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03/2017 Gesundheit-Spezial

Fritz + Fränzi

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Geist<br />

Smartphone oder am Computer<br />

spielst, sondern einfach so dasitzt.<br />

Das ist im Grunde genommen die<br />

gute alte Langeweile – und die<br />

führt bekanntlich zu kreativen<br />

Höhenflügen.<br />

Wie schwierig es für Kinder ist,<br />

eine Vorstellung von Zeit und dem<br />

Nichtstun zu haben, zeigt sich oft<br />

ganz am Anfang der Achtsamkeitspraxis.<br />

Vera Kaltwasser fragt dabei<br />

gern, ob sie es schaffen, 30 Sekunden<br />

lang die Augen zu schliessen.<br />

Na logo, lachen die Jungen und<br />

Mädchen, das ist doch einfach!<br />

Und staunen nach fünf Sekunden,<br />

wie lange das doch dauert.<br />

«Nach etwa sechs Wochen»,<br />

sagt Vera Kaltwasser, «können<br />

meist alle Kinder still stehen oder<br />

die Augen eine halbe Minute lang<br />

schlies sen.» Bei denjenigen, die<br />

dann immer noch stören, weil sie<br />

nicht innehalten können, sollten<br />

Lehrer und Eltern genauer hinschauen:<br />

«Das ist eine Art Hilferuf,<br />

denn diese Kinder merken in den<br />

Stillephasen zum ersten Mal, was<br />

eigentlich in ihnen vorgeht, und<br />

das können sie mitunter nicht aushalten.»<br />

«Aischu» und die Wissenschaft<br />

Das Interventionsprogramm<br />

«Aischu» war inzwischen auch auf<br />

dem wissenschaftlichen Prüfstand.<br />

Niko Kohls und Sebastian Sauer,<br />

Forscher an der Ludwig-Maximilian-Universität<br />

München, haben<br />

in einer kleinen Pilotstudie untersucht,<br />

welchen Einfluss die Achtsamkeit<br />

auf Aufmerksamkeitsleistung,<br />

Lebensqualität, Wohlbefinden<br />

und Stress von Fünftklässlern hat.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass sich<br />

Achtsamkeit in allen Punkten positiv<br />

auswirkt. Besonders auffällig<br />

war die verbesserte Aufmerksamkeitsleistung.<br />

Die Wissenschaftler<br />

betonen, dass die Studie Pilotcharakter<br />

hat und die Ergebnisse nur<br />

als erste Anhaltspunkte dienen<br />

könnten, die weiter abgesichert<br />

werden müssten.<br />

Professor Gunther Meinlschmidt<br />

von der Psychologischen<br />

Fakultät der Universität Basel und<br />

der Ruhr-Universität Bochum findet<br />

«das Thema so spannend, dass<br />

derzeit einige Studien und Untersuchungen<br />

laufen und man in<br />

einigen Jahren mehr wissen<br />

wird». Was man aber jetzt schon<br />

weiss: Stress kann zu sogenannten<br />

epigenetischen Veränderungen<br />

führen. Damit sind Veränderungen<br />

an den Genen gemeint, die<br />

nicht vererbt sind, sondern von<br />

äusseren Faktoren herrühren.<br />

Stress ist ein solcher Faktor.<br />

«Als Eltern gemeinsam mit<br />

dem Kind das Innehalten und<br />

Wahrnehmen zu üben, davon<br />

können alle profitieren», sagt<br />

Meinlschmidt. Zum Beispiel bei<br />

einem Waldspaziergang: Tief einatmen<br />

und die einzelnen Düfte<br />

schnuppern, die Ohren spitzen<br />

und den Geräuschen der Tiere<br />

und Pflanzen lauschen, einen<br />

Baum anfassen und mit den Fingerspitzen<br />

die Rinde erfühlen – all<br />

das kann die Achtsamkeit fördern.<br />

>>><br />

Achtsamkeit im Alltag<br />

Achtsamkeit ist eine besondere Form der<br />

Aufmerksamkeit. Dabei werden innere<br />

und äussere Erfahrungen registriert und<br />

zugelassen, ohne diese zu bewerten.<br />

Ein guter Start ist es, sich einfach mal<br />

hinzusetzen und eine halbe Minute lang<br />

nichts zu tun, als seinen Atem zu beobachten.<br />

Manchen hilf es, eine Hand auf den Bauch<br />

zu legen und den Atem so besser zu spüren.<br />

Nach und nach können Sie diese kleine<br />

Meditation etwas verlängern. Auch in den<br />

Alltag lässt sich Achtsamkeit integrieren.<br />

Schärfen Sie Ihre und die Sinne Ihres<br />

Kindes: Wie fühlt es sich an, auf dem Weg<br />

zur Schule über die Betonplatten zu laufen?<br />

Was hört man abends auf dem Balkon, wenn<br />

es draussen schon still ist? Wie fühlen sich<br />

Gegenstände an, die man täglich in die Hand<br />

nimmt – die Zahnbürste, die Seite eines<br />

Buches? Wie riecht es zu Hause? Und was<br />

schmeckt man eigentlich beim Eis zuerst?<br />

Das Süsse? Die Kälte? Oder die Frucht?<br />

Trainieren Sie das regelmässig, nimmt die<br />

Achtsamkeit bald ganz selbstverständlich<br />

einen wichtigen Platz im Leben ein.<br />

Was schmeckt man eigentlich<br />

am Eis zuerst? Das Süsse?<br />

Die Kälte? Oder die Frucht?<br />

Claudia Füssler<br />

freie Journalistin in Freiburg, ist am liebsten<br />

beim Essen achtsam und zelebriert das<br />

Zutaten-Herausschmecken. Allerdings ist die<br />

Familie meist schon beim letzten Bissen, wenn<br />

endlich die letzte Nuance analysiert ist.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Gesundheit</strong>s-<strong>Spezial</strong><br />

März <strong>2017</strong>17

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