03/2017

Fritz+Fränzi Fritz+Fränzi

27.02.2017 Aufrufe

Psychologie & Gesellschaft «Papa, ich will dich nicht mehr sehen» Wenn sich Eltern trennen, bedeutet dies eine grundlegende Veränderung für alle. Nicht jede Familie findet ohne Hilfe zu einem Umgang, mit dem jedes Familienmitglied glücklich ist. Manchmal wenden sich Kinder sogar ab von einem Elternteil. Unsere Autorin weiss warum – und wer im Konfliktfall helfen kann. Text: Gisela Kilde Nicht die Symptome, der Kontaktabbruch, sondern die Ursachen müssen angegangen werden. Die Trennung der Eltern stellt für Kinder und Jugendliche ein kritisches Le ­ bensereignis dar. Welches im besten Fall zu einer ruhigeren, konfliktfreieren Familie führt. Meist bedeutet es aber, dass das Leben komplizierter wird. Das Hin und Her zwischen zwei Wohnorten ist aufwendig. Dadurch verändert sich das Leben der Kinder und Jugendlichen. Auch die Beziehung zu den Eltern verändert sich. In vielen Familien wird nicht nach der vom Gericht oder von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB vorgesehenen Besuchsordnung gelebt. Vielmehr organisieren beide Eltern die Betreuung oder die Besuche und Ferien des Kindes flexibel – je nach den sich ändernden Bedürfnissen der Familienmitglieder. Allerdings haben viele Kinder zu einem der beiden Elternteile keinen regelmässigen Kontakt. Manche von Anfang an nicht, in anderen Fällen kommt der Kontakt nach einiger Zeit zum Erliegen. Verschiedene Ursachen können zu einem solchen Kontaktabbruch führen. Ein Beispiel: Moritz, 16 Jahre, lebt seit der Trennung der Eltern bei der Mutter. Seit Monaten weigert er sich, den Vater zu besuchen. Wie kann es dazu kommen? Zeigt der Vater kein Interesse an Moritz oder passt er die Besuche nicht Moritz’ Interessen und Bedürfnissen an, kann dies beim Buben zu einer Verweigerungshaltung führen. Andererseits kann auch das Verhalten der Mutter bei ihrem Sohn das Gefühl auslösen, er solle sich für eine (ihre) Seite entscheiden. Sei es, indem sie auf Moritz’ Besuche beim Vater negativ reagiert, sei es, indem sie in Anwesenheit ihres Sohnes über den Vater schimpft. So sind bei jüngeren Kindern oftmals weiterschwelende Paarkonflikte Grund für Kontaktschwierigkeiten. Aufgrund der lebenslangen Be ­ deutung, die rechtliche Eltern für ihre Kinder haben, versuchen Ge ­ richte und Kindesschutzbehörden den Kontakt aufzubauen und zu erhalten. Eine gute Beziehung kann nicht erzwungen werden In der Vergangenheit wurde bei einseitigem Verweigern der Besuche die Besuchsrechtsregelung erzwungen, indem die Polizei das Kind dem besuchsberechtigten Elternteil zuführte. Heute bestehen zwar immer noch gesetzliche Grundlagen, die ein Erzwingen des persönlichen Umgangs miteinander ermöglichen würden. Doch gute Beziehungen können nicht mit Zwang erreicht werden, weshalb ein solches Handeln nicht dem Kindeswohl entspricht. Allenfalls wird bei ungerechtfertigter Besuchsverweigerung mittels Strafgesetzbuch eine Busse angedroht und bei Nichtbefolgen auch ausgesprochen. 38 März 2017 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Bild: iStockphoto In den letzten Jahren hat sich aber mehr und mehr die Einsicht durchgesetzt, nicht die Symptome, den Kontaktabbruch, anzugehen, sondern die dahinterstehenden Ursachen. So können Eltern durch die zuständige Behörde angewiesen werden, eine Beratung aufzusuchen. Diese Massnahme ist besonders dann sinnvoll, wenn ein Elternteil Schwierigkeiten in kindgerechter Betreuung oder in der altersgemässen Erziehung hat. In der Beratung wird beiden Eltern aufgezeigt, dass sich ihre fortdauernden Paarkonflikte schädigend auf die Kinder auswirken. In einer Mediation können konkrete und punktuelle Konflikte gelöst werden. Verweigert ein Jugendlicher wie Moritz die Besuche, kann direkt zwischen ihm und seinem Vater eine Mediation angeordnet werden. Bei schwerwiegenden Beziehungsproblemen zwischen Kind und Elternteil oder schädigendem elterlichem Verhalten kann eine (Familien-) Therapie in Frage kommen. Bei jüngeren Kindern steht der hauptsächlich betreuende >>> Eltern können durch die Behörde angewiesen werden, eine Beratung aufzusuchen. Was tun bei einem Kontaktabbruch? • Um einen Kontakt zwischen Jugendlichen und Eltern wiederher zustellen, ist nach den Ursachen des Kontakt abbruchs zu forschen, um bei den Beteiligten eine innere Haltungsänderung erreichen zu können. • Bei Paarkonflikten kann eine Beratung, eine Mediation oder eine Therapie angeordnet werden. Mit dem Ziel, durch Informationsvermittlung, Konfliktlösung respektive eine Änderung des schädlichen Verhaltens die Ursachen des Kontaktabbruchs zu beseitigen. Und die Situation für die Kinder zu verbessern. • Verweigern Jugendliche den Kontakt, ist die Besuchsrechts regelung entsprechend ihren geänderten Bedürfnissen abzuändern. Allenfalls hilft eine Mediation direkt zwischen Jugendlichem und Elternteil, eine passende Lösung zu finden. • Haben Jugendliche eigene schlechte Erfahrungen mit dem Elternteil gemacht oder sind sie beinahe volljährig, bleibt unter Umständen der Kontakt abgebrochen. In diesen Fällen können Erinnerungskontakte helfen, einen minimalen Informationsaustausch zwischen Elternteil und Jugendlichen herzustellen. Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi März 201739

Psychologie & Gesellschaft<br />

«Papa, ich will dich<br />

nicht mehr sehen»<br />

Wenn sich Eltern trennen, bedeutet dies eine grundlegende Veränderung für alle. Nicht jede<br />

Familie findet ohne Hilfe zu einem Umgang, mit dem jedes Familienmitglied glücklich ist.<br />

Manchmal wenden sich Kinder sogar ab von einem Elternteil. Unsere Autorin weiss warum –<br />

und wer im Konfliktfall helfen kann. Text: Gisela Kilde<br />

Nicht die Symptome, der<br />

Kontaktabbruch, sondern<br />

die Ursachen müssen<br />

angegangen werden.<br />

Die Trennung der<br />

Eltern stellt für Kinder<br />

und Jugendliche<br />

ein kritisches Le ­<br />

bensereignis dar.<br />

Welches im besten Fall zu einer<br />

ruhigeren, konfliktfreieren Familie<br />

führt. Meist bedeutet es aber, dass<br />

das Leben komplizierter wird. Das<br />

Hin und Her zwischen zwei Wohnorten<br />

ist aufwendig. Dadurch verändert<br />

sich das Leben der Kinder und<br />

Jugendlichen. Auch die Beziehung<br />

zu den Eltern verändert sich.<br />

In vielen Familien wird nicht<br />

nach der vom Gericht oder von der<br />

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

KESB vorgesehenen Besuchsordnung<br />

gelebt. Vielmehr organisieren<br />

beide Eltern die Betreuung oder<br />

die Besuche und Ferien des Kindes<br />

flexibel – je nach den sich ändernden<br />

Bedürfnissen der Familienmitglieder.<br />

Allerdings haben viele Kinder<br />

zu einem der beiden Elternteile<br />

keinen regelmässigen Kontakt. Manche<br />

von Anfang an nicht, in anderen<br />

Fällen kommt der Kontakt nach<br />

einiger Zeit zum Erliegen.<br />

Verschiedene Ursachen können<br />

zu einem solchen Kontaktabbruch<br />

führen. Ein Beispiel: Moritz, 16 Jahre,<br />

lebt seit der Trennung der Eltern<br />

bei der Mutter. Seit Monaten weigert<br />

er sich, den Vater zu besuchen. Wie<br />

kann es dazu kommen? Zeigt der<br />

Vater kein Interesse an Moritz oder<br />

passt er die Besuche nicht Moritz’<br />

Interessen und Bedürfnissen an,<br />

kann dies beim Buben zu einer Verweigerungshaltung<br />

führen.<br />

Andererseits kann auch das Verhalten<br />

der Mutter bei ihrem Sohn<br />

das Gefühl auslösen, er solle sich für<br />

eine (ihre) Seite entscheiden. Sei es,<br />

indem sie auf Moritz’ Besuche beim<br />

Vater negativ reagiert, sei es, indem<br />

sie in Anwesenheit ihres Sohnes<br />

über den Vater schimpft. So sind bei<br />

jüngeren Kindern oftmals weiterschwelende<br />

Paarkonflikte Grund für<br />

Kontaktschwierigkeiten.<br />

Aufgrund der lebenslangen Be ­<br />

deutung, die rechtliche Eltern für<br />

ihre Kinder haben, versuchen Ge ­<br />

richte und Kindesschutzbehörden<br />

den Kontakt aufzubauen und zu<br />

erhalten.<br />

Eine gute Beziehung kann nicht<br />

erzwungen werden<br />

In der Vergangenheit wurde bei einseitigem<br />

Verweigern der Besuche die<br />

Besuchsrechtsregelung erzwungen,<br />

indem die Polizei das Kind dem<br />

besuchsberechtigten Elternteil zuführte.<br />

Heute bestehen zwar immer<br />

noch gesetzliche Grundlagen, die ein<br />

Erzwingen des persönlichen Umgangs<br />

miteinander ermöglichen<br />

würden. Doch gute Beziehungen<br />

können nicht mit Zwang erreicht<br />

werden, weshalb ein solches Handeln<br />

nicht dem Kindeswohl entspricht.<br />

Allenfalls wird bei ungerechtfertigter<br />

Besuchsverweigerung<br />

mittels Strafgesetzbuch eine Busse<br />

angedroht und bei Nichtbefolgen<br />

auch ausgesprochen.<br />

38 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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