07.03.2017 Aufrufe

BLATTWERK AUSGABE 01*2017

BLATTWERK ist die offizielle Programm-Zeitschrift des Offenen Hauses Oberwart. Essays zu kultur- und gesellschafts-relevanten Themen, Interviews zum aktuellen Geschehen und Beiträge der im OHO ausstellenden KünstlerInnen ergänzen die vierteljährliche Programm-übersicht bzw. nehmen darauf Bezug. Ein wichtiges Anliegen von BLATTWERK ist die Einbindung und Präsentation des regionalen Angebotes in den Bereichen Kunst und Kultur, Handwerk und Kleingewerbe sowie Gastronomie und Kulinarik, was der Zeitschrift zusätzlichen Servicecharakter verleiht.

BLATTWERK ist die offizielle Programm-Zeitschrift des Offenen Hauses Oberwart. Essays zu kultur- und gesellschafts-relevanten Themen, Interviews zum aktuellen Geschehen und Beiträge der im OHO ausstellenden KünstlerInnen ergänzen die vierteljährliche Programm-übersicht bzw. nehmen darauf Bezug.

Ein wichtiges Anliegen von BLATTWERK ist die Einbindung und Präsentation des regionalen Angebotes in den Bereichen Kunst und Kultur, Handwerk und Kleingewerbe sowie Gastronomie und Kulinarik, was der Zeitschrift zusätzlichen Servicecharakter verleiht.

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MO., 5.6.<br />

14:00 UHR<br />

WANDERUNG<br />

AUF FREIEM FELD –<br />

HEIMAT ALS FELDFORSCHUNGSERLEBNIS<br />

Wanderung mit philosophischen<br />

Gesprächen, Lesungen, Musik<br />

Teilnahmegebühr € 15,–<br />

inkl. Bustransfer von Bucsu nach Rechnitz und kleiner Jausen<br />

Eigentlich sind wir sicher, was wir meinen, wenn<br />

wir Heimat und Wohnort gleichsetzen. Aber wie ist<br />

das mit uns Burgenländern, gebürtig oder gewählt.<br />

Österreich, Burgenland, Westungarn, Doppelmonarchie,<br />

Hianzen, Magyaren, Kroaten, Roma<br />

und ehemals Menschen jüdischer Abstammung –<br />

dieses Land spannt einen weiten geschichtlichen<br />

und gesellschaftlichen Bogen.<br />

Wir erwandern also an einem hoffentlich warmen<br />

und schönen Pfingstmontag diese geschichtsträchtige<br />

Heimat mit der Absicht, ihre Vergangenheit,<br />

ihre Gegenwart und ihre Zukunft zu erforschen.<br />

Und weil die Grenze im Burgenland immer schon<br />

eine wichtige politische Rolle gespielt hat, haben<br />

wir dafür eine ganz besondere Route ausgewählt.<br />

Neben dem alten Schienenstrang und Bahndamm<br />

von Rechnitz im Burgenland nach Bucsu in Ungarn<br />

wandern wir philosophierend, musikalisch<br />

begleitet und textlich unterstützt – mit Lesungen,<br />

musikalischen und philosophischen Einlagen an<br />

vorbereiteten Orten – zu Fuß durch eine wunderschöne<br />

Landschaft, vorbei am Kreuzstadl und dem<br />

aufgelassenen Bahnhof in Rechnitz über die<br />

Grenze, wo der „Eiserne Vorhang“ seine Spuren<br />

hinterlassen hat, hinunter ins Ungarische nach<br />

Bucsu, wo noch ein kleiner, alter K&K-Bahnhof ein<br />

symbolischer Rest des Schienenstrangs stehen.<br />

Für Verpflegung auf der etwa zehn Kilometer<br />

langen Strecke ist gesorgt, und ein Bus bringt uns<br />

nach erbrachter geistiger und körperlicher<br />

Ertüchtigung wieder zurück nach Rechnitz, wo wir<br />

in einem Buschenschank den Tag glücklich<br />

ausklingen lassen können.<br />

Eine organisierte Wanderung mit Lese- und<br />

Musikstationen, begleiteten philosophischen<br />

Gesprächen über Heimat und Grenze.<br />

Lesungen<br />

Theodora Bauer, Clemens Berger,<br />

György Dragoman, Karin Ivancsics,<br />

Katharina Tiwald, Peter Wagner<br />

Philosophische Gespräche<br />

Cornelia Bruell, Kai Kranner<br />

Musik<br />

Vlado Blum – Akkordeon<br />

Eveline Rabold – Gesang<br />

VOM PHILOSOPHIEREN IN<br />

BEWEGUNG<br />

„… schlendernd, immer wieder diese köstliche Ha! … Weisheit“<br />

Samuel Beckett, „Watts“<br />

Irgendwo in Großpetersdorf liegt ein Foto herum, entwickelt auf feinnoppigem<br />

Achtziger-Jahre-Karton. Die Frau darauf sieht ein bisschen so<br />

aus wie ich. Der Mann auch. Die kleine Kerlin, die ich bin, hockt zwischen<br />

den beiden und trägt rosa Sachen. Sie haben mich in Mönichkirchen den<br />

Berg hoch geschleppt, und ich habe es gehasst. Mit dem gleichen Un willen<br />

habe ich mich in irgendwelchen Semesterferien dem Schifahren verweigert:<br />

Wer fährt denn bitte Schi, wenn man lesen kann? Ich hatte aber viel zu<br />

wenige Bücher mit auf der Hütte: Na, dann doch Schifahren, und sogar<br />

eine schwarze Piste runter, als mein Vater zu mir sagte: Schau mal, wo du<br />

runtergefahren bist, hat es mich auf den türkis gewandeten Hintern gesetzt.<br />

Es mag also trotz allem Sitzfleisch und aller Bücherwurmigkeit<br />

Freude in der Bewegung liegen. Dass beim Joggen Glückshormone ausgeschüttet<br />

werden, die süchtig machen, hofft ja mindestens das halbe Land.<br />

Aber da wäre noch was anderes. Irgendetwas passiert mit dem Kopf und<br />

den Gedanken, wenn wir uns bewegen. Wenn wir zum Beispiel wandern.<br />

Vielleicht hat es etwas mit dem Geist zu tun, der dabei mitbewegt wird,<br />

obwohl das in Zeiten der Jakobsweg-Fußautobahn fast schon ein banaler<br />

Gedanke ist und die wahren Freigeister eventuell an den einsamen<br />

Schreibtischen zu suchen sind.<br />

Ich suche trotzdem nach Formulierungen für das Erlebnis der Freiheit, die<br />

in Bewegung liegt, glaube auch irgendwie daran, trotz meiner früheren<br />

Abneigung gegen die Ödigkeit des Spazierengehens, und frage in einem<br />

postmodernen Moment Tante Google, wie es denn die Philosophie mit<br />

dem Ambulieren hält, dem Lustwandeln. Witzigerweise soll gerade Sokrates,<br />

lese ich, der vermutlich allerbekannteste Philosoph, das Spazierengehen<br />

nur zum Auffinden von Dialogpartnern eingesetzt haben, diskutiert wurde<br />

dann im Sitzen. Vor allem die sophistischen Paraderhetoriker, lese ich,<br />

sollen andauernd hin- und hergegangen sein, Sokrates soll sie zum Sitzen<br />

fast genötigt haben! „Felder und Bäume wollen mich nichts lehren“, sagt<br />

er sogar genervt zum jüngeren Phaidros, der Sokrates einmal mitnimmt<br />

zu einem Spaziergang außerhalb der Stadtmauern.<br />

Wenn nun aber Felder und Bäume doch lehren? Phaidros, lese ich, ist mit<br />

seiner Umgebung viel verwachsener und verbundener als der Stadtmensch<br />

Sokrates. Und geht und geht. Nota bene: Auch Phaidros ist keiner, der<br />

sich und die Seinen brav bürgerlich sonntags im Park paradiert. Ich glaube,<br />

das ist der Knackpunkt: seine Augen durch die Welt zu tragen, in der man<br />

zu Hause ist, und die, denen man begegnet, als dieser Welt zugehörig zu<br />

begreifen. Speziell, wenn wir dort wandern, wo wir zu Hause sind, führt<br />

das durchs Philosophieren munter gemachte Denken uns die Augen anders<br />

und neu. Dann faltet sich sogar „Heimat“ auf – warum sollten wir uns die<br />

Heimat von rechtsrechts kontaminieren lassen? – und wird, begangen in<br />

Muße und guten Gesprächen, zum externen Herzberg.<br />

Die wahren Freigeister, übrigens, gehen sicher auch ab und zu spazieren,<br />

wandern, lustwandeln.<br />

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