03/2017
Fritz+Fränzi
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«Mit Teenagern ist es normal,<br />
dass es täglich kracht»<br />
Eltern haben die Pflicht, Konflikte mit ihren Kindern auszutragen, sagt die Psychotherapeutin<br />
Annette Cina vom Institut für Familienforschung der Universität Freiburg. Sie müssen aber<br />
nicht jedem Wunsch der Kinder entsprechen. Interview: Sandra Casalini<br />
Frau Cina, wie entsteht ein Konflikt?<br />
Wenn Menschen aufeinandertreffen,<br />
die andere Ansichten, Absichten,<br />
Vorstellungen und Ziele haben,<br />
entstehen Konflikte. Dabei spielen<br />
auch andere Einflüsse eine Rolle,<br />
zum Beispiel wie es einem grundsätzlich<br />
gerade geht, ob man ge <br />
stresst ist oder eher gelassen. Ein<br />
Konflikt geht meist mit dem Gefühl<br />
einher, überhört und übergangen zu<br />
werden. Dabei ist das eigentliche<br />
Thema der Diskussion oft gar nicht<br />
so relevant wie dieses Grundgefühl.<br />
Warum geraten wir gerade mit den<br />
Menschen, die wir lieben, am häufigsten<br />
in Konflikt?<br />
Familienmitglieder, mit denen wir<br />
zusammenleben, sind tagtäglich da,<br />
mit all ihren Launen, Erlebnissen,<br />
Emotionen, Wünschen und Ansprüchen.<br />
Innerhalb der Familie traut<br />
man sich eher, Konflikte anzusprechen,<br />
und meist hat man auch höhere<br />
Ansprüche als an andere.<br />
Sind Konflikte zwischen Eltern und<br />
Kindern besonders schwierig, gerade<br />
weil es ein gewisses Machtgefälle<br />
gibt?<br />
«Ich rate Eltern zu mehr Gelassenheit.<br />
Was kann schon passieren, wenn das<br />
Kind im Winter in Turnschuhen in die<br />
Schule geht? Es wird selber merken,<br />
dass es kalte Füsse kriegt.»<br />
Ja und nein. Im Gegensatz zu Konflikten<br />
unter Erwachsenen haben<br />
Eltern bei Streitereien mit ihren<br />
Kindern die Macht, sie zu beenden,<br />
indem sie einfach entscheiden. Sie<br />
haben aber auch die Pflicht, Konflikte<br />
mit ihren Kindern auszutragen,<br />
und dabei müssen sie nicht<br />
jedem Wunsch der Kinder entsprechen.<br />
Handfeste Streite mit Kritik,<br />
Abfuhren und harten Strafen müssen<br />
aber nicht sein.<br />
Geht denn Erziehung ohne Strafen<br />
und Belohnen?<br />
Nein. Kinder müssen gewisse Regeln<br />
der Gesellschaft lernen, Kompromisse<br />
schliessen, den Umgang mit<br />
Frust lernen. Gerade kleineren Kindern<br />
kann man nicht alles erklären.<br />
Sie lernen vieles durch die Erfahrung,<br />
wie auf ihr Verhalten reagiert<br />
wird. Es ist eine Illusion, zu denken,<br />
dass Kinder sich ausschliesslich aus<br />
sich selbst entwickeln. Sie brauchen<br />
und möchten ein Feedback. Ich bin<br />
ganz klar dafür, dass man einem<br />
Kind zeigt, wenn es etwas gut gemacht<br />
hat. Wie beispielsweise durch<br />
ein ehrlich gemeintes Lob. Umgekehrt<br />
soll Fehlverhalten Konsequenzen<br />
haben. Diese dürfen aber nicht<br />
so stark sein, dass das Kind nicht die<br />
Chance erhält, es nochmals zu versuchen<br />
und selbst lernen zu können.<br />
Können Sie ein Beispiel nennen?<br />
Wenn ein Kind sich weigert, den<br />
Computer auszuschalten, ist die<br />
logische Konsequenz, dass seine Zeit<br />
am Computer für eine Weile gestrichen<br />
wird. Danach soll das Kind<br />
aber wieder an das Gerät dürfen und<br />
die Gelegenheit erhalten, zu lernen,<br />
den Computer selbst abzustellen,<br />
wenn die ausgemachte Zeit abgelaufen<br />
ist.<br />
Worauf sollten Eltern im Streit mit<br />
ihren Kindern besonders achten?<br />
Beide Parteien müssen die Möglichkeit<br />
haben, ihre Empfindungen mitzuteilen.<br />
Es geht nämlich oft nicht<br />
um reine Tatsachen – ob man nun<br />
eine halbe Stunde mehr oder weniger<br />
am Handy spielt, ist irrelevant<br />
–, sondern um Ängste und Empfindungen.<br />
Da haben die Eltern auch<br />
die Pflicht, die Kinder miteinzubeziehen,<br />
nachzufragen, was ihre Beweggründe<br />
sind. Kinder haben ein<br />
sehr starkes Ungerechtigkeitsempfinden<br />
und fühlen sich oft unverstanden.<br />
Da muss man Kompromisse<br />
suchen.<br />
Führt das nicht zu stundenlangen<br />
Diskussionen?<br />
Grundsätzlich sollten Diskussionen<br />
nicht ewig dauern. Das frustriert<br />
und oft werden dieselben Argumente<br />
wieder und wieder ins Spiel ge <br />
30 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi