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08.03.2017 Aufrufe

0 26 SERVICE d as sind Fragen, die selbst Insulaner oft nicht so einfach beantworten können. Und wie dann erst die unzähligen SchülerInnen aus den Schullandheimen, die von ihren LehrerInnen auf eine Inselrallye geschickt werden? Als Projekt für das Jubiläumsjahr – Wangerooge feiert 2004 das 200 Jahre-Seebad-Jubiläum – hat sich der Wangerooger Bürgerverein dieses Themas angenommen. Über das ganze Jahr wurden Buttons mit 12 verschiedenen attraktiven Inselmotiven zum Stückpreis von 1,00 € verkauft, um damit die neu anzufertigenden Straßenschilder mit den Erklärungen zu Personen und anderem zu finanzieren. Da griffen viele gern zu! Auf dem Markt ist ein Taschenbüchlein, das auf amüsante und sehr informative Weise noch genauer auf die Straßennamen eingeht, als dies ein kleines Schild tun kann. Die Reinerlöse aus dem Verkauf des Straßenbüchleins werden für das Befestigungsmaterial eingesetzt. Gegen eine Spende von 2€ kann dieses Büchlein in mehreren Geschäften auf Wangerooge erworben oder telefonisch beim Ehepaar Schöppe (Tel. 04469 213) bestellt werden. Für alle, die mit der Geschichte Wangerooges nicht so vertraut sind, mögen folgende Hinweise zum allgemeinen Verständnis dienen: Durch Erbfolge und Kriege wechselte die politische Zugehörigkeit Wangerooges im Laufe der Jahrhunderte immer wieder. Die Ernst Schöppe Strömungsverhältnisse (von West nach Ost) bewirken eine natürliche »Wanderung« der Insel. Das alte Dorf, das sogenannte Westdorf (weil es vor dem heutigen Westen der Insel lag), wurde durch Sturmfluten 1854/55 zum großen Teil zerstört. Nur wenige Familien siedelten sich 1863 im damaligen Osten der Insel wieder an. Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde das Dünengelände nördlich der heutigen Charlottenstraße in drei Bauebenen für eine großzügige Bebauung planiert. Nach Zustimmung des Großherzogs wurden vom Wangerooger Gemeinderat 1910 Namen für elf Straßen festgeschrieben. Viele Straßennamen zeigen die politische Zugehörigkeit und Verbundenheit zum Großherzogtum Oldenburg, wie z. B. die Charlottenstraße nach Herzogin Sophie Charlotte (1877–1964). Die Straßennamen auf der Insel zeigen auf ihre Weise Brüche, Neuanfänge und Entwicklungen in der Geschichte Wangerooges auf. Mittlerweile gibt es die 6. Auflage der vom sehr engagierten Wangerooger Bürgerverein herausgegebene Broschüre »Damenpfad und Bootsweg«. Sie enthält alle interessanten Straßennamen Wangerooges mit zum Teil bebilderten Erläuterungen. Abzüglich der Material- und Druckkosten kommt Ihre Spende wieder voll verschiedenen Projekten des Bürgervereins zugute. Der bedankt sich bei allen, die bei der Herstellung der 6. Auflage mitgewirkt haben. Der Bürgerverein dankt auch allen Sponsoren, die zur Finanzierung der Straßenschilder und Straßen-Erläuterungsschilder beigetragen haben. Das kleine »Taschenbüchlein« bietet in alphabetischer Reihenfolge wichtige Informationen, interessante Hintergründe und unterhaltsame Anekdoten über die Herkunft der Namen und gibt damit auch Aufschluss über die kulturhistorische und Insel-politische Entwicklung Wangerooges. Achtern Diek Achtern Diek ist plattdeutsch und bedeutet »Hinterm Deich«. Das ist auch wörtlich zu nehmen, denn die Straße liegt hinter dem Dorfdeich und wer die Richthofenstraße nach Süden in Richtung Dorfdeich geht, sieht auf Höhe der Wetterschutzhütte (rechts) sogar noch Reste des Dorfgrodendeiches von 1902, der nach der verheerenden Sturmflut von 1962 durch den höheren neuen Deich ersetzt wurde. Ebenfalls im Dorfgroden – westlich von Achtern Diek – liegt die Straße Am Dorfdeich Süd. Sie ist die südlichste Straße vor dem Dorfdeich. Die beiden Straßen Achtern Diek und Am Dorfdeich Süd sind bis jetzt die letzten, die auf Wangerooge gebaut wurden. Beginn der Bebauung 1998 beziehungsweise 1999. Anton-Günther-Straße Anton Günther (geb. 1583, gest. 1667), Graf von Oldenburg von 1603 bis 1667. 1603 übernahm der 20-jährige Anton Günther die Herrschaft seines Vaters. Er griff den Gedanken seines Großvaters wieder auf, der die Kaufleute, die die Stadt Bremen auf der Weser ansegelten, durch einen Zoll zur Kasse bitten wollte. 1623 bekam er die Befugnis vom Kaiser, den sogenannten Weserzoll zu erheben. Allerdings war mit dem Privileg die Errichtung einer »immerwährenden Leuchte« auf dem von seinem Vater erbauten Seeturm (Alter Westturm) verbunden. Diese Leuchte war das erste Leuchtfeuer an der deutschen Nordseeküste. Auf Befehl von Graf Anton Günther wurden 1630 im Wangerooger Watt Austernbänke angelegt. Die Austern durften nur an den Hof in Oldenburg geliefert werden. Wangerooge erlebte unter seiner Regierung die erste wirtschaftliche Blüte. Mit Anton Günther starb am 19. Juni 1667 der letzte Graf von Oldenburg. Bootsweg Schon vor der Gründung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) 1865 gab es auf Wangerooge ein Rettungsboot. Nach verschiedenen Standorten wurde 1939 in der Nähe des heutigen Willehad-Heimes am Bootsweg ein massiver Bootsschuppen gebaut. Der Bootsweg erhielt seinen Namen, da auf diesem Weg die auf einem Ablaufwagen liegenden Rettungsboote von 2 bis 3 Gespannen zum Strand oder Watt gezogen wurden. Die Hinterräder des Bootswagens liefen auf

SERVICE 027 Platten, um ein Versinken im Sand zu verhindern. Mit dem Bug voran musste der Wagen im tiefen Wasser stehen, bevor das Boot von der Schräge gleiten und von der Mannschaft zur Unglücksstelle gerudert werden konnte. Viele mutige Insulaner, deren Namen im Ehrenbuch der Gemeinde festgehalten sind, haben auf den Booten Dienst getan. Carstensstraße 1910 beschloss der Gemeinderat, 11 Straßen Namen zu geben. Die Straße, die von dem eingedeichten Groden aus nach Norden am Kurhaus vorbei verlief, sollte »Carstensstraße« heißen, nach Johann Friedrich Carstens, Sohn des bis 1856 amtierenden letzten Vogtes im Westdorf der Insel. Er baute 1865/66 das erste zweistöckige Haus im neuen Dorf, einen Gasthof, welcher seit 1874 »Kurhaus« genannt wurde und nordöstlich der evangelischen Kirche stand, und Logierzimmer hatte. Auf der noch baumlosen Insel war dieser Gasthof schon vom Schiff aus zu sehen. In dem angebauten Saal fanden ab 1892 erstmalig Veranstaltungen zur Unterhaltung der Gäste statt. Anfang der 90er Jahre erfreute die als Sängerin ausgebildete Tochter des Kurhausbesitzers Rösing die Gäste. 1872 verkauften die Eheleute Carstens das gesamte »Carstens’sche Etablissement«. 1940 brannte das Kurhaus-Hotel bis auf die Grundmauern nieder; ein überhitzter Ofen war die Ursache des Feuers. Charlottenstraße Sophie Charlotte, Herzogin von Oldenburg (geb. 1879, gest. 1964). Sie war Tochter des Großherzogs Friedrich August. Als junges Mädchen verbrachte sie die Sommerferien mit ihrer Familie meist auf Wangerooge. Die Familie reiste auf der großherzoglichen Yacht »Lensahn« an. Noch im hohen Alter fragte Sophie Charlotte bei Abfahrt deshalb nicht, wann der Zug fahre, sondern: »Wann geht das Boot?« 1961 kam sie zum letzten Mal auf die Insel. Bis in die 30er Jahre war die Charlottenstraße (heute die längste Straße der Insel) nicht gepflastert. Es gab nur einen gepflasterten Fußweg zwischen Apotheke und Jadekaserne, der heutigen Inselschule. Von 1933 bis 1945 hieß die Charlottenstraße Adolf- Hitler-Straße. Christian-Janßen-Straße Conrad Christian Janßen kam 1861 als Zimmermeister von Hooksiel nach Wangerooge. Als einziger Handwerksmeister der Insel baute er aus den Trümmern des Westdorfes die ersten Häuser des jetzigen Dorfes um den Dorfplatz. 1881 war er Bezirksvorsteher von Wangerooge, das Teil der Gemeinde Minsen war. Kurz nach seiner Verpflichtung 1883 zum Ortsvorsteher wurden die Bepflanzung des südlichen heutigen Dorfplatzes mit Erlen – es waren die ersten Bäume auf der Insel – sowie die Verbote, Unrat auf die Wege zu werfen und Schafe in den Anpflanzungen weiden zu lassen, beschlossen. Am 12. März 1885 wurde er zum ersten Vorsteher der neu gegründeten Gemeinde Wangerooge gewählt. Im Jahre 1905 kündigte er wegen seines hohen Alters seine vielfältigen Tätigkeiten in der Gemeinde. Ein Wort zum Abschied bezeichnete sein segenreiches Wirken: »Sein mildes Wort bannte Tränen, Not und Schmerz.«

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as sind Fragen, die selbst Insulaner<br />

oft nicht so einfach beantworten<br />

können. Und wie dann<br />

erst die unzähligen SchülerInnen<br />

aus den Schullandheimen, die von ihren<br />

LehrerInnen auf eine Inselrallye geschickt<br />

werden? Als Projekt für das Jubiläumsjahr –<br />

Wangerooge feiert 2004 das 200 Jahre-Seebad-Jubiläum<br />

– hat sich der Wangerooger<br />

Bürgerverein dieses Themas angenommen.<br />

Über das ganze Jahr wurden Buttons mit<br />

12 verschiedenen attraktiven Inselmotiven<br />

zum Stückpreis von 1,00 € verkauft, um damit<br />

die neu anzufertigenden Straßenschilder<br />

mit den Erklärungen zu Personen und anderem<br />

zu finanzieren. Da griffen viele gern<br />

zu! Auf dem Markt ist ein Taschenbüchlein,<br />

das auf amüsante und sehr informative Weise<br />

noch genauer auf die Straßennamen eingeht,<br />

als dies ein kleines Schild tun kann.<br />

Die Reinerlöse aus dem Verkauf des Straßenbüchleins<br />

werden für das Befestigungsmaterial<br />

eingesetzt.<br />

Gegen eine Spende von 2€ kann dieses<br />

Büchlein in mehreren Geschäften auf Wangerooge<br />

erworben oder telefonisch beim<br />

Ehepaar Schöppe (Tel. 04469 213) bestellt<br />

werden.<br />

Für alle, die mit der Geschichte Wangerooges<br />

nicht so vertraut sind, mögen folgende<br />

Hinweise zum allgemeinen Verständnis dienen:<br />

Durch Erbfolge und Kriege wechselte<br />

die politische Zugehörigkeit Wangerooges im<br />

Laufe der Jahrhunderte immer wieder. Die<br />

Ernst Schöppe<br />

Strömungsverhältnisse (von West nach Ost)<br />

bewirken eine natürliche »Wanderung« der<br />

Insel. Das alte Dorf, das sogenannte Westdorf<br />

(weil es vor dem heutigen Westen der<br />

Insel lag), wurde durch Sturmfluten 1854/55<br />

zum großen Teil zerstört. Nur wenige Familien<br />

siedelten sich 1863 im damaligen Osten<br />

der Insel wieder an. Anfang der 90er Jahre<br />

des 19. Jahrhunderts wurde das Dünengelände<br />

nördlich der heutigen Charlottenstraße<br />

in drei Bauebenen für eine großzügige<br />

Bebauung planiert. Nach Zustimmung des<br />

Großherzogs wurden vom Wangerooger Gemeinderat<br />

1910 Namen für elf Straßen festgeschrieben.<br />

Viele Straßennamen zeigen die politische<br />

Zugehörigkeit und Verbundenheit<br />

zum Großherzogtum Oldenburg, wie z. B.<br />

die Charlottenstraße nach Herzogin Sophie<br />

Charlotte (1877–1964). Die Straßennamen<br />

auf der Insel zeigen auf ihre Weise Brüche,<br />

Neuanfänge und Entwicklungen in der Geschichte<br />

Wangerooges auf.<br />

Mittlerweile gibt es die 6. Auflage der<br />

vom sehr engagierten Wangerooger Bürgerverein<br />

herausgegebene Broschüre »Damenpfad<br />

und Bootsweg«. Sie enthält alle interessanten<br />

Straßennamen Wangerooges mit zum<br />

Teil bebilderten Erläuterungen.<br />

Abzüglich der Material- und Druckkosten<br />

kommt Ihre Spende wieder voll verschiedenen<br />

Projekten des Bürgervereins zugute.<br />

Der bedankt sich bei allen, die bei der Herstellung<br />

der 6. Auflage mitgewirkt haben.<br />

Der Bürgerverein dankt auch allen Sponsoren,<br />

die zur Finanzierung der Straßenschilder<br />

und Straßen-Erläuterungsschilder beigetragen<br />

haben.<br />

Das kleine »Taschenbüchlein« bietet in<br />

alphabetischer Reihenfolge wichtige Informationen,<br />

interessante Hintergründe und<br />

unterhaltsame Anekdoten über die Herkunft<br />

der Namen und gibt damit auch Aufschluss<br />

über die kulturhistorische und Insel-politische<br />

Entwicklung Wangerooges.<br />

Achtern Diek<br />

Achtern Diek ist plattdeutsch und bedeutet<br />

»Hinterm Deich«. Das ist auch wörtlich<br />

zu nehmen, denn die Straße liegt hinter dem<br />

Dorfdeich und wer die Richthofenstraße<br />

nach Süden in Richtung Dorfdeich geht, sieht<br />

auf Höhe der Wetterschutzhütte (rechts) sogar<br />

noch Reste des Dorfgrodendeiches von<br />

1902, der nach der verheerenden Sturmflut<br />

von 1962 durch den höheren neuen Deich ersetzt<br />

wurde.<br />

Ebenfalls im Dorfgroden – westlich von<br />

Achtern Diek – liegt die Straße Am Dorfdeich<br />

Süd. Sie ist die südlichste Straße vor<br />

dem Dorfdeich. Die beiden Straßen Achtern<br />

Diek und Am Dorfdeich Süd sind bis jetzt die<br />

letzten, die auf Wangerooge gebaut wurden.<br />

Beginn der Bebauung 1998 beziehungsweise<br />

1999.<br />

Anton-Günther-Straße<br />

Anton Günther (geb. 1583, gest. 1667), Graf<br />

von Oldenburg von 1603 bis 1667.<br />

1603 übernahm der 20-jährige Anton<br />

Günther die Herrschaft seines Vaters. Er<br />

griff den Gedanken seines Großvaters wieder<br />

auf, der die Kaufleute, die die Stadt Bremen<br />

auf der Weser ansegelten, durch einen Zoll<br />

zur Kasse bitten wollte. 1623 bekam er die<br />

Befugnis vom Kaiser, den sogenannten Weserzoll<br />

zu erheben. Allerdings war mit dem<br />

Privileg die Errichtung einer »immerwährenden<br />

Leuchte« auf dem von seinem Vater<br />

erbauten Seeturm (Alter Westturm) verbunden.<br />

Diese Leuchte war das erste Leuchtfeuer<br />

an der deutschen Nordseeküste. Auf Befehl<br />

von Graf Anton Günther wurden 1630<br />

im Wangerooger Watt Austernbänke angelegt.<br />

Die Austern durften nur an den Hof in<br />

Oldenburg geliefert werden. Wangerooge erlebte<br />

unter seiner Regierung die erste wirtschaftliche<br />

Blüte. Mit Anton Günther starb<br />

am 19. Juni 1667 der letzte Graf von Oldenburg.<br />

Bootsweg<br />

Schon vor der Gründung der Deutschen<br />

Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger<br />

(DGzRS) 1865 gab es auf Wangerooge ein<br />

Rettungsboot. Nach verschiedenen Standorten<br />

wurde 1939 in der Nähe des heutigen<br />

Willehad-Heimes am Bootsweg ein massiver<br />

Bootsschuppen gebaut.<br />

Der Bootsweg erhielt seinen Namen, da<br />

auf diesem Weg die auf einem Ablaufwagen<br />

liegenden Rettungsboote von 2 bis 3 Gespannen<br />

zum Strand oder Watt gezogen wurden.<br />

Die Hinterräder des Bootswagens liefen auf

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