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08.03.2017 Aufrufe

0 30 SERVICE roten Dreideckers wurde er von seinen Gegnern respektvoll »the red baron« (»der Rote Baron«) genannt. Die 1938 gebaute Richthofenstraße hieß zwischen 1945 und 1954 »Kurze Straße«. Im Inselboten 50/1954 stand unter Bekanntmachungen: »Durch Beschluss der Gemeindevertretung ( …) ist die bisherige ,Kurze Straße’ in ,Richthofenstraße’ umbenannt worden. Boberg, Kur- und Gemeindedirektor.« Die Richthofenstraße ist die einzige Straße auf Wangerooge, die den Namen einer Persönlichkeit trägt, die kein politisches Amt bekleidete oder zur Oldenburger Regentschaft gehörte. Robbenstraße An der auf einem Dünenrücken angelegten Robbenstraße wurden die ersten Häuser des heutigen Dorfes gebaut. Hier stehen noch drei Häuser, die aus dem Jahre 1863 stammen (Am Dorfplatz Nr. 8, 10 und 12). Diese wurden damals im Westdorf abgebrochen und hier wieder aufgebaut. Die Robbenstraße war die erste Straße, der die Insulaner überhaupt einen Namen gaben. Am 7. Oktober 1910 schrieb der Gemeinderat den Namen Robbenstraße fest. August Tannen (links im Bild), der alte, erfahrene Seehundsjäger mit der langen Hakenstange, stellt sich mit zwei »Sonntagsjägern« und reicher Beute dem Fotografen (um 1904). Der Insulaner wohnte in der Robbenstraße. Der Gestank beim Ausbraten des Seehundsspecks erregte häufig das Missfallen seiner Nachbarn. Ein ausgewachsener Seehund brachte acht Liter Tran, der unter anderem zum Abdichten von Lederstiefeln gebraucht wurde. Rösingstraße Die Rösingstraße wurde nach dem aus Jever stammenden Hajo Rösing benannt, der im Jahre 1882 das Kurhaus-Hotel übernahm (siehe Carstensstraße). Als Besitzer des Kurhauses war er Pächter des Bades, nannte sich »Badedirektor« und durfte die Kurtaxe kassieren. Rösing gab einen eigenen Prospekt heraus, in dem er 1896 schrieb: »Es findet sich hier ein sehr angenehmes Zusammenleben eines gebildeten Gesellschaftskreises.« Unter Rösings Leitung entstand u. a. ein neues Warmbadehaus mit sechs Badezellen. Auch »hielt« er sich während der Saison einen Badearzt, und er ließ an seinen sechs Villen entlang den ersten gepflasterten Weg zum Strand legen. Rösing war ein mutiger Kaufmann; durch seine Tatkraft entwickelte sich das Bad rasch. 1896 jedoch musste der »König von Wangerooge« überraschend Konkurs anmelden. Fast das gesamte Badeinventar, wie 77 Strandkörbe, 50 Badekutschen und das Warmbadehaus übernahm die Gemeinde. Nach seinem Ruin soll Rösing gesagt haben, als der Bewerber um seine Tochter diese trotzdem heiratete: »Dann muss es ja wohl Liebe sein!« Schulstraße An der Schulstraße wurde 1906 eine Volksschule (das heutige Haus Nr. 2) gebaut. In zwei Klassenräumen wurden neun Jahrgänge unterrichtet. Kurz vor Kriegsende 1945 wurde ein Teil des Gebäudes zerstört. Nach einem Übergang in der Jadekaserne baute die Gemeinde 1958 an der Nikolausstraße eine Grundschule. Nach der 4. Klasse wechselten die Schüler an das »Insel-Gymnasium« in der Charlottenstraße, das bis heute noch so heißt, obwohl es nur von 1959 bis 1974 möglich war, dort Abitur zu machen. Jetzt gibt es einen Hauptschul-, Realschulund Gymnasialzweig. Für das Abitur müssen die Gymnasiasten nach der 10. Klasse ans Festland. Viele gehen ins Internat nach Esens. Seit der Zusammenlegung beider Schulen 2012/2013 wegen rückläufiger Schülerzahlen werden alle Schüler im »Insel-Gymnasium« unterrichtet.

SERVICE 031 Siedlerstraße Der Siedlungsbau für Arbeiterfamilien wurde in der NS-Zeit vom Staat und den Gemeinden besonders gefördert. Auf Wangerooge entstanden daher zwischen 1934 und 1936 im Zuge dieser Förderung die sogenannten Siedlerhäuser. Das Richtfest für die letzten sieben Siedlerhäuser fand am 4. März 1936 statt. 1935 forderte die Bauleitung der Luftwaffe zum Transport von Baumaterial vom Bahnhof zu dem im Aufbau befindlichen Flugplatz eine Straße. Im Mai 1936 wurde mit der Pflasterung der Straße begonnen, die ursprünglich südlich der Häuser verlaufen sollte. Wegen des dort schlechten Untergrundes wurde sie dann aber an der Nordseite der Häuser gebaut. Dadurch bekamen die Hausbesitzer an der Siedlerstraße verhältnismäßig große Gartenflächen hinter ihren Häusern. Westingstraße Anton Gerhard Westing (geb. 1768, gest. 1855) aus Rodenkirchen entstammte einer Pastorenfamilie. Obwohl die Westingstraße nach ihm benannt wurde, wird der Name Westing heute hauptsächlich mit seiner Frau Bernhardine Samuele Westing (geb. 1794, gest. 1874) verbunden. Sie war die Tochter des Kaufmannes Gottlieb Jordan in Minden. 1829 wurde der spätere Geheime Hofrat Anton Gerhard Westing von der Hofverwaltung in Oldenburg zum Badekommissar für die Zeit der Badesaison auf Wangerooge eingesetzt. Da er aber bereits ein Alter von 62 Jahren erreicht hatte, überließ er dieses Amt, diese sommerliche »Herrschaft der hundert Tage«, lieber seiner jüngeren Frau. Die »Geheime Hofrätin«, wie sie genannt wurde, hatte nach und nach alle wichtigen Ämter auf sich vereinigt. Auch wenn ihre Alleinherrschaft nicht unumstritten bei den Insulanern war, leitete sie 24 Jahre die Seebadeanstalt mit so viel Geschick, dass diese Zeit als die »Ära Westing« in die Inselgeschichte einging. Zedeliusstraße Im Jahre 1890 erteilte die Oldenburger Regierung den Auftrag, die Dünen nördlich der heutigen Charlottenstraße so zu planieren, dass drei terrassenähnliche Bauebenen entstehen. Die Düne mit der für die Schifffahrt wichtigen Bake (heute Café Pudding) sollte erhalten bleiben. An den Auftrag war die Bedingung geknüpft, eine drei Meter breite Fahrstraße vom südlichen Dorfrand bis zur Dünenbake zu bauen. Im Frühjahr 1891 war diese als erste Straße fertiggestellt. Sie wurde im Volksmund »Chaussee« und im Badeprospekt »Hauptstraße« genannt. Seit 1904 heißt sie (bis auf eine Umbenennung in »Straße der SA« im III. Reich) »Zedeliusstraße«. Heinrich Bernhard Friedrich August Zedelius (geb. 1840, gest. 1904) entstammte einer oldenburgischen Pastoren- und Juristenfamilie. Er war von 1888 bis 1900 Amtshauptmann in Jever und galt als besonderer Förderer Wangerooges. Seine Wertschätzung auf der Insel wird darin deutlich, dass schon 17 Tage nach seinem Tod am 2. Mai 1904 der Antrag gestellt wurde, die »Chaussee« nach ihm zu benennen. Der Rat nahm diesen Antrag einstimmig an. TEXT: BÜRGERVEREIN WANGEROOGE FOTOS: EVELYN GENUIT WERTE ERHALTEN – ENERGIE SPAREN – LEBENSWERT WOHNEN Von der Energiesparberatung bis zum Bodendesign, von der kreativen Innenraumgestaltung bis zur Einblasdämmung – bei Nietiedt finden Sie alle Fachleute und Kompetenzen unter einem Dach. Nietiedt – Ihr kompetenter Partner für Sanierungslösungen auf der Insel Wangerooge! NIETIEDT GRUPPE Gerüstbau · Oberflächentechnik · Malerbetriebe · Dämmtechnik und Putz Zum Ölhafen 6 · 26384 Wilhelmshaven · Telefon 0 44 21 / 30 04 - 00 Telefax 0 44 21 / 30 04 - 0100 · www.nietiedt.com · E-Mail info@nietiedt.com

0 30 SERVICE<br />

roten Dreideckers wurde er von seinen<br />

Gegnern respektvoll »the red baron« (»der<br />

Rote Baron«) genannt.<br />

Die 1938 gebaute Richthofenstraße hieß<br />

zwischen 1945 und 1954 »Kurze Straße«. Im<br />

Inselboten 50/1954 stand unter Bekanntmachungen:<br />

»Durch Beschluss der Gemeindevertretung<br />

( …) ist die bisherige ,Kurze Straße’<br />

in ,Richthofenstraße’ umbenannt worden.<br />

Boberg, Kur- und Gemeindedirektor.«<br />

Die Richthofenstraße ist die einzige Straße<br />

auf Wangerooge, die den Namen einer<br />

Persönlichkeit trägt, die kein politisches Amt<br />

bekleidete oder zur Oldenburger Regentschaft<br />

gehörte.<br />

Robbenstraße<br />

An der auf einem Dünenrücken angelegten<br />

Robbenstraße wurden die ersten Häuser des<br />

heutigen Dorfes gebaut. Hier stehen noch<br />

drei Häuser, die aus dem Jahre 1863 stammen<br />

(Am Dorfplatz Nr. 8, 10 und 12). Diese<br />

wurden damals im Westdorf abgebrochen<br />

und hier wieder aufgebaut. Die Robbenstraße<br />

war die erste Straße, der die Insulaner<br />

überhaupt einen Namen gaben. Am 7. Oktober<br />

1910 schrieb der Gemeinderat den Namen<br />

Robbenstraße fest.<br />

August Tannen (links im Bild), der alte,<br />

erfahrene Seehundsjäger mit der langen Hakenstange,<br />

stellt sich mit zwei »Sonntagsjägern«<br />

und reicher Beute dem Fotografen<br />

(um 1904). Der Insulaner wohnte in der Robbenstraße.<br />

Der Gestank beim Ausbraten des<br />

Seehundsspecks erregte häufig das Missfallen<br />

seiner Nachbarn. Ein ausgewachsener<br />

Seehund brachte acht Liter Tran, der unter<br />

anderem zum Abdichten von Lederstiefeln<br />

gebraucht wurde.<br />

Rösingstraße<br />

Die Rösingstraße wurde nach dem aus Jever<br />

stammenden Hajo Rösing benannt, der<br />

im Jahre 1882 das Kurhaus-Hotel übernahm<br />

(siehe Carstensstraße). Als Besitzer des Kurhauses<br />

war er Pächter des Bades, nannte sich<br />

»Badedirektor« und durfte die Kurtaxe kassieren.<br />

Rösing gab einen eigenen Prospekt<br />

heraus, in dem er 1896 schrieb: »Es findet<br />

sich hier ein sehr angenehmes Zusammenleben<br />

eines gebildeten Gesellschaftskreises.«<br />

Unter Rösings Leitung entstand u. a.<br />

ein neues Warmbadehaus mit sechs Badezellen.<br />

Auch »hielt« er sich während der Saison<br />

einen Badearzt, und er ließ an seinen sechs<br />

Villen entlang den ersten gepflasterten Weg<br />

zum Strand legen.<br />

Rösing war ein mutiger Kaufmann;<br />

durch seine Tatkraft entwickelte sich das<br />

Bad rasch. 1896 jedoch musste der »König<br />

von Wangerooge« überraschend Konkurs<br />

anmelden. Fast das gesamte Badeinventar,<br />

wie 77 Strandkörbe, 50 Badekutschen und<br />

das Warmbadehaus übernahm die Gemeinde.<br />

Nach seinem Ruin soll Rösing gesagt haben,<br />

als der Bewerber um seine Tochter diese<br />

trotzdem heiratete: »Dann muss es ja wohl<br />

Liebe sein!«<br />

Schulstraße<br />

An der Schulstraße wurde 1906 eine Volksschule<br />

(das heutige Haus Nr. 2) gebaut. In<br />

zwei Klassenräumen wurden neun Jahrgänge<br />

unterrichtet. Kurz vor Kriegsende 1945<br />

wurde ein Teil des Gebäudes zerstört. Nach<br />

einem Übergang in der Jadekaserne baute<br />

die Gemeinde 1958 an der Nikolausstraße<br />

eine Grundschule. Nach der 4. Klasse wechselten<br />

die Schüler an das »Insel-Gymnasium«<br />

in der Charlottenstraße, das bis heute<br />

noch so heißt, obwohl es nur von 1959 bis<br />

1974 möglich war, dort Abitur zu machen.<br />

Jetzt gibt es einen Hauptschul-, Realschulund<br />

Gymnasialzweig. Für das Abitur müssen<br />

die Gymnasiasten nach der 10. Klasse<br />

ans Festland. Viele gehen ins Internat nach<br />

Esens.<br />

Seit der Zusammenlegung beider Schulen<br />

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werden alle Schüler im »Insel-Gymnasium«<br />

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