e<strong>in</strong>same<br />
Gewissen. Beiträge zur Geschichte <strong>Österreich</strong>s 1938-1945, Bd. VIII)<br />
76. Reese Dagmar, Mädchen im Bund Deutscher Mädel, <strong>in</strong> : Kle<strong>in</strong>au Elke, Opitz Claudia (Hg.),<br />
Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, vom Vormärz bis zur Gegenwart, New<br />
York-Frankfurt 1996. S. 271-282.<br />
77. Ruf Kathar<strong>in</strong>e, Bildung hat (k)e<strong>in</strong> Geschlecht. Über erzogene und erziehende Frauen,<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1998.<br />
78. Schausberger Norbert, Intention des Geschichtsunterrichts im Rahmen der nationalistischen<br />
Erziehung, <strong>in</strong> : He<strong>in</strong>emann Manfred (Hg.), Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil<br />
1: K<strong>in</strong>dergarten, Schule, Jugend, Berufserziehung, Stuttgart 1980, S. 251-263.<br />
(=Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für<br />
Erziehungswissenschaft, Bd. 4,1)<br />
131
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
79. Scheipl Josef, Helmut Seel (Hg.), Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s von<br />
1750-1938, Graz 1987. (Studientexte für die pädagogische Ausbildung der Lehrer höherer<br />
Schulen)<br />
80. Scheipl Josef, Helmut Seel (Hg.), Die Entwicklung des österreichischen <strong>Schulwesen</strong>s <strong>in</strong> der<br />
zweiten Republik 1945-1987, Graz 1987. (Studientexte für die pädagogische Ausbildung<br />
der Lehrer höherer Schulen)<br />
81. Schill<strong>in</strong>ger-Praßl Christa, ´´Die jungen Fräule<strong>in</strong> <strong>in</strong> allen guten Sitten und Tugenden zu<br />
unterweisen´´ Die weiblichen Schulorden <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> <strong>in</strong> der Frühen Neuzeit, <strong>in</strong> : Brehmer<br />
Ilse, Simon Gertrud (Hg.), Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S. 92-102.<br />
82. Schnorbach Hermann (Hg.), Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz. Dokumente des<br />
Widerstands von 1930 bis 1945, Königste<strong>in</strong> /Ts. 1983.<br />
83. Scholtz Harald, Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz, Gött<strong>in</strong>gen 1985. (= Kle<strong>in</strong>e<br />
Vandenhoecken – Reihe 1512)<br />
84. Scholtz Harald, Schule unterm Hakenkreuz, <strong>in</strong> : Dithmar Re<strong>in</strong>hard (Hg.), Schule und<br />
Unterricht im Dritten Reich, Neuwied 1989, S. 1-20.<br />
85. Schöneberg Hans, Schulen, Geschichte des Unterrichts von der Antike bis zur Neuesten<br />
Zeit, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1981.<br />
86. Simon Gertrud, ´´Die tüchtige Hausfrau: gebildet aber nicht gelehrt´´. <strong>Das</strong> bürgerliche<br />
Frauenbild als Erziehungsziel im 18. Und 19. Jahrhundert, <strong>in</strong> : Brehmer Ilse, Simon Gertrud<br />
(Hg.), Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Graz 1997, S.<br />
32-43.<br />
87. Simon Gertrud, ´´Von Maria Theresia zu Eugenie Schwarzwald´´ Mädchen- und<br />
Frauenbildung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> zwischen 1774 und 1919 im <strong>Überblick</strong>, <strong>in</strong> : Brehmer Ilse,<br />
Simon Gertrud (Hg.), Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>,<br />
Graz 1997, S. 178-188.<br />
88. Simon Gertrud, H<strong>in</strong>tertreppen zum Elfenbe<strong>in</strong>turm. Höhere Mädchenbildung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> –<br />
Anfänge und Entwicklung. E<strong>in</strong> Beitrag zur Historiographie und Systematik der<br />
Erziehungswissenschaften, Wien 1993. (= Reihe Dokumentation Bd. 9)<br />
132
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
89. Sledziewski Elisabeth G., Die Französische Revolution als Wendepunkt, <strong>in</strong> : Duby Georges,<br />
Perrot Michelle (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 4, 19. Jahrhundert, Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
1997, S. 45-62.<br />
90. Spannaus Wolfram, Pädagogik im Nationalsozialismus, phil. Diss., Leipzig 1982.<br />
91. Spiegl Julia, Bildungswandel im Gespräch, Dipl., Graz 2000.<br />
92. Tenorth He<strong>in</strong>z-Elmar, Geschichte der Erziehung. E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Grundzüge ihrer<br />
neuzeitlichen Entwicklung, We<strong>in</strong>heim-München 1988. (= Grundlagentexte Pädagogik)<br />
93. Thébaud Françoise, Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, <strong>in</strong> : Duby<br />
Georges, Perrot Michelle (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 5, 20. Jahrhundert, Frankfurt<br />
am Ma<strong>in</strong> 1997, S. 33-92.<br />
94. Tidl Georg, Die Frau im Nationalsozialismus, Wien-München-Zürich 1984.<br />
95. Tosch Frank, „den ganzen Menschen im Auge behalten und [...] die allseitige Durchbildung<br />
der Persönlichkeit bezwecken" - Die Antrittsrede im bildungshistorischen Spiegel<br />
gymnasialer Schulentwicklung, <strong>in</strong>: L<strong>in</strong>k Jörg – W., Tosch Frank (Hg.),<br />
Bildungsgeschichte(n) <strong>in</strong> Quellen, Bad Heilbrunn 2007, S. 135-152.<br />
96. Vocelka Karl, Geschichte <strong>Österreich</strong>s. Kultur – Gesellschaft – Politik, München 2002.<br />
97. Vocelka Karl, <strong>Österreich</strong>ische Geschichte, München 2005.<br />
98. Von Hellfeld Matthias, Bündische Jugend und Hitlerjugend. Zur Geschichte von Anpassung<br />
und Widerstand 1930-1939, Köln 1987. (= Edition Archiv der deutschen Jugendbewegung<br />
Bd. 3)<br />
99. Weimer Hermann, Geschichte der Pädagogik, bearbeitet von Juliane Jacobi, Berl<strong>in</strong> 1992. (=<br />
Sammlung Göschen 2080)<br />
100. Weiss Sabiene, Die <strong>Österreich</strong>er<strong>in</strong>. Die Rolle der Frau <strong>in</strong> 1000 Jahre Geschichte, Graz-<br />
Wien –Köln 1996.<br />
101. Wiggershaus Renate, Frauen unterm Nationalsozialismus, Wuppertal 1984.<br />
102. Wis<strong>in</strong>ger Marion, Land der Töchter. 150 Jahre Frauenleben <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, Wien 1992.<br />
133
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
103. Zaar Birgitta, Frauen und Politik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, 1890-1934. Ziele und Visionen, <strong>in</strong> : Good<br />
David F., Grandmer Margarete, Maynes Mary Jo (Hg.), Frauen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Beiträge zu<br />
ihrer Situation im 19. Und 20. Jahrhundert, Wien-Köln-Weimar 1993, S. 48-77.<br />
II. Internet:<br />
104. Anthropozentrismus, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Anthropozentrismusm Stand<br />
(18.9.2009).<br />
105. Frauen <strong>in</strong> Bewegung, URL: http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/bio_zichy.htm Stand<br />
(21.1.2010).<br />
106. Vgl. Bundesm<strong>in</strong>isterium für Unterricht, Kunst und Kultur und Bundesm<strong>in</strong>isterium für<br />
Wissenschaft und Forschung (Hg.), Bildungsentwicklung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> von 2004-2007, S.<br />
82, 87-110. URL:<br />
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/17146/bildungsentwicklung_07.pdf Stand (8.4.2010)<br />
III. Quellen:<br />
107. Benda Oskar, Erzeihung und Bildung im österreichischen Geist, Wien-Leipzig 1936.<br />
(=Schriften des pädagogischen Institutes der Stadt Wien)<br />
108. Benze Rudolf, Erziehung im Großdeutschen Reich. E<strong>in</strong>e Überschau über ihre Ziele, Wege<br />
und E<strong>in</strong>richtungen, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1943.<br />
109. Bestimmungen über Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Mittelschule, Berl<strong>in</strong> 1939.<br />
110. Brauner Franz, Fibel K<strong>in</strong>derwelt, Graz 1940.<br />
111. Danzer Paul, Erziehung zur Volkserhaltung, <strong>in</strong> : Der Deutsche Erzieher. Reichszeitung des<br />
Nationalsozialistischen Lehrerbundes. Heft 3, 1. Februar 1939. S. 52 (=Der Deutsche<br />
Erzieher. Reichszietung des nationalsozialistischen Lehrerbundes. Inhaltsverzeichnis des<br />
Jahrgangs1939)<br />
112. Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Höheren Schule. Amtliche Ausgabe des Reichs- und<br />
Preußischen M<strong>in</strong>isteriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Berl<strong>in</strong> 1939.<br />
113. Erziehung und Unterricht <strong>in</strong> der Volksschule, Berl<strong>in</strong> 1940.<br />
134
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
114. Ha<strong>in</strong>isch Marianne, Die Geschichte der Frauenbewegung <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, <strong>in</strong> : Lange Helene,<br />
Bäumer Gertrud (Hg.), 1. Teil, die Geschichte der Frauenbewegung <strong>in</strong> den Kulturländern,<br />
Berl<strong>in</strong> 1901. S. 167-188. (= Handbuch der Frauenbewegung, herausgegeben von Lange<br />
Helene und Bäumer Gertrud)<br />
115. Luchs J. R., An den Erzieher, <strong>in</strong> : Der Deutsche Erzieher. Reichszeitung des<br />
Nationalsozialistischen Lehrerbundes. Heft 12, Dezember 1940. S. 363. (=Der Deutsche<br />
Erzieher. Reichszeitung des nationalsozialistischen Lehrerbundes. Inhaltsverzeichnis des<br />
Jahrgangs 1940)<br />
116. NS-Lehrerbund/Gauwaltung Kärnten (Hg.), Lehrstoff für die Kärntner Grundschule.<br />
Bearbeitet nach den Richtl<strong>in</strong>ien vom 15. im Julmond 1939 von Dr. Walter Tsch<strong>in</strong>kel,<br />
Kärnten 1941.<br />
IV. Lexika:<br />
117. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 11 IT-KIP. Mannheim 1990.<br />
118. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 12 KIR-LAG. Mannheim 1990.<br />
119. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 19 Rut-Sch. Mannheim 1992.<br />
120. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 2 APU-BEC, Mannheim 1987.<br />
121. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 3 BED-BRN. Mannheim 1987.<br />
122. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 7 EX-FRT. Mannheim 1988.<br />
123. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 9 GOT-HERP. Mannheim 1989<br />
124. <strong>Das</strong> große Buch der <strong>Österreich</strong>er, Wien 1987.<br />
125. Der Brockhaus Geschichte. Personen, Daten, H<strong>in</strong>tergründe, Mannheim – Leipzig 2003.<br />
126. Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), Bd. 7 May-Pleßner, München 1998.<br />
127. Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 5 Gymnasium-Japanhandel, Stuttgart –Weimar 2007.<br />
128. Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6 Jenseits-Konvikt, Stuttgart-Weimar 2007.<br />
129. Harenbergs Personenlexikon 20. Jahrhundert. Daten und Leistungen, Dortmund 1992.<br />
135
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
130. Lexikon des Mittelalters, Bd. III Codex W<strong>in</strong>toniensis bis Erziehungs- und Bildungswesen,<br />
München – Zürich 1986.<br />
131. Lexikon des Mittelalters, Bd. V Hiera-Mittel bis Lukanien, München und Zürich 1991.<br />
132. Lexikon des Mittelalters, Bd. VIII Stadt (Byzant<strong>in</strong>isches Reich) bis Werl, München 1997.<br />
133. Meyers großes Handlexikon, Mannheim- Wien- Zürich 1972.<br />
134. Meyers Großes Personenlexikon, Mannheim-Zürich 1968.<br />
135. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 8 Gart-Grie, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
136. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 23 Unt-Wat, Mannheim-Wien-Zürich<br />
1983.<br />
137. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 18 Pur-Rt, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
138. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 2 Anh-Bahn, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
139. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 5 Cond-Dun, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
140. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 21 Sp<strong>in</strong>-Teb, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
141. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 4 Boy-Conc, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
142. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 11 J-Klas, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
143. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 13 Lat-Mand, Mannheim 1983.<br />
144. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 7 Fe-Gars, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
145. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 12 Klas-Las, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
146. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 14 Mane-Moni, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
147. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 24 Wau-Zz, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
148. Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 16 Now-Pers, Mannheim-Wien-Zürich 1983.<br />
136
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
149. <strong>Österreich</strong>isches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. XII (Schwarz) Marie-Spannagel<br />
Rudolf, Wien 2005.<br />
150. Personenlexikon <strong>Österreich</strong>, Wien 2001.<br />
151. Volkert Wilhelm, Kle<strong>in</strong>es Lexikon des Mittelalters, Von Adel bis Zunft,<br />
München 2004.<br />
V. Atlanten<br />
152. Könemann Ludwig (Hg.), Historica. Der große Atlas der Weltgeschichte, London 2009.<br />
137
<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Anhang<br />
Interview 1:<br />
Johann Schmidmeier, geboren 1.8. 1928, Volksschuldirektor <strong>in</strong> Ruhe<br />
A: Helena Haslauer, Interviewer<strong>in</strong><br />
B: Johann Schmidmeier, Gesprächspartner<br />
A: Ich bitte sie nun ihre Schullaufbahn zu nennen und wann und wo sie zu den diversen Schulen<br />
gegangen s<strong>in</strong>.<br />
B: Hm, ja gut. Volksschule Ferlach von 34 bis 38, Hauptschule Ferlach von 38 bis 42 und nachher<br />
Lehrerbildungsanstalt Klagenfurt von 42 bis 1947.<br />
A: Wie war die Volksschulzeit <strong>in</strong> Ferlach von 34 bis 38 für sie, wie haben sie die erlebt?<br />
B: Hm, normal halt.<br />
A: Wie wurde unterrichtet, wie haben die Lehrer unterrichtet?<br />
B: (lacht) Tja, ist nicht vergleichbar mit heute. Es war nicht irgendwie was Außergewöhnliches.<br />
A: Also bei ihnen war die Volksschulzeit nicht besonders erwähnenswert, eher die Hauptschulzeit<br />
unter den Nationalsozialisten? In der Volksschulzeit gab es noch ke<strong>in</strong>e Propaganda oder derartiges?<br />
B: Ne<strong>in</strong>, gar nichts, gar nichts. Die Lehrer haben ke<strong>in</strong>e Propaganda betrieben, das war alles ohne<br />
Politik. Aber nachher halt.<br />
A: Wie war es dann <strong>in</strong> der Hauptschule?<br />
B: Ja, das war halt dann schon nationalsozialistisch. Aber ohne den Hitler wäre ich ke<strong>in</strong> Lehrer<br />
geworden. Wir waren halt so bettelarm, der Vater ist ja 1942 gestorben. Da haben sie 2, 3, 4 von der<br />
Hauptschule h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geschickt nach Klagenfurt und sie haben gesagt das werden die Erzieher unseres<br />
Volkes <strong>in</strong> der Lehrerbildungsanstalt.<br />
A: Bevor sie an die Lehrerbildungsanstalt kamen, haben die Lehrer <strong>in</strong> der Hauptschule stark<br />
Propaganda betrieben, standen sie sehr unter Druck? Wie hat das ausgesehen? Haben sie das<br />
mitbekommen als Schüler?<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
B: Sie waren halt bee<strong>in</strong>flusst von der Nazizeit, naja.<br />
A: Gab es bestimmte Unterrichtsgegenstände <strong>in</strong> denen besonders Propaganda betrieben wurde?<br />
B: Ne<strong>in</strong> hat es nicht gegeben, das war alles eher normal, aber halt politisch ausgerichtet.<br />
A: Können sie sich an bestimmte Beispiele er<strong>in</strong>nern im Unterricht, an denen e<strong>in</strong>em bewusst wurde,<br />
dass man sich <strong>in</strong> der Zeit des Nationalsozialismus befand?<br />
B: Damals nicht, aber dann <strong>in</strong> der LBA schon.<br />
A: Also <strong>in</strong> der Hauptschule war das eher nicht so?<br />
B: Ne<strong>in</strong> eher nicht. Dann <strong>in</strong> der LBA schon.<br />
A: Wie haben sie die LBA erlebt?<br />
B: Da haben wir e<strong>in</strong>e Uniform gehabt mit Hakenkreuz drauf. Die haben wir <strong>in</strong> der Schule<br />
dazubekommen.<br />
A: Wurde ihnen da besonders nahegelegt die nationalsozialistische E<strong>in</strong>stellung dann den K<strong>in</strong>dern<br />
beizubr<strong>in</strong>gen?<br />
B: Ja, so war das. Und dann nach dem Krieg war fast e<strong>in</strong> halbes Jahr ke<strong>in</strong>e Schule. Trotzdem b<strong>in</strong><br />
ich <strong>in</strong> die nächste Klasse weitergekommen. Und 46-47 habe ich dann e<strong>in</strong>en Kärntnerdichter als<br />
Deutschlehrer gehabt.<br />
A: Wenn sie sagen, dass sie ohne Hitler ke<strong>in</strong> Lehrer geworden wären, me<strong>in</strong>en sie damit, dass sie<br />
ke<strong>in</strong> Schulgeld zahlen mussten?<br />
B: <strong>Das</strong> nicht und sie haben die Intelligenz gefördert, also wenn e<strong>in</strong>er gescheit war, dann haben sie<br />
die Besten aus der Klasse gefördert und gesagt die werden die Erzieher unseres Volkes und haben<br />
sie dann zur LBA geschickt. Wir hatten ja nix, wir waren bettelarm. E<strong>in</strong>e Aufnahmeprüfung musste<br />
ich machen.<br />
A: Wie sah so e<strong>in</strong>e Prüfung aus?<br />
B: Alles Mögliche, da hat er mich gefragt: ´´Nenne mir die Staaten Mittelamerikas´´, die hab ich<br />
alle gewusst, sogar mit Hauptstadt.<br />
A: Sozusagen wurde genau ausgewählt wer auf die LBA kam?<br />
B: Jaja, nur die Besten. Zum Schluss kamen von uns vier, fünf Ausgewählten nur zwei durch.<br />
A: Wie waren denn die Lehrer <strong>in</strong> der Hauptschule und der LBA, waren sie freundlich oder streng?<br />
B: Ja, streng waren sie schon, recht streng, aber gerecht halt.<br />
A: Also man empfand nichts als ungerecht?<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
B:Ne<strong>in</strong>, nichts. Ja, die Begabten und die Willigen haben sie gefördert. (Lacht). Da haben wir e<strong>in</strong>e<br />
Uniform bekommen von der Schule, stell dir vor, e<strong>in</strong>e Sommeruniform und e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>teruniform,<br />
werd ich nie vergessen.<br />
A: Und sie waren auch bei der Hitlerjugend oder?<br />
B: Ja, hast müssen se<strong>in</strong>.<br />
A: Hatte das irgendwelche Vorteile?<br />
B: Ja, man musste halt dabei se<strong>in</strong>, das war von der Schule aus so.<br />
A: Hatten sie ke<strong>in</strong>e Angst vor dem ganzen System?<br />
B:Naja, eigentlich nicht, ne<strong>in</strong>.<br />
A: Also man freute sich eher über die Chance?<br />
B: Ja, man hatte ja sonst ke<strong>in</strong>e, wir waren ja bettelarm, was wirst machen. 44 war der erste<br />
Bombenangriff <strong>in</strong> Klagenfurt, da haben wir dann e<strong>in</strong> halbes Jahr ke<strong>in</strong>e Schule gehabt.<br />
A: Nachdem der Krieg vorbei war, war ihre Ausbildung ja noch nicht beendet. Wie sah es dann aus?<br />
B: Ja, da hatte ich noch die halbe Zeit.<br />
A: Da haben sie bei der Ausbildung nach dem Krieg sicher extreme Unterschiede bemerkt oder?<br />
B: Ja, vor allem politisch war das ja dann ganz was anderes.<br />
A: Es gab ja auch sicher starke Unterschiede bei dem Stoff den sie den K<strong>in</strong>dern beibr<strong>in</strong>gen sollten?<br />
B: Ja, sicherlich, ganz gewaltig.<br />
A: Auf was legte man zum Beispiel während des Nationalsozialismus wert, was man den Schülern<br />
beibr<strong>in</strong>gen sollte?<br />
B: Ja, vor allem war alles politisch, also nationalsozialistische ausgerichtet.<br />
A: Ich habe gehört, dass es so Gegenstände wie Rassenkund und Volkskunde gab. War das bei ihnen<br />
auch so?<br />
B: Eher weniger. Nicht extrem halt.<br />
A: Wurde ihnen auch gesagt wie sie Schülern etwas beibr<strong>in</strong>gen sollten?<br />
B: <strong>Das</strong> war dann erst nach dem Krieg, das Pädagogische und Praktische.<br />
A: Die Lehrer <strong>in</strong> der LBA wurden ja dann auch ausgewechselt oder?<br />
B: Ja, ganz extrem. E<strong>in</strong>ige kamen aber wieder. E<strong>in</strong> paar die politisch nicht so extrem waren wurden<br />
übernommen, und sonst alles andere, die extrem dagegen waren.<br />
A:Und die anderen wurden verurteilt?<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
B: Ja, zum Teil schon, <strong>in</strong> irgendwelche Lager halt.<br />
A: Wie haben sie die Umstellung generell miterlebt?<br />
B: <strong>Das</strong> war ja wahns<strong>in</strong>nig, e<strong>in</strong> Elend. Über zwei Jahre war ich nur hungrig. <strong>Das</strong> waren andere<br />
Zeiten.<br />
A: Ja; das war sicher nicht e<strong>in</strong>fach für alle.<br />
B:Ne<strong>in</strong>, sicher nicht.<br />
A: Nachdem sie die Ausbildung beendet haben wurden sie Volksschullehrer?<br />
B:Ja, da hatte ich Glück. Da war ich <strong>in</strong> Kappel an der Drau. Musste zu Fuß zur Schule gehen?<br />
E<strong>in</strong>ige, die Handelsakademie g<strong>in</strong>gen haben am Anfang schon doppelt so viel verdient wie wir als<br />
Lehrer. Aber es war ja sicheres?<br />
A: Es war ja sicher schwierig e<strong>in</strong>en Teil der Ausbildung unter dem Nationalsozialismus zu machen<br />
und e<strong>in</strong>en Teil danach oder?<br />
B:Ja, aber man musste sich ja umstellen um beruflich weiterzukommen. Man hat nichts Extremes<br />
mehr gesagt.<br />
A: Noch e<strong>in</strong>mal kurz zum Anfang zurück. Begann die Umstellung <strong>in</strong> der Volksschule schon?<br />
B: Ne<strong>in</strong>, da noch nicht. Der Umschwung war erst um 38, da f<strong>in</strong>g es dann an. Da ist der Hitler<br />
e<strong>in</strong>marschiert. Hitler-Gruß haben wir gleich gemacht, hat der Professor ja auch gesagt. Die andere<br />
Seite war halt, dass wir zwei Uniformen bekommen haben. B<strong>in</strong> ja auch gut weitergekommen.<br />
A: Wissen sie mit wie vielen Jahren sie <strong>in</strong> die Hitlerjugend kamen?<br />
B: 1940 oder so was.<br />
A: Was hat man dort gemacht?<br />
B:Ja, man hat halt e<strong>in</strong>e Uniform tragen müssen und gewisse Ausbildungen gemacht.<br />
A: Hat man da besonders Wert auf Sport gelegt und Wettkämpfe gemacht?<br />
B:Ja, das schon.<br />
A: Wie lang waren sie <strong>in</strong> der HJ?<br />
B: Bis der Krieg aus war haben wir müssen se<strong>in</strong>, aber e<strong>in</strong>e Uniform haben wir halt bekommen. Und<br />
Englisch haben wir auch schon gelernt unterm Hitler.<br />
A:Können sie sich auch an andere Gegenstände er<strong>in</strong>nern?<br />
B: Weniger extremes, eigentlich nicht so. <strong>Das</strong> Englische war halt e<strong>in</strong> großer Vorteil wie der Krieg<br />
aus war und die Engländer e<strong>in</strong>marschiert s<strong>in</strong>d. Da hab i gleich gefragt: ´´Are you English or<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
American?´´ (lacht). Da haben sie e<strong>in</strong>e Freude gehabt.<br />
A: Gab es so spezifische Gegenstände wie, das vorher erwähnte, Rassenkunde auch?<br />
B:Ne<strong>in</strong>, so extrem war es nicht bei uns. Da gab es die NAPOLA <strong>in</strong> St. Paul im Lavanttal die auf das<br />
ausgerichtet war. Die Lehrer bei uns <strong>in</strong> der Schul haben es nicht so extrem vertreten.<br />
A: Alles <strong>in</strong> allem gab es also starke Veränderungen <strong>in</strong> dieser Zeit aber auf ihren Schulen war es<br />
nicht so extrem?<br />
B: Ne<strong>in</strong>, nicht so extrem.<br />
A: Gab es irgendwelche Sachen, die man <strong>in</strong> der Schule überhaupt nicht tun durfte, wo man halt<br />
bestraft wurde?<br />
B: Man hat halt parieren müssen und ja nicht unangenehm auffallen halt.<br />
A: Ist e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Schüler unangenehm aufgefallen, können sie sich an so was er<strong>in</strong>nern?<br />
B:Ne<strong>in</strong>, das hat sich ke<strong>in</strong>er getraut, da haben alle pariert. Der wär sonst sofort gleich weg gewesen.<br />
A:Ja, das kann ich mir Vorstellen. Für manche gab es also e<strong>in</strong>e Chance weiterzukommen?<br />
B:Ja, die Begabten wurden halt gefördert, sonst wär ich nie e<strong>in</strong> Lehrer geworden, bettelarm und so<br />
halt. Abschlussprüfung haben wir <strong>in</strong> Landskron gehabt, acht Tag lang im Lager.<br />
A:Gab es auch Frauen <strong>in</strong> der LBA?<br />
B: Ja, gab es. Aber die waren extra getrennt. Hauptschule war auch getrennt für Mädchen und<br />
Burschen.<br />
A:Und die Volksschule?<br />
B: War auch getrennt, alles extra.<br />
A: Hatten sie auch weibliche Lehrer?<br />
B: Eher erst nach dem Krieg.<br />
A: Vorher nur Männer die sie unterrichtet haben.<br />
B: Ja, eher nur Männer.<br />
A: Gibt es sonst noch was, was sie erzählen möchten? Wie sah es mit ihren Geschwistern aus?<br />
B: Ja, die Schwestern haben nach der Hauptschule aufgehört. Die waren nicht beim BDM, aus so<br />
e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Dorf wo wir her s<strong>in</strong>d, da hat ke<strong>in</strong>e wollen. E<strong>in</strong>e ist nur Volksschule Oberstufe<br />
gegangen. <strong>Das</strong> waren ja Pflichtschulen.<br />
A:Wie haben sie die Entnazifizierung erlebt?<br />
B: Da hat man wieder aufpassen müssen.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
A: War es e<strong>in</strong>facher auch?<br />
B: Naja, es war halt nicht mehr so e<strong>in</strong> Druck dah<strong>in</strong>ter wie früher unterm Nationalsozialismus und<br />
man hat mehr Freiheiten gehabt.<br />
A: Hat Hitler die Familien auch unterstützt?<br />
B: Ganz m<strong>in</strong>imal. Nach dem Krieg war besser, da hat es auch K<strong>in</strong>derbeihilfe gegeben.<br />
A:Verschafften die Nationalsozialisten mehr Arbeit?<br />
B: Ja, grad deswegen. Auf e<strong>in</strong>mal haben alle Arbeit gehabt.<br />
A: Gab es Schüler <strong>in</strong> den Klassen die e<strong>in</strong>en verraten haben?<br />
B: Eigentlich weniger, die Schüler haben zusammengehalten.<br />
A: Hatten die anderen Schüler Angst, haben sie sich e<strong>in</strong>mal mit den anderen unterhalten?<br />
B: Ich weiß es nicht, nur, dass e<strong>in</strong> Mitschüler 1944 bei dem Bombenangriff damals umgekommen<br />
ist, der hat im Internat <strong>in</strong> Klagenfurt gewohnt, so war das leider.<br />
A: Ja, das ist schlimm. Wollen sie sonst noch etwas erzählen?<br />
B: Ne<strong>in</strong>, da weiß ich nix mehr.<br />
A: Dann danke vielmals für das Gespräch.<br />
B: Jaja, gern (lacht).<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Interview 2:<br />
Edeltraud Kernmeier, geboren 1930, Landwirt<strong>in</strong> <strong>in</strong> Ruhe<br />
A: Edeltraud Kernmeier: Gesprächspartner<strong>in</strong><br />
B: Helena Haslauer: Interviewer<strong>in</strong><br />
A: Von 1936 bis 40 b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> die Volkschule nach St. Georgen gegangen, dort habe ich vier Jahre<br />
verbracht. Nach den vier Jahren b<strong>in</strong> ich 40 <strong>in</strong> die Hauptschule nach St. Veit an der Glan e<strong>in</strong>getreten,<br />
wo wir e<strong>in</strong>e sehr, sehr gute und strenge Lehrer<strong>in</strong> gehabt haben. Sie war zwar nicht mehr ganz jung<br />
aber sehr zeitgemäß und auf Leistung betont. Es gab ke<strong>in</strong>en A oder B Zug, sondern der <strong>in</strong> die<br />
Hauptschule g<strong>in</strong>g musste stärkeren Anforderungen gerecht werden. Wie ich zwei Jahre <strong>in</strong> der<br />
Hauptschule war, da kam <strong>in</strong> den Sommerferien e<strong>in</strong> Aufsichtsmann von der SS zu uns an den Hof,<br />
denn wir haben am Hof E<strong>in</strong>deutschungspolen gehabt, und die wurden zweitweise kontrolliert und<br />
wir auch, ob wir sie ordentlich behandeln. Mit diesem Mann g<strong>in</strong>g ich Ste<strong>in</strong>pilze sammeln und da<br />
hab ich ihm erzählt, dass me<strong>in</strong> Bruder auf dem Theresianum <strong>in</strong> Wien war, und ich war halt recht<br />
frisch und munter, und der hat mich gefragt ob ich nicht auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e so gute Schule gehen mag. Ich<br />
hab ja nicht gewusst, dass es für Mädchen so e<strong>in</strong>e gibt. Ich hab gesagt, dass ich auch gern auf so<br />
e<strong>in</strong>e Schule möchte und er ist dann <strong>in</strong> Briefverb<strong>in</strong>dung mit me<strong>in</strong>em Vater gewesen und so hab ich<br />
bei der Aufnahmeprüfung mitmachen dürfen. Die Schule war <strong>in</strong> Niederdonau, also<br />
Niederösterreich, <strong>in</strong> Türnitz unter Maria Zell. Nach zwei Jahren Hauptschule kam ich dort <strong>in</strong> die<br />
zweite, <strong>in</strong> dieses Gymnasium, nicht <strong>in</strong> die dritte, weil ich ja <strong>in</strong> der Hauptschule ke<strong>in</strong> Englisch<br />
gehabt habe. Wir haben ja nur Italienisch gelernt, weil das das Nachbarland war. Die<br />
Aufnahmeprüfung dauerte e<strong>in</strong>e Woche. Neben den schulischen Leistungen wurde ich auch<br />
beobachtet wie ich mich gebe, ob kameradschaftlich, ob hilfsbereit, ob ich den anderen helfe. Beim<br />
Sport hatte ich auch Mut vorzuzeigen und ich habe halt probiert bis ich die Übungen konnte. Nach<br />
e<strong>in</strong>er Woche wurde mir mitgeteilt, dass ich aufgenommen wurde und ich war nur e<strong>in</strong> halbes Jahr auf<br />
Probe dort, denn <strong>in</strong> diesem halben Jahr wurde ich weiterbeobachtet, ob ich die Freude nicht verliere,<br />
ob ich schwerfällig werde oder ob ich Heimweh habe. Nach e<strong>in</strong>em halben Jahr kam die Nachricht,<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
dass ich fix aufgenommen wurde. <strong>Das</strong> hieß dort nicht Klasse, sondern Zug. Ich b<strong>in</strong> <strong>in</strong> den zweiten<br />
Zug aufgenommen worden, habe also e<strong>in</strong> Jahr verloren, weil ich ke<strong>in</strong>e Fremdsprachen konnte oder<br />
ich hatte auch ke<strong>in</strong>e Ahnung von e<strong>in</strong>em Pythagoreischen Lehrsatz, wir haben ja vorher nur Rechnen<br />
und Raumkunde gehabt. Ich war aber bestrebt, weil ich die Geme<strong>in</strong>schaft gerne hatte, viel zu<br />
lernen. Aufstehen war um halb sieben und wir mussten aus dem Bett heraus das Bett sofort<br />
durchlüften und dann schnell <strong>in</strong> den Waschraum und dann zum Frühstück. Danach haben wir die<br />
Betten aufgebettet und zwar alles Kante auf Kante. <strong>Das</strong> mach ich heute noch so (lacht). Dann war<br />
Unterricht. Die Erzieher<strong>in</strong>nen waren gleichzeitig die Professor<strong>in</strong>nen. Jeder Zug hatte e<strong>in</strong>e<br />
Haupterzieher<strong>in</strong>, die war auch die Ansprechperson wenn man was auf dem Herzen hatte. In der<br />
Klasse hatten wir auch unsere Heimabende. Der Raum war immer geheizt. Neben den normalen<br />
Gymnasialstoffen war die Schule sehr ausgerichtet auf Musik, S<strong>in</strong>gen, Kultur, Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n,<br />
Kameradschaftss<strong>in</strong>n und Leistung. Wir durften am Nachmittag nur e<strong>in</strong>e bestimmte Zeit studieren,<br />
die Studierstunde hat das geheißen. In diesen e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden mussten wir mit unseren<br />
Aufgaben und lernen fertig se<strong>in</strong>, damit haben sie uns angehalten, dass man nicht trödelt, sondern<br />
dass man auf Tempo lernt und konzentriert. H<strong>in</strong>terher gab es e<strong>in</strong>e Nachmittagsjause und dann<br />
mussten wir <strong>in</strong> den Hof und hatten e<strong>in</strong>e Stunde zur freien Verfügung <strong>in</strong> der wir Freiluft machen<br />
mussten, also Bewegung. Auf Sport wurde sehr viel Wert gelegt. Es gab auch e<strong>in</strong>e große alte L<strong>in</strong>de<br />
im Hof und um diese L<strong>in</strong>de gab es Bänke. Dort saß man am Abend und sang Volkslieder. <strong>Das</strong><br />
Volkslied wurde sehr gefördert. Bei Feierlichkeiten haben wir auch gesungen. Und jedes Mädchen<br />
musste e<strong>in</strong> Instrument lernen. Die Schule war auch zweigeteilt. Die Unterstufe war <strong>in</strong> Türnitz und<br />
die Oberstufe vom 5. Bis zum 8. Zug <strong>in</strong> Schloss Hubertendorf. Durch diese Zweiteilung wurde man<br />
bei solchen Hausmusikabenden zusammengeführt und wir hatten auch große Sportereignisse. Wir<br />
schliefen alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schlafsaal. Nach Kriegsende wurden wir nach Hubertendorf gebracht, denn<br />
wir lagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen Tal und hatten Angst vor den Russen. Darum fuhren wir dann dah<strong>in</strong> und<br />
schliefen mit den Mädchen der Oberstufe zusammen <strong>in</strong> den Räumen auf Matratzen. Dort waren wir<br />
die letzten Tage. In unsren Klassenzügen gab es Mädchen von überall her, also aus Magdeburg,<br />
Danzig, Berl<strong>in</strong> von Ostpreußen her bis Aachen h<strong>in</strong>auf. Die Geme<strong>in</strong>schaft wurde stark geprägt. Wir<br />
wurden dazu angehalten mit zuhause Kontakt zu halten, da wurde kontrolliert ob wir wohl<br />
regelmäßig Briefe schreiben. Die Ferien im Sommer dauerten sechs Wochen, dafür haben wir<br />
Weihnachten und Ostern länger frei gehabt, denn manche Mädchen brauchten ja zwei Tage<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
nachhause, dann hatten sie länger Zeit. Als es 44 schwieriger wurde da haben wir so e<strong>in</strong>e Tafel<br />
umgehängt bekommen, wenn wir heimgefahren s<strong>in</strong>d, und da ist draufgestanden, dass man uns ja die<br />
richtige Auskunft geben sollte, wenn wir was fragen.<br />
B: Wie haben sie die Zeit empfunden?<br />
A: Ja schon eher mit Freude. Ich habe die Beschriftung Erziehungsanstalt nicht richtig gefunden.<br />
Man hat natürlich den Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n, Kameradschaftss<strong>in</strong>n, Leistung und Kultur gepflegt aber<br />
das war nicht so schlimm. Egoismus wurde nie geprägt. Als die Zeit kritischer wurde mussten wir<br />
uns abwechseln beim Nachtdienst am Telefon. <strong>Das</strong> haben wir dann <strong>in</strong> der Früh berichten müssen.<br />
Wenn es kritisch war dann durften wir bei der Erzieher<strong>in</strong> klopfen. Es waren auch K<strong>in</strong>der von hohen<br />
Persönlichkeiten dort, wie die Tochter vom Generalsekretär vom Gör<strong>in</strong>g. Und es gab dort auch<br />
Mädchen aus ganz e<strong>in</strong>fachen Familien, es wurde nicht herausgeklaubt. Man hat sich nur fügen<br />
müssen und durfte nicht die Geme<strong>in</strong>schaft stören. Es gab sechs Noten. Sehr gut, das haben sie uns<br />
vom Anfang an gesagt, dafür musste man besser se<strong>in</strong> als die Professoren. (lacht). Aja, die Kleidung!<br />
Wir hatten e<strong>in</strong>e hellbraune Kletterweste, wenn wir offiziell woh<strong>in</strong> gegangen s<strong>in</strong>d, mit e<strong>in</strong>em<br />
Knoten, e<strong>in</strong>e Bluse und e<strong>in</strong>en dunkelblauen Schoß. <strong>Das</strong> musste immer genau geputzt se<strong>in</strong>. Auch das<br />
Dirndl wurde sehr gepflegt. Die Sportsachen haben wir von der Schule bekommen. Da war die<br />
schwarze Klothhose und das weiße Ruderleibchen, da ist halt Türnitz oder so draufgestanden.<br />
B: Hatten die Frauen damals die Möglichkeit sich zu emanzipieren, was sagen sie dazu?<br />
A: Neben den normalen Gegenständen hatten wir das Werken, Basteln, Hausarbeit. Die Frau fürs<br />
Leben wurde vorbereitet, egal ob sie e<strong>in</strong>e Beamtenfrau wurde oder etwas Höheres. Diejenigen die<br />
maturiert haben, waren <strong>in</strong> vielen Bereichen tätig. Die waren schon selbstbewusst, aber wir wurden<br />
immer niedergehalten und durften ja nicht hochmütig se<strong>in</strong>! Ich hab aber auch was hergerichtet<br />
da…(Sie holt e<strong>in</strong>e Mappe <strong>in</strong> der sie alte Zeugnisse hat). Da steht es, Nationalpolitische<br />
Erziehungsanstalt für Mädeln Hubertendorf-Türnitz. Da hat es auch immer e<strong>in</strong>e<br />
Schülerbeschreibung gegeben und wir haben drei Zeugnisse gehabt, weil es hat ja auch ke<strong>in</strong>en<br />
Sprechtag gegeben hat. (Sie liest vor) Edeltraud setzt sich <strong>in</strong> den Leibesübungen freudig und mit<br />
ganzer Kraft e<strong>in</strong>. Am Heimleben und Unterricht nimmt sie regen Anteil, sie ist frisch und<br />
e<strong>in</strong>satzfreudig und führt ihre Pflichten gewissenhaft aus. In Englisch hat sie den Stoff noch nicht<br />
ganz nachgeholt, den bisher durchgenommenen Stoff beherrscht sie ausreichend. (Sie liest noch<br />
e<strong>in</strong>es vor) Traudl setzt sich stets für die Geme<strong>in</strong>schaft mit ihrer ganzen Kraft e<strong>in</strong>, als<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Mädelzugführer<strong>in</strong> hat sie sich <strong>in</strong> ihrer kameradschaftlichen und verantwortungsvollen Haltung ganz<br />
bewährt. Im Unterricht arbeitet sie gut mit. Gegenstände waren folgend, Leibeserziehung unterteilt<br />
<strong>in</strong> Spiel, Leichtathletik und Geräteturnen, Gymnastik, Tanz und Skilauf. Dann gab es noch Musik,<br />
S<strong>in</strong>gen, Bildnerisches Gestalten und Werkbetrachtung, Zeichnen, Werkarbeit, Deutsch, Geschichte,<br />
Biologie, Erdkunde, Mathematik, Englisch, Handarbeit und Handschrift. Die Zeit hat sich dann sehr<br />
zugespitzt, der Wehrmachtsbericht ist aber noch verlesen worden. Alle haben ja Angst gehabt. Die<br />
Russen kamen dann näher und dann kamen wir nach Hubertendorf und man hat versucht noch e<strong>in</strong><br />
bisschen Unterricht zu halten. Man hat uns dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Laster auf die Burg Strechau gebracht.<br />
Die größeren Mädchen kamen auf die Insel Me<strong>in</strong>au. In Aachen entstand 44 noch so e<strong>in</strong>e Schule für<br />
Mädchen. In der Unterstufe war eben vor allem der Sport wichtig, da haben wir aufbauend<br />
Ballspiele gemacht und im fünften Zug hat es dann Reiten, Fechten und Tennis gegeben und bei der<br />
Matura gab es nur mehr Freizeitsport, damit sie sich gut für die Matura vorbereiten konnten. Und<br />
dann hatte jede Klasse e<strong>in</strong>e Mädelzugführer<strong>in</strong> gehabt, die für Ordnung sorgte und manches Mal gut<br />
zureden musste, nur ke<strong>in</strong> Egoismus, dass gab es nicht. Ich wurde schon nach dem halben Probejahr<br />
e<strong>in</strong>stimmig zur Mädelzugführer<strong>in</strong> gewählt. Dann gab es noch die Hundertschaftsführer<strong>in</strong>, die über<br />
allen stand, die e<strong>in</strong>e große Verantwortung hatte, so dass wir auch alle gut angezogen waren und<br />
ordentlich ausgeschaut haben und gut marschieren konnten. In der Nacht s<strong>in</strong>d wir dann zu dritt mit<br />
e<strong>in</strong>em Lastenzug wieder nach St. Veit gefahren.<br />
B:Wie sah es gegen Ende des Krieges aus?<br />
A: Gegen Ende des Krieges übernahm dann e<strong>in</strong> Mann die Leitung <strong>in</strong> der NAPOLA, denn <strong>in</strong> der<br />
kritischen Zeit kannte sich e<strong>in</strong> Mann besser aus, er wurde dann Anstaltsleiter. Vorher haben und nur<br />
Frauen unterrichtet, eben <strong>in</strong> Musik, Turnen, Mathematik oder auch Deutsch. In der Hauptschule<br />
haben uns Männer unterrichtet. In der NAPOLA war ganz wichtig, dass wir selbstbewusst s<strong>in</strong>d,<br />
dass wir gerade stehen und das wir ordentlich s<strong>in</strong>d. Vor allem die Kleidung musste <strong>in</strong> Ordnung se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong>mal musste ich was vortragen und, das hab ich nicht gemerkt, da hat mir e<strong>in</strong> Knopf bei der<br />
Bluse gefehlt und die Erzieher<strong>in</strong> hat mich drauf aufmerksam gemacht und hat gesagt, dass wir auf<br />
unsere Kleidung achten müssen, da b<strong>in</strong> ich natürlich rot geworden. (lacht). Wir haben auch<br />
Mutproben machen müssen, da ist man zum Beispiel gefragt worden ob man schwimmen kann und<br />
wenn man nicht schwimmen konnte musste man <strong>in</strong>s Wasser und die anderen, die schwimmen<br />
konnten, s<strong>in</strong>d halt rundherum gestanden, falls was passiert wäre und haben Hilfe geleistet. Oder<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
man musste aus e<strong>in</strong>er gewissen Höhe von e<strong>in</strong>em Baum spr<strong>in</strong>gen. Ich hab mir da halt leicht getan,<br />
weil wir als K<strong>in</strong>der immer auf die Kirschbäume halt geklettert s<strong>in</strong>d. (lacht). Im W<strong>in</strong>ter s<strong>in</strong>d wir mit<br />
der Schule auch Ski fahren gegangen und im Sommer gab es Sommerlager, wo wir halt wandern<br />
gegangen s<strong>in</strong>d, zum Beispiel. Und wir s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> der Gauhauptstadt, <strong>in</strong> St. Pölten, gegen andere<br />
im Sport angetreten. Bei den Studierstunden, die wir eben gehabt haben, mussten die, die gut waren<br />
den Schlechteren helfen. Es wurde halt auch viel Wert gelegt auf Hilfe untere<strong>in</strong>ander, das geht ja<br />
nur im Internat. Immer vor dem Abendessen wurden die Wehrmachtsberichte vorgelesen, um zu<br />
wissen was zuhause ist: Naja, gegen Ende des Krieges, wo ich halt wieder zuhause war, da haben<br />
sie den Vater e<strong>in</strong>gesperrt und er war dann Gast des englischen Königs. Die Mutter wollt halt das wir<br />
was weiterlernen und dann hat e<strong>in</strong> Bekannter aus Graz, e<strong>in</strong> Professor von der HTL Bulme uns<br />
geholfen. In Klagenfurt b<strong>in</strong> ich nicht angekommen, weil wir ja registriert waren. Dann hat die<br />
Mutter halt denjenigen aus Graz gefragt, ob ich nicht nach Graz könnte, denn dort hat es schon<br />
Schülerheime gegeben, das haben wir <strong>in</strong> Kärnten ja noch nicht gehabt. Und dann wurde ich<br />
zugelassen zur Aufnahmeprüfung und ich war ja flott, weil ich e<strong>in</strong>e Gymnasialausbildung gehabt<br />
habe. Draußen haben sie gesagt, dass ich ja nichts dafür kann. Habe ja dann auch e<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er HBLA mit Matura gekommen. Dort habe ich dann maturiert. Dort habe ich vor allem<br />
Englisch, Hausarbeit und auch Gartenbau gehabt. Und auch Lebenskunde, Erziehungslehre und<br />
Psychologie und Französisch als zweite Fremdsprache.<br />
B: Haben sie <strong>in</strong> der NAPOLA manchmal Angstgefühle gehabt?<br />
A: Ne<strong>in</strong>, ich habe ke<strong>in</strong>e Angst gehabt, ich b<strong>in</strong> gerne <strong>in</strong> die Schule gegangen, ich habe auch nie<br />
Schwierigkeiten gehabt. Es hat <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Klasse, <strong>in</strong> der ich war Ausartungen, also so Raufereien<br />
oder so gegeben. Wir haben immer alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft gedacht.<br />
B: Wie haben sie den Anschluss 1938 erlebt?<br />
A: Vor allem me<strong>in</strong>e älteren Brüder haben es besser miterlebt. Es war aber auch Freude dabei. Sie<br />
müssen sich vorstellen, die Landbevölkerung bekam von e<strong>in</strong>em Tag auf den anderen e<strong>in</strong>e<br />
Entschuldung, also hatten die Ärmsten dann ke<strong>in</strong>e Schulden mehr und auch ke<strong>in</strong>en Hunger mehr<br />
und jeder hat Arbeit bekommen. Im Ständestaat war nur Krise, da war das Ärgste. E<strong>in</strong>fache Leute<br />
haben Arbeit bekommen und mussten nicht mehr hungern. Und auch die ärmsten K<strong>in</strong>der hatten die<br />
Möglichkeit e<strong>in</strong>e Lehrerausbildung zu bekommen. Ab vier K<strong>in</strong>dern gab es e<strong>in</strong>e<br />
Zahlungserleichterung und K<strong>in</strong>dergeld, ja, das hat es auch gegeben.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
B: Wie war der Übergang <strong>in</strong> der Volksschule während des Anschlusses? Wurden Lehrer<br />
ausgewechselt? Haben sie <strong>in</strong> der Volkschule schon etwas von der Umstellung mitbekommen?<br />
A: Da haben wir eigentlich nichts mitbekommen, aber die Lehrer waren danach noch die gleichen.<br />
Vor allem die Feiertage wurden aber hochgehalten. Die K<strong>in</strong>der haben dann ja auch viel erlebt durch<br />
die Schule, aber vor allem das Tempo war wichtig und halt Sport, Gymnastik, Musik und auch<br />
Kunst. In der Volksschule wurden noch Mädchen und Burschen geme<strong>in</strong>sam unterrichtet <strong>in</strong> der<br />
Hauptschule nicht mehr. Die gemischten Klassen haben sie dann auch aufgelöst. Wir haben <strong>in</strong> der<br />
Volksschule dann auch schon e<strong>in</strong>e genaue E<strong>in</strong>teilung gehabt, also e<strong>in</strong>e Stunde Jausenzeit, dann<br />
mussten wir h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e Stunde herumturnen, also Sport.<br />
B: Was haben sie <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Fächern, <strong>in</strong> der Hauptschule oder der NAPOLA, beispielsweise<br />
durchgenommen?<br />
A: Naja, <strong>in</strong> Geschichte halt die griechische und die römische Geschichte und klarerweise die<br />
Nibelungen und wichtig waren auch die Westgoten und Ostgoten und <strong>in</strong> Deutsch war vor allem<br />
Redeübungen vor der Klasse wichtig, damit wir uns halt richtig artikulieren konnten. Die Deutschen<br />
<strong>in</strong> der Schule konnten ja schon so hochdeutsch reden, aber sie hatten halt e<strong>in</strong>e harte Sprache. Wir<br />
mussten auch schön schreiben und beim Vortrag der Lehrer vorher halt mitschreiben und zuhause<br />
hab ich es dann neu geschrieben, da habe ich gleich währenddessen gelernt. (lacht).<br />
B: Wie empfanden sie die Zeit allgeme<strong>in</strong>?<br />
A: Naja, es hat mir schon gefallen und ich habe mich halt mit dem abgefunden was se<strong>in</strong> muss und<br />
dann war es leicht.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Interview 3:<br />
Erika Fritz, geboren 1935, Volksschullehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> Ruhe<br />
A: Helena Haslauer: Interviewer<strong>in</strong><br />
B: Erika Fritz: Gesprächspartner<strong>in</strong><br />
A:Bitte erzählen sie mir wann sie geboren wurden und auf welche Schulen sie g<strong>in</strong>gen und <strong>in</strong><br />
welchen Jahren.<br />
B: Ich b<strong>in</strong> 1940 mit fünf Jahren <strong>in</strong> die Volksschule e<strong>in</strong>getreten weil me<strong>in</strong>e Eltern dachten, dass ich<br />
schon <strong>in</strong> die Schule sollte (lacht). Es war e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Mädchenvolksschule <strong>in</strong> St. Veit. Ich hatte nur<br />
Lehrer<strong>in</strong>nen, sehr strenge, der Direktor war e<strong>in</strong> Mann. In der ersten Klasse haben wir noch auf<br />
Schiefertafeln geschrieben und ich habe noch Kurrentschrift gelernt. Unsere Lehrer haben uns<br />
schon noch mit dem L<strong>in</strong>eal und Ohrfeigen bestraft, oder wir mussten <strong>in</strong> die Ecke stehen. Während<br />
des Krieges s<strong>in</strong>d wir bei Alarm immer <strong>in</strong> der Schule <strong>in</strong> den Keller gegangen. E<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong> hat<br />
sogar e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Bombensplitter den Bauch aufgeschnitten, ganz grausam. Da war ich von 41 bis<br />
45. Dann g<strong>in</strong>g ich <strong>in</strong> St. Veit <strong>in</strong> die Hauptschule, von 45 bis 49, <strong>in</strong> den ersten Klassenzug, das ist so<br />
wie heute die Gymnasialausbildung. Es gab ja zwei Klassenzüge. Ich hatte ganz ausgezeichnete<br />
Lehrer, männliche und weibliche und es war e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Mädchenhauptschule. Während des<br />
Hauptschulzeit hat man die Schule auch als Lazarett gebraucht und da haben wir <strong>in</strong> der zweiten<br />
Klasse nur jeden zweiten Tag Unterricht gehabt, wir waren da <strong>in</strong> so Barracken, da haben sich also<br />
die Klassen abgewechselt. Da haben wir schon e<strong>in</strong>iges versäumt und es hat <strong>in</strong> der Klasse furchtbar<br />
gezogen. In der vierten Hauptschule durften wir wieder <strong>in</strong> das Schulgebäude zurück. Ab der vierten<br />
hat es dann schon im Juni Aufnahmeprüfungen für die fünfjährige Frauenberufsschule und dann<br />
später auch für die Lehrerbildungsanstalt, also die LBA, gegeben. Ich wollte ja nie <strong>in</strong> die<br />
Frauenberufsschule, habe aber doch die Aufnahmeprüfung gemacht, falls das andere nicht h<strong>in</strong>haut.<br />
In der LBA hatten wir Aufnahmeprüfungen <strong>in</strong> den Hauptfächern, speziell <strong>in</strong> Turnen und Musik.<br />
Und es war auch geschlechtergetrennt, also wir waren die LBA für Mädchen. Die für die Knaben<br />
war aber im selben Gebäude, halt mit e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dungstüre. <strong>Das</strong> war <strong>in</strong> Klagenfurt <strong>in</strong> der<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Bahnhofstraße und ich g<strong>in</strong>g auf die LBA von 49 bis 54. Ich war von der Volksschule bis h<strong>in</strong> zur<br />
LBA immer <strong>in</strong> re<strong>in</strong>en Mädchenklassen. Im ersten Jahr haben wir von der amerikanischen Hilfe<br />
Ausspeisungen gehabt. Mit den Burschen haben wir geme<strong>in</strong>sam im Chor gesungen. Und wir hatten<br />
e<strong>in</strong>e Volkstanzgruppe. In Zeichnen hat uns der Lehrer, der zwar Künstler war, gar nichts<br />
beigebracht. Für die Schule haben wir uns dann alles selbst erlernt. Wir mussten auch e<strong>in</strong><br />
Instrument spielen, also Geige oder Klavier. Die LBA war e<strong>in</strong>e erzkatholische Schule. Da gab es<br />
zum Beispiel e<strong>in</strong>e Professor<strong>in</strong> <strong>in</strong> Biologie, die hat gesagt, dass es vorehelichen Verkehr gar nicht<br />
gäbe. Als ich dann im vierten Jahrgang war, ist es leider passiert und ich wurde schwanger. E<strong>in</strong>e<br />
Mitschüler<strong>in</strong> hat ihr K<strong>in</strong>d im August bekommen und ich im September. Sie war e<strong>in</strong> schlankes<br />
Mädchen, sie flog also im April schon von der Schule. Ich war aber eher fester und hatte Glück,<br />
man hat es mir nicht so angesehen. Und weil wir <strong>in</strong> der letzten Klasse e<strong>in</strong>e Oper aufgeführt haben,<br />
hatte ich statt dem Turnunterricht Proben und so konnte ich es auch verstecken. Mitte Mai war die<br />
Schriftliche, ich habe sie auch bestanden. Im Juni war die Mündliche und da haben sie es gesehen.<br />
So kam ich aber durch, normalerweise wäre ich geflogen. <strong>Das</strong> war schon sehr hart. Und wir waren<br />
auch so obrigkeitshörig erzogen worden. Man hat sich ja gar nix sagen getraut. Ich habe dann am<br />
30. Juni 1954 maturiert. Dann hat es ke<strong>in</strong>e Stellen gegeben. Da ich das K<strong>in</strong>d bekommen habe;<br />
musste ich es ja auch ernähren, so hab ich mir e<strong>in</strong>e Schreibmasch<strong>in</strong>e gekauft und mir selbst das<br />
Zehn-F<strong>in</strong>ger-System beigebracht und dann habe ich im Sekretariat gearbeitet. Dann bekam ich im<br />
März 1955 me<strong>in</strong>e erste Stelle und zwar <strong>in</strong> Dellach im Drautal. Hier habe ich erst gemischte Klassen<br />
erlebt, <strong>in</strong> den Landschulen, dass hatte ich vorher ja nicht. Me<strong>in</strong>e Mutter nahm me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d aber nicht,<br />
weil das ja e<strong>in</strong>e große Schande war, e<strong>in</strong> lediges K<strong>in</strong>d, und so musste ich es zu wildfremden Leuten<br />
geben, das war sehr grausam für mich. Dann habe ich <strong>in</strong> Dellach e<strong>in</strong>e dritte Klasse übernommen.<br />
Nach Ostern musste ich dann nach Ste<strong>in</strong>feld im Drautal. Dort war ich dann bis Pf<strong>in</strong>gsten. Zu Ostern<br />
und Pf<strong>in</strong>gsten b<strong>in</strong> ich immer me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d besuchen gegangen. Danach wurde ich nach Trebes<strong>in</strong>g im<br />
Liesertal versetzt. Egal wo ich war, es gab überall nur männliche Schulleiter. Im Juni hat mich me<strong>in</strong><br />
Mann besucht, wir waren noch nicht verheiratet, und dann hat der Schulleiter gesagt, dass er wieder<br />
nachhause fahren muss, denn sonst würde die Schule <strong>in</strong> Verruf geraten als unsittliche Schule im<br />
ganzen Liesertal im 55er Jahr, das muss man sich heute e<strong>in</strong>mal vorstellen! Ende Juni wurde ich<br />
wegen Kostengründen von der Regierung abgebaut. Dann kam ich nach Glödnitz, danach wurde ich<br />
wieder abgebaut. Wenn man unterkommen wollte, musste man e<strong>in</strong>er Partei beitreten und so hat<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
me<strong>in</strong>e Mutter, ohne dass ich davon etwas wusste, mich beim sozialistischen Lehrervere<strong>in</strong><br />
angemeldet. Die haben gesagt, dass sie es sich überlegen würden (lacht).Me<strong>in</strong>e weiteren Wege<br />
waren nach Hörzendorf <strong>in</strong> die Schule, dann auch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schule <strong>in</strong> Gradenegg. Dort hat<br />
mich e<strong>in</strong>e gefragt ob das me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ist und ob ich verheiratet b<strong>in</strong>. <strong>Das</strong> war ich ja nicht und dann hat<br />
die tatsächlich zu mir gesagt, dass ich froh se<strong>in</strong> kann, dass ich heute lebe, denn frühere wäre ich als<br />
Hexe verbrannt worden. Unglaublich war das (lacht). Dann war ich noch <strong>in</strong> Kappel am Krappfeld,<br />
da war ich auch gerade hochschwanger, und nachhause musste ich stoppen, sonst wäre ich gar nicht<br />
nachhause gekommen. Ich war dann auch noch e<strong>in</strong>mal bei der Post, und b<strong>in</strong> im Postamt Maria Saal<br />
e<strong>in</strong>geschult worden. Und der hat immer das Fenster offen gehabt. Ich wollte zu Mittag, wenn er<br />
heimgegangen ist das Fenster zumachen. Da hat er gesagt nichts da, sie gehen spazieren, denn<br />
<strong>Österreich</strong> braucht abgehärtete Frauen. (lacht). Naja, so war das. Ich war dann auch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Knabenhauptschule und hab ich so viel nachlernen müssen, weil die e<strong>in</strong>en schweren Stoff zum<br />
Beispiel <strong>in</strong> Mathematik hatten. Ich habe ja auch <strong>in</strong> der Oberstufe der Volksschule unterrichtet, denn<br />
das gab es ja noch. Am Ende b<strong>in</strong> ich Liebenfels gelandet, da war ich 27 Jahre und ich b<strong>in</strong> hier auch<br />
Oberlehrer<strong>in</strong> geworden und war hier die jüngste Lehrer<strong>in</strong>. Dort wurde ich auch eben begutachtet<br />
und überprüft, also <strong>in</strong>spiziert. Da ist der Schul<strong>in</strong>spektor unangemeldet gekommen und hat mich<br />
dann beurteilt. Da habe ich dann auch Belobigungen von der Landesregierung bekommen und so<br />
wurde ich auch Oberlehrer<strong>in</strong>. Wir mussten, dass wollte ich auch noch erzählen; <strong>in</strong> den vierten<br />
Klassen der Volksschulen Tests machen, ob der Schüler für den ersten oder den zweiten Klassenzug<br />
der Hauptschule fähig war. Mit fünfzig kam ich dann <strong>in</strong> die Volksschule e<strong>in</strong>s <strong>in</strong> St. Veit und dort<br />
wurde ich dann zum Volksschuldirektor ernannt und war dann dort bis 1991 und dann musste ich<br />
krankheitshalber aufhören.<br />
A:Um noch e<strong>in</strong>mal an den Anfang zurückzugehen: Wie haben sie die Volksschulzeit empfunden,<br />
wie wurden sie unterrichtet?<br />
B: Wir hatten immer Frontalunterricht, von der Volksschule weg, also auch <strong>in</strong> der Hauptschule und<br />
der LBA. Wir haben auch <strong>in</strong> den Sprachen, wie <strong>in</strong> Englisch nie Zwiegespräche geführt. Heute<br />
unterrichtet man ja ganzheitlich.<br />
A: E<strong>in</strong>en Teil der Schulzeit, also <strong>in</strong> ihrem Fall die Volksschulzeit, haben sie ja unter dem<br />
Nationalsozialismus erlebt. Wie war das für sie, haben sie da etwas mitbekommen?<br />
B: Ich muss ehrlich sagen, dadurch das wir ke<strong>in</strong>e Radio und ke<strong>in</strong>e Zeitung hatten, haben wir nichts<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
mitbekommen. Wie haben den Hitler-Gruß <strong>in</strong> der Schule gemacht und gelernt aber warum, dass<br />
haben wir K<strong>in</strong>der nicht verstanden, für uns war es nur so, dass wir ab jetzt so grüßen mussten.<br />
Irgendwo habe ich e<strong>in</strong>mal gehört, aus Juden wird Seife gemacht, und ich b<strong>in</strong> heut noch erschrocken,<br />
dass ich mir als K<strong>in</strong>d gar nichts dabei gedacht habe! Unser Vater war ja auch e<strong>in</strong>gerückt aber me<strong>in</strong>e<br />
Mutter war ke<strong>in</strong>e begeisterte Nationalsozialist<strong>in</strong> und an uns K<strong>in</strong>dern ist das wirklich<br />
vorbeigegangen. In der Hauptschule haben wir dann auch nur bis zum ersten Weltkrieg <strong>in</strong><br />
Geschichte gelernt. Der Zweite Weltkrieg kam im Geschichtsunterricht nicht vor, auch dann nicht <strong>in</strong><br />
der LBA. <strong>Das</strong> wurde alles komplett totgeschwiegen! Daher haben wir eigentlich nichts gewusst.<br />
Wir waren echt ahnungslos, auch weil der Papa und die Mama nie was gesagt haben und ich habe<br />
den Papa auch nichts gesagt. Wir waren ja medial unterversorgt. In der Schule, wie gesagt, nur den<br />
Hitler-Gruß. Es g<strong>in</strong>g nach dem Krieg dann normal weiter, <strong>in</strong> der Schule habe ich vom Ende des<br />
Nationalsozialismus nichts gemerkt.<br />
A: Und wie sahen die Unterrichtsgegenstände aus, können sie sich da noch an etwas er<strong>in</strong>nern?<br />
B: Naja, wir haben <strong>in</strong> Geschichte eben nur bis zum Ersten Weltkrieg gelernt. So haben wir ja auch<br />
gar nichts gewusst von den Konzentrationslagern. In der LBA wurden wir vor allem <strong>in</strong> Musik<br />
gebildet, <strong>in</strong> Mathematik und so eher nicht. Und das lustige war, dass wir ja auch Religion<br />
unterrichten durften, falls ke<strong>in</strong> Pfarrer an der Schule war. Vorher hat es <strong>in</strong> der Volksschule unter den<br />
Nationalsozialisten ke<strong>in</strong>en Religionsunterricht gegeben. Unsere Mutter hat aber Wert darauf gelegt<br />
und so hat sie uns im Dorf zum Pfarrer geschickt und wir haben dort Religionsunterricht<br />
bekommen, dass hat man dürfen. Me<strong>in</strong>e Mutter hat ja acht K<strong>in</strong>der bekommen und ab vier K<strong>in</strong>dern<br />
oder so bekam man ja e<strong>in</strong> Mutterkreuz. Sie hat aber gesagt, dass will sie nicht, sie lasst sich nicht<br />
als Kuh auszeichnen (lacht).<br />
B: Was wurde ihnen denn <strong>in</strong> der LBA beigebracht, was und wie sie es den K<strong>in</strong>dern beibr<strong>in</strong>gen<br />
sollten?<br />
A: Wir hatten Unterrichtslehre, aber da haben wir nie e<strong>in</strong>en Wochenplan gesehen oder so was. Wir<br />
hatten auch Lehrauftritte und wir mussten jede Stunde ausarbeiten. Danach wurden wir auch<br />
beurteilt. Erst nach der Befähigungsprüfung wurde man pragmatisiert. Wir hatten aber ke<strong>in</strong>e<br />
Stimmbildung, es war ke<strong>in</strong>e gute Ausbildung eigentlich. Wir haben nur über den Frontalunterricht<br />
gelernt und von Legasthenie haben wir nie was gehört. Es wurde uns nur Buchwissen vorgetragen.<br />
In Pädagogik hatten wir so e<strong>in</strong>en trockenen Lehrer, da wär man ja fast e<strong>in</strong>geschlafen dabei. Unser<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Schulwesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: <strong>Historischer</strong> <strong>Überblick</strong> mit besonderer<br />
Betrachtung der Mädchenerziehung und der Veränderungen im<br />
Nationalsozialismus<br />
Deutschlehrer war dafür ganz toll.<br />
A: Aber alles <strong>in</strong> allem haben sie ihr Leben damals sehr gut gemeistert, auch als sie schwanger<br />
waren. Da können sie stolz auf sich se<strong>in</strong>.<br />
B: (lacht) Danke. Aber <strong>in</strong> unserer Generation hatten die Frauen erst e<strong>in</strong>e richtige Chance auf e<strong>in</strong>e<br />
gute Ausbildung.<br />
A: Und diese Chance haben sie sehr gut genützt. Danke vielmals für das Gespräch.<br />
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