03/2017 Gesundheit-Spezial

Fritz + Fränzi Fritz + Fränzi

28.02.2017 Aufrufe

Seele Zum einen Ohr rein, zum andern wieder raus? Das muss nicht sein! Plötzlich schreit jemand, und Türen werden geknallt. Kommunikation in der Familie ist eine knifflige Sache, zumal Kinder manchmal auf Durchzug schalten. Fünf Beispiele aus dem Alltag – und wie man es besser machen kann. Text: Claudia Landolt Sonntagmorgen, irgendwo in der Schweiz. Eine Mutter ruft: «Nein!» Das Kind stellt sich taub. «Wenn nicht, dann …», droht die Mutter. Der Steigerungslauf elterlicher Macht beginnt. Befehle, Drohungen, Ermahnungen. Geschrei, Machtkämpfe, Tränen: Das kennen wir doch alle. Und fragen uns: Muss das sein? Muss es nicht, sagt Kommunikationsexperte René Borbonus. Er sagt: «Respekt ist die Grundlage von funktionierenden Beziehungen. Menschen brauchen Respekt, insbesondere auch im Eltern- Kind-Verhältnis. Wir sehnen uns nach Respekt und leiden, wenn wir ihn nicht erhalten.» Respekt kommt vom Lateinischen respicere und bedeutet: zu - rückblicken. «Respektvolle Kommunikation bringt zum Ausdruck, dass wir den andern sehen und seine Meinung respektieren», er - klärt Borbonus. Wenn man das tue, dürfe man auch anderer Meinung sein. «Der Punkt aber ist: Wenn wir das Gefühl haben, dass wir mit unserer Meinung oder Idee nicht respektiert werden, ent- stehen Probleme, weil Kommunikation nur schlecht gelingt.» Fünf Beispiele aus dem Alltag 1. Wie geht man mit Vorwürfen um? Situation: «Nie darf ich ... immer muss ich!» (das Kind). «Wie oft muss sich dir noch sagen, dass … (die Eltern). Resultat: Geschrei und Frustration. Niemand will nachgeben. Lösung: Zurück auf die Strasse der Sachlichkeit. Sich mit der Frage behelfen: «Worauf beziehst du dich?» «Woran denkst du ganz konkret?» Erklärung: Pauschalisierungen sind respektlos. Wir werden be - wertet, das bereitet uns Probleme, sofern es kein Lob ist. Mit der Be - ob achtung passiert das nicht. Hinter jeder Bewertung steckt eine Respektvolle Kommunikation heisst, den andern «zu sehen», sich in ihn hineindenken. Beobachtung. Diese können wir erfragen und so mehr Ruhe ins Gespräch bringen. 2. Wie kommuniziert man respektvoll? Situation: Das Kind ist nervös oder ängstlich, weil es anderntags eine Prüfung oder einen Auftritt hat. Es sagt: «Ich will nicht in die Schule!» Eltern antworten: «Ach komm, das ist doch nicht so schlimm, das schaffst du schon.» Resultat: Das Kind ist frustriert, fühlt sich nicht ernst genommen. Die Eltern sind genervt. Lösung: Empathisch sein, den andern sehen. Sich ins Kind hineindenken, die Angst sehen und sie thematisieren. Zum Beispiel: «Ja, du bist aufgeregt, du hast Angst, den Text zu vergessen, oder es macht dir Sorgen, dass du dich blamieren könntest.» 62 März 2017 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Gesundheits-Spezial

Eltern sind manchmal unfrewillig respektlos, indem sie bagatellisieren. Bild: Alain Laboile Erklärung: Eltern neigen manchmal dazu, unfreiwillig respektlos zu sein, indem sie bagatellisieren und sagen: «Komm, ist doch nicht so schlimm, das schaffst du schon, du hast ja schon ganz andere Sa ­ chen geschafft, ein Beinbruch wär jetzt schlimmer.» Das ist gut ge ­ meint, allerdings bedeutet es in Wahrheit: den andern nicht sehen. Wir sehen das Gefühl nicht, wir ba gatellisieren es und delegitimieren es zusätzlich. Das Kind fühlt sich nun doppelt schlecht, zum einen, weil es Angst hat, zum andern, weil es sich in dieser Angst falsch wähnt, weil es als Einziges Angst hat, mit diesem Gefühl also offenbar auch nicht richtig liegt. 3. Welche Aussagen sollte man in der Familie vermeiden? Situation: Der Vater ist im Badezimmer und putzt sich die Zähne. Routinemässig überprüft er die Zahnbürste des Sohnes. Sie ist trocken. Er ruft in das Zimmer des Sohnes: «Sag mal, hast du dir die Zähne geputzt?» Das Kind ruft zurück: «Ja, klar.» Der Vater zitiert ihn ins Bad und bringt ihn dazu, die Zähne zu putzen. Resultat: Das Kind gehorcht, der Vater hat seine erzieherische Aufgabe erfüllt. Besonders gut fühlen sich aber beide nicht. Denn faktisch hat der Vater seinen Sohn als Lügner entlarvt («Du hast dir deine Zähne ja gar nicht geputzt!»). Lösung: «Kind, du hast dir deine Zähne noch nicht geputzt, komm bitte ins Bad, Zähne putzen.» Erklärung: Der Vater hat die Konsistenz seines Kindes in Frage ge ­ stellt, also auch dessen Glaubwürdigkeit. So entstehen in der Regel keine wirklich guten Gespräche. 4. Diskutieren wir zu viel? Situation: Die Mutter fragt das Kind nach der Schule: «Möchtest du nicht lieber zuerst Hausaufgaben machen?» Das Kind antwortet: «Nein.» Nach längerer Diskussion sagt die Mutter: «Du machst zuerst die Hausaufgaben und gehst dann Fussball spielen.» Resultat: Das Kind ist verwirrt, die Mutter verärgert. Lösung: Sich klar werden, welches Ergebnis man will. Eine klare Aussage machen, ohne Begründung. Erklärung: Wir stellen zu viele Fragen. Damit verwirren >>> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Gesundheits-Spezial März 201763

Seele<br />

Zum einen Ohr rein, zum andern<br />

wieder raus? Das muss nicht sein!<br />

Plötzlich schreit jemand, und Türen werden geknallt. Kommunikation in der Familie ist eine knifflige<br />

Sache, zumal Kinder manchmal auf Durchzug schalten. Fünf Beispiele aus dem Alltag – und wie<br />

man es besser machen kann. Text: Claudia Landolt<br />

Sonntagmorgen, irgendwo<br />

in der Schweiz. Eine<br />

Mutter ruft: «Nein!» Das<br />

Kind stellt sich taub.<br />

«Wenn nicht, dann …»,<br />

droht die Mutter. Der Steigerungslauf<br />

elterlicher Macht beginnt.<br />

Befehle, Drohungen, Ermahnungen.<br />

Geschrei, Machtkämpfe,<br />

Tränen: Das kennen wir doch alle.<br />

Und fragen uns: Muss das sein?<br />

Muss es nicht, sagt Kommunikationsexperte<br />

René Borbonus. Er<br />

sagt: «Respekt ist die Grundlage<br />

von funktionierenden Beziehungen.<br />

Menschen brauchen Respekt,<br />

insbesondere auch im Eltern-<br />

Kind-Verhältnis. Wir sehnen uns<br />

nach Respekt und leiden, wenn<br />

wir ihn nicht erhalten.»<br />

Respekt kommt vom Lateinischen<br />

respicere und bedeutet: zu -<br />

rückblicken. «Respektvolle Kommunikation<br />

bringt zum Ausdruck,<br />

dass wir den andern sehen und<br />

seine Meinung respektieren», er -<br />

klärt Borbonus. Wenn man das<br />

tue, dürfe man auch anderer Meinung<br />

sein. «Der Punkt aber ist:<br />

Wenn wir das Gefühl haben, dass<br />

wir mit unserer Meinung oder<br />

Idee nicht respektiert werden, ent-<br />

stehen Probleme, weil Kommunikation<br />

nur schlecht gelingt.»<br />

Fünf Beispiele aus dem Alltag<br />

1. Wie geht man mit Vorwürfen<br />

um?<br />

Situation: «Nie darf ich ... immer<br />

muss ich!» (das Kind). «Wie oft<br />

muss sich dir noch sagen, dass …<br />

(die Eltern).<br />

Resultat: Geschrei und Frustration.<br />

Niemand will nachgeben.<br />

Lösung: Zurück auf die Strasse der<br />

Sachlichkeit. Sich mit der Frage<br />

behelfen: «Worauf beziehst du<br />

dich?» «Woran denkst du ganz<br />

konkret?»<br />

Erklärung: Pauschalisierungen<br />

sind respektlos. Wir werden be -<br />

wertet, das bereitet uns Probleme,<br />

sofern es kein Lob ist. Mit der Be -<br />

ob achtung passiert das nicht. Hinter<br />

jeder Bewertung steckt eine<br />

Respektvolle Kommunikation<br />

heisst, den andern «zu sehen»,<br />

sich in ihn hineindenken.<br />

Beobachtung. Diese können wir<br />

erfragen und so mehr Ruhe ins<br />

Gespräch bringen.<br />

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2. Wie kommuniziert man<br />

respektvoll?<br />

Situation: Das Kind ist nervös<br />

oder ängstlich, weil es anderntags<br />

eine Prüfung oder einen Auftritt<br />

hat. Es sagt: «Ich will nicht in die<br />

Schule!» Eltern antworten: «Ach<br />

komm, das ist doch nicht so<br />

schlimm, das schaffst du schon.»<br />

Resultat: Das Kind ist frustriert,<br />

fühlt sich nicht ernst genommen.<br />

Die Eltern sind genervt.<br />

Lösung: Empathisch sein, den<br />

andern sehen. Sich ins Kind hineindenken,<br />

die Angst sehen und<br />

sie thematisieren. Zum Beispiel:<br />

«Ja, du bist aufgeregt, du hast<br />

Angst, den Text zu vergessen, oder<br />

es macht dir Sorgen, dass du dich<br />

blamieren könntest.»<br />

62 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Gesundheit</strong>s-<strong>Spezial</strong>

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