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03/2017

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Monatsinterview<br />

«Eltern, holt euch Hilfe!»<br />

Drohen, Erpressen, Demütigen – im Familienalltag können nicht nur Ohrfeigen Kinder<br />

verletzen. Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt gegen Minderjährige,<br />

sagt der Psychologe und Heilpädagoge Franz Ziegler. Der Kinderschutzexperte über<br />

ein Phänomen, das schwer einzugrenzen ist, aber quasi jede Familie betrifft.<br />

Interview: Evelin Hartmann Bilder: Ruben Wyttenbach / 13 Photo<br />

Der Weg zu Franz Ziegler führt vorbei<br />

am Kindergarten und der Dorfschule.<br />

Kindergeschrei, dann wieder Stille.<br />

Noch schnell die Dorfstrasse<br />

überqueren, und man steht vor<br />

einem schneeweissen Haus, dahinter<br />

grasen Kühe und Schafe. «Sie haben<br />

es aber schön hier!», sage ich, als die<br />

Tür aufgeht. Franz Ziegler lächelt:<br />

«Nicht wahr? In Zäziwil scheint seit<br />

Monaten die Sonne.»<br />

Herr Ziegler, eine Mutter, total<br />

gestresst, sagt im Zorn zu ihrer<br />

kleinen Tochter: «Manchmal würde<br />

ich dich am liebsten verkaufen!»<br />

Da hat die Mutter ihre Tochter ge ­<br />

schlagen, würde ich sagen.<br />

Geschlagen?<br />

Ja, mit Worten. Verbale Gewalt ist<br />

die typischste Form von psychischer<br />

Gewalt. Deshalb spricht man auch<br />

von Wortschlägen.<br />

Wie definiert man generell psychische<br />

oder seelische Gewalt an Kindern?<br />

Das ist ein sehr komplexes und weites<br />

Thema. Psychische Gewalt kann<br />

von einem einfachen Nebensatz wie<br />

«Kapierst du das eigentlich nie?» bis<br />

zum verbalen Treiben in den Selbstmord<br />

führen: «Ich wünschte, du<br />

wärst tot.» Das wichtigste Merkmal<br />

von psychischer Gewalt ist, dass<br />

Eltern ihrem Kind das Gefühl von<br />

Minderwertigkeit oder Wertlosigkeit<br />

vermitteln, sei es durch Drohen,<br />

Erpressen, Lächerlichmachen, Demütigen,<br />

Isolieren, Ignorieren oder<br />

auch permanente Schuldzuweisungen.<br />

«Mit dem Kind<br />

nicht mehr zu<br />

reden, ist eine<br />

Form der<br />

Erpressung.»<br />

Selbstvertrauens und das Vertrauen<br />

in andere zu untergraben anfange,<br />

reden wir von psychischer Gewalt.<br />

Mit dem Kind nicht mehr zu reden<br />

beziehungsweise ihm zu vermitteln,<br />

ich lieb dich nur, wenn dein Zimmer<br />

aufgeräumt ist, und trete auch erst<br />

dann wieder in sozialen Kontakt mit<br />

dir, ist eine Form von Erpressung.<br />

Und wenn sich die Mutter nur zurückzieht,<br />

um am Ende nicht die Fassung<br />

zu verlieren?<br />

Das ist eine andere Situation. Es ist<br />

ein Unterschied, ob sich eine Mutter<br />

ein Timeout von zehn Minuten<br />

nimmt, dieses auch als solches deklariert,<br />

um dann wieder ruhiger mit<br />

dem Kind sprechen zu können, oder<br />

ob sie beharrlich schweigt und jeden<br />

Versuch des Kindes, wieder mit ihr<br />

in Kontakt zu treten, boykottiert.<br />

Nehmen wir ein anderes Beispiel. Eine<br />

13-Jährige kommt wiederholt mit<br />

schlechten Noten nach Hause, am<br />

Nachmittag möchte sie mit ihren<br />

Freundinnen reiten gehen. «Lern du<br />

erst einmal vernünftig rechnen, so<br />

blöd wie du kann man doch gar nicht<br />

sein», macht ihr Vater ihren Freizeit-<br />

Ein Fünfjähriger will sein Zimmer nicht<br />

aufräumen, die Mutter redet auf ihn<br />

ein, nichts passiert. Irgendwann sagt<br />

sie gar nichts mehr. Auch auf die verunsicherte<br />

Nachfrage des Kindes hin,<br />

«Mama, was ist denn?», schweigt sie<br />

beharrlich. Kann man in diesem Fall<br />

von seelischer Gewalt sprechen?<br />

Auf jeden Fall. In dem Moment, in plan zunichte. Was tut er mit diesem<br />

dem ich die Entwicklung seines Satz seiner Tochter an? >>><br />

Franz Ziegler<br />

beschäftigt sich<br />

schon seit über<br />

25 Jahren mit<br />

Kinderschutz.<br />

Er studierte<br />

Heilpädagogik<br />

und Psychologie.<br />

32 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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