03/2017
Fritz+Fränzi Fritz+Fränzi
Dossier Streitregel Nummer 3: Versöhnung feiern. So merkt man: «Unsere Beziehung hält das aus.» >>> lösen – und dabei im besten Fall auf der «Win-Win»-Ebene bleiben? «Kleinere, unwichtigere Konflikte werden oft durch Einlenken der einen Seite beendet», sagt Familienforscher Dominik Schöbi. «Bei grundlegenderen Auseinandersetzungen braucht es mehr. Vor allem Einsicht: Die Sichtweise des anderen sehen und akzeptieren – ohne dass man sie teilen muss. Wenn der andere sieht, dass auch die eigene Sichtweise wahrgenommen wird, können eher Zugeständnisse ge - macht werden.» Ein länger andauernder oder wiederkehrender Konflikt weist laut Schöbi häufig darauf hin, dass sich die Beteiligten nicht ausreichend mit der Sichtweise und den Bedürfnissen des anderen auseinandersetzen. Das wäre jedoch notwendig, um Kompromissbereitschaft oder eine ein vernehmliche Lösung zu erreichen, aber auch, um die Sachlage neu zu beurteilen, so dass je - mand bereit ist, nachzugeben. Suche nach dem Kompromiss Wenn jemand schnell mit starken negativen Gefühlen wie Ärger re a- giere, versuche, den Konfliktpartner durch Sanktionen, Gewalt oder sehr negatives Verhalten zum Einlenken zu bringen, oder Interaktion und Gespräche verweigere, sei das unmöglich, sagt Schöbi. Signalisiert die Mutter Verständnis für die Bedürfnisse der Tochter, macht aber auch auf ihre eigenen aufmerksam, ist die Tochter eher zu einem Kompromiss bereit, als wenn die Mutter sie mit Anschuldigungen und Drohungen konfrontiert. «Sich dem Diktat einer Person zu unterwerfen, die sich nicht einmal bemüht, einen zumindest etwas zu verstehen, kann psychologisch höchst bedrohlich sein. Vor allem in einer Entwicklungsphase, in der die eigene Individualität zentral ist», so Dominik Schöbi. Eine solche Erfahrung kann de - struktiv und selbstwertschädigend sein – und die Beziehung zu den Eltern nachhaltig belasten. Gerade die Adoleszenz, wenn sich die Kinder von den Eltern lösen, ist eine solche Phase. «Wenn diesen Prozessen zu wenig Raum und Flexibilität gegeben wird, kann es auch mal zu extremem Verhalten kommen», so Familienforscher Schöbi. «Eltern müssen dazu übergehen können, nicht mehr für die Kinder Entscheidungen zu treffen, sondern diese in 20 März 2017 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
der Entscheidungsfindung zu lenken und zu unterstützen.» Gefühl von Wertschätzung Zahlreiche Mütter und Väter tun dies, wie eine Umfrage im Auftrag von Shell unter deutschen Jugendlichen zeigt: 46,7 Prozent geben an, bei Problemen mit ihren Eltern zu reden und gemeinsam zu einer Entscheidung zu kommen. Nur knapp zehn Prozent gaben an, ihre Eltern würden ihnen sagen, wie sie zu handeln hätten. Sieben Prozent der Be fragten erklärten, sich bei einem Streit am Ende durchzusetzen. Sich wertgeschätzt zu fühlen, sei ein wichtiges Bedürfnis von Kindern, sagt Dominik Schöbi. Und das stehe bei Konflikten auf dem Spiel. Umso wichtiger ist es, Diskussionen zwischen Eltern und Kindern nicht entgleiten zu lassen. Britta Went vom Elternnotruf ist oft mit genau solchen Situationen konfrontiert. «Wenn böse Worte und Drohungen ausgesprochen werden, verwandelt sich ein Konflikt in etwas De >>> Wenn Diskussionen in der Familie entgleiten, gerät die ganze Welt des Kindes ins Wanken. Literatur- und Online-Tipps Thomas Gordon: Die Familienkonferenz. Die Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind. Heyne, 2012, 365 Seiten, Fr. 14.90 Thomas Gordon: Familienkonferenz in der Praxis. Wie Konflikte mit Kindern gelöst werden. Heyne, 2012, 382 Seiten, Fr. 14.90 Stephanie Schneider: Der kleine Streit berater. Familienkonflikte lösen mit Herz und Verstand. Kösel, 2013, 39 Seiten, Fr. 14.90 Elternnotruf: 24 Stunden Hilfe und Beratung von Fachpersonen für Eltern, Familien und Bezugspersonen: www.elternnotruf.ch Pro Juventute Elternberatung: Anlaufstelle für Eltern und Bezugspersonen. Persönliche, telefonische und Online-Beratung durch Fachpersonen für Eltern in Notsituationen, rund um die Uhr: www.projuventute.ch/Elternberatung Verein Gordon-Training Schweiz: Erfreuliche Konfliktlösung. Erfolgreich Konflikte lösen ohne Verlierende: www.gordon-training.ch Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi März 201721
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Dossier<br />
Streitregel<br />
Nummer 3:<br />
Versöhnung<br />
feiern. So merkt<br />
man: «Unsere<br />
Beziehung hält<br />
das aus.»<br />
>>> lösen – und dabei im besten<br />
Fall auf der «Win-Win»-Ebene bleiben?<br />
«Kleinere, unwichtigere Konflikte<br />
werden oft durch Einlenken<br />
der einen Seite beendet», sagt Familienforscher<br />
Dominik Schöbi. «Bei<br />
grundlegenderen Auseinandersetzungen<br />
braucht es mehr. Vor allem<br />
Einsicht: Die Sichtweise des anderen<br />
sehen und akzeptieren – ohne<br />
dass man sie teilen muss. Wenn der<br />
andere sieht, dass auch die eigene<br />
Sichtweise wahrgenommen wird,<br />
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Ein länger andauernder oder<br />
wiederkehrender Konflikt weist laut<br />
Schöbi häufig darauf hin, dass sich<br />
die Beteiligten nicht ausreichend<br />
mit der Sichtweise und den Bedürfnissen<br />
des anderen auseinandersetzen.<br />
Das wäre jedoch notwendig,<br />
um Kompromissbereitschaft oder<br />
eine ein vernehmliche Lösung zu<br />
erreichen, aber auch, um die Sachlage<br />
neu zu beurteilen, so dass je -<br />
mand bereit ist, nachzugeben.<br />
Suche nach dem Kompromiss<br />
Wenn jemand schnell mit starken<br />
negativen Gefühlen wie Ärger re a-<br />
giere, versuche, den Konfliktpartner<br />
durch Sanktionen, Gewalt oder sehr<br />
negatives Verhalten zum Einlenken<br />
zu bringen, oder Interaktion und<br />
Gespräche verweigere, sei das unmöglich,<br />
sagt Schöbi. Signalisiert die<br />
Mutter Verständnis für die Bedürfnisse<br />
der Tochter, macht aber auch<br />
auf ihre eigenen aufmerksam, ist die<br />
Tochter eher zu einem Kompromiss<br />
bereit, als wenn die Mutter sie mit<br />
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«Sich dem Diktat einer Person zu<br />
unterwerfen, die sich nicht einmal<br />
bemüht, einen zumindest etwas zu<br />
verstehen, kann psychologisch<br />
höchst bedrohlich sein. Vor allem<br />
in einer Entwicklungsphase, in der<br />
die eigene Individualität zentral ist»,<br />
so Dominik Schöbi.<br />
Eine solche Erfahrung kann de -<br />
struktiv und selbstwertschädigend<br />
sein – und die Beziehung zu den<br />
Eltern nachhaltig belasten. Gerade<br />
die Adoleszenz, wenn sich die Kinder<br />
von den Eltern lösen, ist eine<br />
solche Phase. «Wenn diesen Prozessen<br />
zu wenig Raum und Flexibilität<br />
gegeben wird, kann es auch mal zu<br />
extremem Verhalten kommen», so<br />
Familienforscher Schöbi. «Eltern<br />
müssen dazu übergehen können,<br />
nicht mehr für die Kinder Entscheidungen<br />
zu treffen, sondern diese in<br />
20 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi