Lernen durch Computerspiele: Das spielende Klassenzimmer?
Lernen durch Computerspiele: Das spielende Klassenzimmer?
Lernen durch Computerspiele: Das spielende Klassenzimmer?
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Sonntag, 24. Januar 2010<br />
<strong>Lernen</strong> <strong>durch</strong><br />
<strong>Computerspiele</strong>:<br />
<strong>Das</strong> <strong>spielende</strong><br />
<strong>Klassenzimmer</strong>?<br />
Univ.-Professor Dr. Helmut M. Niegemann<br />
LS <strong>Lernen</strong> und neue Medien<br />
Ringvorlesung Medienspiele - Spielemedien<br />
Erfurt, 8. Dezember 2009
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Überblick<br />
Warum (computer)<strong>spielende</strong>s, spielerisches<br />
<strong>Lernen</strong>?<br />
Spielen, <strong>Lernen</strong>, Lehren<br />
(Lern)Spielkategorien, Genres<br />
Theorie<br />
Beispiele, Bewertungen, Forschungsbefunde<br />
Fazit
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Erwartungen & „Visionen“<br />
Marc Prensky (2007): <strong>Das</strong> Problem<br />
schulischen <strong>Lernen</strong>s ist weniger, dass es so<br />
schwer ist, sondern dass es so langweilig ist,<br />
keinen Spaß macht. Für <strong>Lernen</strong> im Bereich<br />
der Weiterbildung gilt das in Potenz. ... Die<br />
Zukunft liegt im spielerischen <strong>Lernen</strong>. In<br />
allen Bereichen!<br />
Ist das so? Ist das <strong>spielende</strong><br />
<strong>Klassenzimmer</strong> die Zukunft?
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Spiel und Spielen (1)<br />
H. Heckhausen (1963): “SPIELEN ....“<br />
„undifferenzierte Zielstruktur und die<br />
unmittelbare Zeitperspektive“<br />
„Zweckfreiheit“<br />
„Quasi-Realität“<br />
„Handlungscharakter“<br />
Aktivierungszirkel
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Spiel und Spielen (2)<br />
H. Heckhausen (1963): “SPIELEN ....“<br />
Aktivierungszirkel, angeregt <strong>durch</strong> Diskrepanzen:<br />
„Neuigkeit“ ( gegenwärtige vs. frühere<br />
Wahrnehmung)<br />
„Überraschungsgehalt“ (Wahrnehmungen vs.<br />
Erwartungen)<br />
„Verwickeltheit“ (im gegenwärtigen<br />
Wahrnehmungsfeld)<br />
„Ungewissheit“ (zwischen verschiedenen<br />
Erwartungen)
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
LERNEN<br />
... Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen<br />
aufgrund von Erfahrung<br />
Wissenserwerb: Aufbau (Konstruktion) von<br />
Repräsentationen ➜ physikalische Umgebung,<br />
eigenes Handeln u. Handlungsmöglichkeiten,<br />
Handeln anderer, mentale Objekte (z.B.<br />
Symbole, Abstracta).<br />
Schemata, mentale Modelle
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
<strong>Lernen</strong> fördern: LEHREN<br />
L. Resnick (1976, 51): ... jedes Arrangement von<br />
Umgebungsbedingungen, das darauf abzielt,<br />
die Kompetenz von Personen zu verbessern.<br />
K.J. Klauer (1985): Lehrfunktionen<br />
Motivieren<br />
Informieren<br />
Verstehen sichern<br />
Behalten sichern<br />
Transfer sichern<br />
Organisation/Koordination des Lernprozesses
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
THEORIE: Was beeinflusst<br />
Wissenskonstruktion? (1)<br />
Cognitive Load: Begrenzte Kapazität des<br />
menschlichen Arbeitsgedächtnisses, Umfang<br />
gleichzeitig verarbeitbarer Informationen<br />
beschränkt; Aufmerksamkeit nicht auf<br />
mehrere Dinge gleichzeitig richten<br />
Experimente von R.E. Mayer (2005):<br />
Redundanzeffekt - Als „Anreicherung“ oder<br />
zur „Motivierung“ gedachte Informationen, die<br />
nicht unmittelbar zum Erwerb des Lehrstoffs<br />
beitragen, stören diesen.
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
THEORIE: Was beeinflusst<br />
Wissenskonstruktion? (2)<br />
Amount of Invested Mental Effort (G.<br />
Salomon, 1983): Ausmaß an investierter<br />
mentaler Anstrengung<br />
Experimente „TV is easy, print is tough“:<br />
Lernergebnis ist abhängig von der<br />
„Lerneinestellung“, der mentalen<br />
Lernanstrengung. Einstellung: „das ist<br />
einfach, locker“ führt zu deutlich<br />
schlechterem <strong>Lernen</strong> als bewusste<br />
Lernanstrengung
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
THEORIE: Was beeinflusst<br />
Wissenskonstruktion? (3)<br />
Motivation & Emotion<br />
Lern- und Leistungsmotivation (Ziele,<br />
Ursachenzuschreibungen), Volition<br />
Motivationale Orientierungen (Dweck<br />
1986): Aufgabenorientiert vs. Ego-<br />
Orientiert<br />
„Neugier“, Interesse<br />
Emotionen, affektive Stimmung („mood“)
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THEORIE (4): Bedingungen<br />
erfolgreichen <strong>Lernen</strong>s<br />
Vorwissen („Matthäus-Effekt“)<br />
„Time on Task“: Zeit, die mit Lehrstoff<br />
verbracht wird
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
THEORIE (5): Bedingungen<br />
erfolgreichen <strong>Lernen</strong>s<br />
Aebli (1980/81): „Denken - <strong>Das</strong> Ordnen<br />
des Tuns“<br />
Learning by Doing (R. Schank)<br />
Handlungspläne entwickeln<br />
Zielorientiert Informationen suchen,<br />
Wissen aufbauen<br />
Handlungspläne umsetzen<br />
<strong>Lernen</strong> aus Fehlern (natürl. Feedback)
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Kriterien zur Beurteilung der<br />
möglichen Lernwirksamkeit von<br />
Spielen<br />
Motivierungspotenzial, Interessegenese<br />
Information: Adäquater Umfang,<br />
Korrektheit<br />
Informationseffizienz (möglichst wenig<br />
überflüssige Information)<br />
Lernrelevante Handlungsmöglichkeiten<br />
Feedback: (möglichst informationsreiche)<br />
Rückmeldung über eigenes Handeln<br />
Transferförderung
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
(Lern)SPIELE: ARTEN, GENRES<br />
Drill & Practice mit Fun & Run & Jump<br />
Learning Adventures<br />
Simulationen<br />
(Goal Based Scenarios)<br />
Konstruktionsspiele<br />
Virtuelle Welten
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BEISPIELE<br />
DRILL & PRACTICE: „LITTLE<br />
PROFESSOR“ (TI 1975?)
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Einfach ÜBUNG<br />
Bewertung<br />
Wegen der unendlichen Geduld beim<br />
Feedback offensichtlich beliebt
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BEISPIELE<br />
ÖKOLOPOLY (1980,1984): „Kybernetien - ein Land der<br />
unbegrenzten Möglichkeiten? Als Staatschef steht es jedem frei,<br />
das auszuloten. Entscheidungen zu treffen, welche Bereiche wie<br />
stark verändert werden. Und mitzuerleben, welche Auswirkungen sich<br />
daraus ergeben. Denn Natur, Gesellschaft und Industrie bilden hier<br />
realitätsnah simuliert ein vernetztes System voller<br />
Wechselbeziehungen. Welche Entscheidungen man da als Staatschef<br />
auch trifft, oft ergeben sich unvermutete Auswirkungen.“
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Bewertung „Ökolopoly“<br />
Gut gemeinte, aber missratene Öko-<br />
Simulation<br />
Völlig unrealistisches Szenario, daher<br />
Vermittlung inadäquaten Wissens<br />
Lösungsstrategie sehr schnell<br />
<strong>durch</strong>schaubar, dann langweilig
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
BEISPIELE<br />
GLOBAL CONFLICT: PALESTINE
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Bewertung<br />
„Global Conflicts - Palestine“<br />
Zwischen Learning Adventure und Goal<br />
Based Scenario<br />
Gute Grafik, vielseitige<br />
Interaktionsmöglichkeiten; Einschränkungen<br />
bei Ergonomie (Navigation)<br />
Interessante Idee: Mehrspektivität<br />
Keine empirischen Befunde
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
ZWEISTEIN<br />
BEISPIELE
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Bewertung „2weistein“<br />
Kinder ab 7<br />
keine intrinsische Integration der<br />
Lernaufgaben<br />
Aufgabenschwierigkeit: Zu schnelle<br />
Steigerung der Schwierigkeit, beabsichtigte<br />
Adaptivität offensichtlich misslungen<br />
Spielen mit arithmetischen Übungsaufgaben<br />
Probleme mit Steuerung
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
RE-MISSION<br />
BEISPIELE
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Bewertung „RE-MISSION“<br />
Sehr aufwändig produziert, gute Grafik,<br />
Animation; entsprechende Anforderungen an Hw<br />
Konzeptionelle Schwächen: Spielspaß eher mäßig<br />
Wird schnell langweilig; Erfahrung mit<br />
Shooterspielen fast Voraussetzung<br />
C. Shen, H. Wang, & U. Ritterfeld (2009)
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
BIOLAB (1)<br />
BEISPIELE
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BIOLAB (1)<br />
BEISPIELE
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BIOLAB<br />
BEISPIELE
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BIOLAB<br />
BEISPIELE
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BIOLAB<br />
BEISPIELE
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Empirische Forschung:<br />
Studie 2007/08<br />
� Ist <strong>Lernen</strong> im Rahmen eines Lernadventures<br />
genauso wirksam, wie das <strong>Lernen</strong> mit den<br />
Lernmodulen des Spieles alleine?<br />
� Hypothese 1: Schüler, die das Lernspiel<br />
spielen, zeigen bessere Lernergebnisse, als<br />
Schüler , die nur mit den Lernmodulen<br />
lernen.<br />
� Hypothesis 2: Schüler, welche das Lernspiel<br />
spielen, zeigen besseren Lerntransfer als<br />
Schüler, die nur mit den Lernmodulen<br />
lernen.
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Empirische Forschung:<br />
Studie 2007/08<br />
� Verbessert das Lernspiel die Lernmotivation<br />
der Schüler, die das Lernspiel spielen?<br />
� Hypothese 3: Schüler, die das Lernspiel spielen<br />
entwickeln eine höhere Lernmotivation als<br />
diejenigen, die lediglich mit den Lernkomponenten<br />
des Spiels lernen.<br />
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� Versuchsplan: Experimentalgruppe [EG]<br />
(komplettes Lernspiel) und Kontrollgruppe [KG]<br />
(nur Lernteil); Vortest (8 Aufgaben) und<br />
Nachtest (28 Aufgaben), Motivationstest (7<br />
Fragen)<br />
� Stichprobe: 79 9.Klässler (38 männlich, 41<br />
weiblich), 3 Klassen (27, 29 und 28 Schüler),<br />
Alter 14-15<br />
Empirische Forschung:<br />
Studie 2007/08<br />
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� Durchführung:<br />
Empirische Forschung:<br />
Studie 2007/08<br />
1. Block 30 Minuten Einführung u. Vortest<br />
2. Block 45 Minuten Spielen/<strong>Lernen</strong><br />
3. Block 45 Minuten Nachtest<br />
Total: 120 Minuten<br />
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� Material:<br />
Empirische Forschung:<br />
Studie 2007/08<br />
Spiel Lernmodule<br />
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� Nachtest: Wissen/Verstehen<br />
� Mittelwerte: Experimentalgruppe: 10.42;<br />
Kontrollgruppe: 15.59<br />
� Kovarianzanalyse<br />
Empirische Forschung:<br />
Studie 2007/08 - Ergebnisse<br />
� Signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen<br />
(p=.000) - Aber nicht in erwarteter Richtung!<br />
� Effektstärke (ES): Vorwissen: d = 0.40; Zwischen<br />
den Gruppen d = 0.20<br />
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AT.LANT.IS<br />
BEISPIELE
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AT.LANT.IS<br />
BEISPIELE
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Bewertung „AT.LANT.IS“<br />
Anspruch: Lehrreiche Unterhaltung<br />
Verbindet soziale Interaktion,<br />
Rollenfantasie, Lernangebote;<br />
Sicherheitskonzept<br />
Entscheidend für Bewertung der<br />
Lerntauglichkeit: Qualität der (Lern-)<br />
Aufgaben<br />
Noch keine Forschungsergebnisse
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
BEISPIEL: AgentSheets<br />
AGENT SHEETS
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Bewertung „Agent Sheets“<br />
<strong>Lernen</strong> <strong>durch</strong> selbstständiges Konzipieren,<br />
Konstruieren, analog LEGO, Metallbaukasten<br />
usw. („constructionism“): Verstehen<br />
komplexer Zusammenhänge<br />
Hoher Anspruch, hohes Lernpotenzial, wenn<br />
Interesse geweckt wird<br />
Transfer (dann) wahrscheinlich (s. Studien<br />
zu LOGO)
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
FAZIT (1)<br />
Spielen und <strong>Lernen</strong> können miteinander<br />
vereinbar sein - unter bestimmten<br />
Bedingungen.<br />
Effektives <strong>Lernen</strong> i.S. von Wissens-<br />
konstruktion lässt sich genauso wenig<br />
erzwingen wie (Spaß am) Spielen: Man kann<br />
aber für beides günstige und anregende<br />
Bedingungen schaffen
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
FAZIT (2)<br />
Die Brauchbarkeit von Computerlernspielen<br />
für formal eingebundenes, systematisches,<br />
ergebnisorientiertes <strong>Lernen</strong> ist<br />
eingeschränkt: Eher informelles <strong>Lernen</strong><br />
Lernprozesse sind störanfällig (begrenztes<br />
Arbeitsgedächtnis bzw. nicht beliebig teilbare<br />
Aufmerksamkeit): Spielkomponenten ohne<br />
Bezug zu Lerninhalten beeinträchtigen<br />
Lernergebnis
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
FAZIT (3)<br />
Lernergebnisse sind nicht automatisch<br />
transferwirksam. Transfer muss explizit<br />
gefördert werden:<br />
Problem- und fallbasiertes <strong>Lernen</strong><br />
erfordert mehrere Fälle oder Probleme zum<br />
gleichen Inhalt: Hoher Aufwand (Zeit, Geld)
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
FAZIT (4): Formen von<br />
Computerlernspielen<br />
„Simulationen“: Realitätsnahe Handlungen bzw.<br />
Handlungsentscheidungen und informative<br />
Rückmeldungen: Naturwissenschaftliche<br />
Experimente, Unternehmensplanspiele,<br />
Ökosysteme (aber Negativbeispiel: Ökolopoly)<br />
Learning Adventures: Nur wenn Lernprozesse<br />
und -ergebnisse intrinsisch in die<br />
Spielhandlung integriert sind. Sonst eher<br />
ungeeignet.
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
FAZIT (5): Formen von<br />
Computerlernspielen<br />
„Jump & Run“: Für Üben geeignet, wenn<br />
„geduldig“ und angemessene Rückmeldungen<br />
Goal Based Scenarios: Nachweislich effektiv,<br />
theoretisch gut fundiert. Relativ aufwändig,<br />
eher für ältere Kinder, Jugendliche und<br />
Erwachsene
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
FAZIT (5): Formen von<br />
Computerlernspielen<br />
„Virtuelle Welten“: Lerneffektivität abhängig<br />
von den integrierten (Lern)Aufgaben bzw.<br />
Aktivitätsangeboten; inzidentelles <strong>Lernen</strong>.<br />
Sicherheitskonzepte.<br />
Noch keine empirischen Forschungsbefunde.
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
Literatur<br />
Ritterfeld, U., Cody, M., & Vorderer, P. (eds.)<br />
(2009): Serious Games. Mechanisms and<br />
Effects. New York, London: Routledge<br />
Niegemann, H.M. et al. (2008). Kompendium<br />
multimediales <strong>Lernen</strong>. Heidelberg, Berlin:<br />
Springer
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
VIELEN DANK FÜR IHR<br />
INTERESSE.<br />
FRAGEN?<br />
KOMMENTARE?
Sonntag, 24. Januar 2010<br />
VIELEN DANK FÜR IHR<br />
INTERESSE.<br />
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