42 Mail Paula Domingues fischt das Bündel aus dem <strong>Post</strong>strom und positioniert es unter dem Strichcode-Leser der mechanischen Verteilanlage. An drei Tagen arbeitet Paula Domingues abends bei der <strong>Post</strong> – ihr Mann schaut dann zu den Kindern. semarsch antreten. Sie werden nun tüchtig durchleuchtet und falls nötig vom Kopf auf die Füsse gestellt. Das «Markenerkennungsprogramm», das jede Frankatur mit den 32 gängigsten Marken vergleicht, entscheidet, ob A- oder B-<strong>Post</strong>, und knallt den Stempel aufs Papier. So schnell möchte man denken können. Unser Brief hats direkt und problemlos geschafft, denn wir haben ihm nicht etwa eine vom Programm nicht lesbare «Pro Juventute»-Marke aufgeklebt (obwohl Chloé noch sehr jung ist), sondern eine ganz gewöhnliche mit dem grossen A, zudem platziert brav oben rechts auf dem Kuvert. Auf einem Handwagen, der farb- lich an Haselnüsse erinnert, setzt er seine Reise fort. 13 669 bearbeitete Sendungen zählt das Display bereits. José Correia wird mit Entstopfen und Abräumen des sortierten Guts auf Trab gehalten, aber er findet doch noch Gelegenheit zu berichten, was ihm auf der Sihlpost besonders gefällt: das gute Arbeitsklima, die Tatsache, dass die Leute – Chefs und Nichtchefs – den Kollegen und Kolleginnen mit Respekt begegnen. Wir spitzen die Ohren, denn die «CFC 1» sorgt für beträchtliches Hintergrund- Geratter und -Gestampfe. Zahnplomben stören Im vierten Stock ist unser Brief angelangt. Er trifft jetzt auf das Paula Domingues an der mechanischen Verteilanlage allermodernste Gerät der Sihlpost: Bis zu 32 000 A5-Sendungen pro Stunde verarbeitet die «Vorsortiermaschine», auf gut Englisch «Delivery-BarCode-Sorter» genannt. Der Chloé-Brief wird hier fotografiert, die Adresse gelesen, ein fluoreszierender Code aufgespritzt und gleich wieder entziffert. Dann gehts mit einer Hand voll Briefkollegen mit dem gleichen Ziel ab in die Vorsortierfächer. Oben drauf kommt der «Bundzettel», das Ganze wird mit Plastikband «abgebunden». Der Code, den unser Brief trägt, enthält nicht nur die Destination, sondern auch die Nummer des Boten, der ihn zu guter Letzt in den gewünschten Schlitz stecken wird. Weitere Verfeinerungen im Sortierverfahren sollen noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Kundendienst mit detektivischem Ehrgeiz Hätten wir im gefühlstrunkenen Überschwang Namen und Adresse der Angebeteten gründlich falsch geschrieben und den Absender vergessen, so wäre unser Brief in die Hände eines ausserordentlich hilfsbereiten – sowohl in Genf wie in Zürich vertretenen – Kundendienstes der <strong>Post</strong> gefallen. Gegen 1000 Sendungen täglich finden den Weg auf die Zürcher Abteilung «Hauptnachschlag/Unanbringliche». Allzu sparsame Adressen werden hier mit Hilfe von Internet, vergriffenen Nachschlagewerken und selbstgemachten Prominentenlisten ergänzt. Mit «Michael Schumacher», «Christoph Blocher» oder «König der Schweiz» adressierte Briefe kommen so doch noch an ihr Ziel. Steht allerdings bloss «Herr Müller», ist der Fall hoffnungslos – von denen hats zu viele. «Etwas ‹detektivischen Ehrgeiz› brauchts natürlich für diesen Job», erklären Hubert Kälin und Daniel Haberthür. Koreanische oder kyrillische Buchstaben auf dem Kuvert? Kein Problem in der multikulturellen Sihlpost: Unter den 2000 Mitarbeitenden findet sich immer jemand, der Bescheid weiss. Kann ein Brief weder zugestellt noch zurückgeschickt werden, gilt er als «unanbringlich». Nur drei Personen auf der Sihlpost sind berechtigt, solche Sendungen zu öffnen. Falls der Inhalt keine weiteren Aufschlüsse gibt, kommt nach einer mehrmonatigen Lagerung der Schredder zum Zug.
Robert Suter, Peter Hug, José Casas Betriebsmitarbeiter Logistik