Nachrichtenblatt September 2011 - Werbegemeinschaft Geismar ...
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Ein Beitrag in der Reihe „Es war einmal ……“<br />
Der Zichorienbrenner – ein ausgestorbener Beruf<br />
Allgemein üblich war es auf den Dörfern im 19. Jahrhundert, die Zichorie zur Kaffeezubereitung<br />
zu nutzen. Bohnenkaffee kannte man auf dem Lande meist nur vom<br />
Hörensagen, und vielleicht gab es auch in <strong>Geismar</strong> nur zu besonderen Anlässen<br />
eventuell auf dem Junkernhof oder bei „Frau Pastor“ ein Schlückchen zu kosten.<br />
In einer Ecke ihres Gemüsegartens säte die Hausfrau im Frühjahr für’n Groschen<br />
„Zigorjen“-Saat aus. Sie streute aber nicht zu dicht, damit zum Herbst die Wurzelstöcke<br />
sich gut entfalten und doch wenigstens fingerdick waren.<br />
Und als sie sich dann im Herbst im Garten tüchtig zu schaffen machte, kam ihr der<br />
Gedanke, nun auch die „Zigorjen“ aus der Erde zu holen. Die schlanken, wohlgeratenen<br />
Wurzelstöcke wurden gesäubert und in kleine Würfel geschnitten. Diese luftgetrockneten<br />
Würfel wurden schon beim nächsten Brotbacken mit in den Backofen<br />
geschoben, damit sie tüchtig trocknen konnten. Anschließend bewahrte sie die Zichorien<br />
in einer Blechdose auf, bis der Zichorienbrenner ins Dorf kam.<br />
Im Winter war es dann so weit. Der Zichorienbrenner zog von Dorf zu Dorf und<br />
fertigte seine Kundschaft der Reihe nach ab. Mit dabei hatte er eine kleine Mühle<br />
und seinen walzenförmigen Brenner.<br />
Das Herdfeuer musste tüchtig „im<br />
Schwunge“ sein, sonst war er nicht<br />
zufrieden. Er setzte sodann seinen<br />
Brenner auf das Herdfeuer, schüttete<br />
die Zichorienwürfel hinein und unter<br />
fortwährendem Umdrehen wurden<br />
diese an einer Welle geröstet. Schon<br />
bald entquoll dem Brenner jener<br />
scharfe, blaue Qualm, der mächtig in<br />
die Augen biss, so dass die Fenster<br />
weit geöffnet werden mussten. So wusste man in den Nachbarhäusern, wann man<br />
selbst „an der Reihe“ war.<br />
War das Rösten vorbei, wurden die Würfel auseinander geschüttet, damit sie schnell<br />
abkühlten. Dann kam alles in die Mühle und wurde fein gemahlen. Der Zichorienbrenner<br />
ließ sich von der Hausfrau das Metzenmaß geben, um das ganze abzumessen,<br />
denn seine Arbeit wurde metzenweise entlohnt (1 Metze entsprach etwa 7,7<br />
Liter).<br />
Damit die Zichorien lange haltbar blieben, mischte die Hausfrau etwas Salz darunter<br />
und drückte dann alles fest in einen Steintopf.<br />
Bevor der Zichorienbrenner das Haus verließ, wurde er gut bewirtet, damit er keinem<br />
etwas nachsagen konnte. Dabei wurden manche Neuigkeiten, die er aus anderen<br />
Dörfern mitbrachte, ausgetauscht und oft wurden ihm Grüße an Angehörige mit auf<br />
den Weg gegeben. (Text: Ortsheimatpflegerin Vera Lenz)<br />
Übrigens – drei verschiedene Kaffeebrenner fanden wir im Museum am Thie. Der<br />
oben im Foto hat große Ähnlichkeit mit dem walzenförmigen Zichorien-Brenner.<br />
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