03/2017
Fritz+Fränzi
Fritz+Fränzi
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dass die Eltern und andere Erwachsene<br />
verfügbar sind, um Schutz,<br />
Sicherheit und Nähe zu spenden,<br />
bildet die Basis für die Selbständigkeit<br />
des Kindes.<br />
Viele Kinder benötigen diese<br />
Nähe auch im Schulalter. Es gelingt<br />
ihnen zum Beispiel besser, die Hausaufgaben<br />
selbständig zu erledigen,<br />
wenn sie dabei nicht alleine sind.<br />
Setzen Sie sich zu Ihrem Kind an<br />
den Tisch und gehen Sie eigenen<br />
Aufgaben nach: Beantworten Sie<br />
E-Mails, bezahlen Sie Rechnungen<br />
– und signalisieren Sie dem Kind,<br />
dass Sie ungestört arbeiten möchten.<br />
Selbständigkeit entsteht durch<br />
Zutrauen<br />
Während das Kind Vertrauen in die<br />
Eltern braucht, um sich sicher zu<br />
fühlen, müssen die Eltern genügend<br />
Zuversicht in das Kind und das<br />
Leben entwickeln, um es so weit loszulassen,<br />
dass es eigenständig werden<br />
kann. Dieses Vertrauen lässt sich<br />
nicht in einem oberflächlichen «Du<br />
schaffst das!» äussern. Es basiert auf<br />
dem Gefühl, dass das Kind seinen<br />
Weg gehen wird und dabei Fehler<br />
und Umwege machen darf. Es<br />
besteht in der neugierigen Frage<br />
«Wollen wir mal sehen, ob du das<br />
schaffst?» und der unausgesprochenen<br />
Versicherung, dass Experimentieren<br />
und Fehlermachen erlaubt<br />
sind und man mit Misserfolgen<br />
umgehen kann.<br />
Wenn jemand zu uns «Du<br />
schaffst das!» sagt, fragen wir uns in<br />
Gedanken fast automatisch: «Und<br />
wenn nicht?» Es ist ermutigend,<br />
wenn die Antwort darauf lautet:<br />
«Dann sehen wir weiter und versuchen<br />
etwas anderes. Und wenn alles<br />
nicht funktioniert, dann können wir<br />
damit leben.»<br />
Wenn Sie das Gefühl haben, dass<br />
Ihr Kind Ihr «Du schaffst das!» nicht<br />
annehmen kann, können Sie darauf<br />
achten, wie Sie sich in diesem<br />
Moment fühlen. Sind Sie angespannt?<br />
Fühlen Sie sich unter Druck,<br />
dass Ihr Kind etwas eigentlich schon<br />
können müsste? Sind Sie frustriert<br />
oder wütend, weil Ihr Kind nicht auf<br />
Ihren Zuspruch reagiert? Plagen Sie<br />
Sorgen um das Kind? Ihr Kind wird<br />
stärker auf Ihre Gefühle reagieren<br />
als auf Ihre Worte. In dieser Situation<br />
können Sie etwas Neues ausprobieren.<br />
Zum Beispiel: «Ja, ich weiss<br />
auch nicht, ob du das schaffst. Sieht<br />
ganz schön schwierig aus! Wir lesen<br />
mal die Aufgabe und schauen, worum<br />
es geht.»<br />
Selbständigkeit entsteht durch<br />
Freiraum<br />
Neben Vertrauen benötigen Kinder<br />
Gelegenheiten und Zeit, um sich<br />
kennenzulernen und sich auszuprobieren.<br />
Dies gelingt Kindern am<br />
besten im freien Spiel mit anderen<br />
Kindern. Dort müssen alle Kinder<br />
Vorschläge einbringen, in der Gruppe<br />
für ihre Ideen einstehen und<br />
andere für sich gewinnen. Sie müssen<br />
Entscheidungen treffen, sich ab<br />
und zu durchsetzen oder nachgeben.<br />
Sie müssen Enttäuschungen verkraften<br />
und sich wieder aufrappeln.<br />
In Amerika ist die Freizeit der<br />
Kinder mittlerweile so durchstrukturiert,<br />
dass sich der Verband der<br />
Kinderärzte veranlasst sah, Alarm<br />
zu schlagen. Die Fachpersonen wiesen<br />
darauf hin, dass wir unseren<br />
Kindern einen der wichtigsten<br />
Aspekte der Kindheit rauben, wenn<br />
wir ihnen das freie Spiel nehmen.<br />
Der deutsche Kinderarzt Herbert<br />
Renz-Polster sieht ähnliche Entwicklungen.<br />
Er schreibt dazu in seinem<br />
Buch «Menschenkinder»:<br />
«Zuerst haben wir den Kindern die<br />
Wälder genommen, danach die<br />
Wiesen, die Hinterhöfe, die Brachflächen,<br />
dann die Strassen, Gassen<br />
und Gärten. Seit den 70er-Jahren ist<br />
die Fläche, die Kinder im Freien<br />
zum Spielen nutzen dürfen, um<br />
90 Prozent zurückgegangen.»<br />
Wir können uns als Eltern fragen:<br />
Hat mein Kind genügend Gelegenheit<br />
zum freien Spiel? Hat es Zeit<br />
und die Möglichkeit, sich mit anderen<br />
Kindern zu treffen – ohne dass<br />
Vieles lernen Kinder genau<br />
dann, wenn nicht die<br />
Absicht besteht, ihnen etwas<br />
beizubringen.<br />
immer ein Erwachsener da ist, der<br />
Vorschläge macht, aufpasst und eingreift?<br />
Vieles lernen Kinder genau dann,<br />
wenn nicht die Absicht besteht,<br />
ihnen etwas beizubringen. Dann,<br />
wenn es kein durchdachtes, durchstrukturiertes,<br />
von Erwachsenen<br />
angeleitetes Programm oder Training<br />
gibt. Es ist schwieriger geworden,<br />
diese Freiräume zu schenken.<br />
Es lohnt sich daher, sich aktiv dafür<br />
einzusetzen und mit unseren Kindern<br />
nach Möglichkeiten zu suchen.<br />
Selbständigkeit – drei Tipps<br />
• Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass<br />
Sie da sind. Anstatt die Hausaufgaben<br />
alleine im Zimmer zu erledigen,<br />
könnten Sie das Kind einladen,<br />
gemeinsam zu arbeiten.<br />
Zeigen Sie Ihrem Kind, auch während<br />
es spielt, ab und zu, dass Sie<br />
da sind – ohne sich aufzudrängen.<br />
• Lassen Sie Ihr Kind deutlich spüren,<br />
dass Sie sich freuen, wenn es<br />
etwas selbständig versucht. Gestehen<br />
Sie ihm seinen Stolz zu und<br />
gehen Sie entspannt mit dem Re -<br />
sultat um.<br />
• Gewähren Sie Ihrem Kind genügend<br />
Freiräume. Im unbeobachteten<br />
und unstrukturierten Spiel<br />
kann es sich ausprobieren und<br />
entdecken.<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
Das Leben geniessen.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>53