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03/2017

Fritz+Fränzi

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Kolumne<br />

Macht Kriegsspielzeug Kinder aggressiv?<br />

Eine verunsicherte Mutter sucht Rat: Sollen Eltern eingreifen, wenn sich Kinder<br />

gegenseitig mit Plastikpistolen «erschiessen» und so tun, als würden sie anderen<br />

Kindern die Kehle durchschneiden?<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />

leidet Juul an einer Entzündung der<br />

Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />

Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

Unser fünf Jahre alter<br />

Sohn hat Spielfiguren,<br />

mit denen er sich<br />

ins Rollenspiel vertieft.<br />

Wir sehen ihn<br />

nicht als «Problemkind». Im Gegenteil,<br />

wir erleben ihn als offen und<br />

lieb. Auch die Kinder im Kindergarten<br />

kommen gut mit ihm aus.<br />

Einmal beobachtete ich dort, wie<br />

er mit einem älteren Buben mit zwei<br />

Stöcken spielte, als seien es Gewehre.<br />

Ich sprach mit befreundeten Eltern<br />

darüber und erhielt alle möglichen<br />

Antworten – von «Ach, wir haben<br />

doch als Kinder auch Cowboy und<br />

Indianer gespielt» bis «Das ist nicht<br />

okay, du musst etwas dagegen tun!».<br />

Unser Sohn hat ein Spielzeugschwert<br />

und eine Plastikpistole.<br />

Manchmal spielt er mit Stöcken als<br />

Schwert oder Gewehr. Er erschiesst<br />

sich selbst und sagt: «Jetzt bin ich<br />

tot!», um ein paar Minuten später<br />

wieder zum Leben zu erwachen.<br />

Oder er fordert uns auf, mitzuspielen,<br />

uns dabei gegenseitig zu er ­<br />

schies sen und uns tot zu stellen.<br />

Wenn er auf uns böse ist, formt er<br />

seine Finger zu einer Pistole und sagt<br />

«peng, peng». Auch andere Buben<br />

im Kindergarten machen das.<br />

Die Aggression ist ein<br />

natürlicher und notwendiger<br />

Teil unserer Emotionen.<br />

Wir haben uns entschlossen, vorerst<br />

nicht weiter darauf einzugehen. Wir<br />

glauben, dass sein Spiel mit dem<br />

Todsein eine unschuldige und harmlose<br />

Form des Spielens ist. Er hat<br />

keinen Bezug zum Tod und sieht<br />

auch nie Beängstigendes im Fernsehen.<br />

Wir machen uns Gedanken<br />

darüber und wählen auch aus, was<br />

er im Kinderfernsehen schauen darf.<br />

Er sieht mit uns keine Nachrichten,<br />

und auch bei seinen engen Freunden<br />

wird das zu Hause so gehandhabt.<br />

Aber einmal mussten wir eingreifen.<br />

Er spielte mit seinen Spielfiguren,<br />

dass er einem Männchen die<br />

Kehle durchschneidet. Mein Mann<br />

und ich sahen uns an und sagten:<br />

«Oh nein, dieser arme Mann.»<br />

Unser Sohn entgegnete, der Mann<br />

sei ein Dieb. Mein Mann antwortete:<br />

«Aber das machen wir nicht mit<br />

Dieben. Sie kommen ins Gefängnis.»<br />

Darauf steckte unser Sohn die<br />

Figur ins «Gefängnis». Am nächsten<br />

Tag tat er so, als ob er seiner fünf<br />

Monate alten Schwester die Kehle<br />

durchschneide. Mein Mann reagierte<br />

sofort und sagte: «Ich will nicht,<br />

dass du so mit deiner Schwester<br />

spielst!» Unser Sohn sagte «okay»<br />

und spielte etwas anderes.<br />

Meine Schwester erzählte mir<br />

kürzlich, dass ihre beiden Söhne, die<br />

vier und sieben Jahre alt sind, mit<br />

den Nachbarsbuben Bombenhagel<br />

nachspielen, ihre Mütter mit Bomben<br />

töten und sich gegenseitig köpfen.<br />

Wie sie sagt, schauen die Nachbarsbuben<br />

mit ihren Eltern<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

44 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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