RÜCKENzeit - Ausgabe Golf
Orthopädietechnik: Sensomotorische Einlagen, Physiotherapie: Sensomotorisches Training & CMD-Therapie, Im Portät: Golferin Stacy Lewis, Podo-Orthesiologie: Akvtivierte Muskeln
Orthopädietechnik: Sensomotorische Einlagen, Physiotherapie: Sensomotorisches Training & CMD-Therapie, Im Portät: Golferin Stacy Lewis, Podo-Orthesiologie: Akvtivierte Muskeln
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<strong>RÜCKENzeit</strong><br />
Das Skoliose-Magazin<br />
<strong>Ausgabe</strong> 1/2013<br />
Schwerpunkt <strong>Golf</strong>!<br />
Schwungvolle Therapie<br />
Sportliche Erfolge<br />
Wohltuende Bewegung<br />
Themen:<br />
Orthopädietechnik: Sensomotorische Einlagen<br />
Physiotherapie: Sensomotorisches Training & CMD-Therapie<br />
Im Porträt: <strong>Golf</strong>erin Stacy Lewis<br />
Podo-Orthesiologie: Aktivierte Muskeln<br />
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Bewegungsintelligenz<br />
ist lern- und lehrbar<br />
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EDITORIAL<br />
▲<br />
Iris Gabriel, Herausgeberin<br />
„Die Zeit ist eine mächtige Meisterin,<br />
sie bringt vieles in Ordnung“<br />
Von Pierre Corneille<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
Zeit ist Bewegung. Über diesen Zusammenhang haben sich schon viele<br />
Naturwissenschaftler, Philosophen und Schriftsteller Gedanken gemacht.<br />
Vielmehr geht es um Ihr persönliches Empfinden von Zeit und wie viel Sie<br />
davon in Bewegung sind. Wenn Sie schöne Dinge erleben, aktiv sind und neue<br />
Eindrücke sammeln, werden Sie das anders empfinden, als wenn Sie nichts<br />
erleben.<br />
Fotos: Tom Trenkle Fotografie<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> online:<br />
Unser Magazin können<br />
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www.rueckenzeit-magazin.de.<br />
Wir sind auch auf Facebook für Sie da.<br />
Wie viel Bewegung wäre notwendig, damit wir uns dauerhaft fit fühlen? 30<br />
Minuten jeden Tag zu laufen, wäre schon ein Anfang, denn der Mensch ist von<br />
seiner Anlage her als Ausdauerläufer konzipiert. „Der Steinzeitler“, von dem<br />
wir uns genetisch noch nicht entfernt haben, hatte einen Bewegungsradius<br />
von etwa 30 km pro Tag, den er barfuß auf der Suche nach Nahrung zurücklegte.<br />
Laufen war also überlebenswichtig!<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts waren wir noch täglich 10 bis 20 km auf den<br />
Beinen. Glaubt man aktuellen Untersuchungen, sind es heute weniger als<br />
1 km pro Tag. Sport oder Bewegung und zwar täglich, ist die beste Medizin.<br />
Umsonst, wirksam und nebenwirkungsfrei.<br />
Wann haben Sie sich zuletzt Gedanken darüber gemacht, wie Sie sich bewegen?<br />
Jeden Schritt einmal richtig bewusst wahrnehmen. Manche von Ihnen<br />
kennen es vielleicht noch von der Gangschule aus der Schroth-Therapie.<br />
In dieser <strong>Ausgabe</strong> werden wir uns mit dem Zusammenspiel von Fuß und<br />
Wirbelsäule beschäftigen und Ihnen Diagnostik und Therapiemöglichkeiten<br />
vorstellen. Lesen Sie zudem persönliche Erfolgsgeschichten von Patienten,<br />
die ihre eigene Bewältigungsstrategie gefunden haben.<br />
Ihre Erfahrungen mit Ihrer Skoliose interessieren uns sehr. Wir freuen uns,<br />
bald von Ihnen zu lesen.<br />
Schreiben Sie an redaktion@rueckenzeit-magazin.de<br />
Sportliche Grüße,<br />
Ihre Iris Gabriel<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
3<br />
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<strong>RÜCKENzeit</strong> <strong>Ausgabe</strong> 1/2013<br />
Inhalt<br />
Editorial....................................................................................................................................................... 3<br />
<strong>Golf</strong> – eine spielende 3-D-Therapie .................................................................................<br />
Die Spiraldynamik© als persönliches Sportprogramm<br />
6<br />
<strong>Golf</strong> ist Bewegung pur.................................................................................................................<br />
Ein Erfahrungsbericht einer jungen Skoliosepatientin<br />
Porträt: .....................................................................................................................................................<br />
Stacy Lewis<br />
8<br />
9<br />
Mit sensomotorischen Einlagen ins Gleichgewicht .........................................<br />
Diagnostik und Therapiechancen<br />
Sensomotorisches Training ...................................................................................................<br />
Über die Verbesserung von Mobilität & Gleichgewicht<br />
CMD-Therapie .................................................................................................................................. 14<br />
Fehlstatik im Biss- Symptome & Therapie<br />
Die Podo-Orthesiologie ............................................................................................................ 16<br />
Fußsohlenmuskulatur & Haltung<br />
Buchtipp................................................................................................................................................... 18<br />
Erfahrungsbericht............................................................................................................................ 19<br />
Die Skoliose meiner Tochter Ria<br />
Erfahrungsbericht............................................................................................................................ 21<br />
„Ich stehe zu mir und möchte anderen Mut machen“<br />
Impressum............................................................................................................................................. 23<br />
10<br />
12<br />
Fotos: © gunterkremer - Fotolia.com, Mizuno Corporation<br />
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<strong>Golf</strong> - eine spielende 3-D-Therapie<br />
Seite 6<br />
Stacy Lewis - Nr. I <strong>Golf</strong> Weltrangliste<br />
Seite 9<br />
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SPORT<br />
<strong>Golf</strong> – eine spielende<br />
3-D-Therapie<br />
<strong>Golf</strong> ist ein Altherrensport! So oder so ähnlich war<br />
es noch bis vor einigen Jahren zu hören. In der<br />
Zwischenzeit hat sich das Bild allerorts verändert:<br />
Junge Menschen üben mit viel Engagement und<br />
spielen sportlich orientiertes <strong>Golf</strong>. Kann auch der/<br />
die Skoliosepatient/in daran teilhaben? In diesem<br />
Artikel soll beleuchtet werden, was aus Sicht des<br />
Spiraldynamik®-Konzepts dafür spricht, <strong>Golf</strong><br />
zu einem Bestandteil des persönlichen Sportprogramms<br />
in der Skoliosetherapie zu machen.<br />
Von Dr. Jens Wippert<br />
Die Grundidee der Therapie nach dem Spiraldynamik®-<br />
Konzept ist Funktionalität, Dreidimensionalität und die<br />
Wirkung auf drei Ebenen. Die Aufrichtung der Wirbelsäule,<br />
die Detorsion des Beckens und des Rumpfes sind<br />
dabei wichtige Lernschritte hin zu einem koordinierten<br />
Gebrauch der gesamten Wirbelsäule in der Therapie und<br />
vor allem im Alltag. Unterstützt wird das Erlernen der<br />
richtigen Bewegungskoordination durch entsprechende<br />
Spiraldynamik®-Übungen, bevor sie kraftvoll in den<br />
Alltag integriert werden sollen: Joggen, Yoga, Pilates und<br />
vieles mehr kann so skoliosespezifisch besser trainiert<br />
werden. Für die rechtskonvexe Brustwirbelsäulen-Skoliose<br />
stellt das <strong>Golf</strong>spielen eine besonders attraktive Möglichkeit<br />
des Trainierens dar.<br />
Das Positive am <strong>Golf</strong>spielen<br />
Die richtig ausgeführte Schwungbewegung korrigiert die<br />
(rechtskonvexe Brustwirbelsäulen-)Skoliose in den von<br />
der Spiraldynamik® angedachten Richtungen: In der Ansprechposition<br />
ist das Becken aufgerichtet, der Kopf in<br />
Längsrichtung der Wirbelsäule verlängert, die Brustwirbelsäule<br />
aufgerichtet; die Wirbelsäule wird ohne starke<br />
muskuläre Anspannung längs unter Zug gebracht. Diese<br />
Grundausrichtung wird auch über den Schwungverlauf<br />
beibehalten. Beim Durchschwung rotiert der Oberkörper<br />
nach links und richtet sich über den Schwungverlauf<br />
sogar weiter auf. Das korrigiert die Brustwirbelsäulenposition.<br />
Die rechte Schulter bleibt auch am Ende des<br />
Schwungs tief, d. h. sie bewegt sich nicht in die Fehlposition<br />
nach vorne-oben. Das Becken dreht sich im Raum mit<br />
in die Schlagrichtung, ist jedoch langsamer als der Rumpf.<br />
Das Becken und die untere Lendenwirbelsäule bleiben<br />
aufgerichtet. Dadurch wird die Hüftstreckung v. a. der<br />
rechten Seite gefordert und gefördert. In der Kombination<br />
mit der Rumpfrotation ergibt sich in der Endposition<br />
eine dreidimensionale Verschraubung der Wirbelsäule,<br />
wie sie für die Standbeinphase rechts richtig ist: Wirbelsäule<br />
aufgerichtet, Becken nach hinten-unten-außen<br />
orientiert, das Hüftgelenk rechts gestreckt, der Rumpf<br />
nach links rotiert, die Brustwirbelsäule aufgerichtet (evtl.<br />
leicht aus der Seitneigung nach links gedreht), das Schulterblatt<br />
an den Rippen stabilisiert. Die perfekte dreidimensionale<br />
Korrektur der Skoliose!<br />
Das Negative am <strong>Golf</strong>spielen<br />
All die guten Eigenschaften der Schwungbewegung können<br />
natürlich nur zur Geltung kommen, wenn sie auch<br />
richtig ausgeführt werden. Geschieht dies nicht, entstehen<br />
hier – wie für jeden anderen <strong>Golf</strong>er ebenso – Gefahrenpotenziale.<br />
Fehlt die Aufrichtung der Wirbelsäule,<br />
wird die Weiterleitung der Drehbewegung vermindert<br />
und die Kräfte wirken v. a. in der überstreckten Lendenwirbelsäule.<br />
Die damit einhergehende fehlende Hüftstreckung<br />
verhindert ebenfalls die volle Kraftentfaltung. Eine<br />
vor allem sich in der Rotation befindliche unbewegliche<br />
Brustwirbelsäule verstärkt die Drehung in der Lendenwirbelsäule<br />
zusätzlich. Der korrigierende Effekt für die<br />
Brustwirbelsäule entfällt und wird häufig durch eine Seitneigung<br />
nach links ersetzt. Dadurch rutscht die rechte<br />
Schulter weiter über die Rippen nach vorne-oben und<br />
löst sich aus der stabilisierten Position am Rumpf.<br />
Vorbereitende Übungen<br />
Für eine korrekte Bewegungsausführung können einige<br />
Übungen zu Hause oder direkt vor dem <strong>Golf</strong>spiel in das<br />
Trainingsprogramm eingebaut werden.<br />
>><br />
Fotos: © ARochau - Fotolia.com, Praxis Elementhera<br />
6 <strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
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▲<br />
Abbildung 1<br />
▲<br />
Abbildung 2<br />
▲<br />
Abbildung 3<br />
Möglichkeit 1:<br />
Rotation im Einbeinkniestand<br />
Hier eine Übung für den <strong>Golf</strong>platz,<br />
die auch ohne Gummiband durchgeführt<br />
werden kann: Ausgangsstellung<br />
ist der Einbeinkniestand auf dem<br />
rechten Knie (für die rechtskonvexe<br />
Thorakalskoliose). Die Aufgabe lautet,<br />
das rechte Knie kraftvoll in den<br />
Boden zu schieben und den Kopf<br />
Richtung Decke auszurichten. Dann<br />
folgt die Rotation des Rumpfes nach<br />
links. Dabei soll sich das rechte Becken<br />
leicht nach hinten-unten-außen<br />
bewegen und die rechte Hand sich<br />
über den Rumpf gegen das Gummiband<br />
nach links drehen. Je gestraffter<br />
das Band, desto mehr Rotationswiderstand<br />
ist vorhanden. Die Bewegung<br />
bis zum individuellen Bewegungsende<br />
ausführen, dann langsam<br />
nachlassen und erneut drehen.<br />
(Abb. 1 + Abb. 2)<br />
Special: Skoliose-Paket<br />
• 1x Spiraldynamik®-<br />
Bewegungsanalyse (60 Minuten)<br />
• 4x Spiraldynamik®-Einzeltherapie<br />
(je 60 Minuten)<br />
• 1x Skoliose-Gruppenkurs (8<br />
Einheiten à 60 Minuten) nach<br />
Absolvierung der (meisten)<br />
Einzeltherapien<br />
Möglichkeit 2:<br />
Der Einbeinstand<br />
Die Ausgangsposition kann überall<br />
eingenommen werden, ein Stuhl,<br />
ein Tisch oder eine Bank sind völlig<br />
ausreichend. Das linke Bein sollte so<br />
hoch wie möglich aufgestellt werden.<br />
Ähnlich wie im Einbeinkniestand<br />
das Knie, wird nun die Ferse in<br />
den Boden geschoben und der Kopf<br />
zur Decke orientiert. Das Körpergewicht<br />
bleibt mittig auf dem Fuß.<br />
Das Becken wird rechts leicht nach<br />
hinten-unten-außen bewegt und die<br />
rechte Hand über den Rumpf gegen<br />
das Gummiband nach links gedreht.<br />
In dieser Ausgangsstellung braucht es<br />
noch mehr Aufrichtung in der Hüfte<br />
und vermehrte Beinachsenstabilität,<br />
wie sie auch später im <strong>Golf</strong>schwung<br />
gefordert wird. Erschwerend kann<br />
man für mehr Hüftstreckungsaktivität<br />
den linken Fuß jetzt noch abheben.<br />
Für mehr Rotationsarbeit kann<br />
das Gummiband gestrafft werden<br />
oder die Rotation verstärkt werden.<br />
Trainingsvoraussetzungen:<br />
Erfahrung mit der Spiraldynamik®-<br />
Therapie zwingend erforderlich. Bei<br />
Fragen wenden Sie sich jederzeit gerne<br />
an elementhera<br />
089-959272 00 oder<br />
service@elementhera.de<br />
▲<br />
Abbildung 4<br />
Mit diesen einfachen und überall<br />
durchführbaren, jedoch funktionellen<br />
und effektiven Vorbereitungsübungen<br />
kann man die Schwungbewegung<br />
noch besser für die dreidimensionale<br />
Skoliosekorrektur nutzbar machen.<br />
Somit wird <strong>Golf</strong>sport zur Therapie!<br />
(Abb. 3 + Abb. 4) •<br />
Kursleiter: Dr. Jens Wippert, Physiotherapeut,<br />
Spiraldynamik®-Dozent<br />
Ort: Praxis elementhera,<br />
Eisenmannstr. 4, 80331 München,<br />
www.elementhera.de<br />
Paketpreis 429 Euro<br />
(anstatt 545 Euro )<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
7<br />
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SPORT<br />
<strong>Golf</strong> ist Bewegung pur<br />
Von Chiara<br />
Sportliche Ziele als Therapie<br />
Anzeige<br />
▲<br />
Im Alter von etwa 10–11 Jahren<br />
wurde bei mir eine Skoliose festgestellt,<br />
doch der Arzt meinte: „Mit<br />
zehnmal Krankengymnastik wird<br />
das schon wieder.“ Bei einer ganz<br />
normalen Routineuntersuchung bei<br />
meiner Hausärztin bemerkte diese,<br />
dass meine Wirbelsäule schief und<br />
verkrümmt ist, deswegen schickte<br />
sie mich zu einem Orthopäden und<br />
der verordnete mir ein Korsett.<br />
Ich werde nun nach Lehnert-Schroth<br />
und der Spiraldynamik® behandelt,<br />
zusätzlich war ich über Weihnachten<br />
und Silvester 2012 auf Reha. Da ich<br />
mit beiden Therapiearten vertraut<br />
bin, kann ich Elemente aus beiden<br />
Therapiearten gut in meinen Alltag<br />
einbauen.<br />
Mein Korsettbauer hat mir eine<br />
Tragezeit von 23 Stunden am Tag<br />
verordnet, die ich aber nicht einhalten<br />
kann, da mir das Korsett immer<br />
noch Schmerzen bereitet. Aber<br />
sonst komme ich gut damit klar und<br />
werde in der Schule akzeptiert und<br />
respektiert.<br />
In der Sommer-Saison gehe ich einmal<br />
in der Woche zum Jugendtraining<br />
und meistens noch einmal in<br />
der Woche mit meinem Papa auf den<br />
<strong>Golf</strong>platz. Wenn sich die Gelegenheit<br />
ergibt, spiele ich bei Turnieren<br />
mit. Mein Trainer gibt mir Tipps für<br />
meinen Schwung. Ich spüre kaum einen<br />
Zusammenhang mit der Therapie,<br />
aber die „Entdrehung“ spüre ich<br />
mittlerweile schon.<br />
Ich spiele nun schon seit 5 Jahren<br />
<strong>Golf</strong> und finde großen Spaß am Spiel<br />
und an der Bewegung. Im <strong>Golf</strong>sport<br />
bewegt man sich mehr als man denkt<br />
und ich bin nach etwa zwei Stunden<br />
Spielzeit schon ziemlich erschöpft.<br />
Nach dem <strong>Golf</strong>en habe ich manchmal<br />
Rückenschmerzen, aber die sind<br />
nach kurzer Zeit schon wieder weg.<br />
Ich würde diese Sportart nur Leuten<br />
empfehlen, die geduldig sind, Spaß am<br />
Spiel finden oder es ernsthaft lernen<br />
möchten. •<br />
Ärzte und Krankenhäuser hat Stephanie Ramsauer von frühester Kindheit<br />
an allzu oft gesehen. Sie leidet an verschiedenen Krankheiten, muss operiert<br />
und therapiert werden. Als sie acht Jahre alt ist, wird bei ihr Skoliose,<br />
eine starke seitliche Verbiegung der Wirbelsäule, festgestellt. Gezielte<br />
Physiotherapie-Maßnahmen und ein orthopädisches Korsett sollen Abhilfe<br />
schaffen, doch die Erkrankung setzt sich fort, und nur eine Operation kann<br />
helfen. Tatsächlich kommt es danach zu einer deutlichen Verbesserung, und<br />
endlich kann die junge Autorin wieder normal leben. Stephanie Ramsauer<br />
berichtet von ihren Erfahrungen als Kind und Jugendliche, von Stimmungsschwankungen,<br />
Ängsten und Hoffnungen. Ähnlich Betroffenen und<br />
Verunsicherten möchte sie Rat und Hilfe gewähren und Mut machen zum<br />
Durchhalten. Frieling & Huffmann GmbH,<br />
ISBN-978-3828027855<br />
8,90 €<br />
Foto: © Christoph Hähnel - Fotolia.com<br />
8 <strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
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SPORT<br />
„Ich war mein ganzes Leben der Underdog,<br />
nie die Größte oder Athletischste, nie eine der<br />
Längsten vom Abschlag. Aber wer Schrauben<br />
in seinem Rücken hat und trotzdem <strong>Golf</strong> spielen<br />
kann, für den ist wohl alles möglich.“<br />
Fotos: Mizuno Corporation<br />
Porträt Stacy Lewis<br />
Von Petra Levator<br />
Wer es im Sport nach ganz oben schaffen will, braucht<br />
nicht nur Talent, Trainingsfleiß und eiserne Disziplin. Es<br />
gehören auch Vorbilder dazu, Eigenschaften wie Frustrationstoleranz,<br />
das positive Umgehen mit Fehlern und<br />
Niederlagen, gesunde Ernährung, Verzicht auf Energie<br />
raubende Substanzen wie z. B. auf Alkohol und Nikotin.<br />
Wer das schafft, kann auf Ersatzbefriedigungen verzichten,<br />
denn die vielen kleinen und großen Erfolgserlebnisse<br />
sind Ansporn und Freude genug. Sie erlauben sogar die<br />
Überwindung schwerer körperlicher oder seelischer<br />
Beeinträchtigungen.<br />
Die am 16. Februar 1985 geborene amerikanische<br />
<strong>Golf</strong>erin Stacy Lewis war elf Jahre alt, als die Diagnose<br />
Skoliose fiel. Ihre schwere Rückgratverkrümmung sollte<br />
durch eine Oberkörperschiene aufgehalten bzw. verbessert<br />
werden, die sie dafür 18 Stunden am Tag tragen<br />
sollte. Nur zum Duschen und <strong>Golf</strong>en durfte sie diese ablegen.<br />
Grund genug, viele Stunden täglich auf dem <strong>Golf</strong>platz<br />
zu verbringen, zu trainieren, das körperliche Manko<br />
in zahllosen Schwüngen und Putts zu vergessen. Die als<br />
sehr scheu geltende Stacy war 18 Jahre alt, als sie sich für<br />
eine aufrichtende Operation entschied, da die Orthese<br />
nicht den gewünschten Erfolg bewirkte. Ihre Wirbelsäule<br />
wurde mit einer durch fünf Schrauben fixierten Metallschnur<br />
begradigt mit dem Risiko, nie wieder <strong>Golf</strong> spielen<br />
zu können. Die Operation gelang und es folgten sechs<br />
lange, schmerzhafte Monate, in denen sie ihre Wirbelsäule<br />
weder verdrehen noch beugen konnte. Ihr Vater Dale<br />
erzählt, wie sich Schweißperlen der Pein auf dem Gesicht<br />
der Tochter bildeten, wenn sie nur aufstehen und<br />
zur Toilette gehen wollte. Nach der Rekonvaleszenz begann<br />
die kleine, unscheinbare College-Schülerin wieder<br />
<strong>Golf</strong> zu spielen. Und was für ein <strong>Golf</strong>! Angst vor Anstrengungen<br />
oder Konkurrenz hatte sie nicht. Ihre Persönlichkeit<br />
ist durch die Problematik ihrer Skoliose, durch<br />
die Schmerzen und Ängste einer gewagten Operation<br />
gereift und erstarkt. Sie gewann bereits während ihrer<br />
Collegezeit zwölf Turniere, zuletzt die NCAA Women´s<br />
<strong>Golf</strong> Championships 2007 als beste College-<strong>Golf</strong>erin der<br />
USA überhaupt. Im Mai 2008 wechselte sie ins Profilager,<br />
wo sie Dritte bei den U.S. Open wurde. Seit September<br />
2008 ist Lewis beim <strong>Golf</strong>ausrüster Mizuno unter Vertrag<br />
und fungiert hier als erste internationale Botschafterin<br />
des Konzerns und damit auch als Vorbild für andere junge<br />
Sportlerinnen und Sportler mit oder ohne Handicap.<br />
Ihren ersten Sieg als Profi erzielte sie 2011 im Kraft Nabisco<br />
Championship und rangiert seither als Zweite in<br />
der Weltrangliste der <strong>Golf</strong>erinnen. 2012 gewann sie vier<br />
große Turniere und wurde <strong>Golf</strong>spielerin des Jahres.<br />
Die siebenmalige Major-Siegerin Karrie Webb aus Australien,<br />
die heute in Florida in Stacys Nachbarschaft<br />
wohnt, sagt über ihre Trainingspartnerin und Freundin:<br />
„Stacy ist extrem schüchtern, aber sie gehört zu den<br />
Menschen, die viel Selbstvertrauen in sich haben, das sie<br />
nicht nach außen kehren müssen.“ Die Leistungen der<br />
jungen Sportlerin aus Texas, die mit zwei Schwestern<br />
ohne großen finanziellen Hintergrund, aber mit viel moralischer<br />
Unterstützung der Familie aufwuchs, sprechen<br />
für sich. Konnte sich die Familie in früheren Jahren nicht<br />
einmal Trainingslager in Kalifornien oder Florida leisten,<br />
gehört Stacy heute zu den gut verdienenden Spitzensportlern.<br />
Ihre wachsende Popularität nutzt die bekennende<br />
Christin für soziale Zwecke. So sprach sie kürzlich<br />
in Washington vor Kongressmitgliedern über die Bedeutung<br />
von Fitness für Kinder, was in einem Land mit vielen,<br />
auch extrem übergewichtigen Menschen sehr wichtig ist.<br />
Mit aktiver, sportlicher Leidenschaft kann viel erreicht<br />
und auch überwunden werden. Stacy ist der Beweis, ein<br />
Vorbild an Erfolg und Bescheidenheit. •<br />
Mehr über Stacy unter www.stacysback.com<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
9<br />
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ORTHOPÄDIETECHNIK<br />
Mit sensomotorischen<br />
Einlagen ins Gleichgewicht<br />
Damit wir gehen und stehen können, sammelt der Körper permanent<br />
Informationen über seine Position im Raum. Augen, Ohren<br />
(Vestibuläres System), Propriozeption (Tiefensensibilität) und auch<br />
der Tastsinn im Fuß senden die Daten zum Gehirn, drei Gigabyte<br />
in der Sekunde. Dort werden die Daten integriert, und erst dann ist<br />
Gehen und Stehen möglich. Dieses System nutzen die sensomotorischen<br />
Einlagen, um Fehlstellungen, die durch Muskelungleichgewicht<br />
entstehen, aktiv zu korrigieren.<br />
Von Franz Fischer<br />
Als ich mich 1988 in Amberg selbstständig machte, umfasste unser Arbeitsgebiet<br />
die klassische Orthopädieschuhtechnik. Maßschuhe in allen Variationen<br />
und vor allem in aktuellem Design gehörten damals zu unseren Hauptaufgaben.<br />
Für die kleinen Krankheitsbilder in der Orthopädie fertigten wir<br />
zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich passive Einlagen. Dies führte auch<br />
immer wieder zu Konflikten mit Physiotherapeuten, die sich aktive Hilfsmittel<br />
wünschten.<br />
Ende der Neunziger kamen aus Frankreich neue Einlagensysteme, aktive Einlagen<br />
oder sensomotorische Einlagen, wie wir sie heute nennen. Sie arbeiten<br />
über die Eigenwahrnehmung und der Fuß wird dazu benutzt, dem Patienten<br />
eine Fehlhaltung zu suggerieren. Die Einlagenelemente sind nicht höher als<br />
2–3 mm und haben keine mechanische Wirkung.<br />
Nach einer Ausbildung in Regensburg und bei Dr. Bourdiol (dem Erfinder<br />
dieser Therapie), entwickelten wir 2004 ein Messsystem, um die Wirkung<br />
der Teilchen wissenschaftlich nachzuweisen. Die Streifenlichtprojektion hielt<br />
Einzug und so sind wir heute in der Lage, unsere Sohlen auf den Patienten<br />
genau abzustimmen und den Verlauf zu dokumentieren.<br />
Diese Einlagensysteme werden meist eingesetzt bei Kopfschmerzen, Migräne,<br />
Nackenverspannungen und Rückenbeschwerden. Auch die Skoliose gehört<br />
seit Kurzem zu unseren Einsatzgebieten.<br />
Über Franz Fischer:<br />
• Orthopädieschuhmachermeister<br />
• Dozent an der Meisterschule<br />
München<br />
• Mitglied des wissenschaftlichen<br />
Beirats der Fachzeitschrift für<br />
Orthopädieschuhtechnik<br />
• Dozent für sensomotorische<br />
Therapiesohlen<br />
• Seit 1988 selbständig in Amberg<br />
in der Oberpfalz<br />
Leistungen: orthopädische Maßschuhe,<br />
passive Einlagen, sensomotorische<br />
Einlagen, Lauf- und<br />
Ganganalyse<br />
www.rueckenscanner.de<br />
Wie unterscheiden sich die Therapiesohlen von normalen Einlagen?<br />
Sie wirken aktiv, d. h. der Patient vollzieht die Korrektur durch den Reiz selbst.<br />
Es werden an der Fußsohle an definierten Stellen Plättchen mit zwei oder drei<br />
Millimetern Höhe angebracht, die über die Eigenwahrnehmung und deren<br />
Umsetzung (Sensomotorik) die Veränderung bewirken. Aktiv heißt aber auch,<br />
das System ist lernfähig und speichert die Korrektur ab. Im Gegensatz dazu gibt<br />
es die passiven Einlagen, die mechanisch versuchen, etwas zu verändern, wie<br />
z. B. beim Senk-Spreizfuß. Im Gegensatz zum aktiven System fördern sie aber<br />
auf lange Sicht die Muskelschwäche. >><br />
Fotos: Privat<br />
10 <strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
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Wie überprüfen wir die Wirkung der Einlagen?<br />
Wir arbeiten heute mit der Streifenlichtprojektion, einem optischen 3-D-<br />
Messverfahren. Es ist ein strahlungsfreies Verfahren, im Vergleich zur Röntgentechnik.<br />
Dazu werden Lichtstreifen auf den Rück-en projiziert. Über eine<br />
digitale Kamera und eine Software liefert das System Daten im Zehntel Millimeterbereich.<br />
Es zeigt die Fehlstellungen in der Körperhaltung und liefert Daten<br />
in den drei Achsen X-Y-Z. Nach der Eingangsmessung werden die sensomotorischen<br />
Teile an der Fußsohle angelegt und die Reaktion mit einer neuen<br />
Messung kontrolliert. So wird Stück für Stück die Körperhaltung korrigiert.<br />
Wie verläuft die Therapie?<br />
Sind die sensomotorischen Teilchen mit Hilfe des 3-D-Verfahrens festgelegt,<br />
werden sie auf eine Therapiesohle platziert und der Patient läuft damit ca. 6<br />
Wochen. Die Therapiesohle ist eigentlich ein Trainingsgerät, denn über den<br />
Reiz der Fußsohle erfolgt eine muskuläre Eigenkorrektur. Nach ca. 6 Wochen<br />
wird die Sohle mithilfe des 3-D-Messverfahrens noch einmal überprüft und<br />
der weitere Therapieverlauf festgelegt. Im Bereich der Skoliose kontrollieren<br />
wir die jungen Patienten immer nach einem Wachstumsschub oder spätestens<br />
nach 4 Monaten. Mithilfe des 3-D-Verfahrens können wir so den Verlauf<br />
dokumentieren und evtl. bei Verschlechterung sofort mithilfe der sensomotorischen<br />
Einlagen eingreifen.<br />
Die sensomotorischen Einlagen sind in meinen Augen ein neues Therapieverfahren<br />
in der Behandlung von Skoliosen. Leider gibt es im Bereich der<br />
sensomotorischen Sohlen auch Grenzen. Verfestigte Strukturen erschweren<br />
es uns, in die Körperhaltung einzugreifen und eine Korrektur durchzuführen.<br />
In diesem Falle arbeiten wir eng mit den Physiotherapeuten und den Korsettbauern<br />
zusammen, unterstützen sie gegebenenfalls auch mit Messungen,<br />
um ihre Therapie zu dokumentieren und den Verlauf zu kontrollieren.<br />
▲<br />
3-D-Messverfahren<br />
Die Entstehung einer Skoliose kann sehr viele Ursachen haben. So sind auch<br />
unsere sensomotorischen Einlagen nur eine Therapie unter mehreren Methoden,<br />
die Körperhaltung zu verändern. Eine gute Physiotherapie, die Spiraldynamik®,<br />
ein stark korrigierendes Korsett – sie haben alle das gleiche Ziel,<br />
die Fehlstellung zu korrigieren und dem Patienten Hilfe zu geben. •<br />
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Hans Rudolf Weiß<br />
Ich habe Skoliose<br />
Ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige und Therapeuten<br />
8., überarbeitete Auflage, 137 S. mit 42 Abb., kart., EUR 12,-<br />
ISBN 978-3-7905-1005-8<br />
_bücher<br />
Ein bewährter Ratgeber zu allen Fragen der Skoliose: Diagnosestellung, Messverfahren, krankengymnastische<br />
Behandlung, Korsettversorgung, Operation und Nachsorgemöglichkeiten.<br />
Medizinische Informationen werden ergänzt durch persönliche Erfahrungsberichte von Skoliose-<br />
Patienten, die Mitbetroffenen Mut machen und wertvolle Hilfestellungen geben für die Beur -<br />
teilung der individuellen Handlungs- und Behandlungsspielräume und für die selbstverantwortliche<br />
Entscheidung über den eigenen Therapieverlauf.<br />
Pflaum Verlag<br />
www.physiotherapeuten.de/shop fon 089/12607-0 e-mail kundenservice@pflaum.de<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
11<br />
ausgabe012013schlussredaktion.indd 11 13.11.13 09:40
PHYSIOTHERAPIE<br />
Bestandteile im klinischen<br />
Leitfaden sind unter anderem:<br />
Sensomotorisches Training in der<br />
Behandlung von Skoliosepatienten<br />
Bei fast schon jedem zweiten Deutschen besteht eine Formvariante<br />
der Wirbelsäule. Dabei trifft der Skoliosebegriff bei ca. 0,3 Prozent<br />
der Gesamtbevölkerung zu. Über 90 Prozent der Skoliosen werden<br />
als idiopathisch eingestuft, das bedeutet, dass die genaue Ursache<br />
für das Auftreten dieser sogenannten Wachstumsdeformitäten nicht<br />
eindeutig geklärt ist. Hinzu kommt, dass Skoliosen unbehandelt in<br />
der Regel zur Verschlechterung neigen.<br />
Redcord – einbeinige instabile<br />
Aufhängung zur Koordination<br />
und Kräftigung der<br />
Rumpfmuskulatur<br />
Von Paul Edel<br />
Die bei Skoliosepatienten zum Einsatz kommenden krankengymnastischen<br />
Methoden stehen heute auf dem Prüfstand. Neuere Erkenntnisse aus den<br />
angewandten Bewegungs- und Neurowissenschaften zeigen, dass in der klinischen<br />
Umsetzung bei Weitem nicht alle Ressourcen genutzt werden, welche<br />
für eine langfristige Stabilisierung des Beschwerdebildes nützlich wären.<br />
Organisatorische Voraussetzungen:<br />
In Deutschland hat sich zur Therapie von Skoliosepatienten die „medizinische<br />
Trias“, bestehend aus Physiotherapie oder Bewegungserziehung, Korsettversorgung<br />
und ärztlicher Intervention als die effizienteste Versorgungsform<br />
durchgesetzt. Dabei stellen Statuskontrollen durch einen vernetzten<br />
Informationstransfer aller beteiligten Therapeuten und standardisierte<br />
Nachbehandlungsschemata wichtige Voraussetzungen für eine langfristige<br />
Therapieplanung und Durchführung dar.<br />
Seriöse Studienübersichten zeigen neuerdings auf, dass die zu vermittelnden<br />
Kernkompetenzen zur Haltungsschulung und Korrektur in einem 1:1-Verhältnis<br />
Therapeut – Patient zu nachhaltigeren Effekten führt als in einer großen<br />
Gruppe.<br />
Hintergrund zum Sensomotorischen Training:<br />
Das Verständnis für die Nutzung hierfür geeigneter Verfahren und zum Einsatz<br />
kommender Therapiemittel wurde in den 90ern durch internationale<br />
Studien aus der Neurophysiologie und Bewegungswissenschaft belegt und<br />
untermauert.<br />
Im deutschen Sprachgebrauch findet man in diesem Zusammenhang sämtliche<br />
Methoden, die das Zusammenspiel der Sinnessysteme mit den motorischen<br />
Systemen fördern. Die meisten Anwendungen decken jedoch nur<br />
Teilbereiche ab, was zur Folge hat, dass nicht alle Ressourcen der Informationsverarbeitung<br />
im Nervensystem genutzt werden. Illustrationen von Übungen<br />
auf instabilen Unterlagen (Ballkissen, Matten, Therapiekreisel, Vibrationsplatten<br />
etc.) und Partnerübungen mit Kleingeräten (Bälle, Tücher etc.) seien<br />
hier nur am Rande erwähnt.<br />
>><br />
Der Redcord Mini: Alle wichtigen<br />
Übungen für Zuhause<br />
Stabilisation der Halswirbelsäule<br />
in Seitlage und Integration aller<br />
wichtigen Muskelketten bis zum<br />
Fuß<br />
Stabilisation der Halswirbelsäule<br />
in Rückenlage unter Berücksichtigung<br />
aller Muskelketten des<br />
Rückens bis zum Fuß<br />
Foto: Foto Bernhard in Neufahrn<br />
12 <strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
ausgabe012013schlussredaktion.indd 12 13.11.13 09:40
Aus dem Behandlungsmanagement von Skoliosen leitet sich in diesem Kontext<br />
daher folgender Anspruch ab:<br />
• „dynamische“ Stabilisierung des Rumpfes und der großen Gelenke<br />
• allgemeine Verbesserung der Mobilität und die Schulung des Gleichgewichts<br />
• standardisierte Eigenübungsprogramme und nachgehende Kontrollen<br />
• hohe Trainingsdisziplin seitens des Patienten<br />
Redcord medical und Neurac®:<br />
Wie kaum ein anderes Konzept wird bei der Forderung für wirksame<br />
und nachhaltige Behandlungsmodelle im Sensomotorischen Training die<br />
Neurac®-Methode (bedeutet: neuromuskuläre Aktivierung) des norwegischen<br />
Unternehmens Redcord AS den Anforderungen gerecht.<br />
Im Rahmen eines standardisierten klinischen Handlungsleitfadens werden<br />
durch einen erfahrenen und in der Neurac®-Methode ausgebildeten Therapeuten<br />
nachweislich die Programme im Nervensystem zur Ansteuerung<br />
der Muskulatur optimiert. Dies ist insbesondere für Skoliosebetroffene von<br />
großer Bedeutung.<br />
Bilder und Verfahrensbezeichnung mit Genehmigung der Redcord GmbH Deutschland<br />
Unter Zuhilfenahme der Arbeitsplattform (Redcord Workstation), einer an<br />
der Decke befestigten Aluminiumkonstruktion mit beweglichen Traversen<br />
und Seilgeräten (Redcord Trainer), beachtet der Therapeut hierfür folgende<br />
notwendige Faktoren:<br />
• Präzise Dosierung von Körpergewicht tragenden Übungen<br />
> durch Ausnutzung physikalischer Hebelgesetze und Expander<br />
• Instabile Unterstützungsfläche<br />
> durch die Apparatur und andere Hilfsmittel bedingt<br />
• Bei Bedarf Vibrationsimpulse<br />
> manuell oder apparativ (Redcord Stimula) verabreicht<br />
• Training ohne Provokation von Schmerzen<br />
> durch Beachtung wichtiger Signale für Ermüdung oder Kompensation<br />
Die dabei auftretenden Formungskräfte an Skelett und Muskulatur wirken<br />
sich für Skoliosepatienten hinsichtlich Haltungskorrektur und Körpergefühl,<br />
Muskelkraft und Koordination sowie Beschwerderesistenz nachweislich positiv<br />
aus.<br />
Konkrete Vorteile für Sie:<br />
Die Neurac®-Methode ist als standardisierte und wissenschaftlich anerkannte<br />
Methode jedem Skoliosepatienten zugänglich. Dabei vermitteln in<br />
der Neurac®-Methode speziell ausgebildete Physiotherapeuten im Rahmen<br />
eines klinischen Leitfadens sämtliche, für das Beschwerdebild relevante Maßnahmen,<br />
in welchen der Patient jederzeit aktiv mitarbeitet.<br />
Zum Einsatz kommende Testprotokolle geben Auskunft über den Trainingserfolg<br />
und dokumentieren klar nachvollziehbare Veränderungen im gesamten<br />
Handlungsleitfaden.<br />
Der Kassenarzt stellt in der Regel eine Heilmittelverordnung zur Behandlung<br />
der Skoliose aus. Normalerweise wählt er die Heilmittel Krankengymnastik<br />
(auch als Doppelbehandlung möglich), manuelle Therapie (bei Blockaden)<br />
oder Krankengymnastik am Gerät (aktive Trainingstherapie). Für gewöhnlich<br />
durchläuft der Patient die Maßnahmen bis zu der im Diagnoseschlüssel angegebenen<br />
Gesamtverordnungsmenge. Sollte die Behandlung nun langfristig<br />
weitergeführt werden müssen, kann der Arzt seit 01.01.2013 auf sogenannte<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
>><br />
Paul Edel ist als Physiotherapeut,<br />
Manualtherapeut und Spezialist<br />
für Sensomotorisches Training seit<br />
1994 in Neufahrn bei Freising in<br />
eigener Praxis tätig. Er arbeitet bereits<br />
seit 1992 mit dem Redcord-<br />
Equipment und konnte seinen Erfahrungsschatz<br />
als Instruktor in einem<br />
Zeitraum von 16 Jahren an seine<br />
Kollegen weitergeben. Sein Fachwissen<br />
wird auf den unterschiedlichsten<br />
Vortragsplattformen geschätzt<br />
(Fortbildungsakademien für Ärzte<br />
und Therapeuten, Sportvereine und<br />
Verbände, bayerische Polizei etc.).<br />
www.paul-edel-physiotherapie.de<br />
13<br />
ausgabe012013schlussredaktion.indd 13 13.11.13 09:40
PHYSIOTHERAPIE<br />
„Praxisbesonderheiten“ zurückgreifen. Insbesondere für Kinder und Heranwachsende<br />
mit einem Skoliosegrad ab 20° kann der Arzt mit der entsprechenden<br />
Kennzeichnung auf dem Rezept (ICD-Codierung) langfristig verordnen,<br />
ohne dass dies sein Budget belastet.<br />
In allen drei Fällen kann die Neurac®-Methode auch im Rahmen einer<br />
standardisierten Heilmittelkombination (D 1) bei komplexen Schädigungen<br />
mit anderen Therapiemaßnahmen umgesetzt werden. Hinsichtlich der Eingangsproblematik<br />
(postoperativ, posttraumatisch, Schmerztherapie, präventiv<br />
etc.) aber auch des Alters (vom Kindesalter bis zum Senium) zeichnet<br />
sich die Neurac®-Methode durch große Flexibilität aus. Da die Patienten<br />
jeden Schritt im Behandlungsprozess aktiv mit gestalten können, sind die Arbeitsbereitschaft<br />
und die Motivation erfahrungsgemäß sehr hoch. Neurac®-<br />
Therapeuten verzeichnen dadurch eine sehr gute Ergebnisqualität und Nachhaltigkeit<br />
in der Behandlung von Skoliosen.<br />
Unsere Empfehlung:<br />
• Nehmen Sie Kontakt zu einem in der Behandlung von Skoliosen erfahrenen<br />
Arzt auf.<br />
• Stellen Sie sicher, dass Ihr Arzt mit speziell ausgebildeten Therapeuten<br />
und ggf. Orthopädietechnikern in Verbindung steht, denn nur so ist gewährleistet,<br />
dass ein zeitnaher Informationsaustausch stattfindet und<br />
eine individuelle Therapie zustande kommen kann.<br />
• Insgesamt jedoch stellt eine lebensbejahende und optimistische Einstellung<br />
der Skoliosebetroffenen die wichtigste Grundlage für eine erfolgversprechende<br />
Therapie mit Perspektive dar.<br />
• Neurac®-Schwerpunktpraxen und weitere Informationen vermittelt Ihnen<br />
gerne die Redcord GmbH Deutschland (www.redcord.de) unter<br />
Tel.: 07543 9344930. •<br />
Kopf- und Nackenschmerzen mit der<br />
CMD-Therapie behandeln<br />
Eine Fehlstatik im Biss mit Folgen für den gesamten Organismus?<br />
Kopfschmerzen, Schwindel, Nackenverspannungen, Rückenbeschwerden<br />
und Tinnitus können ihre Ursachen in einer Fehlstellung<br />
der Kiefergelenke und des Unterkiefers haben.<br />
Von Christian Bartelmann<br />
Der Nackenschmerz:<br />
Viele meiner Patienten mit Skoliose<br />
klagen immer wieder über Kopfschmerzen,<br />
Migräne und Verspannungen<br />
der Nackenmuskulatur. Sehr<br />
häufig berichten sie dabei über Spannungskopfschmerzen,<br />
also muskulär<br />
bedingten Kopfschmerzen. Meiner<br />
Erfahrung nach haben Verspannungen<br />
der Nacken- und Kiefermuskulatur<br />
einen großen Anteil daran. Eine<br />
Skoliose hat über die Verbindungen<br />
von Muskulatur und Faszien fast im-<br />
mer Einfluss auf die Statik und die<br />
muskulären Spannungsverhältnisse<br />
des Nackens. Ein skoliotisch bedingter<br />
Schulterhochstand verursacht<br />
zum Beispiel eine Asymmetrie der<br />
Schulter- und Nackenmuskulatur mit<br />
ungleichen Längen- und Spannungsverhältnissen.<br />
Die Betroffenen klagen<br />
oft über einseitige Schmerzen an<br />
Schulter, Nacken und der Schädelbasis<br />
wie auch über Schmerzen, die sich<br />
vom Hinterkopf über die Stirn bis in<br />
die Augen ziehen. Eine Einschränkung<br />
der Nackenbeweglichkeit bemerken<br />
zudem viele beim Schlafen auf dem<br />
Bauch oder beim rückwärts Einparken<br />
im Auto. Müdigkeit, Schwindel,<br />
Konzentrationsschwäche und allgemeine<br />
Abgeschlagenheit sind häufige<br />
Begleitsymptome. Die Einnahme<br />
handelsüblicher Schmerzmittel<br />
bringt in der Regel nur begrenzt und<br />
kurzfristig Erleichterung. >><br />
14 <strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
ausgabe012013schlussredaktion.indd 14 13.11.13 09:40
Foto: Privat<br />
SCHMERZTHERAPIE<br />
Die Kieferverspannung:<br />
Die sog. Craniomandibuläre Dysfunktion<br />
(CMD) kann sich u. a. in<br />
Kopfschmerzen äußern. Darunter<br />
versteht man eine Funktionsstörung<br />
aller am Kauapparat direkt und indirekt<br />
beteiligten Strukturen. So kann<br />
beispielsweise eine Fehlstellung der<br />
Zähne oder ein zu kleiner Unterkiefer<br />
zu einem Fehlbiss führen, das<br />
heißt, beim vollständigen Schließen<br />
des Mundes verzahnen sich die Zähne<br />
nicht regelrecht. Dies wiederum<br />
kann zu dauerhaften Verspannungen<br />
der Kiefermuskulatur führen, welche<br />
dann Kopfschmerzen auslösen. Wenn<br />
der Zahnarzt auf übermäßigen Abrieb<br />
der Backenzähne hinweist und<br />
man nachts vielleicht auch knirscht,<br />
sind das deutliche Hinweise auf eine<br />
CMD. Darüber hinaus können auch<br />
Stress, deutliche Haltungsabweichungen<br />
und muskuläre Defizite der<br />
Nacken- und Rückenmuskulatur eine<br />
CMD verursachen. Daher sollten sowohl<br />
ein in dieser Thematik erfahrener<br />
Zahnarzt als auch ein Physiotherapeut<br />
zusammenarbeiten.<br />
Die Behandlungsmöglichkeiten:<br />
Ziel der Behandlung ist es, die verspannten<br />
Muskeln im Kopf- und<br />
Nackenbereich, welche die Kopfschmerzen<br />
auslösen, zu identifizieren.<br />
Dazu werden zunächst bestimmte<br />
Referenzpunkte am Körper<br />
ertastet. Häufig kann der Therapeut<br />
an der Schädelbasis oder in der Kiefermuskulatur<br />
sogenannte Triggerpunkte<br />
ertasten, die beim Behandeln<br />
den Kopfschmerz auslösen oder verstärken.<br />
Die verspannten Muskeln<br />
werden dann mit einer Art Druckmassage<br />
so lange behandelt, bis<br />
die Symptome verschwinden oder<br />
deutlich nachlassen. Bei großflächigen<br />
Verspannungen im Schulter- und<br />
Nackenbereich kann eine elektrische<br />
Muskelstimulation (EMS) zu einer<br />
spürbaren Entspannung der Muskulatur<br />
führen.<br />
Die beste Erfahrung habe ich mit<br />
einer manuellen Konfiguration des<br />
Gerätes bei 65 Hz. Bei dieser Frequenz<br />
kommt es zur bestmöglichen<br />
Stimulation der Muskulatur, welche<br />
sowohl bei regelmäßiger Anwendung<br />
einen Zuwachs der Muskelkraft als<br />
auch eine spürbare Steigerung der<br />
Durchblutung bewirkt. Bei Schmerzen<br />
und Verspannungen der Rücken-,<br />
Schulter- und Nackenmuskulatur<br />
berichten viele Patienten von einer<br />
deutlichen Schmerzreduktion. Das<br />
Gerät ist für die Nutzung zuhause<br />
konzipiert und kann nach kurzer<br />
Einarbeitung und Programmierung<br />
sicher und einfach ergänzend zur<br />
Schmerztherapie eingesetzt werden.<br />
Mobile Heimgeräte gibt es bereits ab<br />
ca. 60 Euro.<br />
Wissenschaftlicher<br />
Hintergrund:<br />
Insgesamt ist die wissenschaftliche<br />
Datenlage bezüglich einer Korrelation<br />
zwischen Zahnspangen und Skoliose<br />
bzw. einer Craniomandibulären<br />
Dysfunktion (CMD) sehr dürftig.<br />
Hier gilt es auf Expertenmeinungen<br />
und Patientenerfahrungen zurückzugreifen.<br />
Auf jeden Fall erachte ich<br />
es als sinnvoll, sich bei einer Skoliose<br />
auch immer die Zähne einmal genauer<br />
anzuschauen. Eine grobe Beurteilung<br />
kann man auch ohne besondere<br />
medizinische Vorkenntnisse selbst<br />
vornehmen. Viele Betroffene wissen<br />
bereits, dass sie eine Zahnfehlstellung<br />
oder einen Fehlbiss haben, bei<br />
dem es zu keiner regelrechten Verzahnung<br />
beim Zubeißen kommt. Ob<br />
eine Zahnspange Abhilfe schafft oder<br />
nicht, muss wohl im Einzelfall und<br />
nach Absprache und Abwägung aller<br />
Beteiligten geschehen. Physiotherapie<br />
kann sowohl ein Kieferorthopäde<br />
als auch ein Zahnarzt verordnen.<br />
Persönliches Statement:<br />
„Da ich selbst eine leichte Skoliose<br />
habe und mich so in die Thematik<br />
gut einfühlen kann, macht es mir<br />
eine besondere Freude, jüngere Patienten<br />
im Wachstum über einen<br />
längeren Zeitraum zu begleiten. Bei<br />
konsequenter Therapie bin ich davon<br />
überzeugt, dass man gemeinsam<br />
mit und für den Patienten gute Fortschritte<br />
erzielen kann. Dies stellt<br />
wohl die größte Herausforderung<br />
dar und spornt mich immer wieder<br />
neu an.“ •<br />
Über Christian Bartelmann:<br />
Staatsexamen in Physiotherapie<br />
1995 an der Physiotherapieschule<br />
in Worms, Master in Physiotherapie<br />
(Manuelle Therapie) an der Curtin<br />
University in Perth/Australien, Weiterbildungen<br />
in Skoliose-Therapie<br />
nach Lehnert-Schroth und Craniomandibulärer<br />
Dysfunktion. Seit<br />
2003 selbstständig in eigener Praxis<br />
in München-Trudering.<br />
www.physiotherapie-trudering.de<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
15<br />
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DIAGNOSTIK & THERAPIE<br />
Foto: Privat<br />
Die Podo-Orthesiologie<br />
Über die Lehre, etwas ins Gleichgewicht zu bringen<br />
Die Podo-Orthesiologie hilft dem Patienten, seine eigene optimale<br />
Haltung (wieder-)zufinden. Spezifische Sensoren werden dabei in<br />
der Fußsohlenmuskulatur aktiviert. Es ist jedoch keine Fußreflexzonentherapie,<br />
sondern vielmehr eine neurophysiologische, propriozeptive<br />
Beeinflussung der Muskeln.<br />
Von Wolfgang P. Schallmey, DO.CN Heilpraktiker<br />
Der Fuß ist ein äußerst sensibles Organ, das bei jedem Schritt Informationen<br />
über Temperatur, Bodenfestigkeit, Oberflächenbeschaffenheit und Bodenneigung<br />
wahrnimmt und weitergibt. Im Laufe des Lebens verändern sich diese<br />
Fähigkeiten. Die Auswirkung dieser Veränderungen betrifft in der Hauptsache<br />
die Muskulatur, die für die Fußgewölbebildung und den Abrollvorgang<br />
zuständig ist.<br />
Eine Änderung der Fußmuskulatur zieht aber automatisch auch eine Änderung<br />
der gesamten Körperstatik und des Bewegungsapparates nach sich. Daher<br />
ist es von Bedeutung, die Korrektur von Defiziten und Fehlstellungen des<br />
Körpers über den Fuß anzugehen. Der Grund ist die bereits angesprochene<br />
Fähigkeit des Fußes, Informationen weiterzuleiten und durch eine sensomotorische<br />
Integration eine reflektorische, neuromuskuläre Antwort zu erhalten.<br />
Mit dieser Information ist nicht nur die Steuerung des Körpers gegen<br />
die Schwerkraft möglich, sondern auch deren kontrollierte Gegenbewegung.<br />
Der Fuß ist einerseits ein kybernetisches und andererseits propriozeptives<br />
Organ, das über Muskelketten Informationen mit dem Gehirn austauscht.<br />
Diese Fähigkeit des Fußes sollte immer therapeutisch berücksichtig werden,<br />
um Folgeerscheinungen und Sekundärschäden<br />
des gesamten Bewegungsapparates<br />
zu verhindern.<br />
Der Fuß als eine Schaltzentrale des<br />
Körpers beinhaltet eine Reihe von<br />
Störmöglichkeiten und stellt ein<br />
außerordentlich sensibles und anfälliges<br />
System dar, das schnell aus<br />
dem Gleichgewicht gebracht werden<br />
kann. So unterliegt die Fähigkeit, Informationen<br />
über den Untergrund<br />
zu erfassen und weiterzugeben einer<br />
gewissen Abnutzung. Die Rezeptoren<br />
wie Muskelspindel, Haut-,<br />
Gelenk- und Mechanorezeptoren<br />
(Golgizellen) reagieren auf jede Muskeländerung<br />
im Fuß. Das heißt, eine<br />
Fußgewölbeänderung verändert den<br />
Abrollvorgang und die Steuerung der<br />
Fußmuskulatur, was wiederum zu<br />
Störungen des gesamten Haltungsund<br />
Bewegungsapparates führt.<br />
Sensomotorische oder auch propriozeptive<br />
Einlagen verbessern die<br />
propriozeptiven Fähigkeiten von Koordination<br />
und Eigenwahrnehmung<br />
des Fußes. Sie sind eine Alternative<br />
zu den herkömmlichen statisch, biomechanisch<br />
orientierten Einlagentypen<br />
und stellen eine Bereicherung<br />
des Anwendungsspektrums dar.<br />
Die sensomotorisch aktive Therapiesohle<br />
gibt afferente Impulse von Muskelspindel,<br />
Sehnen- Mechano- und<br />
Gelenkrezeptoren als Impuls an das<br />
Gehirn weiter (propriozeptiv). Hier<br />
findet eine Verschaltung im Kleinhirn<br />
statt. Die Sohle stimuliert die speziellen<br />
Rezeptoren, beziehungsweise<br />
die schwach getestete Muskulatur,<br />
und führt so langsam zu einer Stellungs-<br />
und Haltungsänderung, da<br />
die Muskelketten angesprochen und<br />
entsprechend gereizt werden.<br />
Bei der Skoliose, besonders der idiopathischen<br />
mit einer muskulären<br />
Deformation, wirkt die Sohle positiv<br />
auf die Muskulatur. Durch spezielle<br />
Elemente, die die Fußmuskulatur und<br />
somit die propriozeptiven Ketten<br />
stimulieren, erfolgt ein muskulärer<br />
Ausgleich und somit eine Streckung<br />
und Rotationsveränderung der Wir-<br />
>><br />
16 <strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
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elsäule. Gerade bei Jugendlichen ist die neurovegetative Therapiesohle eine<br />
sehr sinnvolle Unterstützung, da kleine Stimulationen über die Muskelketten<br />
bereits große Wirkung auf das System Statik zeigen.<br />
Ziel ist es, eine aktive Stütze des Fußes durch Stimulierung spezifischer Muskelgruppen<br />
hervorzurufen, um eine verloren gegangene koordinative Fähigkeit<br />
und das muskuläre Gleichgewicht zu verbessern. Voraussetzung zur Erstellung<br />
einer Sohle ist eine eingehende Anamnese. So ist zum Beispiel die<br />
zeitliche Linie von Zusammenhängen wichtig, um einige Rückschlüsse auf die<br />
Beschwerden zu ziehen. Wann sind die Schmerzen erstmals aufgetreten, ist<br />
ein Unfall vorausgegangen, eine Operation, neurologische Erkrankungen u. ä.<br />
Wichtig ist auch, ob kürzlich Zähne behandelt wurden, denn Bissstörungen<br />
verursachen durch eine nicht korrekt eingepasste Zahnfüllung häufig Haltungsstörungen,<br />
die dann zu Schulterbeschwerden, Beckenschiefstand oder<br />
Knieschmerzen führen können. Auch eine Brille, neue Schuhe oder Hörbeschwerden<br />
gehören zu dieser Anamnese, da diese Einfluss auf das Haltungssystem<br />
des Körpers haben. Das Endresultat ist eine neurophysiologische<br />
Therapiesohle, die die Aufgabe hat, den Fuß zu aktivieren und über die<br />
propriozeptiven Muskelketten Fehlstellungen und Verspannungen zu lösen.<br />
Wenn das Bierglas auf dem Tisch schief steht, legen Sie etwas unter das<br />
Tischbein und nicht unter das Bierglas. Genau dies macht die Podo-Posturaltherapie<br />
mit der podosohle®, es gleicht den Körper über die Füße aus.<br />
Literaturhinweise beim Verfasser •<br />
Über Wolfgang P. Schallmey<br />
Heilpraktiker und Begründer des<br />
Lehrinstitutes für Podo-Orthesiologie,<br />
Podo-Posturaltherapie und<br />
manuelle Therapien. Das Lehrinstitut<br />
bildet ausschließlich Behandler<br />
aus und sieht sich u. a. als Fachfortbildungsinstitut<br />
für Heilpraktiker,<br />
Ärzte und Physiotherapeuten. Den<br />
Schwerpunkt legt das Lehrinstitut<br />
auf die neurophysiologische Therapie<br />
und auf Aus- und Weiterbildungen<br />
in Podo-Orthesiologie nach<br />
Breukhoven®, die über das Jahr<br />
verteilt sind und im In- und Ausland<br />
stattfinden.<br />
Außerdem ist das Lehrinstitut bekannt<br />
für neue Therapieformen und<br />
neue Entwicklungen wie z. B. das<br />
Skolisohle® Trainings-Programm.<br />
Weitere Infos unter<br />
www.podo-orthesiologie.de<br />
www.skolisohle.de<br />
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<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
17<br />
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LESEZEIT<br />
Tarnkappe<br />
Schmerz und Depression überwinden. Durchhalten mit Sport.<br />
Ist es Ehrgeiz, Perfektionismus oder typisch weiblicher Masochismus?<br />
Was treibt diese kluge Lehrerin und so vielseitig talentierte<br />
Sportlerin in Richtung Selbstzerstörung? Ist es ein Superfrauensyndrom<br />
oder das verschleierte Handicap Skoliose, dass sie ihre<br />
Belastungsgrenzen nicht mitteilen will und kann?<br />
Petra Levator<br />
Dr. Franz Begov<br />
Tarnkappe<br />
Schmerz und Depression überwinden. Durchhalten mit Sport.<br />
Von Iris Gabriel<br />
Je länger ich mich in dieses Buch vertiefe, wächst neben der Spannung<br />
auch die Besorgnis, warum diese leistungsorientierte und hoch engagierte<br />
Frau und Mutter nicht endlich die rote Karte zückt. Wann sie endlich<br />
ihre Grenzen zieht, Aufgaben abgibt und aufzeigt, dass sie sich nicht<br />
länger selbst ausbeutet und ausbeuten lässt. Rückblenden in die Kindheit<br />
und Jugend der Autorin lassen erahnen, wo die Ursachen der seelischen<br />
Verletzlichkeit liegen, das Nichtannehmenkönnen des Makels einer<br />
schweren Wirbelsäulenverkrümmung. Mitgefühl steigt auf und<br />
Wut auf diesen Vater, der für ihre Situation nur Unverständnis zeigt.<br />
Und da ist dieser gnadenlose Schmerz im Bein und in der bereits 1976 korrigierten<br />
und versteiften Wirbelsäule, der Alltag und Psyche beschwert. Nur<br />
starke Medikamente und eine weitere riskante Operation können helfen.<br />
Doch wo und von wem soll sie durchgeführt werden, nach welcher Methode?<br />
Eine Odyssee durch süddeutsche Kliniken beginnt. Die depressive<br />
Entwicklung ist schon im Gange.<br />
Natur, Bewegung und Sport sind Ausgleich zu Schmerzen und Schulstress<br />
als auch Bewältigungsstrategien ersten Ranges. Es folgen diverse Therapien,<br />
eine OP und qualvolle Rekonvaleszenz. Nach einer Schonzeit wird weiter<br />
hoher Einsatz erwartet. Schon wieder unterwirft sich die gerade genesende<br />
Ex-Patientin Stresssituationen und bringt sich unter Leistungsdruck. Erfolge<br />
haben ihren Preis. Doch diesmal reichen die Kräfte nicht lange aus. Bevor es<br />
zur Katastrophe kommt, zieht sie die Reißleine, denkt endlich nur an sich.<br />
Entsetzen und Empörung bei den Angehörigen, mutiges und konsequentes<br />
Handeln bei der Autorin. Ein weiterer langer, stationärer Weg – führt er zur<br />
Wende, zu Einsicht und Heilung?<br />
TARNKAPPE<br />
Schmerz und Depression überwinden.<br />
Durchhalten mit Sport.<br />
Knirsch-Verlag 2010<br />
ISBN: 978-3-927091-84-9<br />
€ 18,90<br />
Petra Levator<br />
Bestellung unter<br />
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Ein flüssig und äußerst spannend erzählter Erfahrungsbericht mit interessanten<br />
Schauplätzen, darunter Berlin, Basel, Paris und Vichy. Einblicke in den Familienalltag<br />
einer Lehrerin mit besonderer Liebe zum Wasser und zu Frankreich.<br />
Mit gut verständlichen Hintergrundinformationen (in Zusammenarbeit<br />
mit Dr. Franz Begov) zu 24 sportwissenschaftlichen und medizinischen Kernbegriffen<br />
wie z. B. Aggression und Sublimation, Biofeedback, Entspannungsmethoden,<br />
diagnostischen Verfahren wie Myelografie, Upright-MRT und der<br />
Diät nach der Montignac-Methode etc.<br />
Ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Offenheit im Umgang mit den eigenen<br />
Schwächen und Grenzen, für mehr Verständnis und Menschlichkeit in<br />
unserer Leistungsgesellschaft.<br />
Spannend wie ein Krimi, flüssig wie ein Roman. Mutig, authentisch, realistisch.<br />
Ein wertvolles Buch zur Selbsterkenntnis, Selbsthilfe und Prävention. •<br />
Foto: Uli Weiprecht<br />
18 <strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
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MEINE ZEIT<br />
Die Skoliose meiner Tochter Ria<br />
„Ich habe die Entscheidung in Rias Hände gelegt, die Skoliose hat<br />
nicht mehr oberste Priorität in unserem Leben. Sie ist ein Teil unseres<br />
und ihres Lebens geworden, aber dominiert nicht mehr.“<br />
Von einer Mutter<br />
Die Diagnose bekamen wir bei der Einschulungsuntersuchung, verbunden<br />
mit dem Hinweis, unsere Kinderärztin zu konsultieren.<br />
Ich konnte mit dem Begriff zunächst wenig anfangen und begann mich schlau<br />
zu machen – immer mit einer Mischung aus „ich will wissen“ und „das kann<br />
doch nicht für uns gelten“. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass mein doch<br />
eigentlich gesundes Kind mal so aussehen sollte – und wir ein eigentlich<br />
nicht lösbares Problem lebenslang an der Backe haben sollten. Gedanklich<br />
negierte ich das Thema, es wird schon nicht so schlimm sein/werden und es<br />
kann nicht sein, was nicht sein darf.<br />
Die Kinderärztin verwies uns an eine Physiotherapeutin, eine sehr nette junge<br />
Frau, die auch regelmäßig zu uns ins Haus kam. Ria zeigte bald wenig<br />
Begeisterung, bei den Übungen mitzumachen, geschweige denn diese alleine<br />
oder täglich mit mir durchzuführen. Wir führten einen täglichen Kampf, hatten<br />
Ärger und Stress – und ich einen immensen Zeitaufwand, weil dieses<br />
Thema in meinem Kopf ständig präsent war. Die Physiotherapeutin zeigte<br />
uns Bilder, wie der Rücken später aussehen kann, wenn man nichts tut – Ria<br />
zeigte sich wenig beeindruckt. Es war auch nicht herauszufinden, was sie<br />
überhaupt über das Thema dachte. Sie war ein schwieriges Kind, mit dem<br />
insgesamt schwer zu reden war, das höchstens ärgerlich wurde und jegliches<br />
Gespräch und auch das Essen verweigerte, wenn ihm etwas nicht passte.<br />
Irgendwann streikte ich auch und dachte mir: „Die Skoliose darf nicht unseren<br />
gesamten Alltag beherrschen“ und „das kann es auch nicht sein, so<br />
machen wir uns nur gegenseitig fertig“ – ich gab irgendwie auf. Ria „turnte“<br />
nur einmal die Woche – was natürlich viel zu wenig war.<br />
Mit etwa 10 Jahren schickte die Kinderärztin uns zu einem Orthopäden. Er<br />
diagnostizierte bereits ca. 40° – stellte uns Korsett und einen Kuraufenthalt<br />
in Bad Sobernheim in Aussicht – Schock! Außerdem schickte er uns zu einer<br />
Schroth-Therapeutin.<br />
Wir fuhren zum Korsettbauer, saßen stundenlang im überfüllten Wartezimmer,<br />
es wurde anprobiert, korrigiert und so fort. Die Zeit lief davon, Ria<br />
wusste nicht, wie sie mit den Hausaufgaben fertig werden sollte (das G8<br />
ist gnadenlos – und die Lehrer dazu) und ich bekam Schwierigkeiten mit<br />
meinen Kunden. Irgendwie muss man als alleinerziehende Mutter auch den<br />
wirtschaftlichen Aspekt des Lebens am Laufen halten. Das Korsett drückte,<br />
zwickte, scheuerte, ich redete ihr gut zu, wir fuhren wieder zum Ändern –<br />
Ria trug das Teil immer nur wenig, es klappte nicht.<br />
Ich machte mich fertig – so viel Aufwand (Zeit, Mühe der Korsettbauer, Kosten<br />
der Kasse) und Ria spielte nicht genug mit – wieder Stress. >><br />
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MEINE ZEIT<br />
Als Ria 13/14 Jahre alt ist, beschließen wir einen Aufenthalt in Bad Sobernheim.<br />
Ich kann wegen meiner Arbeit und unseren Haustieren nicht dort bleiben<br />
und habe eine stressige Zeit daheim, weil ich merke, dass es dort nicht<br />
klappt. Ria ist unglücklich, findet keinen Anschluss. In Bad Sobernheim habe<br />
ich keinen rechten Ansprechpartner, hinfahren kann ich nicht. Sie bekommt<br />
ein neues Korsett mit dem Hinweis, es unbedingt 23 Stunden zu tragen. Das<br />
klappt wohl auch – es tragen ja alle eines. Daheim klappt es wieder nicht, es<br />
klemmt und zwickt, sie kann damit nicht essen (ist eh schon so mager), nicht<br />
Fahrrad fahren (wie soll sie dann in die Schule kommen?), nicht richtig schlafen<br />
(soll aber für die Schule fit sein) – alles ist verknotet, unsere Beziehung,<br />
ihr Rücken … also wieder Stress.<br />
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Skoliose-OP-Info<br />
Informationen und Erfahrungsaustausch<br />
Ich komme mir oft vor wie im Tollhaus – nebenbei ist meine Mutter auf<br />
dem Wege in die Demenz und erklärt mir, was ich alles machen soll! Ärzte<br />
und Korsettbauer erklären mir natürlich auch, was ich alles machen soll und<br />
wofür ich bei Ria natürlich sorgen soll. Bei den Lehrern sind es die Hausaufgaben,<br />
für die ich sorgen soll (hier habe ich mich aber bereits in der 6. Klasse<br />
weitgehend ausgeklinkt, weil es nicht mehr ging), bei der Physiotherapeutin<br />
soll ich für Rias tägliche häusliche Übungen sorgen, und um 23 Stunden Korsetttragen<br />
soll ich mich natürlich auch kümmern. Ich habe die Grenze zum<br />
Burn-out überschritten. Und nebenbei ist im Geschäft der Teufel los!<br />
So kann es nicht weitergehen. Irgendwann sage ich mir: „Hab mich gerne, das<br />
ist Dein Leben und ich bin nicht bereit, für Deine Skoliose auf mein Leben<br />
zu verzichten!“<br />
Seitdem wurde unsere Beziehung zuhause etwas besser. Die Gradzahlen der<br />
Skoliose stiegen weiter an – ich verinnerlichte und akzeptierte, dass ich ein<br />
Kind mit schiefem Rücken habe. Es ist halt so, aber das Leben geht weiter,<br />
machen wir das Beste daraus. Die OP verweigere ich, das soll sie mal schön<br />
selbst unterschreiben. Ria wollte auch keine OP, obwohl die Ärzte natürlich<br />
drängten.<br />
Ich suchte den Kontakt zur Skoliose-Selbsthilfegruppe und sprach mit vielen<br />
Betroffenen, die sich erst später oder gar nicht operieren hatten lassen – es<br />
gibt offenbar nicht die „Ideallösung“. Auch der Orthopäde sagte mir später<br />
einmal, dass jeder seinen Weg finden muss und es sowohl bei den Operierten<br />
als auch den Nichtoperierten Glückliche und Unglückliche gibt. Ich fühle<br />
mich in meiner Einstellung des Loslassens bestätigt. •<br />
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MEINE ZEIT<br />
Aufgefallen ist die Skoliose etwa im<br />
Alter von 8 Jahren. Ich erhielt im<br />
Kindesalter Krankengymnastik und<br />
musste mehrere Jahre in Gipsbetten<br />
liegen. Ein im Alter von etwa 14<br />
Jahren verordnetes, sogenanntes Hebekorsett<br />
habe ich nur kurzzeitig getragen.<br />
Eine Operation erfolgte nicht.<br />
Seither hatte ich mehrere Reha-Aufenthalte,<br />
später solche mit zum Teil<br />
spezieller Kranken- und Skoliosebehandlung.<br />
Foto: Andrea Vollmer<br />
„Ich stehe zu mir und<br />
möchte anderen Mut machen“<br />
Von Dieter Hemmann<br />
Mein Name ist Dieter Hemmann, ich bin 1954 geboren und lebe im schönen<br />
Spreewald.<br />
Ich bin seit 1982 verheiratet, habe drei erwachsene Töchter und ein Enkelkind.<br />
Ich habe eine sogenannte hochgradige Kyphoskoliose mit einem Skoliosewinkel<br />
nach Cobb von 79°, die eine massive degenerative Veränderung der<br />
betroffenen Bandscheibenabschnitte nach sich zieht.<br />
Im letzten Reha-Entlassungsbericht nach der Schroth-Therapie heißt es:<br />
schwerste linkskonvexe Krümmung, Rippenbuckel links, Skoliometerwert<br />
(nach Bunnell) thorakal 29°, lumbal 11°. Es besteht eine Osteoporose-Erkrankung,<br />
die über mehrere Jahre mit Medikamenten behandelt wurde. Derzeit<br />
erfolgt keinerlei medikamentöse Behandlung.<br />
<strong>RÜCKENzeit</strong> | Das Skoliose-Magazin | <strong>Ausgabe</strong> 01/2013<br />
Seit mehreren Jahren erhalte ich regelmäßig<br />
wöchentlich eine ambulante<br />
Krankengymnastik am Gerät und<br />
gleichzeitig Krankengymnastik nach<br />
Schroth. Ich bin schwerbehindert<br />
mit einem anerkannten Grad der<br />
Behinderung von 70 und dem Merkzeichen<br />
G.<br />
Bei körperlich starker Beanspruchung<br />
oder Dauerbelastung sowie<br />
Fehlhaltung des Körpers kommt es<br />
zeitweise, aber auch über längere<br />
Zeitabschnitte hinweg zu Schmerzen,<br />
vor allem im Schulter-, Hüft- und<br />
Lendenbereich. Auch sog. „Blockaden“<br />
häufen sich. Meine Skoliose<br />
verursacht zwar noch keine Dauerschmerzen,<br />
aber Schwierigkeiten bereitet<br />
mir vor allem die öfters auch<br />
in Ruhestellung auftretende Luftnot. >><br />
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▲<br />
Glückliche ZEIT:<br />
Dieter Hemmann mit<br />
Enkelkind<br />
Der Alltag<br />
Meine Skoliose-Erkrankung hat mich<br />
bisher in meinem persönlichen, privaten<br />
und beruflichen Alltag nicht<br />
bemerkenswert belastet. Nach einer<br />
abgeschlossenen kaufmännischen<br />
Ausbildung wechselte ich und bin<br />
seit fast 40 Jahren im kirchlich-diakonischen<br />
Dienst als Diakon, Diplom-<br />
Sozialarbeiter (FH) und Angestellter<br />
in verschiedenen Leitungsfunktionen<br />
tätig.<br />
Im Laufe der vergangenen Jahre habe<br />
ich sehr viele Fort- und Weiterbildungen,<br />
u. a. im Sozial-, Betreuungsund<br />
Verbraucherrecht, in der klinischen<br />
Beratung und der Seelsorge<br />
absolviert.<br />
Gegenwärtig bin ich als Vereinsbetreuer<br />
und gerichtlich bestellter<br />
Betreuer im Betreuungsverein bei<br />
einem regionalen diakonischen Werk<br />
30 Stunden wöchentlich beschäftigt.<br />
An meinem Arbeitsplatz befinden<br />
sich ein speziell angefertigter Skoliose-Bürostuhl<br />
und ein elektrisch<br />
höhenverstellbarer Schreibtisch. Beides<br />
habe ich über den zuständigen<br />
Rententräger beantragt und finanziert<br />
bekommen. Gelegentlich bin<br />
ich auch noch ehrenamtlich sozial<br />
und kulturell tätig. So bin ich – auch<br />
gemeinsam mit meiner Frau und ab<br />
und zu mit unseren Töchtern – zu<br />
Ausstellungsbesuchen, Konzerten<br />
und Theaterbesuchen, Schriftstellerlesungen<br />
und Ausflügen nah und fern<br />
unterwegs.<br />
Das Umfeld<br />
Eine nennenswerte Reaktion, Mitleid<br />
oder Bedauern, Auslachen, Ausgrenzung<br />
oder Ablehnung seitens meines<br />
Umfeldes habe ich nie erlebt.<br />
Mir war es immer sehr wichtig, meine<br />
Erkrankung zu akzeptieren und<br />
mich mit ihr zu „arrangieren“, sie als<br />
einen Teil von mir anzunehmen. Mir<br />
war es bisher auch immer wichtig,<br />
etwas dafür zu tun, um zu verhindern,<br />
dass mir meine Skoliose-Erkrankung<br />
dauerhaft Schmerzen bereitet. Deshalb<br />
ist die dreidimensionale Skoliose-Therapie<br />
nach Katharina Schroth<br />
schon seit Jahren immer wieder meine<br />
Begleiterin. Eine mir des Öfteren<br />
angeratene operative Behandlung<br />
meiner Skoliose habe ich abgelehnt,<br />
da ich dafür keinen Grund sah.<br />
Kraft schöpfen<br />
Es ist für mich als praktizierenden<br />
Christen wichtig und eine große Hilfe<br />
zugleich, dem Leben vertrauen zu<br />
dürfen, dankbar für jeden neuen Tag<br />
zu sein, im Hier, Heute und Jetzt leben<br />
zu können, ernst genommen zu<br />
werden, Bedürfnisse, Wünsche und<br />
Träume zu haben, auch Angst und<br />
Traurigkeit haben zu dürfen, auch<br />
einmal mit mir und der Welt unzufrieden<br />
zu sein, für andere Mitmenschen<br />
da zu sein, so sein zu dürfen,<br />
wie ich eben bin.<br />
Das Fotoshooting<br />
Da ich selbst sehr viel und gern fotografiere,<br />
war es für mich sehr<br />
spannend, mich mit meiner Skoliose-Erkrankung<br />
einmal fotografieren<br />
zu lassen. Ich habe dabei keinerlei<br />
Scham oder Unwohlsein empfunden.<br />
Im Gegenteil – es hat mir große<br />
Freude bereitet unter professioneller<br />
Anleitung als Model zur Verfügung<br />
zu stehen. Die Zusammenarbeit mit<br />
der Fotografin Andrea Vollmer bei<br />
mir zu Hause war sehr interessant,<br />
noch dazu im Rahmen eines so wichtigen<br />
Projekts, mit welchem das Thema<br />
„Skoliose“ ein Stück mehr ins Bewusstsein<br />
der Öffentlichkeit gerückt<br />
werden kann, um Betroffenen und<br />
Nichtbetroffenen Hilfe geben und<br />
Mut machen zu können.<br />
Bereits der mir im Vorfeld bekannte<br />
Ausstellungskatalog überzeugte und<br />
begeisterte mich.<br />
Die Fotos sind sehr persönlich, fesselnd<br />
und bewegend, lassen zudem<br />
dem einzelnen Betrachter auch<br />
Raum zum Nachdenken. Ich bin natürlich<br />
gern zur Ausstellungseröffnung<br />
von Andrea Vollmer nach Berlin<br />
gefahren. Die Vernissage war gelungen.<br />
Die Besucheranzahl – trotz des<br />
schlechten Wetters – war groß. Die<br />
Einleitung und Redebeiträge, auch<br />
von einigen Abgebildeten, gaben<br />
der Ausstellung einen unvergesslichen<br />
Rahmen. Ich habe den großen<br />
Wunsch, dass diese Ausstellung zu<br />
einer „Wanderausstellung“ wird, die<br />
aber trotzdem auch immer etwas<br />
Besonderes und Einmaliges bleiben<br />
soll. Informationen zur Fotografin<br />
Andrea Vollmer aus Berlin unter<br />
www.andreavollmer.de •<br />
Foto: Privat<br />
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