CO2 Das EU Parlament will härtere Grenzwerte - zum Artikel artikel_0198...
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Stuttgarter Zeitung - Stadtausgabe vom 24.06.2013<br />
Seite: 9 Gattung: Tageszeitung<br />
Ressort: Wirtschaft Jahrgang: 2013<br />
Seitentitel: WIRT Nummer: 143<br />
Autos müssen noch sparsamer werden<br />
CO 2 <strong>Das</strong> Europaparlament <strong>will</strong> <strong>härtere</strong> <strong>Grenzwerte</strong> als die <strong>EU</strong>-Staaten. Christopher Ziedler<br />
Brüssel In Europa zugelassene Fahrzeuge<br />
werden künftig von Gesetzes<br />
wegen deutlich weniger Sprit verbrauchen<br />
dürfen. <strong>Das</strong> ist schon klar, bevor<br />
am heutigen Montagabend die möglicherweise<br />
entscheidende Verhandlungsrunde<br />
über die neuen europäischen Kohlendioxid-Obergrenzen<br />
stattfindet. Der<br />
irischen Ratspräsidentschaft zufolge, die<br />
sich um 19 Uhr im Namen der Mitgliedstaaten<br />
mit einer Abordnung des Europaparlaments<br />
trifft, 'sind wir sehr nahe<br />
an einem Ergebnis'. Der baden-württembergische<br />
CDU-Europaabgeordnete<br />
Thomas Ulmer, der ebenfalls mit dabei<br />
sein wird, bewertet die Einigungschancen<br />
dagegen nur mit 50:50.<br />
Unstrittig ist, dass die 2015 zu erreichende<br />
Obergrenze von maximal 130<br />
Gramm pro gefahrenen Kilometer nicht<br />
das letzte Wort war. Der durchschnittliche<br />
Flottenverbrauch der europäischen<br />
Autobauer wird bis 2020 auf 95 Gramm<br />
gesenkt werden müssen, wobei die Hersteller<br />
größerer Fahrzeuge etwas darüber<br />
liegen dürfen und die Kleinwagenproduzenten<br />
noch darunter liegen müssen.<br />
Diese Zielmarke war bereits<br />
bekannt, bisher allerdings nur optional<br />
vorhanden. <strong>Das</strong> neue Gesetz soll sie<br />
jetzt verbindlich machen.<br />
Einigkeit herrscht bei beiden europäischen<br />
Gesetzgebungsorganen auch darüber,<br />
dass 'die bisherigen Testverfahren<br />
dazu, was ein Fahrzeug tatsächlich ausstößt,<br />
nicht ausreichen und zu viele<br />
Schlupflöcher enthalten', wie ein <strong>EU</strong>-<br />
Diplomat es ausdrückt: 'Sie müssen<br />
künftig den CO 2 -Ausstoß im realen<br />
Verkehr besser abbilden.' Nach Berechnungen<br />
der Umweltschutzorganisation<br />
International Council of Clean Transportation<br />
beträgt die Diskrepanz inzwischen<br />
ein Viertel. Ohne die Möglichkeit<br />
des Schönrechnens rücken die Ziele<br />
freilich ein Stück weiter in die Ferne.<br />
'Die deutsche Automobilindustrie wird<br />
Abbildung:<br />
Wörter: 695<br />
Foto: dpa<br />
alles daransetzen', so versprach Verbandspräsident<br />
Matthias Wissmann<br />
schon vor Jahresfrist, 'diese anspruchsvolle<br />
Reduktionsleistung zu erbringen.'<br />
<strong>Das</strong> Ziel, das einem Verbrauch von rund<br />
vier Litern Benzin auf 100 Kilometer<br />
entspricht, sei 'sehr ambitioniert'. Implizit<br />
hieß das wohl, dass es irgendwie zu<br />
schaffen sei. Der Abgeordnete Thomas<br />
Ulmer nennt als Beispiel den Daimler-<br />
Konzern, der trotz Wehklagen der Branche<br />
die Vorgaben schon jetzt fast<br />
erreicht hat.<br />
Die Harmonie endet jedoch abrupt,<br />
wenn es um die Zeit nach 2020 geht.<br />
<strong>Das</strong> Europaparlament fordert, dass die<br />
Obergrenze im Jahr 2025 auf einen Wert<br />
zwischen 68 und 75 Gramm je Kilometer<br />
gesenkt wird. Was Umweltorganisationen<br />
wie dem WWF, der 60 Gramm<br />
gefordert hatte, noch zu wenig ist, geht<br />
dem Ministerrat zu weit. 'Dagegen gibt<br />
es im Rat erheblichen Widerstand', sagt<br />
ein mit den Verhandlungen vertrauter<br />
<strong>EU</strong>-Diplomat. Nicht zuletzt die Bundesregierung<br />
lehnt ein neues Langfristziel<br />
ab, nachdem VDA-Präsident Wissmann<br />
kürzlich in einem Brief an Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel davor gewarnt hat,<br />
dass 'wir unser leistungsfähiges und<br />
starkes Premiumsegment, das fast 60<br />
Prozent der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller<br />
in Deutschland ausmacht,<br />
über <strong>will</strong>kürlich gesetzte <strong>Grenzwerte</strong><br />
buchstäblich kaputtregulieren lassen'.<br />
Ein Kompromiss scheint bei dieser Ausgangslage<br />
schwierig. Ein Ratsvertreter<br />
sagte der Stuttgarter Zeitung, ohne eingehende<br />
Studien zur Abschätzung der<br />
Folgen könne man 'nicht einfach neue<br />
Werte festlegen'. Der CDU-<strong>Parlament</strong>arier<br />
Thomas Ulmer berichtet dagegen<br />
von seinem Verhandlungsmandat,<br />
wonach 'auf eine Zahlenangabe nicht zu<br />
verzichten ist'. Auch für den SPD-Angeordneten<br />
Matthias Groote, der als Vorsitzender<br />
des Umweltausschusses im<br />
Europaparlament die Verhandlungen<br />
leiten wird, ist die Frage eines Grenzwerts<br />
für 2025 'der Knackpunkt'. Er<br />
erkennt dennoch das von der Autoindustrie<br />
vorgebrachte Argument an, dass es<br />
'natürlich eine natürliche Grenze gibt',<br />
wie der Benzinverbrauch reduziert werden<br />
kann: 'Und vom Ziel, bis 2020 in<br />
Deutschland eine Million Elektroautos<br />
auf die Straße zu bringen, sind wir noch<br />
sehr weit entfernt.'<br />
Sollten sich beide Seiten in diesem<br />
Punkt dennoch annähern, wartet noch<br />
ein weiterer Streitpunkt gerade im<br />
Bereich der Elektromobilität. Über<br />
sogenannte 'Supercredits' können sich<br />
die Autohersteller schon in der laufenden<br />
Gesetzgebung besonders schadstoffarme<br />
Autos mit einem Ausstoß von<br />
weniger als 50 Gramm CO 2 pro Kilometer<br />
höher anrechnen lassen. <strong>Das</strong><br />
Europaparlament <strong>will</strong> den entsprechenden<br />
Anrechnungsfaktor auf 1,5 begrenzen<br />
- damit die CO 2 -Einsparungen<br />
auch wirklich von den Benzinern kommen.<br />
Die Bundesregierung, die einem<br />
<strong>EU</strong>-Diplomaten zufolge ein Ergebnis<br />
anstrebt, das 'sowohl für die Autoindustrie<br />
akzeptabel als auch für den Klimaschutz<br />
ambitioniert ist', setzt auf einen<br />
deutlich höheren Faktor: Ein Elektroauto<br />
soll 2020 bei der Berechnung des<br />
Flottendurchschnitts wie drei Autos zählen<br />
und erst 2023 wie eineinhalb.<br />
Der vorherige deutsche Vorschlag,<br />
wonach die Hersteller diese 'Supercredits'<br />
sammeln und in späteren Jahren<br />
einsetzen könnten, um dann auf bessere<br />
Emissionswerte zu kommen, war in der<br />
Sitzung der <strong>EU</strong>-Botschafter am vergangenen<br />
Mittwoch abgeschmettert worden.<br />
'Wir haben dafür', so der <strong>EU</strong>-Diplomat,<br />
'so gut wie keine Unterstützung bekommen.'
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