03/2017 Gesundheit-Spezial
Fritz + Fränzi
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«Kinder wollen in<br />
die Natur, nicht auf<br />
den Spielplatz»<br />
Die Erziehungswissenschaftlerin<br />
Margrit Stamm erklärt, warum<br />
Kindern eine getaktete<br />
Freizeitgestaltung nicht<br />
zugutekommt.<br />
Interview: Claudia Landolt<br />
Frau Stamm, warum spielen Kinder<br />
immer weniger?<br />
Weil es nicht in unsere Erwachsenenwelt<br />
passt. Das kindliche Spiel ist nicht zielorientiert.<br />
Ausserdem erzeugt das freie<br />
Spiel bei vielen Eltern Angst.<br />
Warum?<br />
Bewegt sich das Kind draussen, befürchten<br />
viele Eltern, dass es sich verletzen<br />
könnte. Oder dreckig wird.<br />
Sie kritisieren Förderkurse. Warum?<br />
Kurse sind nicht grundsätzlich schlecht.<br />
Aber wenn ein Kind nur noch in Kurse<br />
geht, statt draussen zu spielen, ist das<br />
ungünstig.<br />
Sie plädieren fürs Nichtstun?<br />
Langeweile ist ein wichtiges Erziehungsprinzip.<br />
Aber wenn Eltern am Weekend<br />
ihre Kinder plötzlich machen lassen,<br />
steigen noch mehr Gewissensbisse auf.<br />
Nach dem Motto: Mann, bin ich ein Faulpelz,<br />
jetzt einfach auf dem Sofa zu liegen.<br />
Dabei wäre Langeweile etwas, das man<br />
wiederentdecken müsste.<br />
Was ist denn die Zentralkompetenz<br />
eines Kindes?<br />
Es braucht drei Punkte, damit ein Kind<br />
längerfristig erfolgreich ist. Erstens ein<br />
gutes Selbstkonzept. Das heisst, das<br />
Kind empfindet sich selbst als guten<br />
Menschen und hat Vertrauen in sich und<br />
seine Fähigkeiten. Zweitens muss es eine<br />
gewisse Frustrationstoleranz haben, also<br />
in der Lage sein, eine Hürde zu meistern,<br />
ohne aufzugeben oder ohne dass Mami<br />
und Papi zeigen, wie es geht. Drittens:<br />
Neugier. Das ist etwas, das ein Mensch<br />
braucht, um in der Schule erfolgreich,<br />
leistungsbereit und lernmotiviert zu sein.<br />
Warum spielt die Natur eine so<br />
wichtige Rolle?<br />
Die beste frühkindliche Bildung ist die<br />
ganzheitliche Förderung aller Sinne. Da<br />
bietet sich der Wald doch an. Aber das ist<br />
für Eltern anspruchsvoll: Man muss in<br />
den Wald gehen, das Kind wird dreckig,<br />
man muss Angst haben, das Kind esse<br />
etwas Unkontrolliertes. Dabei wissen wir<br />
aus der Forschung, dass Kinder, die viel<br />
mit Dreck in Kontakt kommen, weniger<br />
Ekzeme, Allergien und ADHS haben. Der<br />
Wald als Spielraum passt nicht zu unserer<br />
modernen Lebenskultur.<br />
Wie könnte man das ändern?<br />
In der Schweiz ist man relativ schnell in<br />
einer Gegend, in der sich ein Kind frei<br />
48 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Gesundheit</strong>s-<strong>Spezial</strong>