03/2017
Fritz+Fränzi
Fritz+Fränzi
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Fr. 7.50 3/März <strong>2017</strong><br />
MIT<br />
GESUNDHEITS-SPEZIAL<br />
Das macht<br />
Kinder stark<br />
68 Seiten<br />
Psychische Gewalt<br />
Wenn Eltern ihre<br />
Kinder demütigen<br />
Jesper Juul<br />
Macht Kriegsspielzeug<br />
Kinder aggressiv?<br />
Warum Konflikte wichtig sind<br />
Lass uns<br />
streiten!
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Editorial<br />
Bild: Geri Born<br />
Nik Niethammer<br />
Chefredaktor<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Er ist der bekannteste Familientherapeut Europas. Aber von seinem schweren<br />
Schicksalsschlag wissen nur wenige. Jesper Juul leidet an einer Autoimmunkrankheit,<br />
die seine Rückenmarksflüssigkeit entzündet hat. Er lag im Koma,<br />
verbrachte 18 Monate in einer Rehaklinik, verlor nach einem Luftröhrenschnitt<br />
seine Stimme. Heute ist Juul vom Brustkorb abwärts gelähmt und sitzt im Rollstuhl.<br />
Seine Schaffenskraft aber ist ungebrochen. Davon können Sie sich in diesem Heft<br />
gleich zweimal überzeugen: im Interview mit meiner Kollegin Sandra Casalini zum<br />
Dossier-Thema «Lass uns streiten!» (Seite 22). Und in seiner Kolumne «Macht<br />
Kriegs spielzeug Kinder aggressiv?» (Seite 44). Dem Familientherapeuten geht die<br />
Euphorie seiner Fans manchmal zu weit. Für Erzieherinnen, die einen «Juul-<br />
Kindergarten» gründen wollen, und Eltern, die ihre Kinder stets im «Juul’schen<br />
Sinn» erziehen, hat Juul wenig übrig: «Da kann ich nur sagen: arme Kinder!»<br />
«In einer Familie,<br />
die nicht nur<br />
aus Mumien besteht,<br />
gehören Konflikte dazu.»<br />
Reinhard Mey, deutscher Liedermacher<br />
Es ist der Wunsch aller Eltern: ein gesundes Kind, das die<br />
Herausforderungen des Lebens meistert, ein gutes Selbstwertgefühl<br />
entwickelt, achtsam und respektvoll mit seinen<br />
Mit menschen umgeht. «Das macht Kinder stark» lautet der Titel<br />
eines «Gesundheits-Spezials», das dieser Ausgabe erstmals<br />
beiliegt. Claudia Landolt, leitende Autorin beim Schweizer<br />
ElternMagazin, hat über vier Monate an diesem Heft gearbeitet.<br />
Ihre Kernbotschaft: «Wir Eltern sind stets aufs Neue gefordert,<br />
unsere Kinder darin zu unterstützen, ihre Stärken zu entdecken,<br />
ohne sich für ihre Schwächen zu schämen.»<br />
Mit zu meinen schönsten Aufgaben als Chefredaktor gehört der Dialog mit Ihnen,<br />
liebe Leserin, lieber Leser. Vielleicht können Sie erahnen, wie sehr wir uns über<br />
die Resultate der kürzlich durchgeführten Leserbefragung gefreut haben. Wie es<br />
scheint, machen wir vieles richtig: Drei Viertel aller Befragten beurteilen unser<br />
Magazin als «sehr gut». Über 90 Prozent geben an, dass ihnen<br />
unsere Inhalte im täglichen Familien leben helfen. Die für<br />
mich eindrücklichste Zahl: Fast jeder zweite der insgesamt<br />
1009 Teilnehmer der Umfrage gab an, mindestens 10 Beiträge<br />
pro Ausgabe zu lesen. Das sind Werte, von denen andere Titel<br />
nur träumen können. Vielen herzlichen Dank für Ihr Vertrauen!<br />
Bleiben Sie uns gewogen. Und empfehlen Sie uns weiter,<br />
wenn Sie mögen.<br />
Nun wünsche ich Ihnen viel Lesevergnügen. Ausgewählte<br />
Geschichten aus dem Heft und Texte, die wir nur online<br />
publizieren, finden Sie wie gewohnt auf unserer Webseite<br />
unter www.fritzundfraenzi.ch.<br />
Bild: Alain Laboile<br />
Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />
«Gesundheits-Spezial»<br />
68 Seiten<br />
850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org
Inhalt<br />
Ausgabe 3 / März <strong>2017</strong><br />
Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />
fritzundfraenzi.ch und<br />
facebook.com/fritzundfraenzi.<br />
Augmented Reality<br />
Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />
erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />
Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />
Psychologie & Gesellschaft<br />
38 Kein Kontakt<br />
Wenn Eltern sich trennen, ist das für<br />
Kinder meist schwer. Manchmal<br />
brechen sie den Kontakt zu einem<br />
der beiden Elternteile sogar ab.<br />
42 Ein lehrreicher Weg<br />
Kinder machen auf dem Weg zur<br />
Schule viele Erfahrungen – nicht alle<br />
sind positiv.<br />
10<br />
Dossier: Konflikte<br />
10 Vom Streiten und Versöhnen<br />
Streit kommt in den besten Familien<br />
vor und ist per se nichts Schlechtes –<br />
vorausgesetzt, man streitet richtig,<br />
sagen Experten.<br />
Bild: Anne Gabriel-Jürgens<br />
22 Keine Angst vor Gefühlen<br />
Eltern müssen ihre Werte heute klar<br />
vorleben und sich den Konflikten mit<br />
ihren Kindern stellen, fordert der<br />
dänische Familientherapeut Jesper Juul.<br />
30 Kann man aus Konflikten lernen?<br />
Und ob, sagt Annette Cina. Zum Beispiel<br />
Kompromisse zu schliessen. Die<br />
Psychotherapeutin im Interview.<br />
Cover<br />
Gestritten wird in jeder<br />
Familie. Doch wie geht<br />
man konstruktiv mit<br />
schlechter Stimmung<br />
um? Konflikte, unser<br />
Dossier-Thema im<br />
März.<br />
Bilder: Ornella Cacace / 13 Photo, Ruben Wyttenbach / 13 Photo, Stefanie Neumann / Plainpicture, Mara Truog / 13 Photo<br />
4
32<br />
46<br />
54<br />
Wie sehr können Worte unsere Kinder<br />
verletzen, Franz Ziegler?<br />
Kinder von alkoholkranken Eltern haben es<br />
schwer, verlässliche Beziehungen einzugehen.<br />
Giulias Mutter hatte Krebs – und wurde vom<br />
Teenager zu Hause gepflegt.<br />
Erziehung & Schule<br />
46 Wenn Eltern trinken<br />
Suchtverhalten kann verheerende<br />
Folgen haben – auch für die Kinder.<br />
50 Ganz schön kreativ<br />
So viel Spass machen Kindern<br />
Schreibexperimente.<br />
54 Bangen um Mama<br />
Young Carers sind Jugendliche, die<br />
ein krankes Familienmitglied pflegen<br />
– wie Giulia. Eine Reportage.<br />
62 Vom guten Lehrer<br />
Das Vertrauen in die Lehrer schwindet,<br />
warum eigentlich?<br />
Ernährung & Gesundheit<br />
66 Der legale Trip<br />
High werden mit Hustensaft,<br />
Badezusatz, Duftpulver – das ist nicht<br />
ungefährlich.<br />
Digital & Medial<br />
70 Die virtuelle Welt<br />
Eignen sich die beliebten<br />
VR-Brillen auch für Kinder?<br />
74 Chatroom statt Couch?<br />
In der Psychotherapie von<br />
Jugendlichen spielen neue<br />
Medien heute eine wichtige Rolle.<br />
78 Streit ums Smartphone<br />
Mit dem ersten Smartphone des<br />
Kindes beginnen die Diskussionen –<br />
Eltern sollten sie führen!<br />
79 Mixed Media<br />
Rubriken<br />
<strong>03</strong> Editorial<br />
06 Entdecken<br />
32 Monatsinterview<br />
Beschimpfen, ignorieren, drohen –<br />
psychische Gewalt ist die häufigste<br />
Form von Gewalt gegen Kinder, sagt<br />
Psychologe Franz Ziegler.<br />
44 Jesper Juul<br />
Die Aggression ist ein Teil unserer<br />
Emotionen. Aber was tun, wenn der<br />
Sohn immer Krieg spielt?<br />
51 Mikael Krogerus<br />
Verständnis für genervte Eltern.<br />
52 Fabian Grolimund<br />
Was braucht ein Kind, um selbständig<br />
zu werden? Ein vertrauensvolles<br />
Verhältnis zu seinen Eltern.<br />
64 Leserbriefe<br />
76 Stiftung Elternsein<br />
Ellen Ringier über das, was wirklich<br />
zählt im Leben, die Familie.<br />
Service<br />
80 Sponsoren/Impressum<br />
80 Verlosung<br />
81 Buchtipps<br />
82 Eine Frage – drei Meinungen<br />
Die Tochter einer Leserin hat Angst<br />
vor Dieben. Was soll die Mutter dem<br />
Mädchen sagen, ohne es anzulügen?<br />
83 Abo<br />
Die nächste Ausgabe erscheint<br />
am 6. April <strong>2017</strong>.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>5
Entdecken<br />
Wir schauen hin!<br />
Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht<br />
ist seit vier Jahren in Kraft.<br />
Obwohl die KESB, die zuständige<br />
Behörde, laut Studien ihre Arbeit gut<br />
macht, gibt es ihr gegenüber zum Teil<br />
Misstrauen. Deshalb haben sechs<br />
Organisationen, die im Kindes- und<br />
Erwachsenenschutz aktiv sind, die<br />
Anlaufstelle KESCHA aufgebaut. Ihr<br />
Ziel: Betroffenen Eltern im Umgang<br />
mit der KESB zur Seite stehen.<br />
www.kescha.ch<br />
3 FRAGEN<br />
an Mariann Wenger, Künstlerin<br />
«Ich bin gerührt, wie gut das Buch ankommt»<br />
Er ist der Landesheilige der Schweiz, sie die vierfache Mutter und<br />
Künstlerin. Verbunden sind sie durch ein Buch, das Mariann Wenger über<br />
das Leben von Niklaus von Flüe, genannt Bruder Klaus, gezeichnet hat.<br />
Erschienen ist es zum 600-jährigen Jubiläum des Landespatrons<br />
im Canisi-Verlag.<br />
Interview: Evelin Hartmann<br />
Mariann Wenger, wie kam es zu diesem Buch?<br />
Als gestresste Mutter war ich einmal im Kloster Bethanien in<br />
St. Niklausen in Obwalden zur Kur. Dort in der Nähe hatte sich das Leben<br />
des Bruder Klaus abgespielt. Bis ich dieses Buch angegangen bin, hat es<br />
jedoch Jahrzehnte gedauert.<br />
Was war der Auslöser?<br />
Irgendwann kam in mir der Wunsch auf, neben der Malerei auch Comics<br />
zu zeichnen, eine fortlaufende Geschichte. Und am 16. Oktober, dem<br />
Geburtstag einer meiner Söhne, wusste ich auf einmal, welche<br />
Geschichte das sein könnte.<br />
Warum ist dieses Datum so wichtig?<br />
An einem 16. Oktober ist Bruder Klaus in die Einsamkeit gegangen.<br />
Sieben Jahre habe ich an diesem Buch gearbeitet, bin immer wieder<br />
in sein Leben eingetaucht, habe sein Haus besucht, bin zu Recherchezwecken<br />
ins Landesmuseum gefahren. Ich nahm mir dazu die Zeit.<br />
Jetzt bin ich gerührt darüber, wie gut es ankommt. Dass mir Eltern<br />
rückmelden, dass sie es mit ihren Kindern anschauen, finde ich schön.<br />
Alle Infos auf wwww.canisi-edition.com<br />
24 % der Schweizer wollen am Stadtrand, 23 %<br />
in der Agglomeration leben. Also zentral, aber unweit der<br />
Natur – und am liebsten mit Seesicht (45,5 %).<br />
Im Dorf wollen sich nur 15,7 % niederlassen,<br />
und der Blick auf Felder begeistert gerade mal 2,6 %.<br />
(Quelle: Wohntraumstudie 2016/17 von Moneypark und AlaCasa.ch)<br />
Für junge<br />
Künstler<br />
Eine Spitzmaus aus Wolle,<br />
ein grüner Löwe aus Karton.<br />
Wie bitte, ein Löwe aus<br />
Karton, gibt’s so etwas? Und<br />
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gesetzt. K’ steht dabei für Kinder, Kunst, Kreativität und Kultur. Hier<br />
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der «Konferenz Bildschulen Schweiz» angeschlossen, der auch das<br />
K’Werk Basel, Bern / Biel und Zug sowie die Bildschule Aarau und die<br />
kleine kunstschule St. Gallen angehören. Einfach mal vorbeischauen!<br />
Alle Kurse auf www.kwerk-zuerich.ch<br />
Bilder: ZVG<br />
6 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
«Es gibt leider immer wieder Eltern, die<br />
das Schwänzen ihrer Kinder tolerieren<br />
und es ihnen erlauben, sich mit einer<br />
Ausrede wie etwa ‹Kopfschmerzen›<br />
zu entschuldigen.»<br />
Lilo Lätzsch in einem Beitrag auf 20min.ch zum Thema<br />
Schulschwänzen an Schweizer Schulen.<br />
Lilo Lätzsch<br />
ist Präsidentin<br />
des Zürcher<br />
Lehrerverbandes.<br />
Du und ich<br />
Jugendliche drehen sich vor allem um eins: sich<br />
selbst. Das ist normal. Um aber zu erfahren, wie<br />
sich andere fühlen, hat der Verein Fly mit Rückenwind<br />
das Projekt Fly ins Leben gerufen, in dem<br />
Teenager ein Schuljahr lang zwei bis vier Stunden<br />
pro Woche Primarschüler oder Kindergartenkinder<br />
betreuen. Per individuellem Videocoaching auf der<br />
Grundlage der Erziehungsmethode Marte Meo<br />
werden die Jugendlichen begleitet und geschult.<br />
Eine Schule, die bereits zum fünften Mal teilnimmt,<br />
ist das Oberstufenzentrum Madretsch in Biel.<br />
Alle Infos auf www.flymitrueckenwind.ch<br />
Wasser ist Leben<br />
Wie viel Wasser ist notwendig, um die<br />
Nahrungsmittel und die Gegenstände für<br />
unseren täglichen Gebrauch herzustellen?<br />
Wem gehört überhaupt das Wasser, und<br />
was ist ein «hydrologischer Fussabdruck»?<br />
Diese und noch mehr Fragen möchte die<br />
Umweltarena Spreitenbach ihren<br />
Besuchern beantworten – anschaulich<br />
und intelligent aufbereitet durch die<br />
Ausstellung «Unser Wasser» der Stiftung<br />
Cap Santé.<br />
Alle Infos auf www.umweltarena.ch<br />
Mary Poppins Sie trägt ihr Haar immer zum Dutt, fliegt mit einem Regenschirm<br />
durch die Gegend und ist wohl das berühmteste Kindermädchen der Welt: Mary Poppins.<br />
Im März feiert das preisgekrönte gleichnamige Musical Premiere in der Schweiz und<br />
verwandelt das Theater 11 in Zürich in die magische Welt der liebenswerten Nanny, die bei<br />
der Familie Banks anheuert. Die Eltern haben ihre Kinder Jane und Michael nicht mehr<br />
unter Kontrolle und sind auf der Suche nach einem neuen Kindermädchen. Je strenger,<br />
desto besser. Da taucht wie aus dem Nichts eine geheimnisvolle junge Frau namens<br />
Mary Poppins auf. Ein zauberhaftes Musical für die ganze Familie, noch zu sehen bis<br />
zum 19. März im Theater 11.<br />
www.musical.ch/de/theater11zuerich<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>7
SPEZIELL FÜR DIE SCHWEIZ: DIE<br />
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Dossier
Dossier<br />
Wie streitet<br />
man richtig?<br />
Konflikte kommen in jeder Familie vor und sind an sich<br />
nichts Schlechtes. Entscheidend ist die Art und Weise,<br />
wie ein Streit ausgetragen wird. Wie Konflikte entstehen,<br />
wie wir sie beenden und warum sie uns weiterbringen,<br />
versucht dieses Dossier zu ergründen.<br />
Text: Sandra Casalini Bilder: Anne Gabriel-Jürgens, Ornella Cacace, Christian Nilson<br />
Bild: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />
Streitregel<br />
Nummer 1:<br />
Nie gegen<br />
jemanden,<br />
sondern immer<br />
für etwas<br />
kämpfen.<br />
11
Dossier<br />
man erst dann von einem Konflikt,<br />
wenn jemand diese Differenzen so<br />
erlebt, dass er sich im Verwirklichen<br />
dessen, was er denkt, fühlt oder will,<br />
von jemand anderem beeinträchtigt<br />
fühlt. Es wird also auch dann von<br />
einem Konflikt gesprochen, wenn<br />
dies nur die eine Partei so erlebt,<br />
während sich die andere noch in<br />
einer total «problemfreien Zone»<br />
wähnt.<br />
Ein Konflikt (lateinisch<br />
confligere, «zusammentreffen,<br />
kämpfen») ist<br />
eine «schwierige Situation<br />
infolge des Aufeinanderprallens<br />
unterschiedlicher<br />
Interessen, Forderungen und Meinungen.»<br />
So umschreibt der Duden<br />
das Wort «Konflikt».<br />
Fachleute stehen dieser Definition<br />
allerdings skeptisch gegenüber.<br />
«Verschiedene oder gegensätzliche<br />
Vorstellungen, Ideen, Gefühle, Werte<br />
oder Ziele sind an sich noch keine<br />
Konflikte», schreibt der österreichische<br />
Konfliktforscher Friedrich<br />
Glasl im Buch «Wie Familienmediation<br />
gelingen kann». «Es kommt<br />
darauf an, wie wir mit den Unterschieden<br />
umgehen, ob daraus ein<br />
sozialer Konflikt entsteht oder<br />
nicht.» In der Forschung spricht<br />
Palette an Gefühlen<br />
Wie aber entsteht aus einer alltäglichen<br />
Meinungsverschiedenheit ein<br />
Konflikt? «Indem man gewahr wird,<br />
dass die Bedürfnisse und Ziele einer<br />
anderen Person den eigenen Zielen<br />
oder Bedürfnissen im Weg steht»,<br />
sagt Familienforscher Dominik<br />
Schöbi, Direktor des Institutes für<br />
Familienforschung und -beratung<br />
der Universität Freiburg.<br />
Sprich: Wenn die Mutter die<br />
Unordnung im Zimmer der Tochter<br />
als «Puff» empfindet, während sie<br />
sich dort vollkommen wohl fühlt,<br />
haben sie per definitionem noch keinen<br />
Konflikt. Dieser entsteht erst<br />
dann, wenn die Mutter der Tochter<br />
befiehlt, sofort aufzuräumen, sie<br />
aber weiter am Handy chatten<br />
möchte. Die Tochter wird also<br />
gewahr, dass das Bedürfnis ihrer<br />
Mutter nach sofortiger Ordnung<br />
ihrem eigenen Bedürfnis (Chatten)<br />
im Weg steht.<br />
Ist die Konfliktsituation erst einmal<br />
da, geht es meist nicht mehr nur<br />
um deren Auslöser – das «Puff» im<br />
Zimmer – sondern je länger, je mehr<br />
um eine ganze Palette an Gefühlen,<br />
von Unsicherheit über Ärger bis hin<br />
zu unkontrollierbarer Wut: «Unsere<br />
psychischen Fähigkeiten werden<br />
wesentlich eingeschränkt, wenn wir<br />
unter Druck, Spannung und Stress<br />
stehen, wie das bei einem Konflikt<br />
der Fall ist», sagt Friedrich Glasl.<br />
«Unsere Wahrnehmungs fähigkeit,<br />
unser Denkvermögen, unser Um <br />
gang mit Emotionen und auch das<br />
Bewusstsein für das, was uns treibt,<br />
werden einseitig. Das führt<br />
Ein Konflikt entsteht, wenn<br />
eine andere Person den<br />
eigenen Zielen und<br />
Bedürfnissen im Weg steht. >>><br />
Streitregel<br />
Nummer 2: Nach<br />
einer Auszeit<br />
gehts meistens<br />
ruhiger weiter.<br />
12
Bild: Ornella Cacace / 13 Photo<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>13
Dossier<br />
Bild: Christian Nilson / 13 Photo<br />
«Keinen Bock auf<br />
Diskussionen»<br />
Antoinette Masi lebt mit Jeron, 16,<br />
und Elisha, 14, in Suhr AG. Die<br />
alleinerziehende Mutter hat noch<br />
zwei erwachsene Töchter, Nea, 25,<br />
und Dara, 23, die nicht mehr zu<br />
Hause wohnen.<br />
Antoinette: Wir drei leben gewissermassen<br />
in einer WG-Situation zusammen. Streit gibts<br />
fast ausschliesslich beim Thema Ordnung.<br />
Jeron: Wenn Elisha und ich allein zu Hause<br />
sind und niemand etwas sagt, lassen wir die<br />
schmutzigen Teller halt in der Küche stehen.<br />
Dann gibts Ärger, Mami kann auch etwas<br />
lauter werden. Ich geh dann in mein Zimmer.<br />
Irgendwann räumt schon jemand auf.<br />
Antoinette: Aber ich muss etwas sagen,<br />
sonst dauerts bei dir wochenlang, bis du<br />
dich mal rührst.<br />
Jeron: Das stimmt gar nicht! Ausserdem<br />
ist Elisha nicht besser. Sie schweigt einfach,<br />
wenn du was sagst, und macht gar nichts.<br />
Elisha: Doch. Ich räume dann auf, wenn<br />
mich der Dreck stört. Es ist ja mein Zimmer,<br />
und ich muss darin wohnen, nicht du, Mami.<br />
Antoinette: Aber wenn ich das Gefühl habe,<br />
da krabbeln gleich Viecher aus dem Dreck<br />
in euren Zimmern, geht es auch mich etwas<br />
an, oder? Am schwierigsten finde ich aber<br />
die Ferien. Wenn ich nach Hause komme und<br />
weiss, ihr liegt seit Stunden hier rum, und<br />
es herrscht ein Riesenpuff, nerve ich mich<br />
schon. Aber schreien mag ich nicht, das<br />
macht einen nur noch machtloser.<br />
Jeron: Ich weiss ja auch, was dich aufregt,<br />
aber ich habe keinen Bock auf Diskussionen.<br />
Das muss ich mir nicht antun, mich volllabern<br />
zu lassen. Ich gehe dann einfach weg.<br />
Antoinette: Du bist konfliktscheu. Das bin<br />
ich ehrlich gesagt auch. Aber manchmal<br />
muss man euch gewisse Dinge halt erklären.<br />
Zum Beispiel wenn es um deine Computer-<br />
Games geht.<br />
Jeron: Das will ich gar nicht hören, weil du eh<br />
immer das Gleiche sagst. Das macht mich so<br />
hässig, dass ich gar nichts mehr sage.<br />
Antoinette: Dabei seid ihr ja eigentlich<br />
recht friedliche Teenager. Mit Nea und Dara<br />
wars schwieriger. Dass ich mit euch weniger<br />
Diskussionen habe, liegt sicher daran, dass<br />
ich heute gelassener bin. Aber auch daran,<br />
dass jeder ein Handy hat und ich euch immer<br />
erreichen kann.<br />
Jeron: Weisst du, was mich nervt? Wenn ich<br />
am Gamen bin und du immer wieder sagst,<br />
ich solle aufhören und mal rausgehen. Ich<br />
will nicht rausgehen. Andere Eltern wären<br />
froh, wenn ihre Kinder nicht dauernd im<br />
Ausgang herumhängen würden.<br />
Elisha: Stimmt, du checkst manche Dinge<br />
einfach nicht. Zum Beispiel, dass ich Horrorfilme<br />
einfach mag. Die sind lustig! Ich habe<br />
keine Angstzustände, wenn ich sowas sehe.<br />
Jeron: Und manchmal wollen wir einfach<br />
über gewisse Sachen nicht reden. Wenn ich<br />
gerade auf Netflix eine Serie schaue, musst<br />
du mich nicht vollquatschen. Du erzählst eh<br />
immer das Gleiche. Dass ich den Kontakt zu<br />
anderen Leuten verliere, wenn ich immer<br />
zu Hause hocke. Aber das stimmt nicht.<br />
Ich kommuniziere von zu Hause aus. Diese<br />
Unterhaltung führen wir alle paar Wochen.<br />
Antoinette: Wenn ich ein Thema wichtig<br />
finde, schneide ich es an, wenn ich allein mit<br />
dem betreffenden Kind im Auto bin. Da kann<br />
es nicht weglaufen.<br />
14 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Immer über die gleichen Dinge<br />
zu streiten, ermüdet. Regeln<br />
geben eine gute Orientierung.<br />
Vor allem für Teenager.<br />
Jeron: Das ist extrem nervig! Aber wir haben<br />
ja zum Glück keine schlimmen Probleme.<br />
Antoinette: Stimmt. Und sie werden sich<br />
spätestens lösen, wenn ihr auszieht!<br />
Evelin Männel Fretz, Pro Juventute<br />
Elternberatung, über die Familie Masi:<br />
«Die drei gehen Streit gern mal aus dem<br />
Weg. Beziehungen funktionieren aber auch<br />
über Konflikte, und Kinder müssen streiten<br />
lernen. Ob die Strategie, Konflikte im Auto<br />
anzusprechen, die richtige ist, bezweifle ich.<br />
Ich empfehle der Familie, in einem Familienrat<br />
zu klären, wer welche Vorstellungen hat. Sie<br />
sollten Regeln aufstellen und die Konsequenzen<br />
festlegen, wenn diese gebrochen<br />
werden. Antoinette Masi würde ihren Kindern<br />
und sich selbst einen Gefallen tun, wenn es<br />
ein paar Regeln mehr gäbe. Regeln sind<br />
wichtige ‹Geländer› und geben Teenagern<br />
eine gute Orientierung. Als Alleinerziehende<br />
ist es wichtig, sich Inseln zur Kraftschöpfung<br />
zu schaffen. Das ginge besser, wenn nicht<br />
immer über die gleichen Dinge wie das Zimmeraufräumen<br />
diskutiert werden müsste.»<br />
Antoinette Masi<br />
mit ihren<br />
Kindern Jeron,<br />
16, und<br />
Elisha, 14.<br />
>>> zu immer einfältigeren<br />
Handlungsmustern auf beiden Seiten.<br />
Wir fallen in alte Muster zurück,<br />
die eigentlich nicht mehr zu unserem<br />
jetzigen Entwicklungsstand<br />
passen.» Die Mutter reagiert auf die<br />
Weigerung der Tochter, aufzuräumen,<br />
indem sie laut wird, weil sie<br />
das aus ihrem eigenen Elternhaus so<br />
kennt. Die Tochter bricht daraufhin<br />
in Tränen aus, wie sie das als Kleinkind<br />
tat.<br />
Neun Stufen zur Eskalation<br />
So nimmt die Auseinandersetzung<br />
ihren Lauf. Friedrich Glasl stellt diesen<br />
in einem weitläufig anerkannten<br />
Modell zur Konflikteskalation dar.<br />
Mit ihm lassen sich die unterschiedlichsten<br />
Konflikte analysieren, von<br />
Eltern-Kind-Konflikten über Scheidungen<br />
bis hin zu Auseinandersetzungen<br />
zwischen Staaten.<br />
In seinem neunstufigen Modell<br />
stellt der Konfliktforscher die Eskalation<br />
nicht als Anstieg zu immer<br />
höheren Stufen dar, sondern als<br />
einen Abstieg zu immer tieferen,<br />
primitiveren Formen der Auseinandersetzung.<br />
Er teilt diesen in drei<br />
Ebenen ein: Auf der ersten können<br />
beide Konfliktparteien noch gewinnen<br />
(«Win-Win»), auf der zweiten<br />
verliert eine Partei, während die<br />
andere gewinnt («Win-Lose»), auf<br />
der dritten verlieren beide Parteien<br />
(«Lose-Lose»).<br />
Auf der «Win-Win»-Ebene entsteht<br />
der Konflikt («Verhärtung»),<br />
die Parteien diskutieren und argumentieren<br />
(«Debatte») und erhöhen<br />
dann schliesslich den Druck, um<br />
sich durchzusetzen («Taten >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>15
Dossier<br />
>>> statt Worte»). Auf der «Win-<br />
Lose»-Ebene geht es nicht mehr um<br />
die Sache, sondern darum, den Konflikt<br />
zu gewinnen, eventuell indem<br />
man Sympathisanten für seine Sache<br />
sucht («Koalitionen»). Danach wird<br />
der «Gegner» mit Unterstellungen<br />
in die Ecke gedrängt («Gesichtsverlust»)<br />
und schliesslich durch Drohungen<br />
eingeschüchtert («Drohstrategien»).<br />
Die Mutter unterstellt der Tochter,<br />
sich für nichts mehr anderes als<br />
ihr Handy zu interessieren, und<br />
droht mit Entzug desselben, wenn<br />
sie nicht sofort aufräumt. Auf der<br />
«Lose-Lose»-Ebene wird der eigene<br />
Schaden schon als Gewinn gesehen,<br />
wenn der Schaden der anderen Partei<br />
grösser ist («Begrenzte Vernichtung»).<br />
Schliesslich soll der Gegner<br />
zerstört werden («Zersplitterung»),<br />
und auf der alleruntersten Stufe kalkuliert<br />
man die eigene Vernichtung<br />
mit ein, um den anderen zu besiegen<br />
(«Gemeinsam in den Abgrund»).<br />
Die Mutter nimmt der Tochter das<br />
Handy weg, diese rennt weinend aus<br />
dem Haus und kommt stundenlang<br />
nicht wieder.<br />
Konfliktforscher Friedrich Glasl<br />
unterscheidet zwei Austragungsformen<br />
von Konflikten: heiss und kalt.<br />
Heisse Konflikte sind das, was wir<br />
ge meinhin als Streit wahrnehmen:<br />
«Ich zeige und äussere mich, bin<br />
sichtbar, ob als Aggressor oder<br />
Angegriffener», so der Konfliktforscher.<br />
Bei kalten Konflikten spielen sich<br />
andere Mechanismen ab: «Das Konfliktverhalten<br />
ist nicht sichtbar. Die<br />
negativen Gefühle sind aber trotzdem<br />
da. Wenn sie nicht gezeigt werden,<br />
entladen sie sich nach innen<br />
und belasten das eigene Selbstbewusstsein<br />
und die eigenen Emotionen,<br />
aber auch die des anderen.» Als<br />
die Tochter zurückkommt, verzieht<br />
sie sich wortlos in ihr Zimmer, Mutter<br />
und Tochter gehen sich die<br />
nächsten Tage aus dem Weg. Und<br />
fühlen sich beide mies. Aus dem<br />
heis sen Konflikt ist ein kalter gewor-<br />
Am häufigsten streiten<br />
Familien über die Ordnung<br />
zu Hause. Und wie viel<br />
Medienkonsum zu viel ist.<br />
den. Aus einer Kabbelei ein handfester<br />
Streit mit verhärteten Ansichten<br />
der Konfliktparteien.<br />
Immer wieder dieselben Themen<br />
Tatsächlich ist Unordnung laut einer<br />
aktuellen Studie des österreichischen<br />
Institutes für Familienforschung das<br />
Thema Nummer eins, wenn es zu<br />
Diskussionen zwischen Eltern und<br />
ihren Kindern kommt. Fast ein Viertel<br />
aller Mütter und Väter geraten<br />
regelmässig in Rage, wenn es um die<br />
Unordnung im Haus geht. An zweiter<br />
Stelle kommt der Medienkonsum:<br />
In fast 20 Prozent der Haushalte<br />
wird darüber gestritten. >>><br />
Pausentaste und<br />
Versöhnungsritual<br />
Drei Tipps von Stephanie Schneider,<br />
Autorin von «Der kleine Streitberater»:<br />
1. Nicht gegen jemanden, sondern<br />
für etwas kämpfen<br />
Es ist alles eine Einstellungssache:<br />
Wer Streit sucht, will eigentlich,<br />
dass man nett zu ihm ist.<br />
2. Die Pausentaste drücken<br />
Eine Streit-Tradition im Hause Schneider:<br />
Wenn jemand während einer Diskussion<br />
eine Auszeit verlangt, gehen alle<br />
Beteiligten fünf Minuten in einen eigenen<br />
Raum. Danach trifft man sich wieder und<br />
macht weiter. Meistens ruhiger als vorher.<br />
3. Versöhnung feiern<br />
Ein schönes Ritual, das Streit und<br />
Konfliktlösungen aufwertet. So merkt<br />
man: «Unsere Beziehung hält das aus.»<br />
Kommt in den<br />
besten Familien<br />
vor: Der Vater<br />
schimpft, die<br />
Tochter schmollt.<br />
16 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Bild: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>17
Dossier<br />
Michaela und<br />
Rico Kurath mit<br />
ihren Kindern<br />
Leyla, 10, und<br />
Lara, 8.<br />
Bild: Ornella Cacace / 13 Photo<br />
«Sie hat bis<br />
zur Ohnmacht<br />
täubelet»<br />
Michaela und Rico Kurath wohnen<br />
mit Leyla, 10, und Lara, 8, in<br />
Embrach ZH.<br />
Lara: Mami nervt, wenn sie sagt, ich soll<br />
Klavier üben. Ich hasse Klavierüben.<br />
Michaela: Du willst aber Klavier spielen und<br />
Stunden nehmen.<br />
Lara: Ich spiele ja gern Klavier. Aber ich<br />
muss immer so viel üben. Ich möchte das<br />
können, ohne zu üben. Und Papi nervt bei<br />
den Kleidern.<br />
Rico: Du willst im Winter im kurzärmligen<br />
T-Shirt raus!<br />
Lara: Ich würde das Shirt ja anziehen, wenn<br />
es langärmlig wäre, aber das ist es halt nicht.<br />
Leyla: Mit Mami streite ich praktisch jeden<br />
Tag. Meistens über die Ufzgi.<br />
Michaela: Mich nervt, dass du die Hausaufgaben<br />
so oft in der Schule vergisst.<br />
Leyla: Das mache ich nicht extra. Wenn wir<br />
unsere Sachen zusammenpacken müssen,<br />
räume ich sie versehentlich unter mein Pult.<br />
Michaela: Dann musst du sie holen gehen.<br />
Leyla: Dann find ich dich manchmal doof.<br />
Michaela: Mich nervt auch, wenn du so eifersüchtig<br />
bist, Leyla. Du hast immer das Gefühl,<br />
Lara werde bevorzugt. Dabei hatten wir mit<br />
Lara früher viel mehr Krach, weil sie so ein<br />
Täubeli war.<br />
Rico: Sie hat bis zur Ohnmacht täubelet.<br />
Michaela: Sie hatte regelmässig Wutanfälle,<br />
machte am Morgen ein Riesendrama, weil<br />
sie nicht in den Kindergarten wollte. Da habe<br />
ich sie auch schon im Pyjama hingebracht.<br />
Im Frühling vor zwei Jahren suchten wir eine<br />
Kinderpsychologin. Lara geht sehr gern zu<br />
ihr, und seit sie das tut, ist es viel besser<br />
18 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
>>> Medien sind auch im Haus<br />
von Autorin Stephanie Schneider ein<br />
grosses Thema. Sie hat ihre eigenen<br />
Erfahrungen in ein Buch verpackt:<br />
«Der kleine Streitberater». Das<br />
Schreiben habe Mut gebraucht, sagt<br />
die Mutter von zwei Töchtern im<br />
Teenageralter. «Über Streit wird<br />
nicht so gern geredet.» Und darüber,<br />
dass man als Elternteil manchmal<br />
hilflos ist, schon gar nicht.<br />
Gerade was den Medienkonsum<br />
angeht, lasse sich eine gewisse Hilflosigkeit<br />
kaum vermeiden, sagt<br />
Schneider. «Es gibt fast keine festen<br />
Werte und Orientierungen in Sa <br />
chen neue Medien und Kinder oder<br />
Jugendliche. Dazu kommt, dass die<br />
Kinder uns meistens haushoch<br />
überlegen sind im Umgang mit der<br />
virtuellen Welt.» Und nicht zuletzt<br />
seien die Eltern selbst oft kein be <br />
sonders gutes Vorbild. «Was sollen<br />
Eltern ihren Kindern Vorschriften<br />
machen, an die sie sich selbst nicht<br />
halten?»<br />
Väter streiten mit ihren<br />
Kindern über die Art der<br />
Freizeitgestaltung. Mütter über<br />
die Mithilfe im Haushalt.<br />
Gemäss der österreichischen Studie<br />
regen sich Männer über andere Dinge<br />
auf als Frauen. Während sich<br />
Väter mit ihren Kindern gern über<br />
Gehorsam und Freizeitgestaltung<br />
streiten, ist das für Frauen kaum ein<br />
Grund für Konflikte. Mütter diskutieren<br />
über das Einhalten von Schlafenszeiten<br />
– für keinen einzigen<br />
Vater ein Problem – oder die Mithilfe<br />
im Haushalt (worüber sich gerade<br />
mal 0,3 Prozent der Männer nerven).<br />
Aber wie streitet man nun richtig?<br />
Wie kann man Konflikte >>><br />
geworden. Sie thematisiert, wie Lara mit<br />
ihrer Wut besser umgehen kann.<br />
Lara: Ich weiss nicht, warum ich so wütend<br />
werde. Das explodiert in meinem Bauch.<br />
Michaela: Wir versuchen, Konflikte auszudiskutieren<br />
und Kompromisse zu schliessen.<br />
Seit Lara in die Therapie geht, kann man viel<br />
besser mit ihr reden.<br />
Rico: Früher konnte man ihr kaum etwas<br />
erklären. Wir haben vieles ausprobiert. Eine<br />
Weile haben wir die Anfälle einfach ignoriert.<br />
Michaela: Das klappt in dem Moment, wenn<br />
sie vor deinen Augen vor Wut blau wird und<br />
umkippt, nicht mehr. Das ist zweimal passiert.<br />
Es waren meist Kleinigkeiten, welche<br />
diese Wutanfälle auslösten. Mir wurde<br />
manchmal halb schlecht in solchen Situationen.<br />
Mir tat Lara leid, die ihre Emotionen<br />
nicht unter Kontrolle hatte. Und mir tat auch<br />
Leyla leid, da Lara so viel Raum einnahm.<br />
Ich finde aber schön, dass du dich immer<br />
entschuldigst, Lara.<br />
Rico: Stimmt. Sie möchte einem dann<br />
immer die Hand geben und sich offiziell<br />
versöhnen.<br />
Michaela: Ab und zu machen wir eine Familienkonferenz.<br />
Dann reden wir übers Zimmeraufräumen.<br />
Wenn man etwas Neues<br />
hervornimmt, versorgt man das Alte, das<br />
wäre doch nicht so schwierig.<br />
Leyla: Doch.<br />
Michaela: Ihr räumt ja mein Puff auch<br />
nicht auf. Ich habe auch schon einfach alles<br />
liegen lassen, Geschirr nicht abgeräumt<br />
und gesagt: Seht ihr, so siehts in euren<br />
Zimmern aus. Das hat eine Weile gefruchtet.<br />
Ich habe übrigens auch schon in der Migros<br />
täubelet, um zu zeigen, wie das ist. Das<br />
kam danach tatsächlich nicht wieder vor.<br />
Wenn die Emotionen bei einem Streit zu<br />
sehr hochkochen, wird auch mal jemand in<br />
sein Zimmer geschickt, bis sich alle wieder<br />
beruhigt haben.<br />
Evelin Männel Fretz, Pro Juventute<br />
Elternberatung, über die Familie Kurath:<br />
«Ich sehe Michaela und Rico Kurath als<br />
sehr engagierte Eltern, die sich aber immer<br />
wieder verunsichern lassen. Gewisse Dinge<br />
sind nicht verhandelbar, dazu gehören Hausaufgaben<br />
und Klavierüben. Vielleicht würde<br />
Leyla ein Stein als Erinnerung in der Hosentasche<br />
helfen, die Aufgaben nicht mehr in der<br />
Schule liegen zu lassen. Kinder wie Lara sind<br />
emotional sehr intensiv. Die Eltern müssen<br />
wissen, dass dieses Verhalten nicht gegen sie<br />
gerichtet ist, aber auch, dass sie dem Willen<br />
des Kindes nicht nachgeben dürfen. Hilfe<br />
von aussen zu holen, war sicher die richtige<br />
Entscheidung. Das Kind bei einem Streit<br />
ins Zimmer zu schicken, ist okay. Danach<br />
müssen die Eltern unbedingt das Gespräch<br />
mit ihrer Tochter suchen und ihr vermitteln,<br />
dass sie nicht weggeschickt wurde, weil man<br />
sie ablehnt, sondern weil ihr Verhalten das<br />
übrige Familienleben gestört hat.»<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>19
Dossier<br />
Streitregel<br />
Nummer 3:<br />
Versöhnung<br />
feiern. So merkt<br />
man: «Unsere<br />
Beziehung hält<br />
das aus.»<br />
>>> lösen – und dabei im besten<br />
Fall auf der «Win-Win»-Ebene bleiben?<br />
«Kleinere, unwichtigere Konflikte<br />
werden oft durch Einlenken<br />
der einen Seite beendet», sagt Familienforscher<br />
Dominik Schöbi. «Bei<br />
grundlegenderen Auseinandersetzungen<br />
braucht es mehr. Vor allem<br />
Einsicht: Die Sichtweise des anderen<br />
sehen und akzeptieren – ohne<br />
dass man sie teilen muss. Wenn der<br />
andere sieht, dass auch die eigene<br />
Sichtweise wahrgenommen wird,<br />
können eher Zugeständnisse ge -<br />
macht werden.»<br />
Ein länger andauernder oder<br />
wiederkehrender Konflikt weist laut<br />
Schöbi häufig darauf hin, dass sich<br />
die Beteiligten nicht ausreichend<br />
mit der Sichtweise und den Bedürfnissen<br />
des anderen auseinandersetzen.<br />
Das wäre jedoch notwendig,<br />
um Kompromissbereitschaft oder<br />
eine ein vernehmliche Lösung zu<br />
erreichen, aber auch, um die Sachlage<br />
neu zu beurteilen, so dass je -<br />
mand bereit ist, nachzugeben.<br />
Suche nach dem Kompromiss<br />
Wenn jemand schnell mit starken<br />
negativen Gefühlen wie Ärger re a-<br />
giere, versuche, den Konfliktpartner<br />
durch Sanktionen, Gewalt oder sehr<br />
negatives Verhalten zum Einlenken<br />
zu bringen, oder Interaktion und<br />
Gespräche verweigere, sei das unmöglich,<br />
sagt Schöbi. Signalisiert die<br />
Mutter Verständnis für die Bedürfnisse<br />
der Tochter, macht aber auch<br />
auf ihre eigenen aufmerksam, ist die<br />
Tochter eher zu einem Kompromiss<br />
bereit, als wenn die Mutter sie mit<br />
Anschuldigungen und Drohungen<br />
konfrontiert.<br />
«Sich dem Diktat einer Person zu<br />
unterwerfen, die sich nicht einmal<br />
bemüht, einen zumindest etwas zu<br />
verstehen, kann psychologisch<br />
höchst bedrohlich sein. Vor allem<br />
in einer Entwicklungsphase, in der<br />
die eigene Individualität zentral ist»,<br />
so Dominik Schöbi.<br />
Eine solche Erfahrung kann de -<br />
struktiv und selbstwertschädigend<br />
sein – und die Beziehung zu den<br />
Eltern nachhaltig belasten. Gerade<br />
die Adoleszenz, wenn sich die Kinder<br />
von den Eltern lösen, ist eine<br />
solche Phase. «Wenn diesen Prozessen<br />
zu wenig Raum und Flexibilität<br />
gegeben wird, kann es auch mal zu<br />
extremem Verhalten kommen», so<br />
Familienforscher Schöbi. «Eltern<br />
müssen dazu übergehen können,<br />
nicht mehr für die Kinder Entscheidungen<br />
zu treffen, sondern diese in<br />
20 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
der Entscheidungsfindung zu lenken<br />
und zu unterstützen.»<br />
Gefühl von Wertschätzung<br />
Zahlreiche Mütter und Väter tun<br />
dies, wie eine Umfrage im Auftrag<br />
von Shell unter deutschen Jugendlichen<br />
zeigt: 46,7 Prozent geben an,<br />
bei Problemen mit ihren Eltern zu<br />
reden und gemeinsam zu einer Entscheidung<br />
zu kommen. Nur knapp<br />
zehn Prozent gaben an, ihre Eltern<br />
würden ihnen sagen, wie sie zu handeln<br />
hätten. Sieben Prozent der Be <br />
fragten erklärten, sich bei einem<br />
Streit am Ende durchzusetzen.<br />
Sich wertgeschätzt zu fühlen, sei<br />
ein wichtiges Bedürfnis von Kindern,<br />
sagt Dominik Schöbi. Und das<br />
stehe bei Konflikten auf dem Spiel.<br />
Umso wichtiger ist es, Diskussionen<br />
zwischen Eltern und Kindern nicht<br />
entgleiten zu lassen. Britta Went<br />
vom Elternnotruf ist oft mit genau<br />
solchen Situationen konfrontiert.<br />
«Wenn böse Worte und Drohungen<br />
ausgesprochen werden, verwandelt<br />
sich ein Konflikt in etwas De >>><br />
Wenn Diskussionen in der<br />
Familie entgleiten,<br />
gerät die ganze Welt des<br />
Kindes ins Wanken.<br />
Literatur- und Online-Tipps<br />
Thomas Gordon: Die Familienkonferenz. Die<br />
Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind.<br />
Heyne, 2012, 365 Seiten, Fr. 14.90<br />
Thomas Gordon: Familienkonferenz in der<br />
Praxis. Wie Konflikte mit Kindern gelöst werden.<br />
Heyne, 2012, 382 Seiten, Fr. 14.90<br />
Stephanie Schneider: Der kleine Streit berater.<br />
Familienkonflikte lösen mit Herz und Verstand.<br />
Kösel, 2013, 39 Seiten, Fr. 14.90<br />
Elternnotruf: 24 Stunden Hilfe und Beratung<br />
von Fachpersonen für Eltern, Familien und<br />
Bezugspersonen: www.elternnotruf.ch<br />
Pro Juventute Elternberatung: Anlaufstelle<br />
für Eltern und Bezugspersonen. Persönliche,<br />
telefonische und Online-Beratung durch Fachpersonen<br />
für Eltern in Notsituationen, rund um<br />
die Uhr: www.projuventute.ch/Elternberatung<br />
Verein Gordon-Training Schweiz: Erfreuliche<br />
Konfliktlösung. Erfolgreich Konflikte lösen<br />
ohne Verlierende: www.gordon-training.ch<br />
Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>21
Dossier<br />
>>> struktives», sagt Went. «Man im Alltag anwendbar und durchaus<br />
unterstellt dem Kind böse Absichten.<br />
Das ist verheerend, denn Eltern<br />
bekleiden für ihre Kinder die Rolle<br />
als fürsorglicher und zuverlässiger<br />
Partner.» Wenn sie diese nicht mehr<br />
erfüllen, kommt die ganze Welt des<br />
Kindes ins Wanken.<br />
erfolgversprechend ist. Entworfen<br />
hat es der amerikanische Psychologe<br />
Thomas Gordon (1918–2002).<br />
Das wohl bekannteste Buch des<br />
mehrfach ausgezeichneten Psychologen<br />
trägt den Titel «Die Familienkonferenz».<br />
Gordon entwickelte<br />
spezifische Trainingskurse für Eltern<br />
Das Gordon-Modell<br />
Eine allgemeingültige Methode zur<br />
Konfliktlösung zwischen Eltern und<br />
Kindern gibt es nicht. Wohl aber ein<br />
Modell, das in seinen Grundzügen<br />
und Erziehungspersonen, die heute<br />
weltweit angeboten werden. «Das<br />
Modell ist sehr schlicht und deshalb<br />
erfolgreich», sagt Priska Wenk vom<br />
Verein Gordon-Training Schweiz.<br />
Eine einfache Methode zur<br />
Konfliktlösung gibt es nicht.<br />
Wohl aber ein Modell, das<br />
sogenannte Gordon-Modell.<br />
«Zuerst müssen wir evaluieren, wer<br />
überhaupt ein Problem hat. Oft<br />
machen wir nämlich das Problem<br />
des Kindes zu unserem.»<br />
In diesem Fall, so Wenk, müsse<br />
man das Kind unterstützen, selbst<br />
eine Lösung zu finden. «Habe hingegen<br />
tatsächlich ich ein Pro blem,<br />
geht es darum, wie ich meinem<br />
Gegenüber sage, dass ich mit seinem<br />
Verhalten nicht einverstanden bin,<br />
ohne unsere Beziehung zu stören.»<br />
Ich-Botschaften<br />
Dabei setzt das Gordon-Modell vor<br />
allem auf sogenannte Ich-Botschaften.<br />
Damit verhindere man auch,<br />
dass jemand einfach davonläuft,<br />
wenn es Streit gibt, so Wenk. «Man<br />
läuft oft nicht vor dem Konflikt<br />
davon, sondern davor, wie man mit<br />
ihm konfrontiert wird.» Wenn man<br />
sage, wie es einem selbst in >>><br />
Bild: Ornella Cacace / 13 Photo<br />
«Wer seine Gefühle<br />
begräbt, begräbt<br />
sie lebendig!»<br />
In Zeiten, in denen das elterliche<br />
Machtwort obsolet geworden ist,<br />
braucht es Mütter und Väter, die<br />
ihre Normen und Werte klar<br />
kommunizieren. Familientherapeut<br />
Jesper Juul über den Unterschied<br />
zwischen Führungsqualität und<br />
Gehorsamskultur, «richtiges» Streiten<br />
und warum es so wichtig ist, seine<br />
Emotionen nicht zu verstecken.<br />
Interview: Sandra Casalini<br />
Herr Juul, früher gab es so etwas wie<br />
das elterliche Machtwort. Was Vater<br />
und Mutter sagten, war Gesetz. Kinder<br />
hielten sich, mehr oder weniger, an<br />
klare Regeln.<br />
Ja – in Zeiten, als Regeln noch funktionierten.<br />
Es gab einen Konsens in unserer<br />
Gesellschaft, was Werte anging, und in<br />
den meisten Familien herrschten dieselben<br />
Regeln. Heute gibt es diese Einheit<br />
von Regeln und Werten nicht mehr, und<br />
die meisten Kinder haben keine Angst vor<br />
Erwachsenen.<br />
Sicher eine positive Entwicklung. Aber<br />
was ist an dessen Stelle getreten?<br />
Erst einmal: Die Vorstellung von elterlicher<br />
Führung hat sich in über einem Jahrhundert<br />
kaum verändert. Sie hat sich nur modernisiert<br />
und demokratisiert, zum Beispiel<br />
geben Eltern ihren Kindern heute mehr<br />
Freiheiten. Was wir alle möchten – übrigens<br />
auch die Kinder – ist, dass die Werte, welche<br />
Eltern und Schulen als gut für die Familie<br />
und ihre Mitglieder definieren, respektiert<br />
werden. Dies gilt auch für die von Eltern<br />
definierten persönlichen Grenzen. Um das<br />
zu erreichen, braucht es zwei Dinge: Führungsqualitäten<br />
und Eltern, die vertrauenswürdige<br />
Vorbilder sind.<br />
Was machen Eltern Ihrer Meinung nach<br />
denn am häufigsten falsch, wenn sie in<br />
Konflikte mit ihren Kindern geraten?<br />
Viele Eltern kommunizieren ihre Wertvorstellungen<br />
nicht früh genug und verweigern<br />
so den Kindern die Möglichkeit, sich miteinbezogen<br />
zu fühlen. Eltern nehmen sich nicht<br />
die Zeit, darüber zu reden, welche Werte sie<br />
ihren Kindern vermitteln möchten und wie<br />
sie ihnen diese zeigen und vorleben wollen.<br />
Dem kann man etwa so vorbeugen – aber<br />
bitte nicht während oder direkt nach einem<br />
Konflikt: «Weisst du noch, als ich mich<br />
geärgert habe, weil du deine Legosteine<br />
nicht aufräumen wolltest? Ich habe darüber<br />
nachgedacht und gemerkt, dass wir dir nie<br />
gesagt haben, welches Verhalten wir wichtig<br />
und richtig finden in unserer Familie. Du<br />
bist kein Baby mehr, und es ist Zeit, dass<br />
du einige Sachen selbst erledigst und uns<br />
manchmal hilfst, wenn wir danach fragen.»<br />
Was bewirkt eine solche Aussage bei<br />
meinem Kind?<br />
Es wird den genauen Inhalt dieses Ge <br />
sprächs zwar vergessen, nicht aber das<br />
Gefühl, als gleichwürdiger Partner miteinbezogen<br />
zu werden. So können Eltern<br />
Regeln aufstellen und gleichzeitig den Ton<br />
22 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
definieren, in dem künftig Konflikte ausgetragen<br />
werden. Das ist der Unterschied<br />
zwischen moderner Führungsqualität und<br />
veralteter Gehorsamskultur. Über die Regel<br />
– alle Familienmitglieder müssen zum Wohl<br />
der Familie beitragen – gibt es nichts zu diskutieren,<br />
aber über die Art, wie man nach<br />
ihr lebt, kann verhandelt werden.<br />
Kann man «richtig» streiten?<br />
Für mich bedeutet das, so zu streiten, dass<br />
die persönliche Integrität der anderen<br />
Person nicht verletzt wird. Das ist definitiv<br />
möglich. Aber so, wie die meisten von uns<br />
aufgewachsen sind, braucht es sehr viel<br />
Übung – obwohl es eigentlich simpel ist.<br />
Dabei sind Ich-Botschaften wichtig. So<br />
kommt ein «Ich hasse es, wenn du mich<br />
ignorierst» beim Gegenüber besser an als<br />
ein «Du hörst mir nie zu!».<br />
Nun gibt es viele, die einem Streit<br />
lieber aus dem Weg gehen.<br />
Seine Gefühle zu verstecken oder politisch<br />
korrekt zu sein, ist nicht die Lösung. Der<br />
andere fühlt die versteckten Emotionen,<br />
und gerade bei Kindern ist das gefährlich,<br />
weil sie ihrer Fantasie überlassen sind,<br />
und diese richten sie immer negativ gegen<br />
sich selbst. Man muss sich bewusst sein:<br />
Wer seine Gefühle begräbt, begräbt sie<br />
lebendig. So leben sie innen drin unkontrollierbar<br />
weiter. Bei sozialen Kontakten,<br />
die nicht so wichtig sind, spielt das keine<br />
Rolle, in nahen, persönlichen Beziehungen<br />
aber umso mehr.<br />
Jesper Juul<br />
ist der berühmteste Familientherapeut<br />
Europas. Er ist Buchautor und Vater eines<br />
erwachsenen Sohnes. Juul lebt in Dänemark.<br />
«Hausaufgaben<br />
machen, Zimmer<br />
aufräumen»: Oh,<br />
wie diese Eltern<br />
wieder nerven!<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>23
Bild: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />
Alleinerziehender<br />
Vater: Adrian<br />
Halter mit Tochter<br />
Jennifer, 16.<br />
24 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
«Um einen Lerneffekt<br />
zu erzielen, muss man<br />
sein Kind auch mal<br />
reinlaufen lassen»<br />
Adrian Halter wohnt mit seiner<br />
Tochter Jennifer, 16, in Brüttisellen<br />
ZH. Der alleinerziehende Vater hat<br />
noch einen Sohn aus einer anderen<br />
Beziehung. Jerôme, 14, lebt bei der<br />
Mutter und verbringt jedes zweite<br />
Wochenende und einen Teil der<br />
Ferien bei Vater und Schwester.<br />
Adrian: Ich gebe sehr selten nach. Mein<br />
Job als Vater ist es, Grenzen zu setzen.<br />
Wenn ich mit mir verhandeln lasse, diskutieren<br />
wir ewig ums Gleiche herum. Dinge<br />
wie Respekt und gutes Benehmen sind mir<br />
extrem wichtig. Aber klar gibts auch Sachen,<br />
die ich mal gerade sein lasse. Zum Beispiel<br />
beim Thema Handy. Ich habe versucht, das<br />
mehr einzugrenzen, aber ich denke, das ist<br />
heutzutage einfach nicht realistisch. Ganz<br />
streng bin ich beim Thema Ehrlichkeit.<br />
Jennifer: Wenn du merkst, dass ich gelogen<br />
habe, gibts Konsequenzen. Wenn ich zum<br />
Beispiel woanders war, als ich gesagt habe,<br />
darf ich nicht mehr raus.<br />
Adrian: Über Ausgang diskutieren wir sonst<br />
eigentlich nicht viel. Ich möchte wissen, wo<br />
du mit wem hingehst. Das gilt auch für den<br />
Umgang mit Jungs. Ich möchte informiert<br />
sein. Sonst passiert so was wie vor kurzem.<br />
Jennifer: Oh je … der war doch gar nicht<br />
mein Freund!<br />
Adrian: Der tauchte abends um halb zehn an<br />
unserer Tür auf und stellte sich mir als dein<br />
Freund vor. Ich war total enttäuscht, dass ich<br />
von nichts wusste.<br />
Jennifer: Das war echt schwierig, dir zu<br />
erklären, dass er nicht mein Freund ist.<br />
Adrian: Schau, ich möchte das Beste für<br />
dich. Wenns mir egal wäre, würde etwas<br />
nicht stimmen. Mir ist schon klar, dass du<br />
eigene Erfahrungen machen musst. Man<br />
muss das Kind auch mal reinlaufen lassen,<br />
um einen Lerneffekt zu erzielen. Aber bei<br />
matchentscheidenden Dingen, wie wenn es<br />
um eine Lehrstelle geht, ist nicht der richtige<br />
Zeitpunkt dafür. Da benutze ich das Handy<br />
– beziehungsweise Handyverbot – oder das<br />
Ausgangsverbot schon mal als Druckmittel.<br />
Jennifer: Ausgehverbot war hart. Handyverbot<br />
war nicht so schlimm.<br />
Adrian: Es ist ein Machtkampf. Mit Jerôme<br />
ist das Konfliktpotenzial viel kleiner. Sicher<br />
gehe ich Konflikten auch bewusst aus dem<br />
Weg, um die wenige gemeinsame Zeit nicht<br />
mit Diskussionen zu belasten. Ich hatte<br />
zum Beispiel immer Mühe mit Jerômes<br />
Essensgewohnheiten. Er ist extrem heikel.<br />
Ich habe eine Zeitlang versucht, da streng<br />
zu sein, aber das war jedes Mal ein Riesendrama.<br />
Darauf hatte ich dann keine Lust<br />
mehr, zumal es bei allen negative Gefühle<br />
hinterliess, auch in den zwei Wochen, die wir<br />
uns dann nicht mehr gesehen haben.<br />
Jennifer: Du schaust trotzdem, dass du<br />
uns einigermassen gleich behandelst. Ich<br />
komme mir nur sehr, sehr selten benachteiligt<br />
vor, wenn mein Bruder hier ist.<br />
Adrian: Es liegt in der Natur der Sache, dass<br />
gewisse Dinge bei Jerôme weniger relevant<br />
sind. Sein Alltag geht halt mehr oder weniger<br />
an mir vorbei. Aber Jerôme weiss, dass<br />
meine Tür immer offen steht für ihn.<br />
Evelin Männel Fretz, Pro Juventute<br />
Elternberatung, über die Familie Halter:<br />
«Bei Familie Halter scheint es so, als hätte der<br />
Vater eine gute Mischung zwischen elterlicher<br />
Präsenz und Freiraumlassen gefunden. Dies<br />
ist gut erkennbar in der Diskussion bezüglich<br />
der Ehrlichkeit. Regeln, die dem Vater wichtig<br />
sind, bieten dem jungen Menschen Orientierung<br />
und damit Halt in einer turbulenten<br />
Zeit. Es ist in der Familie Halter offenbar sehr<br />
klar, in welchen Bereichen Jennifer Freiraum<br />
hat, zu entscheiden, und in welchen sie sich<br />
den elterlichen Regeln beugen muss. Schulische<br />
und berufliche Anforderungen fallen<br />
mit einer Entwicklungsphase zusammen, in<br />
der ein junger Mensch eh schon mit grossen<br />
Veränderungen zu kämpfen hat. Es zeigt sich<br />
aber immer wieder, dass auch ein heranwachsender<br />
Mensch erst einen Entwicklungsschritt<br />
tut, wenn er bereit dazu ist. Daher ist<br />
eine der wichtigsten Aufgaben von Eltern in<br />
der Teenagerphase das ‹Standhalten› bzw.<br />
‹Aushalten› einer Situation.»<br />
>>> einer Situation geht, statt den<br />
anderen zu beschuldigen, komme<br />
dieser nicht automatisch in eine Verteidigungshaltung.<br />
Priska Wenk erzählt ein Beispiel<br />
aus ihrer eigenen Familie: Die sechsjährige<br />
Tochter erscheint in einem<br />
T-Shirt, das vor Dreck steht, am<br />
Frühstückstisch. «Wer hat nun hier<br />
das Problem?», fragt sich Wenk. «Sie<br />
nicht, sie würde noch wochenlang<br />
im dreckigen Shirt herumlaufen.<br />
Das Problem habe ich – und das<br />
muss ich auch so kommunizieren.»<br />
Priska Wenks Ansage an ihre<br />
Tochter: «Ich habe Angst, dass du<br />
ausgelacht wirst, wenn du in diesem<br />
T-Shirt in den Kindergarten gehst.»<br />
Eine Ich-Botschaft und das Aufzeigen<br />
der Konsequenz. Fünf Minuten<br />
später steht das Mädchen in einem<br />
sauberen T-Shirt da. «Hätte ich ihr<br />
einfach befohlen, etwas anderes<br />
anzuziehen, hätte es endlose Diskussionen<br />
gegeben», ist Priska Wenk<br />
überzeugt.<br />
Richtig zuhören<br />
Ein zweiter wichtiger Pfeiler im Gordon-Modell:<br />
Zuhören. «Es ist erstaunlich,<br />
was man herausholen<br />
kann, wenn man dem Kind einfach<br />
mal richtig zuhört», sagt Wenk.<br />
Einen geeigneten Rahmen dafür bildet<br />
die Familienkonferenz. Dort<br />
kommt jeder zu Wort, es werden<br />
Konsequenzen aufgezeigt und Vereinbarungen<br />
getroffen statt Befehle<br />
erteilt. «Das Ziel einer solchen Konferenz<br />
und auch das Ziel unserer<br />
Kurse ist nicht, weniger zu streiten,<br />
sondern Konflikte anders anzugehen.<br />
Und vor allem, sie nicht gären<br />
zu lassen, bis sie explodieren», erklärt<br />
Priska Wenk.<br />
Kinder brauchen Konflikte<br />
Mit den Worten von Konfliktforscher<br />
Glasl ausgedrückt, sollte man<br />
es nicht so weit kommen lassen, dass<br />
«der Konflikt mich hat, statt ich ihn».<br />
Dann können alle Parteien aus einer<br />
Auseinandersetzung lernen. «Im<br />
besten Fall fragen wir uns, wie >>><br />
25
Bei Diskussionen mit ihren<br />
Eltern üben Kinder,<br />
Konflikte auch ausserhalb<br />
der Familie auszutragen.<br />
Familienrat:<br />
Alle kommen zu<br />
Wort, es werden<br />
Bedürfnisse<br />
geklärt, Regeln<br />
aufgestellt.<br />
>>> wir uns im Konfliktpartner<br />
widerspiegeln, und betrachten die<br />
Konfrontation mit unserer eigenen<br />
Unzulänglichkeit als Feedback und<br />
Herausforderung, an den eigenen<br />
Schwächen zu arbeiten», so Glasl.<br />
Familienberaterin Eveline Männel<br />
Fretz von Pro Juventute weiss,<br />
wie wichtig Konflikte für Kinder<br />
sind. «Bei Diskussionen mit den<br />
Eltern können Kinder üben, Konflikte<br />
auch ausserhalb des familiären<br />
Rahmens auszutragen.»<br />
Kinder lernen aus dem Verhalten<br />
der Eltern. Das gilt auch bei Konflikten.<br />
«Ab dem Schulalter streben<br />
Kinder gewissen Vorbildern nach»,<br />
sagt Konfliktforscher Glasl. «Wenn<br />
sie Eltern erleben, die an sich selbst<br />
arbeiten, werden sie unbewusst auch<br />
danach streben. Ohne Moralisieren<br />
der Eltern.»<br />
>>><br />
Sandra Casalini<br />
hatte kürzlich Diskussionen mit ihrer<br />
Tochter. Sie liess – dieses Dossier im Kopf –<br />
erst einmal die 12-Jährige reden. Diese<br />
erklärte sich wortreich – und kam ganz allein<br />
zu einer Lösung. Ab sofort gelten für die<br />
Mutter folgende drei Regeln bei Konflikten:<br />
1. Zuhören. 2. Zuhören. 3. Zuhören.<br />
Worüber Familien streiten<br />
Über diese Themen streiten Eltern<br />
und Kinder laut einer Umfrage des<br />
österreichischen Institutes für<br />
Familienforschung am häufigsten:<br />
Mütter<br />
Ordnung und Sauberkeit: 19 %<br />
Zu hoher Medienkonsum: 13,3 %<br />
Höflichkeit, Benehmen: 8,7 %<br />
Finanzielle, materielle Forderungen: 6,5 %<br />
Schule und Lernen: 6,1 %<br />
Angemessene Kleidung / Schminke: 5,5 %<br />
Einhalten der Schlafenszeiten: 4,8 %<br />
Mithilfe im Haushalt: 4,7 %<br />
Ernährungsverhalten: 4,3 %<br />
Konflikte unter Geschwistern: 4,2 %<br />
Trödelei: 1,9 %<br />
Freizeitgestaltung: 1 %<br />
Gehorsam, Einhalten von Regeln: 0,1 %<br />
Väter<br />
Gehorsam, Einhalten von Regeln: 10,9 %<br />
Zu hoher Medienkonsum: 10,1 %<br />
Freizeitgestaltung: 9 %<br />
Höflichkeit, Benehmen: 4,8 %<br />
Ordnung und Sauberkeit: 4,2 %<br />
Schule und Lernen: 4,1 %<br />
Ernährungsverhalten: 3,6 %<br />
Konflikte unter Geschwistern: 3,2 %<br />
Trödelei: 2,5 %<br />
Angemessene Kleidung / Schminke: 0,9 %<br />
Finanzielle, materielle Forderungen: 0,7 %<br />
Mithilfe im Haushalt: 0,3 %<br />
Einhalten der Schlafenszeiten: 0 %<br />
Bild: Christian Nilson / 13 Photo<br />
26
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>27
Dossier<br />
28 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Essay<br />
«Meine Kinder sagen Dinge, die ich als<br />
ihre Mutter nicht einmal zu denken wage»<br />
Ein Streit zwischen Eltern und Kindern ist unfair. Weil Eltern immer am längeren Hebel<br />
sitzen. Unsere Autorin empfindet das oft gerade umgekehrt. Die Tatsache, dass<br />
ihre Kinder ihre Kinder sind, verleihe ihnen in einem Konflikt ganz schön viel Macht.<br />
Text: Sandra Casalini<br />
Eltern können Konflikte mit ihren<br />
Kindern beenden, indem sie einfach<br />
eine Entscheidung treffen. Eltern<br />
können bestrafen, belohnen, Konsequenzen<br />
ziehen, Machtworte sprechen.<br />
Warum fühle ich mich dann oft so<br />
hilflos, wenn ich mit meinen Kindern<br />
streite?<br />
Vielleicht deshalb, weil ich oft gegen<br />
die kindliche Logik nicht ankomme.<br />
(«Nein, Fernsehen schadet meinem<br />
Hirn nicht, im Gegenteil. Ich schone es,<br />
weil ich es beim Fernsehschauen nicht<br />
brauche.») Geschweige denn gegen die<br />
Argumentation eines Teenagers. («Ich<br />
bin morgen früh sowieso müde, egal,<br />
wann ich ins Bett gehe. Also kann ich<br />
auch gleich noch aufbleiben.»)<br />
Meine Kinder haben gemäss einem<br />
ungeschriebenen Gesetz das Recht,<br />
mich jederzeit ultradoof und megapeinlich<br />
zu finden und furchtbar wütend<br />
auf mich zu sein. Ich habe im Gegenzug<br />
dieses Recht nicht, sondern muss Verständnis<br />
zeigen und im besten Fall auch<br />
Humor.<br />
Letzterer ist hilfreich, wenn sie<br />
mir Dinge an den Kopf werfen, die<br />
ich als ihre Mutter nicht einmal zu<br />
denken wage, geschweige denn laut<br />
aussprechen würde: «Eh Mann, Alter,<br />
du nervst! Aber so richtig!» Wobei<br />
das «Alter» ein gutes Zeichen ist, es<br />
bedeutet nämlich in ihrer Sprache, dass<br />
ich als gleichwertige Diskussionspartnerin<br />
akzeptiert bin. Immerhin.<br />
Selbstverständlich nerven mich<br />
meine Kinder auch. Nicht nur ein<br />
bisschen, sondern manchmal «so<br />
richtig». Ich darf ihnen aber niemals<br />
sagen, dass ich sie gerade ultrablöd<br />
finde («ICH finde dich grad richtig<br />
doof» geht nicht als eine dieser viel<br />
gepriesenen Ich-Botschaften durch,<br />
fürchte ich).<br />
Im Gegenteil. Ich achte sehr genau<br />
darauf, meinen Kindern im Streit klarzumachen,<br />
dass ich nicht sie blöd finde,<br />
sondern das, was sie tun oder getan<br />
haben – oder eben nicht. Worauf ich als<br />
Antwort meistens zu hören bekomme,<br />
ich verstände das halt nicht. (Man<br />
stelle sich umgekehrt vor, ich würde zu<br />
meinem Kind sagen: «Ich versuch dir<br />
hier was zu erklären, aber das verstehst<br />
du halt nicht, Dummerchen!»)<br />
Wären meine Kinder Erwachsene<br />
– Freunde oder Arbeitskollegen –,<br />
würden wir Konflikte niemals so austragen,<br />
wie wir das tun. Einen ewigen<br />
Besserwisser wie meinen Sohn würde<br />
ich vermutlich einfach stehen lassen,<br />
statt nach unzähligen Erklärungsversuchen<br />
immer noch liebevolles Verständnis<br />
zu heucheln. Und käme mir<br />
jemand in dem Ton, den meine Teenie-<br />
Tochter manchmal drauf hat, würde ich<br />
die Diskussion wohl sofort für beendet<br />
erklären.<br />
Mit meinen Kindern geht das nicht.<br />
Weil ich die Pflicht habe, mit ihnen zu<br />
streiten und ihnen Grenzen zu setzen.<br />
Aber ich habe auch die Pflicht, sie zu<br />
selbstbewussten und selbständigen<br />
Individuen zu erziehen – und sie<br />
demnach im Streit niemals über die<br />
Massen zu verunsichern oder gar zu<br />
demütigen.<br />
Das ist nicht immer einfach. Aber als<br />
mein Sohn letzthin ganz pragmatisch<br />
meinte: «Ich weiss gar nicht, warum<br />
ich schreie, ich weiss ja, dass es nichts<br />
nützt», dachte ich, dass ich das vielleicht<br />
doch nicht so verkehrt mache.<br />
Bild: Christian Nilson / 13 Photo<br />
Ordnung und<br />
Sauberheit:<br />
Darüber streiten<br />
laut Statistik Mütter<br />
mit ihren Kindern<br />
am häufigsten.<br />
Mit Kindern zu streiten ist<br />
deshalb so schwierig, weil<br />
man als Eltern oft nicht gegen<br />
die kindliche Logik ankommt.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>29
«Mit Teenagern ist es normal,<br />
dass es täglich kracht»<br />
Eltern haben die Pflicht, Konflikte mit ihren Kindern auszutragen, sagt die Psychotherapeutin<br />
Annette Cina vom Institut für Familienforschung der Universität Freiburg. Sie müssen aber<br />
nicht jedem Wunsch der Kinder entsprechen. Interview: Sandra Casalini<br />
Frau Cina, wie entsteht ein Konflikt?<br />
Wenn Menschen aufeinandertreffen,<br />
die andere Ansichten, Absichten,<br />
Vorstellungen und Ziele haben,<br />
entstehen Konflikte. Dabei spielen<br />
auch andere Einflüsse eine Rolle,<br />
zum Beispiel wie es einem grundsätzlich<br />
gerade geht, ob man ge <br />
stresst ist oder eher gelassen. Ein<br />
Konflikt geht meist mit dem Gefühl<br />
einher, überhört und übergangen zu<br />
werden. Dabei ist das eigentliche<br />
Thema der Diskussion oft gar nicht<br />
so relevant wie dieses Grundgefühl.<br />
Warum geraten wir gerade mit den<br />
Menschen, die wir lieben, am häufigsten<br />
in Konflikt?<br />
Familienmitglieder, mit denen wir<br />
zusammenleben, sind tagtäglich da,<br />
mit all ihren Launen, Erlebnissen,<br />
Emotionen, Wünschen und Ansprüchen.<br />
Innerhalb der Familie traut<br />
man sich eher, Konflikte anzusprechen,<br />
und meist hat man auch höhere<br />
Ansprüche als an andere.<br />
Sind Konflikte zwischen Eltern und<br />
Kindern besonders schwierig, gerade<br />
weil es ein gewisses Machtgefälle<br />
gibt?<br />
«Ich rate Eltern zu mehr Gelassenheit.<br />
Was kann schon passieren, wenn das<br />
Kind im Winter in Turnschuhen in die<br />
Schule geht? Es wird selber merken,<br />
dass es kalte Füsse kriegt.»<br />
Ja und nein. Im Gegensatz zu Konflikten<br />
unter Erwachsenen haben<br />
Eltern bei Streitereien mit ihren<br />
Kindern die Macht, sie zu beenden,<br />
indem sie einfach entscheiden. Sie<br />
haben aber auch die Pflicht, Konflikte<br />
mit ihren Kindern auszutragen,<br />
und dabei müssen sie nicht<br />
jedem Wunsch der Kinder entsprechen.<br />
Handfeste Streite mit Kritik,<br />
Abfuhren und harten Strafen müssen<br />
aber nicht sein.<br />
Geht denn Erziehung ohne Strafen<br />
und Belohnen?<br />
Nein. Kinder müssen gewisse Regeln<br />
der Gesellschaft lernen, Kompromisse<br />
schliessen, den Umgang mit<br />
Frust lernen. Gerade kleineren Kindern<br />
kann man nicht alles erklären.<br />
Sie lernen vieles durch die Erfahrung,<br />
wie auf ihr Verhalten reagiert<br />
wird. Es ist eine Illusion, zu denken,<br />
dass Kinder sich ausschliesslich aus<br />
sich selbst entwickeln. Sie brauchen<br />
und möchten ein Feedback. Ich bin<br />
ganz klar dafür, dass man einem<br />
Kind zeigt, wenn es etwas gut gemacht<br />
hat. Wie beispielsweise durch<br />
ein ehrlich gemeintes Lob. Umgekehrt<br />
soll Fehlverhalten Konsequenzen<br />
haben. Diese dürfen aber nicht<br />
so stark sein, dass das Kind nicht die<br />
Chance erhält, es nochmals zu versuchen<br />
und selbst lernen zu können.<br />
Können Sie ein Beispiel nennen?<br />
Wenn ein Kind sich weigert, den<br />
Computer auszuschalten, ist die<br />
logische Konsequenz, dass seine Zeit<br />
am Computer für eine Weile gestrichen<br />
wird. Danach soll das Kind<br />
aber wieder an das Gerät dürfen und<br />
die Gelegenheit erhalten, zu lernen,<br />
den Computer selbst abzustellen,<br />
wenn die ausgemachte Zeit abgelaufen<br />
ist.<br />
Worauf sollten Eltern im Streit mit<br />
ihren Kindern besonders achten?<br />
Beide Parteien müssen die Möglichkeit<br />
haben, ihre Empfindungen mitzuteilen.<br />
Es geht nämlich oft nicht<br />
um reine Tatsachen – ob man nun<br />
eine halbe Stunde mehr oder weniger<br />
am Handy spielt, ist irrelevant<br />
–, sondern um Ängste und Empfindungen.<br />
Da haben die Eltern auch<br />
die Pflicht, die Kinder miteinzubeziehen,<br />
nachzufragen, was ihre Beweggründe<br />
sind. Kinder haben ein<br />
sehr starkes Ungerechtigkeitsempfinden<br />
und fühlen sich oft unverstanden.<br />
Da muss man Kompromisse<br />
suchen.<br />
Führt das nicht zu stundenlangen<br />
Diskussionen?<br />
Grundsätzlich sollten Diskussionen<br />
nicht ewig dauern. Das frustriert<br />
und oft werden dieselben Argumente<br />
wieder und wieder ins Spiel ge <br />
30 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
bracht. Wenn man zu keinem Kompromiss<br />
kommt, darf man als<br />
Mutter oder Vater nochmals darüber<br />
nachdenken und dann einen<br />
begründeten Entscheid fällen – auch<br />
wenn der nicht im Sinn des Kindes<br />
ist. Das Kind sollte jedoch verstehen,<br />
warum die Eltern diesen Entscheid<br />
fällen. Grundsätzlich gilt: Entscheidungen<br />
dürfen auch revidiert und<br />
angepasst werden, wenn sich die<br />
Sachlage ändert.<br />
Wie oft ist Streit in der Familie normal?<br />
Das ist sehr unterschiedlich und<br />
kommt auch auf die Temperamente<br />
der Familienmitglieder an.<br />
Es ist also auch normal, wenn es täglich<br />
kracht?<br />
In gewissen Phasen schon, gerade<br />
mit Teenagern.<br />
Hat Streit auch positive Aspekte?<br />
Absolut. Kinder – und Eltern auch<br />
– lernen, verschiedene Ansichten zu<br />
akzeptieren und Kompromisse zu<br />
finden. Und aus der Paar-Forschung<br />
weiss man, dass Beziehungen, die<br />
Krisen überstanden haben und in<br />
denen Konflikte gelöst worden sind,<br />
besonders stabil sind.<br />
Verhindert eine möglichst autoritäre<br />
Erziehung Konflikte?<br />
Nein. Autoritäre Erziehung bedeutet,<br />
dass die Kinder nicht miteinbezogen<br />
werden. Das ermöglicht keinen<br />
Austausch. Starre Regeln und<br />
Verbote führen dazu, dass Kinder<br />
Dinge heimlich und ohne elterliche<br />
Begleitung ausprobieren. Konflikte<br />
werden nicht ausgetragen. Kinder<br />
lernen verborgene Strategien.<br />
Wie sieht es umgekehrt bei einer antiautoritären<br />
Erziehung aus?<br />
Das würde im Extremfall heissen,<br />
dass die Kinder entscheiden. Aber<br />
Kinder müssen und wollen Grenzen<br />
spüren. Sie brauchen Reibung und<br />
ein Visavis, das sich mit ihnen auseinandersetzt.<br />
Sie sollen ernst genommen<br />
werden, müssen aber lernen,<br />
andere auch ernst zu nehmen.<br />
Sollen Konflikte immer aktiv gelöst<br />
werden oder kommt es vor, dass sie<br />
sich von selbst auflösen?<br />
Man muss nicht jede Kleinigkeit von<br />
A bis Z durchdiskutieren und darüber<br />
streiten. Ich rate zu mehr Ge <br />
lassenheit: Was kann schon passieren,<br />
wenn das Kind im Winter in<br />
Turnschuhen in die Schule geht? Es<br />
wird selbst merken, dass es kalte<br />
Füsse kriegt.<br />
«Aus der Forschung weiss<br />
man: Familien, die Krisen<br />
überstanden haben, sind<br />
besonders stabil.»<br />
Annette Cina<br />
Dr. phil., ist Oberassistentin am Institut für<br />
Familienforschung der Universität Freiburg.<br />
Sie forscht in den Bereichen Prävention<br />
von kindlichen Verhaltungsstörungen,<br />
Kindererziehung und Elternberatung, Stress<br />
und Coping, Evaluation von<br />
Präventions programmen sowie Scheidung.<br />
Im nächsten Heft:<br />
Hausaufgaben<br />
Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />
Hausaufgaben machen die Klugen klüger und<br />
die Dummen dümmer. Hausaufgaben fördern die<br />
Eigenverantwortung der Kinder. Hausaufgaben<br />
machen Sinn – Hausaufgaben sind der grösste<br />
Unsinn. Die grosse Debatte – in der April-Ausgabe.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>31
Monatsinterview<br />
«Eltern, holt euch Hilfe!»<br />
Drohen, Erpressen, Demütigen – im Familienalltag können nicht nur Ohrfeigen Kinder<br />
verletzen. Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt gegen Minderjährige,<br />
sagt der Psychologe und Heilpädagoge Franz Ziegler. Der Kinderschutzexperte über<br />
ein Phänomen, das schwer einzugrenzen ist, aber quasi jede Familie betrifft.<br />
Interview: Evelin Hartmann Bilder: Ruben Wyttenbach / 13 Photo<br />
Der Weg zu Franz Ziegler führt vorbei<br />
am Kindergarten und der Dorfschule.<br />
Kindergeschrei, dann wieder Stille.<br />
Noch schnell die Dorfstrasse<br />
überqueren, und man steht vor<br />
einem schneeweissen Haus, dahinter<br />
grasen Kühe und Schafe. «Sie haben<br />
es aber schön hier!», sage ich, als die<br />
Tür aufgeht. Franz Ziegler lächelt:<br />
«Nicht wahr? In Zäziwil scheint seit<br />
Monaten die Sonne.»<br />
Herr Ziegler, eine Mutter, total<br />
gestresst, sagt im Zorn zu ihrer<br />
kleinen Tochter: «Manchmal würde<br />
ich dich am liebsten verkaufen!»<br />
Da hat die Mutter ihre Tochter ge <br />
schlagen, würde ich sagen.<br />
Geschlagen?<br />
Ja, mit Worten. Verbale Gewalt ist<br />
die typischste Form von psychischer<br />
Gewalt. Deshalb spricht man auch<br />
von Wortschlägen.<br />
Wie definiert man generell psychische<br />
oder seelische Gewalt an Kindern?<br />
Das ist ein sehr komplexes und weites<br />
Thema. Psychische Gewalt kann<br />
von einem einfachen Nebensatz wie<br />
«Kapierst du das eigentlich nie?» bis<br />
zum verbalen Treiben in den Selbstmord<br />
führen: «Ich wünschte, du<br />
wärst tot.» Das wichtigste Merkmal<br />
von psychischer Gewalt ist, dass<br />
Eltern ihrem Kind das Gefühl von<br />
Minderwertigkeit oder Wertlosigkeit<br />
vermitteln, sei es durch Drohen,<br />
Erpressen, Lächerlichmachen, Demütigen,<br />
Isolieren, Ignorieren oder<br />
auch permanente Schuldzuweisungen.<br />
«Mit dem Kind<br />
nicht mehr zu<br />
reden, ist eine<br />
Form der<br />
Erpressung.»<br />
Selbstvertrauens und das Vertrauen<br />
in andere zu untergraben anfange,<br />
reden wir von psychischer Gewalt.<br />
Mit dem Kind nicht mehr zu reden<br />
beziehungsweise ihm zu vermitteln,<br />
ich lieb dich nur, wenn dein Zimmer<br />
aufgeräumt ist, und trete auch erst<br />
dann wieder in sozialen Kontakt mit<br />
dir, ist eine Form von Erpressung.<br />
Und wenn sich die Mutter nur zurückzieht,<br />
um am Ende nicht die Fassung<br />
zu verlieren?<br />
Das ist eine andere Situation. Es ist<br />
ein Unterschied, ob sich eine Mutter<br />
ein Timeout von zehn Minuten<br />
nimmt, dieses auch als solches deklariert,<br />
um dann wieder ruhiger mit<br />
dem Kind sprechen zu können, oder<br />
ob sie beharrlich schweigt und jeden<br />
Versuch des Kindes, wieder mit ihr<br />
in Kontakt zu treten, boykottiert.<br />
Nehmen wir ein anderes Beispiel. Eine<br />
13-Jährige kommt wiederholt mit<br />
schlechten Noten nach Hause, am<br />
Nachmittag möchte sie mit ihren<br />
Freundinnen reiten gehen. «Lern du<br />
erst einmal vernünftig rechnen, so<br />
blöd wie du kann man doch gar nicht<br />
sein», macht ihr Vater ihren Freizeit-<br />
Ein Fünfjähriger will sein Zimmer nicht<br />
aufräumen, die Mutter redet auf ihn<br />
ein, nichts passiert. Irgendwann sagt<br />
sie gar nichts mehr. Auch auf die verunsicherte<br />
Nachfrage des Kindes hin,<br />
«Mama, was ist denn?», schweigt sie<br />
beharrlich. Kann man in diesem Fall<br />
von seelischer Gewalt sprechen?<br />
Auf jeden Fall. In dem Moment, in plan zunichte. Was tut er mit diesem<br />
dem ich die Entwicklung seines Satz seiner Tochter an? >>><br />
Franz Ziegler<br />
beschäftigt sich<br />
schon seit über<br />
25 Jahren mit<br />
Kinderschutz.<br />
Er studierte<br />
Heilpädagogik<br />
und Psychologie.<br />
32 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
33
Monatsinterview<br />
Eltern sollten sich<br />
vernetzen, um sich<br />
auszutauschen und<br />
Hilfe in Anspruch<br />
nehmen zu können,<br />
sagt Franz Ziegler.<br />
>>> Er stellt sie bloss, erniedrigt<br />
sie, unterwandert die Entwicklung<br />
eines gesunden Selbstbewusstseins<br />
und Selbstwertgefühls. Ein grosses<br />
Problem bei psychischer Gewalt sind<br />
Dinge, die ein Kind immer und<br />
immer wieder zu hören bekommt.<br />
Ein Kind kann unter diesen Umständen<br />
kein gesundes Vertrauen in sich<br />
selbst und in andere gewinnen. Das<br />
ist ja klar. Es hört permanent: Du bist<br />
nichts und du wirst auch nichts werden.<br />
Also kommt es auf die Häufigkeit<br />
dieser Äusserungen beziehungsweise<br />
Handlungen an?<br />
Nein, schon beim ersten Mal handelt<br />
es sich um Gewalt. Das gilt genauso<br />
für eine Ohrfeige, also körperliche<br />
Gewalt. Und wenn wir grundsätzlich<br />
etwas am Ausmass der ausgeübten<br />
Gewalt an Kindern ändern wollen,<br />
müssen wir diese Tatsache akzeptieren.<br />
Nicht die möglichen Folgen sind<br />
entscheidend, sondern die Handlung<br />
selbst. Die Tat an sich ist ein Ausdruck<br />
von Gewalt und insofern verurteilenswert.<br />
34 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Welches sind denn die möglichen Folgen<br />
seelischer Gewalt?<br />
Diese können sehr vielfältig sein und<br />
umfassen beispielsweise das ganze<br />
Spektrum psychischer Störungen,<br />
aggressives oder depressives Verhalten,<br />
Drogen- oder Alkoholmissbrauch.<br />
Ein Kind, das über Jahre<br />
kleingehalten wurde, kann kein<br />
gesundes Selbstbewusstsein entwickeln.<br />
Dies wiederum führt zu<br />
Beziehungsproblemen, sozialen Problemen.<br />
Oder die kognitive Entwicklung<br />
des Kindes wird beeinträchtigt,<br />
weil es den Kopf nicht frei hat für<br />
intellektuelle Leistungen. Es entwickelt<br />
massive Schulprobleme. Und<br />
klar ist, wenn man einem Kind Ge -<br />
walt antut, dann lernt es primär eins:<br />
Gewalt. Das Kind imitiert die Eltern.<br />
Es wird ein Lernprozess in Gang<br />
gesetzt.<br />
Wie machen es diese Kinder später<br />
mit ihren eigenen Kindern?<br />
Da gibt es diejenigen, die bewusst<br />
oder unbewusst auf die eigene Kindheit<br />
zurückblicken und das, was sie<br />
selbst erlebt haben, so weitergeben.<br />
Und es gibt die anderen, die aus<br />
Überzeugung genau das Gegenteil<br />
machen. Die sagen, ich werde meine<br />
Kinder niemals so erziehen, wie ich<br />
selbst erzogen wurde! Dazwischen<br />
gibt es viele Varianten.<br />
Ist jedes Kind, dem psychisches Leid<br />
angetan wird, gleichermassen stark<br />
betroffen?<br />
Die Verletzlichkeit ist von Kind zu<br />
Kind sehr unterschiedlich. Und<br />
damit auch die Eigenschaft der Resilienz,<br />
der psychischen und physischen<br />
Widerstandsfähigkeit, Dinge<br />
auszuhalten. Es gibt Kinder, die<br />
zehn, zwölf Jahre schlimmsten Psychoterrors<br />
ausgesetzt sind und die<br />
trotzdem eine unglaubliche Selbstbehauptung,<br />
ein Selbstbewusstsein<br />
entwickeln. Das sind Kinder, denen<br />
«Wenn man einem<br />
Kind Gewalt antut,<br />
lernt es primär<br />
eins: Gewalt.»<br />
kann man einen Felsbrocken in den<br />
Weg legen und sie kommen drum<br />
herum, anderen legt man einen Kieselstein<br />
in den Weg und sie stolpern<br />
darüber.<br />
Da sprechen Sie von Extremfällen.<br />
Trotzdem, das Leben mit Kindern kann<br />
sehr fordernd sein, einen manches<br />
Mal an seine Grenzen bringen. Da passiert<br />
es doch wahnsinnig schnell, dass<br />
«Klar ist:<br />
Psychische Gewalt<br />
ist die häufigste<br />
Form von Gewalt.»<br />
einem in einer Stresssituation eine<br />
unüberlegte Bemerkung herausrutscht.<br />
Absolut. Wie oft das passiert, wissen<br />
wir leider nicht. Es gibt keine aussagekräftigen<br />
Erhebungen beziehungsweise<br />
Untersuchungen. Es ist<br />
sehr schwer abzugrenzen, wo psychische<br />
Gewalt anfängt und wo sie<br />
endet. Klar ist aber: Psychische<br />
Gewalt ist die häufigste Form von<br />
Gewalt, da sie sowohl in physischer<br />
und sexueller Gewalt impliziert ist<br />
als auch alleine vorkommen kann.<br />
Sie beschäftigen sich beruflich schon<br />
über ein Vierteljahrhundert mit Kindern<br />
und Jugendlichen. Dabei sind<br />
Ihnen sicher einige Fälle von psychischer<br />
Gewalt begegnet.<br />
Ja, sehr viele und auch unterschiedliche.<br />
Doch häufig lässt sich ein solches<br />
elterliches Verhalten in Scheidungssituationen,<br />
besonders bei<br />
Kampfscheidungen, beobachten.<br />
Oder in Familien, in denen ein oder<br />
beide Elternteile psychisch erkrankt<br />
sind. In beiden Situationen sind die<br />
Eltern derart mit sich selbst beschäftigt,<br />
dass sie für die Anliegen und<br />
Bedürfnisse der Kinder nicht offen<br />
sind. Ihnen fehlt die Sensibilität<br />
gegenüber den Kindern oder sie instrumentalisieren<br />
die Kinder für ihre<br />
eigenen Anliegen. Kinder werden<br />
dann oft auch in eine Erwachsenenrolle<br />
gedrängt und müssen quasi für<br />
einen Elternteil sorgen – physisch<br />
und psychisch.<br />
Können Sie uns ein Beispiel nennen?<br />
Ein 12-jähriger Junge, integriert und<br />
aktiv, zieht sich plötzlich zurück,<br />
bleibt dem geliebten Training im<br />
Fussballklub fern, entwickelt körperliche<br />
Symptome wie Entzün- >>><br />
35
Monatsinterview<br />
>>> dungen und Schmerzen ohne trauen aufzubauen. Ihre Eltern<br />
medizinisch erkennbare Ursachen,<br />
trifft sich in der Freizeit nicht mehr<br />
mit seinen Freunden. Wie sich herausstellt,<br />
ist seine Mutter psychisch<br />
erkrankt und hat ihren Sohn an sich<br />
gebunden. Er muss die Rolle eines<br />
Pflegenden und Verpflegenden übernehmen<br />
und verliert dadurch die<br />
Möglichkeit, noch Kind sein zu können.<br />
Ein anderer Junge meldet sich<br />
per E-Mail und schreibt, dass er es<br />
nicht mehr aushalte zu Hause. Seine<br />
Mutter schreie ihn mindestens einmal<br />
wöchentlich «den ganzen<br />
Abend» an, werfe ihm vor, wie böse<br />
und undankbar er sei. Sie wecke ihn<br />
nachts auf und verletze fortlaufend<br />
seine Privatsphäre.<br />
In welchen Fällen müssen die Behörden<br />
eingreifen?<br />
Immer dann, wenn das Kindeswohl<br />
gefährdet ist und die Eltern nicht<br />
fähig beziehungsweise nicht willens<br />
sind, an ihrem Verhalten beziehungsweise<br />
der Gefährdungssituation<br />
etwas zu ändern.<br />
Haben Sie ein konkretes Beispiel?<br />
Ich erinnere mich an eine 15-Jährige,<br />
die sich selbst an den Sozialdienst<br />
gewandt hat, weil sie es zu Hause<br />
nicht mehr ausgehalten hat. Ihre<br />
Mutter, in der Trennung zum Vater<br />
lebend, sagte Dinge zu ihr wie:<br />
haben nie eine Beziehung zu ihrem<br />
Kind aufbauen können oder wollen.<br />
Was ist mit ihr passiert?<br />
Die Behörden haben entschieden,<br />
dass das Mädchen in einer betreuten<br />
Wohngruppe platziert werden soll.<br />
Alle Beteiligten haben dem zugestimmt.<br />
Wie erkennen Sie einen Fall von psychischer<br />
Gewalt?<br />
Wir sind vor allem auf die Aussagen<br />
von Eltern und Kindern angewiesen.<br />
«Mein Mami sagt, dass sie mich lieber<br />
nie geboren hätte.» Es gibt Eltern,<br />
die so etwas völlig unbedarft vor<br />
Zeugen aussprechen. Im Rahmen<br />
von Untersuchungen wurde festgestellt,<br />
dass in Misshandlungsfamilien<br />
weniger kommuniziert wird und,<br />
wenn kommuniziert wird, oftmals<br />
negativ. Und in einem Umfeld, wo<br />
Beleidigungen und Schimpfwörter<br />
zum Standard der Kommunikation<br />
gehören, werden Beschimpfungen<br />
auch eher ausserhalb der eigenen<br />
vier Wände geäussert.<br />
Sie sprachen gerade von typischen<br />
Missbrauchsfamilien …<br />
... so einfach ist das leider nicht. So<br />
vielfältig die Formen und Ausprägungen<br />
von psychischer Gewalt sind,<br />
so vielfältig sind auch die Familien.<br />
Das können Eltern mit niedrigem<br />
Bildungshintergrund sein, Mütter<br />
oder Väter mit einer psychischen<br />
«Das können Eltern<br />
Krankheit oder einem Suchtproblem.<br />
Es können aber auch Eltern<br />
wie Sie und ich sein,<br />
wie Sie und ich sein, die manchmal<br />
die in Situationen<br />
in Situationen von Stress, Überforderung<br />
an ihre Grenzen kommen.<br />
von Stress an ihre<br />
Die aus einer Enttäuschung heraus<br />
Grenzen kommen.»<br />
eine Äusserung machen und danach<br />
denken: «Oh nein, so etwas willst du<br />
«Wenn du nicht mehr leben würdest,<br />
hätten wir kein Problem mehr.» Die<br />
Jugendliche wurde für das zerrüttete<br />
Verhältnis der Eltern verantwortlich<br />
gemacht. Dass sie Hilfe und Unterstützung<br />
nötig hatte, war naheliegend.<br />
Jemand, der dem Teenager ein<br />
Umfeld bieten konnte, das ihm half,<br />
die Verletzungen zu verarbeiten und<br />
das Selbstbewusstsein und Selbstverdoch<br />
eigentlich gar nicht sagen!» So<br />
wie es auch in der Kommunikation<br />
unter Erwachsenen passieren kann.<br />
Nur darf man dann nicht, weil es sich<br />
beim Gegenüber um ein Kind handelt,<br />
einfach darüber hinwegsehen.<br />
Kann man das Gesagte zurücknehmen,<br />
sich entschuldigen?<br />
Ja, unbedingt. «Sorry, es tut mir leid.<br />
Jetzt habe ich wieder etwas total<br />
Unüberlegtes gesagt.» Aber dann<br />
lassen Sie es auch darauf bewenden.<br />
Diese Dinge passieren fast jeder<br />
Mutter oder jedem Vater mal. Davor<br />
ist keiner gefeit.<br />
«Mehr Fantasie<br />
im Umgang mit<br />
Kindern würde<br />
vielen guttun.»<br />
Und was können Eltern tun, damit es<br />
erst gar nicht so weit kommt?<br />
Wenn man merkt, dass es auf eine<br />
Eskalation zuläuft: sich zurücknehmen,<br />
ein Timeout nehmen, nachdenken<br />
und schauen, was man<br />
anders machen kann, um die Situation<br />
zu einem guten Ende zu bringen.<br />
Es gibt nur sehr wenige Situatio<br />
nen, in denen man unmittelbar<br />
handeln muss. Doch nicht selten<br />
beharren Eltern auf ihren Erziehungsmustern.<br />
Und das sind jahrhundertealte,<br />
unkreative Muster.<br />
Mehr Fantasie im Umgang mit Kindern<br />
würde vielen Familien guttun.<br />
Darüber hinaus sollte man sich<br />
immer wieder fragen: Möchte ich<br />
wirklich so behandelt werden, wie<br />
ich mein Kind gerade behandle? Ein<br />
Kind ist kein Objekt, sondern ein<br />
Subjekt mit Rechten und einem<br />
Anrecht auf Integrität.<br />
Ich persönlich finde es immer hilfreich,<br />
in extremen Stresssituationen<br />
mit den Kindern an meinen Partner zu<br />
übergeben: «Mach du das bitte, ich<br />
explodiere gleich.» Er ist in diesem<br />
Moment vielleicht entspannter und<br />
kann mit der Konfliktsituation gelassener<br />
umgehen. Aber was machen<br />
Eltern, die diese Möglichkeit nicht<br />
haben, weil sie beispielsweise alleinerziehend<br />
sind?<br />
Ein altes Postulat von mir ist die<br />
Nachbarschaftshilfe. Warum schotten<br />
wir uns, wenn es um Erziehungsfragen<br />
geht, nach aussen hin so ab?<br />
Warum tun wir uns so schwer, über<br />
Erziehungsprobleme zu reden? Es ist<br />
36 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
so wichtig, dass eine Mutter bei der<br />
Nachbarin klingeln und fragen kann,<br />
ob sie ihr die Kinder mal für eine<br />
Stunde abnehme. Eltern sollten das<br />
formelle Netzwerk, bestehend aus<br />
Beratungsstellen, Kursangeboten<br />
und so weiter, ebenso in Anspruch<br />
nehmen wie das informelle: die eigenen<br />
Eltern, Geschwister, Freunde,<br />
Nachbarn. Aber dafür muss man erst<br />
einmal das Bewusstsein dafür schaffen,<br />
dass Hilfe annehmen kein Zeichen<br />
von Schwäche, sondern von<br />
Stärke ist.<br />
Um noch einmal auf den Beginn unseres<br />
Gesprächs zurückzukommen: Das<br />
Mädchen, das verkauft werden sollte,<br />
ist heute erwachsen. Die Szene ist ihr<br />
gut im Gedächtnis geblieben, trotzdem<br />
zweifelt sie keine Sekunde daran,<br />
dass ihre Mutter sie damals wie heute<br />
über alles geliebt hat beziehungs weise<br />
liebt.<br />
Ja, das ist die gute Nachricht. Nur<br />
weil man sein Kind mal psychisch<br />
verletzt, entwickeln sich daraus nicht<br />
notwendigerweise Probleme und<br />
Störungen. Wenn es spürt, okay, jetzt<br />
hat meine Mama die Fassung verloren,<br />
aber grundsätzlich weiss, sie<br />
liebt mich über alles, dann kann es<br />
ein Urvertrauen entwickeln, auf dessen<br />
Boden es so etwas gut verarbeiten<br />
kann. Wenn solche Szenen<br />
jedoch immer wieder und wieder<br />
vorkommen, gelingt dies irgendwann<br />
nicht mehr.<br />
>>><br />
Evelin Hartmann, stellvertretende Chefredaktorin von Fritz+Fränzi, im<br />
Gespräch mit dem Psychologen und Heilpädagogen Franz Ziegler.<br />
Zur Person<br />
Franz Ziegler studierte Heilpädagogik und Psychologie und leitete drei Jahre ein<br />
Kinderheim. Von 1990 bis 2006 war er Geschäftsleiter der nationalen Stiftung<br />
Kinderschutz Schweiz. Anschliessend leitete er die Fachstelle Kinderschutz im<br />
Kanton Solothurn, die Ende 2015 geschlossen wurde. Heute leitet der<br />
Kinderschutzexperte die Fachstelle Kindes- und Jugendschutz des Kantons<br />
Basel-Landschaft. Franz Ziegler ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>37
Psychologie & Gesellschaft<br />
«Papa, ich will dich<br />
nicht mehr sehen»<br />
Wenn sich Eltern trennen, bedeutet dies eine grundlegende Veränderung für alle. Nicht jede<br />
Familie findet ohne Hilfe zu einem Umgang, mit dem jedes Familienmitglied glücklich ist.<br />
Manchmal wenden sich Kinder sogar ab von einem Elternteil. Unsere Autorin weiss warum –<br />
und wer im Konfliktfall helfen kann. Text: Gisela Kilde<br />
Nicht die Symptome, der<br />
Kontaktabbruch, sondern<br />
die Ursachen müssen<br />
angegangen werden.<br />
Die Trennung der<br />
Eltern stellt für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
ein kritisches Le <br />
bensereignis dar.<br />
Welches im besten Fall zu einer<br />
ruhigeren, konfliktfreieren Familie<br />
führt. Meist bedeutet es aber, dass<br />
das Leben komplizierter wird. Das<br />
Hin und Her zwischen zwei Wohnorten<br />
ist aufwendig. Dadurch verändert<br />
sich das Leben der Kinder und<br />
Jugendlichen. Auch die Beziehung<br />
zu den Eltern verändert sich.<br />
In vielen Familien wird nicht<br />
nach der vom Gericht oder von der<br />
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
KESB vorgesehenen Besuchsordnung<br />
gelebt. Vielmehr organisieren<br />
beide Eltern die Betreuung oder<br />
die Besuche und Ferien des Kindes<br />
flexibel – je nach den sich ändernden<br />
Bedürfnissen der Familienmitglieder.<br />
Allerdings haben viele Kinder<br />
zu einem der beiden Elternteile<br />
keinen regelmässigen Kontakt. Manche<br />
von Anfang an nicht, in anderen<br />
Fällen kommt der Kontakt nach<br />
einiger Zeit zum Erliegen.<br />
Verschiedene Ursachen können<br />
zu einem solchen Kontaktabbruch<br />
führen. Ein Beispiel: Moritz, 16 Jahre,<br />
lebt seit der Trennung der Eltern<br />
bei der Mutter. Seit Monaten weigert<br />
er sich, den Vater zu besuchen. Wie<br />
kann es dazu kommen? Zeigt der<br />
Vater kein Interesse an Moritz oder<br />
passt er die Besuche nicht Moritz’<br />
Interessen und Bedürfnissen an,<br />
kann dies beim Buben zu einer Verweigerungshaltung<br />
führen.<br />
Andererseits kann auch das Verhalten<br />
der Mutter bei ihrem Sohn<br />
das Gefühl auslösen, er solle sich für<br />
eine (ihre) Seite entscheiden. Sei es,<br />
indem sie auf Moritz’ Besuche beim<br />
Vater negativ reagiert, sei es, indem<br />
sie in Anwesenheit ihres Sohnes<br />
über den Vater schimpft. So sind bei<br />
jüngeren Kindern oftmals weiterschwelende<br />
Paarkonflikte Grund für<br />
Kontaktschwierigkeiten.<br />
Aufgrund der lebenslangen Be <br />
deutung, die rechtliche Eltern für<br />
ihre Kinder haben, versuchen Ge <br />
richte und Kindesschutzbehörden<br />
den Kontakt aufzubauen und zu<br />
erhalten.<br />
Eine gute Beziehung kann nicht<br />
erzwungen werden<br />
In der Vergangenheit wurde bei einseitigem<br />
Verweigern der Besuche die<br />
Besuchsrechtsregelung erzwungen,<br />
indem die Polizei das Kind dem<br />
besuchsberechtigten Elternteil zuführte.<br />
Heute bestehen zwar immer<br />
noch gesetzliche Grundlagen, die ein<br />
Erzwingen des persönlichen Umgangs<br />
miteinander ermöglichen<br />
würden. Doch gute Beziehungen<br />
können nicht mit Zwang erreicht<br />
werden, weshalb ein solches Handeln<br />
nicht dem Kindeswohl entspricht.<br />
Allenfalls wird bei ungerechtfertigter<br />
Besuchsverweigerung<br />
mittels Strafgesetzbuch eine Busse<br />
angedroht und bei Nichtbefolgen<br />
auch ausgesprochen.<br />
38 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Bild: iStockphoto<br />
In den letzten Jahren hat sich aber<br />
mehr und mehr die Einsicht durchgesetzt,<br />
nicht die Symptome, den<br />
Kontaktabbruch, anzugehen, sondern<br />
die dahinterstehenden Ursachen.<br />
So können Eltern durch die<br />
zuständige Behörde angewiesen<br />
werden, eine Beratung aufzusuchen.<br />
Diese Massnahme ist besonders<br />
dann sinnvoll, wenn ein Elternteil<br />
Schwierigkeiten in kindgerechter<br />
Betreuung oder in der altersgemässen<br />
Erziehung hat. In der Beratung<br />
wird beiden Eltern aufgezeigt, dass<br />
sich ihre fortdauernden Paarkonflikte<br />
schädigend auf die Kinder auswirken.<br />
In einer Mediation können<br />
konkrete und punktuelle Konflikte<br />
gelöst werden.<br />
Verweigert ein Jugendlicher wie<br />
Moritz die Besuche, kann direkt zwischen<br />
ihm und seinem Vater eine<br />
Mediation angeordnet werden. Bei<br />
schwerwiegenden Beziehungsproblemen<br />
zwischen Kind und Elternteil<br />
oder schädigendem elterlichem<br />
Verhalten kann eine (Familien-)<br />
Therapie in Frage kommen.<br />
Bei jüngeren Kindern steht der<br />
hauptsächlich betreuende >>><br />
Eltern können durch die<br />
Behörde angewiesen werden,<br />
eine Beratung aufzusuchen.<br />
Was tun bei einem Kontaktabbruch?<br />
• Um einen Kontakt zwischen Jugendlichen und Eltern<br />
wiederher zustellen, ist nach den Ursachen des<br />
Kontakt abbruchs zu forschen, um bei den Beteiligten eine<br />
innere Haltungsänderung erreichen zu können.<br />
• Bei Paarkonflikten kann eine Beratung, eine Mediation oder<br />
eine Therapie angeordnet werden. Mit dem Ziel, durch<br />
Informationsvermittlung, Konfliktlösung respektive<br />
eine Änderung des schädlichen Verhaltens die Ursachen<br />
des Kontaktabbruchs zu beseitigen. Und die Situation für<br />
die Kinder zu verbessern.<br />
• Verweigern Jugendliche den Kontakt, ist die<br />
Besuchsrechts regelung entsprechend ihren geänderten<br />
Bedürfnissen abzuändern. Allenfalls hilft eine Mediation<br />
direkt zwischen Jugendlichem und Elternteil, eine passende<br />
Lösung zu finden.<br />
• Haben Jugendliche eigene schlechte Erfahrungen mit<br />
dem Elternteil gemacht oder sind sie beinahe volljährig,<br />
bleibt unter Umständen der Kontakt abgebrochen. In<br />
diesen Fällen können Erinnerungskontakte helfen, einen<br />
minimalen Informationsaustausch zwischen Elternteil<br />
und Jugendlichen herzustellen.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>39
Psychologie & Gesellschaft<br />
In Fragen, die das Kind<br />
betreffen, sind Eltern zu<br />
gegenseitiger Loyalität und<br />
Kooperation verpflichtet.<br />
>>> Elternteil, in unserem Beispiel<br />
also die Mutter, in der besonderen<br />
Pflicht, für die Ausübung der Besuche<br />
zu sorgen. Durch erzieherische<br />
Mittel und Motivation kann sie tatsächlich<br />
Entscheidendes bewirken.<br />
Bei Moritz, dem 16-jährigen Jungen,<br />
wird es jedoch schwierig, ihn gegen<br />
seinen ausdrücklichen Willen zum<br />
Besuch beim Vater zu bewegen.<br />
Brechen Jugendliche nahe der<br />
Volljährigkeit den Kontakt ab, verzichten<br />
Behörden meistens auf die<br />
Regelung von Besuchs- und Ferienrecht.<br />
In einem Fall hat das Zürcher<br />
Obergericht als Besuchsregelung<br />
gemeinsame Mittag- und Abendessen<br />
angeordnet. Das Bundesgericht<br />
hat diesen Entscheid gestützt.<br />
Unter gewissen Umständen können<br />
sogenannte Erinnerungskontakte<br />
zwischen Jugendlichen und<br />
Elternteil dazu dienen, einen minimalen<br />
Kontakt aufrechtzuerhalten.<br />
Mit Hilfe einer Fachperson wird bei<br />
ge meinsamen Treffen für einen<br />
gegenseitigen ungefilterten Informationsaustausch<br />
gesorgt.<br />
Um Kontaktschwierigkeiten oder<br />
gar einen Abbruch des Kontakts zu<br />
vermeiden, ist das Verhalten unmittelbar<br />
nach der Trennung entscheidend:<br />
In Fragen, die das Kind betreffen,<br />
sind Eltern zu gegenseitiger<br />
Loyalität, Kommunikation und<br />
Kooperation verpflichtet. Dies verlangt<br />
eine gewisse Toleranz gegenüber<br />
dem Erziehungsstil des anderen<br />
Elternteils. Ebenso haben sie ihre<br />
Konflikte von ihrem Kind fernzuhalten.<br />
Im Idealfall kann bei der Trennung<br />
an die bisherige Familienorganisation<br />
angeknüpft werden.<br />
Bleiben Vater und Mutter nahe<br />
beieinander wohnen, kann beispielsweise<br />
der Vater das Kind (weiterhin)<br />
in den Kindergarten oder zum Fussballtraining<br />
begleiten. Gemeinsame<br />
Mittag- oder Abendessen bleiben<br />
ebenfalls möglich.<br />
Auch für Elternteile, die bislang<br />
nicht aktiv am (Alltags-)Leben des<br />
Kindes teilgenommen haben, kann<br />
die Übernahme einer solchen Verantwortung<br />
die Teilnahme am täglichen<br />
Leben des Kindes ermöglichen.<br />
Das Kind selber wünscht sich mit<br />
zunehmendem Alter oft eine gewisse<br />
Flexibilität. In solchen Fällen ist<br />
«Alles,<br />
was die Berge<br />
uns geben ...<br />
... kann man in<br />
unserer Milch<br />
auch schmecken.»<br />
Judith, Pro Montagna Milchbäuerin<br />
Seit Jahren produziert die Familie von Judith im Goms Bergmilch. Von Kühen, die ein vielseitiges Futter aus aromatischen Gräsern und Kräutern<br />
erhalten. So entsteht ein typisches Pro Montagna Produkt. Damit dies so weitergeht, fliesst auch in Zukunft bei jedem Kauf ein Solidarbeitrag an die<br />
Coop Patenschaft für Berggebiete. coop.ch/promontagna<br />
40 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Von den Bergen.<br />
Von den Bauern.
es einfacher, wenn die Eltern Hand<br />
für flexible Besuchszeiten bieten.<br />
Handelt es sich um Wochenendbesuche,<br />
sollten die Interessen des<br />
Kindes in die Planung mit einfliessen.<br />
Weiter kann eine bewusste Planung<br />
des Wochenendes mit vorgängiger<br />
Information aller Beteiligten<br />
helfen, allfällige Ängste des hauptsächlich<br />
betreuenden Elternteils zu<br />
vermindern.<br />
>>><br />
Gisela Kilde<br />
Dr. iur., ist Koordinatorin und<br />
Lehrbeauftragte am Institut für<br />
Familienforschung und -beratung,<br />
Universität Freiburg.<br />
Die Betreuung im Trennungsfall<br />
• Bei der gemeinsamen elterlichen Sorge<br />
verfügen beide Elternteile über Betreuungs -<br />
anteile; diese können grundsätzlich beliebig<br />
unter den Eltern verteilt werden. Leitlinie<br />
bildet dabei das Kindswohl. In den meisten<br />
Familien gibt es aber einen hauptsächlich<br />
betreuenden Elternteil und einen, der<br />
ergänzend das Kind betreut.<br />
• Betreuen beide Eltern das Kind im ähnlichen<br />
Umfang, wird von alternierender Obhut<br />
gesprochen.<br />
• Liegt die alleinige Sorge vor, steht dem<br />
anderen Elternteil ein persönlicher Verkehr<br />
zu, der typischerweise aus einem Besuchsund<br />
Ferienrecht besteht. Auch diese Besuche<br />
können so ausgestaltet werden, dass es de<br />
facto zu einer hälftigen Betreuungszeit führt.<br />
Viel Geschmack, viele Vitamine.<br />
Unterstützt Kinder<br />
ab 4 Jahren bei ihrer<br />
körperlichen und<br />
geistigen Entwicklung.<br />
Fragen Sie nach einem<br />
Gratismuster<br />
in Ihrer Apotheke<br />
oder Drogerie!<br />
N E U<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
4 OHNE KONSERVIERUNGSMITTEL<br />
4 OHNE GLUTEN<br />
März <strong>2017</strong>41<br />
4 OHNE LACTOSE<br />
Bitte lesen Sie<br />
den Packungstext.<br />
<strong>03</strong>17
Psychologie & Gesellschaft<br />
Wenn der Schulweg<br />
zum Problem wird<br />
Wenn der Schulweg nicht bloss eitel Freude bedeutet, kann das<br />
verschiedene Gründe haben. Etwa weil ängstliche Eltern sich mit<br />
Lehrpersonen im Clinch befinden, die erwarten, dass die Kinder<br />
alleine zur Schule kommen. Text: Susan Edthofer<br />
Auf dem Weg zur Schule lernen Kinder eine<br />
Menge und eignen sich in diesem Erlebnis-<br />
und Erfahrungsraum eine gewisse<br />
Eigenständigkeit an. Deshalb sollten<br />
Schulkinder den Weg bald alleine bewältigen,<br />
sind Fachleute überzeugt.<br />
Beim Unterwegssein lernen Kinder, sich selbständig<br />
zu behaupten und Gefahren auf der Strasse selber einzuschätzen.<br />
Auch das Agieren in einer Gruppe und das<br />
Zusammentreffen unterschiedlicher Altersgruppen werden<br />
auf dem Schulweg geübt. Doch zunehmend häufiger<br />
werden Eltern von Ängsten geplagt und be fürchten, dass<br />
ihrem Kind etwas passieren könnte. Und manchmal<br />
spielt auch Bequemlichkeit mit: Es geht schneller, wenn<br />
man das Kind ins Auto packt und direkt vor der Schule<br />
abliefert.<br />
Dass das Kind den Launen anderer Kinder einfach<br />
ausgeliefert ist, beschäftigt Mütter und Väter ebenfalls.<br />
Doch besteht die Lösung wirklich darin, das Kind stattdessen<br />
in die Schule zu begleiten? Vielleicht wird es<br />
gerade deswegen ausgelacht und nicht ernstgenommen.<br />
Viel wichtiger ist, genau hinzuhören, um zu eruieren,<br />
was abläuft. Häufen sich die Vorfälle, sollte die Lehrerin,<br />
der Lehrer informiert werden, damit das Problem in der<br />
Schule angesprochen und Lösungsansätze gesucht werden<br />
können.<br />
Die Sicherheit steht an oberster Stelle<br />
In Städten ist die Gefährlichkeit ein zentrales Thema.<br />
Eltern, die ihr Kind gut auf den Schulweg vorbereiten,<br />
leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit. Je besser<br />
das Kind den Weg kennt und weiss, wo Gefahren lauern<br />
könnten, desto eher ist es gegen Unvorhergesehenes<br />
gewappnet. Diese Gewissheit hilft Eltern, loszulassen<br />
und Kinder alleine loszuschicken.<br />
In ländlichen Gegenden ist die Länge des Weges zentral.<br />
Aufgrund von schwindenden Schülerzahlen werden<br />
Klassen zusammengelegt, was sich natürlich auch<br />
auf die Schulwege auswirkt. Laut Richtlinien des Dachverbandes<br />
Lehrerinnen und Lehrer Schweiz gelten<br />
Schulwege von mehr als 30 Minuten pro<br />
Weg und eine Mittagszeit von weniger als<br />
45 Minuten als unzumutbar. Denn lange und un -<br />
attraktive Wege würden auf Kosten einer sinnvollen<br />
Freizeit gehen und Kinder beim Erledigen von Hausaufgaben<br />
benachteiligen.<br />
Schulen in der Pflicht<br />
Schulen sind verpflichtet, regelmässig Verkehrsunterricht<br />
anzubieten und Kinder auf den Verkehr vorzubereiten.<br />
Bei Schulhäusern muss an gefährlichen Stellen<br />
die Sicherheit der Kinder mit einem Lotsendienst oder<br />
durch die Polizei gewährleistet werden. Zudem fordert<br />
der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, dass<br />
beim Zusammenlegen von Schulen und Klassen Überlegungen<br />
zum Transport und zur Dauer des Schulwegs<br />
gemacht werden. Bei solchen Entscheidungen sollte stets<br />
das Interesse des Kindes im Mittelpunkt stehen.<br />
«Bereiten Sie Ihr<br />
Kind auf mögliche<br />
Gefahren auf dem<br />
Schulweg vor!»<br />
Susan Edthofer ist Redaktorin<br />
im Bereich Kommunikation<br />
von Pro Juventute.<br />
Was Eltern tun können – vier Tipps<br />
• Fahren Sie Ihr Kind nicht aus Bequemlichkeit oder weil es regnet<br />
oder kalt ist, zur Schule. Der Schulweg ist ein wichtiges Lernfeld und<br />
bietet Raum für Erlebnisse und Entdeckungen.<br />
• Bereiten Sie Ihr Kind auf den Schulweg und mögliche<br />
Gefahrenherde vor.<br />
• Stärken Sie das Selbstvertrauen Ihres Kindes, indem Sie ihm<br />
zutrauen, den Schulweg alleine bewältigen zu können.<br />
• Suchen Sie das Gespräch mit anderen Kindern, Eltern und<br />
Lehrperso nen, wenn Ihr Kind unter ständigen Streitigkeiten<br />
auf dem Schulweg leidet.<br />
Pro Juventute Elternberatung<br />
Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />
Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online<br />
(www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zur<br />
Erziehung, zum Schulweg stellen. Ausser den normalen Telefongebühren<br />
fallen keine Kosten an. In den Elternbriefen und Extrabriefen finden Eltern<br />
Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos www.projuventute.ch<br />
42 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Inspirationen für Familien auf<br />
Famigros.ch/ausflug<br />
Super<br />
Sonntag!<br />
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Idee!<br />
Famigros verschönert das Familienleben mit vielen Ausflugsideen<br />
und wertvollen Tipps. Als Mitglied unseres Familienclubs<br />
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weiteren Vorteilen.
Kolumne<br />
Macht Kriegsspielzeug Kinder aggressiv?<br />
Eine verunsicherte Mutter sucht Rat: Sollen Eltern eingreifen, wenn sich Kinder<br />
gegenseitig mit Plastikpistolen «erschiessen» und so tun, als würden sie anderen<br />
Kindern die Kehle durchschneiden?<br />
Jesper Juul<br />
ist Familientherapeut und Autor<br />
zahlreicher internationaler Bestseller<br />
zum Thema Erziehung und Familien.<br />
1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />
nach dem Schulabschluss zur See, war<br />
später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />
und Barkeeper. Nach der<br />
Lehrerausbildung arbeitete er als<br />
Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />
und bildete sich in den Niederlanden<br />
und den USA bei Walter Kempler zum<br />
Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />
leidet Juul an einer Entzündung der<br />
Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />
Rollstuhl.<br />
Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />
Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />
Ehe geschieden.<br />
Unser fünf Jahre alter<br />
Sohn hat Spielfiguren,<br />
mit denen er sich<br />
ins Rollenspiel vertieft.<br />
Wir sehen ihn<br />
nicht als «Problemkind». Im Gegenteil,<br />
wir erleben ihn als offen und<br />
lieb. Auch die Kinder im Kindergarten<br />
kommen gut mit ihm aus.<br />
Einmal beobachtete ich dort, wie<br />
er mit einem älteren Buben mit zwei<br />
Stöcken spielte, als seien es Gewehre.<br />
Ich sprach mit befreundeten Eltern<br />
darüber und erhielt alle möglichen<br />
Antworten – von «Ach, wir haben<br />
doch als Kinder auch Cowboy und<br />
Indianer gespielt» bis «Das ist nicht<br />
okay, du musst etwas dagegen tun!».<br />
Unser Sohn hat ein Spielzeugschwert<br />
und eine Plastikpistole.<br />
Manchmal spielt er mit Stöcken als<br />
Schwert oder Gewehr. Er erschiesst<br />
sich selbst und sagt: «Jetzt bin ich<br />
tot!», um ein paar Minuten später<br />
wieder zum Leben zu erwachen.<br />
Oder er fordert uns auf, mitzuspielen,<br />
uns dabei gegenseitig zu er <br />
schies sen und uns tot zu stellen.<br />
Wenn er auf uns böse ist, formt er<br />
seine Finger zu einer Pistole und sagt<br />
«peng, peng». Auch andere Buben<br />
im Kindergarten machen das.<br />
Die Aggression ist ein<br />
natürlicher und notwendiger<br />
Teil unserer Emotionen.<br />
Wir haben uns entschlossen, vorerst<br />
nicht weiter darauf einzugehen. Wir<br />
glauben, dass sein Spiel mit dem<br />
Todsein eine unschuldige und harmlose<br />
Form des Spielens ist. Er hat<br />
keinen Bezug zum Tod und sieht<br />
auch nie Beängstigendes im Fernsehen.<br />
Wir machen uns Gedanken<br />
darüber und wählen auch aus, was<br />
er im Kinderfernsehen schauen darf.<br />
Er sieht mit uns keine Nachrichten,<br />
und auch bei seinen engen Freunden<br />
wird das zu Hause so gehandhabt.<br />
Aber einmal mussten wir eingreifen.<br />
Er spielte mit seinen Spielfiguren,<br />
dass er einem Männchen die<br />
Kehle durchschneidet. Mein Mann<br />
und ich sahen uns an und sagten:<br />
«Oh nein, dieser arme Mann.»<br />
Unser Sohn entgegnete, der Mann<br />
sei ein Dieb. Mein Mann antwortete:<br />
«Aber das machen wir nicht mit<br />
Dieben. Sie kommen ins Gefängnis.»<br />
Darauf steckte unser Sohn die<br />
Figur ins «Gefängnis». Am nächsten<br />
Tag tat er so, als ob er seiner fünf<br />
Monate alten Schwester die Kehle<br />
durchschneide. Mein Mann reagierte<br />
sofort und sagte: «Ich will nicht,<br />
dass du so mit deiner Schwester<br />
spielst!» Unser Sohn sagte «okay»<br />
und spielte etwas anderes.<br />
Meine Schwester erzählte mir<br />
kürzlich, dass ihre beiden Söhne, die<br />
vier und sieben Jahre alt sind, mit<br />
den Nachbarsbuben Bombenhagel<br />
nachspielen, ihre Mütter mit Bomben<br />
töten und sich gegenseitig köpfen.<br />
Wie sie sagt, schauen die Nachbarsbuben<br />
mit ihren Eltern<br />
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />
44 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Nach richten, in denen von Krieg,<br />
Entführungen und Terror berichtet<br />
wird. Sie hat nun versucht, den Kontakt<br />
zu diesen Nachbarskindern einzuschränken,<br />
und hat auch Regeln<br />
aufgestellt, was für sie okay ist und<br />
was nicht.<br />
Aber wo ist die Grenze, das Spielen<br />
zu verbieten? Welches Spielzeug<br />
können wir ruhigen Gewissens<br />
unseren Kindern geben? Mit Spielzeugpistolen<br />
und Schwertern können<br />
sie sich nicht verletzen. Und wie<br />
ist das mit Spielfiguren von «Superhelden»?<br />
Wir wollen nicht, dass<br />
unser Sohn zum Gewalttäter wird.<br />
Jesper Juul antwortet<br />
Lassen Sie mich damit beginnen,<br />
dass die Art und Weise, wie Sie und<br />
Ihr Mann bisher auf die aggressiven<br />
Spielmomente reagierten, vorbildlich<br />
ist. Ihr Sohn lernt durch Ihre<br />
Rückmeldungen über sein Verhalten.<br />
Historisch gesehen haben Eltern<br />
regelmässig genau das Gegenteil<br />
praktiziert: Sie haben die Grenzen<br />
der Kinder durch Kritik verletzt.<br />
Strafen, Tadel und Gewalt wurden<br />
als Versuch dafür eingesetzt, Kindern<br />
beizubringen, die Grenzen<br />
anderer Menschen zu respektieren.<br />
Es ist nicht gesagt, dass Ihr Sohn<br />
mit seinem Experimentieren und<br />
Forschen bereit ist zur Frage, welche<br />
Möglichkeiten noch in einem Plastikschwert<br />
stecken. In der Eisenzeit<br />
wurden Schwerter ja auch nicht<br />
dazu erfunden, Brot damit zu<br />
schneiden. Solange Ihr Sohn nicht<br />
durch Angst gesteuert wird und er<br />
offen spielt, wird er auch offen für<br />
Ihre Einwände sein.<br />
Als meine Generation kleine<br />
Kinder hatte, wurde Kriegsspielzeug<br />
von vielen Eltern und Bildungseinrichtungen<br />
kategorisch verboten,<br />
weil es den damals geltenden Idealen<br />
des Pazifismus widersprach.<br />
Man wollte nichts davon wissen,<br />
dass die Aggression ein natürlicher<br />
und auch notwendiger Teil unserer<br />
menschlichen Emotionen ist.<br />
Nicht die Spielsachen machen die<br />
Kinder zu Gewalttätern. Das machen<br />
die anderen Menschen.<br />
Das totale Verbot ist zum Glück nie<br />
gelungen, weil die Kinder andere<br />
Wege und Möglichkeiten gefunden<br />
haben, das Gleiche auszudrücken.<br />
Ein Verbot ist absurd. Ge nauso gut<br />
könnten wir Kindern verbieten, ihre<br />
Sexualität, ihre Freude oder ihre<br />
Trauer auszudrücken. Die Kunst der<br />
Aufklärung besteht nicht darin, Verbote<br />
auszusprechen. Es geht darum,<br />
unsere Kinder klug und vertrauensvoll<br />
zu begleiten – auf Basis universeller<br />
menschlicher Gefühle, die<br />
Ausdruck in der Kultur finden, in<br />
der die Kinder aufwachsen.<br />
Das Dilemma Ihrer Schwester ist<br />
ein schönes Beispiel für die globale<br />
Kultur, in der unsere Kinder heute<br />
aufwachsen. Wann und wie Kinder<br />
mit der Realität konfrontiert werden,<br />
müssen die Eltern selbst herausfinden.<br />
Eltern haben immer die<br />
Macht darüber, die Freundinnen<br />
und Freunde ihrer Kinder auszuwählen,<br />
um sie vor vermeintlichen<br />
Gefahren zu schützen. Ich persönlich<br />
würde eine andere Wahl treffen,<br />
aber das ist so wie mit vielen anderen<br />
persönlichen Wahlmöglichkeiten<br />
auch: Sie sind weder richtig noch<br />
falsch.<br />
Während meiner Arbeit habe ich<br />
viele traumatisierte Flüchtlingskinder<br />
kennengelernt, die ihre Erfahrungen<br />
im Spiel oder in Zeichnungen<br />
ausdrückten. Sie brauchen lange<br />
Zeit Hilfe, die sie leider nur selten<br />
bekommen – weder von ihren Eltern<br />
noch von der Gesellschaft. Das gleiche<br />
Prinzip gilt für alle Kinderspiele:<br />
Kinder verarbeiten und integrieren<br />
dabei unter anderem Erlebtes.<br />
Ihr Sohn nähert sich einer Phase,<br />
in der er sich, wie die meisten anderen<br />
Kinder auch, mit dem Tod<br />
beschäftigt. Bald wird er darüber<br />
nachdenken, dass auch seine Eltern<br />
sterben können. Was wird mit ihm<br />
geschehen, was wird mit ihm sein,<br />
falls das passiert? Er hat das Glück,<br />
mit nachdenklichen und liebevollen<br />
Eltern aufzuwachsen. So wird er<br />
offen über alles sprechen und seine<br />
Fragen stellen.<br />
Auf die Frage zum richtigen<br />
Spielzeug gibt es, glaube ich, keine<br />
gute Antwort: Wie Sie es ja beschreiben,<br />
braucht es keine Plastikpistolen,<br />
um Schiessen zu spielen. Es gibt<br />
ausgezeichnete pädagogische Spielmaterialien.<br />
Sie werden gegenüber<br />
anderen Spielmaterialien auf dem<br />
Markt danach beurteilt, welche Sinne<br />
sie im richtigen Alter stimulieren<br />
und welchen ästhetischen Wert sie<br />
haben.<br />
Meiner Meinung nach ist es so,<br />
dass – wie auch in anderen Fällen<br />
– vor allem die Eltern nachdenken<br />
und sicher sein müssen, ob sie sich<br />
mit einem guten Gewissen selbst in<br />
die Augen sehen können. Nicht die<br />
Spielsachen machen Kinder zu<br />
Gewalttätern. Das machen die anderen<br />
Menschen.<br />
Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul,<br />
die er persönlich beantworten soll?<br />
Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />
einen Brief an: Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />
8008 Zürich<br />
Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />
in Zusammenarbeit mit<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>45
Erziehung & Schule<br />
Wie Kinder leiden,<br />
wenn Eltern<br />
Die Suchterkrankung von Eltern bleibt Kindern niemals verborgen.<br />
Die Buben und Mädchen bekommen wenig Aufmerksamkeit<br />
und fühlen sich oft schuldig. Wie Eltern und Experten helfen können.<br />
Text: Rut Brunner Zimmermann<br />
eine Kinder haben von Belastung nicht spurlos an den Kindern<br />
vorbeigeht und sie in ihrer Ent-<br />
allem nichts mitbekommen.<br />
– Diesen Satz wicklung gefährden kann. Gewiss<br />
höre ich oft von Eltern, spielt dabei der Grad der Suchtbelastung<br />
eine Rolle und es gibt auch<br />
die wegen einer Suchterkrankung<br />
in die Beratung kommen.<br />
Und meist wird noch hinzuge-<br />
aber ist, dass die Sucht eines Eltern-<br />
korrigierende Faktoren. Tatsache<br />
fügt: «Ich habe getrunken, während teils die ganze Familie betrifft. Auch<br />
die Kinder schliefen, ich ging normal<br />
der Arbeit nach, und die Kinder hen, die Kinder davon fernzuhalten.<br />
dann, wenn sich die Eltern bemü-<br />
haben auch nie gefragt.»<br />
Hinter diesen Gedanken steckt «Ich konnte meinen Vater nicht<br />
ein verständlicher Wunsch: Eltern<br />
spüren»<br />
möchten ihre Kinder vor den eigenen<br />
Schwächen und Problemen haben oft Probleme, Bindungen ein-<br />
Kinder aus betroffenen Familien<br />
bewahren. Der Gedanke, dass die zugehen – und das setzt sich im<br />
elterliche Sucht negative Auswirkungen<br />
auf die Kinder haben könn-<br />
dafür ist, dass sie wenig Verlässlich-<br />
Er wachsenenalter fort. Der Grund<br />
te, ist für viele schwer zu ertragen. keit, Fürsorge, Verständnis, emotionale<br />
Verfügbarkeit und Vertrauen<br />
Dennoch belegen Studien unzweifelhaft,<br />
dass eine solche familiäre von ihrem suchtkranken >>><br />
Kinder aus suchtkranken<br />
Familien haben oft Probleme,<br />
Bindungen einzugehen.<br />
Bild: BreBa / Beyond / Plainpicture<br />
46
Zahlen<br />
Gemäss SuchtSchweiz leben in<br />
der Schweiz etwa 250 000<br />
alkoholabhängige Menschen. Rund<br />
100 000 Kinder in der Schweiz<br />
haben eine alkoholabhängige<br />
Mutter oder einen<br />
alkohol abhängigen Vater. Dies<br />
bei einer hohen Dunkelziffer, denn<br />
die Zahlen beziehen sich auf die<br />
wegen einer Alkoholabhängigkeit<br />
in Behandlung stehenden<br />
Patientinnen und Patienten. Beim<br />
Konsum von illegalen Substanzen<br />
oder anderen Süchten fehlen<br />
Zahlen.<br />
Links<br />
www.mamatrinkt.ch<br />
www.papatrinkt.ch<br />
www.suchtschweiz.ch<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>47
Betroffene Kinder müssen<br />
jüngere Geschwister betreuen,<br />
fürs Essen sorgen,<br />
den Haushalt machen.<br />
>>> Elternteil erfahren haben.<br />
Manchmal kann dies durch den<br />
gesunden Elternteil kompensiert<br />
werden. Oder das Kind hat das<br />
Glück, dass es andere Personen in<br />
seiner Nähe gibt, die eine verlässliche<br />
Bindung anbieten. Dies würde die<br />
kindlichen Ressourcen stärken und<br />
die Entwicklungsprognosen verbessern,<br />
wie die Resilienzforschung<br />
zeigt. (Resilienz ist eine psychische<br />
und physische Widerstandsfähigkeit.)<br />
Die Beziehung zum betroffenen<br />
Elternteil aufzubauen, ist hingegen<br />
schwierig. Kürzlich sagte mir eine<br />
erwachsene Person, welche als Kind<br />
die Sucht des Vaters erlebt hat:<br />
«Mein Vater war zwar da, dennoch<br />
war er nicht da. Ich konnte ihn nicht<br />
erreichen. Er war nicht spürbar.»<br />
Kinder nehmen den alkoholisierten<br />
Elternteil oft wie durch eine «Scheibe»<br />
wahr. Die Sucht oder der Alkohol<br />
stehen dazwischen. Das er -<br />
schwert eine authentische Beziehung<br />
oder macht sie gar unmöglich.<br />
Betroffene Kinder haben ausserdem<br />
häufig Mühe, ihre eigenen<br />
Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen.<br />
Sie haben sehr gute Antennen<br />
dafür entwickelt, was von ihnen<br />
erwartet wird. Ihr ganzer Fokus ist<br />
darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse<br />
der andern wahrzunehmen und zu<br />
befriedigen.<br />
Kinder, die in suchtbelasteten<br />
Familien aufwachsen, zeigen oft ein<br />
geringes Selbstwertgefühl. Zu Hause<br />
standen die suchtkranken Eltern, die<br />
Suchtthematik oder der Stoff im<br />
Mittelpunkt – sie selbst haben wenig<br />
Aufmerksamkeit bekommen. Daher<br />
konnten ihre Eltern sie auch nicht<br />
bei ihren alterstypischen Entwicklungsaufgaben<br />
unterstützen.<br />
Andere betroffene Kinder wirken<br />
seltsam erwachsen. Schon sehr früh<br />
haben sie Erwachsenen-Aufgaben<br />
übernehmen müssen und wurden so<br />
um ihre Kindheit betrogen. Es kam<br />
zu einer Rollenumkehr: Die Kinder<br />
mussten jüngere Geschwister be -<br />
treuen, fürs Essen sorgen, den Haushalt<br />
machen. Dies gilt vor allem bei<br />
suchterkrankten Alleinerziehenden.<br />
Hier sind die Kinder ganz besonders<br />
gefährdet. Diese Kinder lernen früh<br />
und beeindruckend, Verantwortung<br />
zu übernehmen, kommen dabei<br />
aber selbst zu kurz.<br />
Schritt für Schritt zum klärenden<br />
Gespräch<br />
«Ich habe mich oft meiner Mutter<br />
oder meines Vaters geschämt», ist<br />
ebenfalls ein typischer Satz für Kinder<br />
von suchterkrankten Eltern. Das<br />
Kind, das den betrunkenen Vater<br />
vom Stammtisch heimholen musste,<br />
ist da sicher ein Extrembeispiel. Viele<br />
Kinder wagen es kaum, Kolleginnen<br />
und Kollegen nach Hause zu<br />
nehmen, weil sie nie wissen, wie sie<br />
Vater oder Mutter antreffen. Sie<br />
haben gelernt, mit dieser Unberechenbarkeit<br />
zu leben, wollen diese<br />
Erfahrung den Freunden aber nicht<br />
zumuten. Dies führt zusätzlich oft<br />
zu Schwierigkeiten in der Beziehung<br />
zu Gleichaltrigen.<br />
Nicht zuletzt weisen betroffene<br />
Kinder Leistungseinbussen in der<br />
Schule auf. Untersuchungen zeigen,<br />
dass es einen auffälligen Zusammenhang<br />
zwischen elterlicher Sucht<br />
und Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen<br />
bei den Kindern<br />
gibt. Sie haben den Kopf verständlicherweise<br />
woanders, sind<br />
besetzt von Sorgen, von denen sie<br />
eigentlich frei sein müssten. Hinzu<br />
kommt, dass es sich wie ein Verrat<br />
an den Eltern anfühlen würde, sich<br />
jemandem anzuvertrauen.<br />
Eltern, die den eigenen Konsum<br />
hinterfragen, gehen bereits den ersten<br />
wichtigen Schritt. Der nächste<br />
Schritt sollte sie zu einer Fachstelle<br />
führen, um sich professionell beraten<br />
zu lassen. Sucht ist eine psychische<br />
Er krankung. Es braucht die<br />
Hilfe von Experten und keine fa milien<br />
internen Therapien.<br />
In der Fachstelle erhalten Eltern<br />
auch Unterstützung für das altersadäquate<br />
Ge spräch mit den Kindern.<br />
Denn oft wurde das Thema zu<br />
Hause tabuisiert. Es tut den Kindern<br />
gut, wenn ihnen gesagt wird, dass<br />
Vater oder Mutter krank sind. Sie<br />
haben jetzt eine Erklärung für das<br />
Wann liegt ein<br />
Alkoholproblem vor?<br />
1. Hatten Sie jemals das Gefühl,<br />
Ihren Konsum an alkoholischen<br />
Getränken verringern zu müssen?<br />
2. Hat Ihr Umfeld schon einmal<br />
Bemerkungen über Ihren<br />
Alkoholkonsum gemacht?<br />
3. Hatten Sie schon einmal den<br />
Eindruck, dass Sie zu viel trinken?<br />
4. Haben Sie schon einmal am<br />
Morgen Alkohol gebraucht, um in<br />
Form zu sein?<br />
Wenn Sie zwei oder mehr dieser<br />
Fragen mit Ja beantworten, könnte<br />
es sein, dass ein problematischer<br />
Alkoholkonsum vorliegt. In diesem<br />
Fall sollten Sie bei einer Suchtberatungsstelle<br />
Hilfe suchen. (vgl.<br />
www.aktionstag-alkoholprobleme.ch)<br />
48 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Erziehung & Schule<br />
vielleicht unverständliche Verhalten<br />
der betroffenen Eltern. Das wirkt<br />
entlastend. Kinder suchen oft die<br />
Schuld im eigenen Verhalten: «Mein<br />
Vater trinkt, weil ich mich schlecht<br />
benommen habe.»<br />
Und dann erhalten Kinder endlich<br />
die Möglichkeit, zu sagen, wie es<br />
ihnen geht, was sie belastet, was<br />
ihnen Sorgen macht. Gewiss ist dieses<br />
Gespräch nicht leicht. Eltern zeigen<br />
sich verletzlich, gestehen Schwächen<br />
ein, können jetzt aber auch<br />
lernen, sich in die Lage ihrer Kinder<br />
zu versetzen. Dies ist oft der Punkt,<br />
an denen Eltern erst klar wird, dass<br />
ihre Kinder sehr wohl viel mitbekommen<br />
haben. Auch wenn sie es<br />
vielleicht nicht verstanden haben<br />
und nicht einordnen konnten. Auch<br />
wenn darüber nicht geredet wurde.<br />
Es ist unsere Erfahrung aus der<br />
therapeutischen Arbeit mit betroffenen<br />
Kindern und Familien, dass sich<br />
Verhaltensauffälligkeiten und andere<br />
Symptome auflösen können,<br />
wenn Kinder und Eltern offen miteinander<br />
sprechen. Ein solches<br />
Gespräch ist eine Erleichterung –<br />
und keine zusätzliche Belastung, wie<br />
viele Suchterkrankte befürchten.<br />
Denn Kinder nehmen die elterliche<br />
Suchterkrankung immer wahr,<br />
sogar schon im Mutterleib.<br />
>>><br />
Rut Brunner<br />
Zimmermann<br />
ist eidgenössisch anerkannte<br />
Psychotherapeutin und Dozentin an<br />
der Interkantonalen Hochschule für<br />
Heilpädagogik (HfH).<br />
Kinder nehmen die elterliche<br />
Suchterkrankung immer wahr,<br />
sogar schon im Mutterleib.<br />
Regionale<br />
Suchtberatungsstellen<br />
(erste Anlaufstelle,<br />
Hinweise für Entzug,<br />
Therapien und<br />
Klinikaufenthalte)<br />
• Selbsthilfeorganisation bei<br />
Alkoholproblemen<br />
www.iogt.ch<br />
• Therapiestelle für Kinder<br />
suchtkranker Eltern ZEBRA,<br />
Winterthur<br />
stadt.winterthur.ch<br />
(im Suchfeld ZEBRA eingeben)<br />
PUBLIREPORTAGE<br />
Avadis Geldtipp Nr. 1<br />
Sparen, anlegen, Zukunft aufbauen<br />
Goldvreneli, Sparkonto, Fondskonto oder<br />
doch lieber Bargeld? Möglichkeiten zu<br />
sparen gibt es viele. Dabei hat jede Sparoder<br />
Anlageform ihre Vor- und Nachteile.<br />
Insbesondere Eltern, die ihrem Kind einen Sparbatzen<br />
mit auf den Weg geben wollen, setzen<br />
häufig auf das Geschenksparkonto. Gleichzeitig<br />
schauen sich viele Sparer nach renditeträchtigeren<br />
Alternativen um, wie beispielsweise dem Fondskonto.<br />
verzinsten Geschenksparkonten für Kinder nicht.<br />
Auf den Zinsertrag muss zudem die Verrechnungssteuer<br />
von 35% bezahlt werden. Diese kann zwar<br />
zurückgefordert werden, Eltern müssen jedoch<br />
daran denken, sie wieder auf das Konto des Kindes<br />
zu überweisen.<br />
Kursgewinne sind steuerfrei, auf Erträge wie<br />
etwa Dividenden entfällt aber ebenfalls die<br />
Verrechnungssteuer.<br />
Mit den Fonds von Avadis investieren<br />
Sie einfach, günstig und flexibel.<br />
Weitere Informationen finden Sie unter<br />
www.avadis.ch/anlegen.<br />
Fondskonto – die Alternative<br />
Anlagefonds investieren in Aktien und Obligationen<br />
und können damit Wertschwankungen unterworfen<br />
sein. Wer sein Geld jedoch mehrere Jahre<br />
anlegen kann, hat mit Fonds langfristig gute<br />
Sparkonto – der Klassiker<br />
Aussichten auf eine höhere Rendite als mit einer<br />
Der Zins auf dem Sparkonto ist garantiert, mehr Kontolösung. Fonds sind zudem Sondervermögen<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi März <strong>2017</strong>49<br />
als 1% Zins gibt es aber auch auf den höher und fallen nicht in die Konkursmasse der Bank.
In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />
Erziehung & Schule<br />
Die Tür zur Fantasie öffnen<br />
Beim kreativen Schreiben gibt es kein Richtig oder Falsch. Es geht dabei vielmehr um<br />
den Ausdruck von Fantasie und das erfinderische Experimentieren mit Sprache.<br />
Schreib ideen für zu Hause, die auch Rechtschreibmuffeln Spass machen und Erfolg<br />
bereiten. Text: Johanna Oeschger<br />
Buchstabenbilder<br />
Buchstaben und Worte kann man auch<br />
zum Malen verwenden: Das Wort Sonne<br />
formt die Strahlen einer gezeichneten<br />
Sonne, viele kleine Buchstaben bilden<br />
den Anfangsbuchstaben eines Namens<br />
usw. Mit den Buchstabenbildern können<br />
die Kinder z. B. spezielle Grusskarten<br />
oder Namensschilder gestalten.<br />
Wurmurmeltier und Forellensittich<br />
Zwei Tiernamen werden zu zoologischen<br />
Neukreationen zusammengesetzt.<br />
Dann zeichnen die Kinder ihr Fantasietier<br />
und beschriften es. Auf der Rückseite<br />
können sie weitere Besonderheiten<br />
des Tiers aufschreiben (oder reimen):<br />
Was frisst das Tier? Wo wohnt es? Wer<br />
sind seine Eltern, Geschwister, Freunde?<br />
Hintergrund<br />
Am Anfang des kreativen Schreibens<br />
regt ein Erlebnis, Bild, Wort<br />
oder ein anderer Impuls dazu an,<br />
die eigene Fantasie, persönliche<br />
Erinnerungen oder subjektives<br />
Empfinden in einem Text auszudrücken.<br />
Dabei steht der offene,<br />
sinnliche und kreative Umgang<br />
mit Sprache und Schrift im Mittelpunkt,<br />
normative Regeln müssen<br />
nicht beachtet werden. Das kreative<br />
Schreiben ermuntert so zum<br />
Experimentieren und führt auch<br />
bei Kindern, die sich mit Rechtschreibung<br />
und Grammatik<br />
schwertun, zum Schreiberfolg.<br />
Den Lesern eröffnet es faszinierende<br />
Einblicke in das Erleben der<br />
Kinder.<br />
Geschichten-Würfel<br />
Die Spieler würfeln Symbole und fabulieren<br />
eine Geschichte dazu. Ältere Kinder<br />
schreiben gleichzeitig mit den anderen<br />
Spielern innerhalb eines Zeitlimits.<br />
Nach Ablauf der Zeit werden die Texte<br />
in der Runde vorgetragen. Die passenden<br />
Würfel gibt es z. B. von «Icon Poets»<br />
der Gebrüder Frei oder von «Rory’s<br />
Story Cubes» (Letztere sind auch als<br />
App erhältlich).<br />
App-Tipp<br />
TypeDrawing<br />
Diese App verwandelt Schrift in Kunst: Zuerst den Text<br />
eintippen, dann mit dem Finger Formen und Figuren<br />
malen – anstelle von Linien erscheinen Buchstaben.<br />
Erhältlich für iOS (Fr. 2.–) und Android (gratis).<br />
Johanna Oeschger<br />
ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />
unterrichtet Deutsch und Englisch<br />
auf der Sekundarstufe II und arbeitet als<br />
Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />
Bilder: ZVG<br />
50 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Kolumne<br />
An alle<br />
schlechten Eltern<br />
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />
Mikael Krogerus<br />
ist Autor und Journalist.<br />
Der Finne ist Vater einer Tochter<br />
und eines Sohnes, lebt in Biel<br />
und schreibt regelmässig für<br />
das Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi und andere<br />
Schweizer Medien.<br />
Vatersein hat mich vor allem in einem Punkt verändert: Es hat mich<br />
verständnisvoller gemacht. Nicht gegenüber Kindern – Gott be <br />
wahre! Da bin ich ungeduldiger, ja ungehaltener als früher. Nein,<br />
verständnisvoller gegenüber anderen Eltern.<br />
Früher habe ich Eltern oft bewertet. Und mir ausgemalt, wie<br />
liebe voll, abenteuerlustig und verspielt ich dereinst mit meinen Kindern umgehen<br />
würde. Heute bin ich vorsichtiger. Wenn ich eine müde Mutter mit ihrem<br />
nörgelnden Kind in der Schlange an der Coop-Kasse sehe und höre, wie das<br />
Kind schon wieder ansetzt: «Mami, i wott no Schoggi …» – worauf die Mutter<br />
komplett die Fassung verliert und brüllt: «I wott, I wott, I wott – du kannst<br />
doch verdammt nochmal nicht immer nur wollen!». Dann denke ich nicht mehr<br />
im Bettina-Wegner*-Tonfall: «Es sind so kleine Kinder, die darf man nicht<br />
anschreien!» Nein, meine Sympathien sind bei der Mutter: «Was für ein<br />
grässliches, rücksichtsloses Kind!», denke ich. Manchmal werde ich innerlich<br />
richtig laut – «Rettet die Frau!» Natürlich würde ich nichts dergleichen sagen.<br />
Nicht mal denken. Aber wissen Sie, was ich meine?<br />
Neulich sah ich, wie ein Vater auf einer Bank vor dem Spielplatz nicht ein<br />
einziges Mal von seinem Smartphone aufblickte, als sein Kind ihn fragte:<br />
«Kann ich den Schnee essen?» Früher hätte ich gedacht: «Was ist denn das für<br />
ein Vater? Wenn ich einmal Kinder habe, werde ich ihnen jede Frage<br />
beantworten und ihre Augen öffnen für die Wunder dieser Welt.» Heute denke<br />
ich: «Lass den Mann in Ruhe und beschäftige dich selber.»<br />
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Kinder. Aber was kinderlose<br />
Erwachsene gern vergessen: Kinder machen nicht nur glücklich. Sie saugen dich<br />
auch aus. Sie können die schlimmsten Seiten in dir wecken. Und dich zum Gegenteil<br />
von dem machen, was du eigentlich gerne wärst. Elternsein ist ein tägliches<br />
Scheitern, und ich finde, Eltern bekommen dafür zu wenig Verständnis.<br />
Lange Zeit beeindruckten mich (scheinbar) perfekte Familien, in denen glückliche<br />
Kinder und stolze Eltern Hand in Hand durchs Leben spazieren. Ich<br />
fragte mich: Wie machen die das? Inzwischen frage ich mich: Was, wenn es<br />
vielleicht gar nicht gute Eltern sind, sondern bloss gute Kinder? Kinder,<br />
die einfach von selbst aufrichtig, engagiert und zufrieden geworden sind – und<br />
nicht weil ihre Eltern alles richtig gemacht haben? Niemand wird bestreiten, dass<br />
Liebe und Zuneigung für Kinder so wichtig ist wie Atmen und Schlafen, aber<br />
darüber hinaus, könnte es nicht sein, dass sie sich auch ein klein wenig autonom<br />
entwickeln, von ihrem Umfeld und ihrer Herkunft geprägt werden und nicht<br />
ausschliesslich von ihren Eltern?<br />
Vielleicht stimmt das nicht. Aber in den schwärzesten Stunden meines Elternseins<br />
ist es ein kleiner Trost, dass wir die Wirklichkeit nicht planen, sondern nur<br />
in ihr leben können.<br />
*Bettina Wegner ist eine deutsche Liedermacherin und Lyrikerin. Ihr bekanntestes Lied<br />
ist «Kinder» (Sind so kleine Hände …).<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>51
Elterncoaching<br />
Wie wird mein Kind selbständiger?<br />
Damit unsere Kinder als Erwachsene fähig sind, Entscheidungen<br />
zu treffen und das Leben selber zu gestalten, müssen sie ihre<br />
Eigenständigkeit entwickeln können.<br />
Fabian Grolimund<br />
ist Psychologe und Autor («Mit<br />
Kindern lernen»). In der Rubrik<br />
«Elterncoaching» beantwortet<br />
er Fragen aus dem Familienalltag.<br />
Der 37-Jährige ist verheiratet<br />
und Vater eines Sohnes, 4,<br />
und einer Tochter, 1. Er lebt<br />
mit seiner Familie in Freiburg.<br />
www.mit-kindern-lernen.ch<br />
www.biber-blog.com<br />
Es ist Samstagmorgen,<br />
acht Uhr, mein Vierjähriger<br />
schleicht aus dem<br />
Bett. Ich döse etwas weiter.<br />
Eine halbe Stunde<br />
später steht er vergnügt vor mir:<br />
«Schau, Papa, ich habe mich ganz<br />
alleine angezogen!» Tatsächlich:<br />
Sogar die Knöpfe seines Pullovers<br />
und den Gürtel hat er zugekriegt!<br />
Dann wandelt sich sein Gesichtsausdruck<br />
von stolz zu besorgt: «Aber,<br />
Papa – weisst du, was ganz, ganz<br />
schwierig ist und was ich noch ganz<br />
lange nicht kann? Alleine schlafen.»<br />
Selbständigkeit bei Kindern wird<br />
von Fachpersonen gefordert<br />
In meiner Arbeit begegnen mir<br />
immer wieder Eltern, die sich Sorgen<br />
machen, weil ihr Kind nicht selbständig<br />
genug sei: Es habe Mühe mit<br />
dem selbstorganisierten Lernen und<br />
mache die Hausaufgaben nicht alleine.<br />
Auch mir ist die Forderung nach<br />
mehr Selbständigkeit bereits begegnet.<br />
Unser Kinderarzt wies uns darauf<br />
hin, dass unsere Kinder lernen<br />
sollten, alleine einzuschlafen, und<br />
empfahl uns das Buch «Jedes Kind<br />
Selbständigkeit entwickelt sich<br />
in gegenseitigem Vertrauen<br />
und durch genügend Gelegenheiten<br />
zum selbständigen Tun.<br />
kann schlafen lernen». Wie die<br />
Anekdote am Anfang zeigt, haben<br />
wir seinen Rat nicht befolgt.<br />
Selbständigkeit lässt sich nicht<br />
erzwingen<br />
Selbständigkeit ist in unserer Kultur<br />
ein wichtiges Ziel: Unsere Kinder<br />
sollen als Erwachsene in der Lage<br />
sein, sich in einer komplexen Welt<br />
zurechtzufinden, eigene Entscheidungen<br />
zu treffen und ihr Leben<br />
selbst zu gestalten.<br />
Doch Eigenständigkeit entwickelt<br />
sich nicht über Nacht, nicht<br />
durch Zwang und auch nicht<br />
dadurch, dass man ein Kind sich<br />
selbst überlässt. Sie entwickelt sich<br />
in Beziehung, in gegenseitigem Vertrauen<br />
und durch genügend Gelegenheiten<br />
zum selbständigen Tun.<br />
Das Tempo gibt dabei das Kind vor<br />
– nicht irgendeine Normvorstellung.<br />
Selbständigkeit entsteht in<br />
Beziehung<br />
Beobachtungsstudien zeigen: Je<br />
sicherer Kinder sich in der Beziehung<br />
zu ihren Eltern fühlen, desto<br />
besser können sie sich von ihnen<br />
loslösen, um ihre Umgebung zu<br />
erkunden. Wenn ein Kind die Erfahrung<br />
macht, dass seine Eltern da<br />
sind, wenn es Hilfe braucht, ihm<br />
beistehen, wenn es sich unsicher<br />
fühlt, und ihm zuhören, wenn es<br />
etwas loswerden muss, kann es in<br />
Ruhe ausprobieren und eigene Er <br />
fahrungen sammeln. Das Vertrauen,<br />
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />
52 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
dass die Eltern und andere Erwachsene<br />
verfügbar sind, um Schutz,<br />
Sicherheit und Nähe zu spenden,<br />
bildet die Basis für die Selbständigkeit<br />
des Kindes.<br />
Viele Kinder benötigen diese<br />
Nähe auch im Schulalter. Es gelingt<br />
ihnen zum Beispiel besser, die Hausaufgaben<br />
selbständig zu erledigen,<br />
wenn sie dabei nicht alleine sind.<br />
Setzen Sie sich zu Ihrem Kind an<br />
den Tisch und gehen Sie eigenen<br />
Aufgaben nach: Beantworten Sie<br />
E-Mails, bezahlen Sie Rechnungen<br />
– und signalisieren Sie dem Kind,<br />
dass Sie ungestört arbeiten möchten.<br />
Selbständigkeit entsteht durch<br />
Zutrauen<br />
Während das Kind Vertrauen in die<br />
Eltern braucht, um sich sicher zu<br />
fühlen, müssen die Eltern genügend<br />
Zuversicht in das Kind und das<br />
Leben entwickeln, um es so weit loszulassen,<br />
dass es eigenständig werden<br />
kann. Dieses Vertrauen lässt sich<br />
nicht in einem oberflächlichen «Du<br />
schaffst das!» äussern. Es basiert auf<br />
dem Gefühl, dass das Kind seinen<br />
Weg gehen wird und dabei Fehler<br />
und Umwege machen darf. Es<br />
besteht in der neugierigen Frage<br />
«Wollen wir mal sehen, ob du das<br />
schaffst?» und der unausgesprochenen<br />
Versicherung, dass Experimentieren<br />
und Fehlermachen erlaubt<br />
sind und man mit Misserfolgen<br />
umgehen kann.<br />
Wenn jemand zu uns «Du<br />
schaffst das!» sagt, fragen wir uns in<br />
Gedanken fast automatisch: «Und<br />
wenn nicht?» Es ist ermutigend,<br />
wenn die Antwort darauf lautet:<br />
«Dann sehen wir weiter und versuchen<br />
etwas anderes. Und wenn alles<br />
nicht funktioniert, dann können wir<br />
damit leben.»<br />
Wenn Sie das Gefühl haben, dass<br />
Ihr Kind Ihr «Du schaffst das!» nicht<br />
annehmen kann, können Sie darauf<br />
achten, wie Sie sich in diesem<br />
Moment fühlen. Sind Sie angespannt?<br />
Fühlen Sie sich unter Druck,<br />
dass Ihr Kind etwas eigentlich schon<br />
können müsste? Sind Sie frustriert<br />
oder wütend, weil Ihr Kind nicht auf<br />
Ihren Zuspruch reagiert? Plagen Sie<br />
Sorgen um das Kind? Ihr Kind wird<br />
stärker auf Ihre Gefühle reagieren<br />
als auf Ihre Worte. In dieser Situation<br />
können Sie etwas Neues ausprobieren.<br />
Zum Beispiel: «Ja, ich weiss<br />
auch nicht, ob du das schaffst. Sieht<br />
ganz schön schwierig aus! Wir lesen<br />
mal die Aufgabe und schauen, worum<br />
es geht.»<br />
Selbständigkeit entsteht durch<br />
Freiraum<br />
Neben Vertrauen benötigen Kinder<br />
Gelegenheiten und Zeit, um sich<br />
kennenzulernen und sich auszuprobieren.<br />
Dies gelingt Kindern am<br />
besten im freien Spiel mit anderen<br />
Kindern. Dort müssen alle Kinder<br />
Vorschläge einbringen, in der Gruppe<br />
für ihre Ideen einstehen und<br />
andere für sich gewinnen. Sie müssen<br />
Entscheidungen treffen, sich ab<br />
und zu durchsetzen oder nachgeben.<br />
Sie müssen Enttäuschungen verkraften<br />
und sich wieder aufrappeln.<br />
In Amerika ist die Freizeit der<br />
Kinder mittlerweile so durchstrukturiert,<br />
dass sich der Verband der<br />
Kinderärzte veranlasst sah, Alarm<br />
zu schlagen. Die Fachpersonen wiesen<br />
darauf hin, dass wir unseren<br />
Kindern einen der wichtigsten<br />
Aspekte der Kindheit rauben, wenn<br />
wir ihnen das freie Spiel nehmen.<br />
Der deutsche Kinderarzt Herbert<br />
Renz-Polster sieht ähnliche Entwicklungen.<br />
Er schreibt dazu in seinem<br />
Buch «Menschenkinder»:<br />
«Zuerst haben wir den Kindern die<br />
Wälder genommen, danach die<br />
Wiesen, die Hinterhöfe, die Brachflächen,<br />
dann die Strassen, Gassen<br />
und Gärten. Seit den 70er-Jahren ist<br />
die Fläche, die Kinder im Freien<br />
zum Spielen nutzen dürfen, um<br />
90 Prozent zurückgegangen.»<br />
Wir können uns als Eltern fragen:<br />
Hat mein Kind genügend Gelegenheit<br />
zum freien Spiel? Hat es Zeit<br />
und die Möglichkeit, sich mit anderen<br />
Kindern zu treffen – ohne dass<br />
Vieles lernen Kinder genau<br />
dann, wenn nicht die<br />
Absicht besteht, ihnen etwas<br />
beizubringen.<br />
immer ein Erwachsener da ist, der<br />
Vorschläge macht, aufpasst und eingreift?<br />
Vieles lernen Kinder genau dann,<br />
wenn nicht die Absicht besteht,<br />
ihnen etwas beizubringen. Dann,<br />
wenn es kein durchdachtes, durchstrukturiertes,<br />
von Erwachsenen<br />
angeleitetes Programm oder Training<br />
gibt. Es ist schwieriger geworden,<br />
diese Freiräume zu schenken.<br />
Es lohnt sich daher, sich aktiv dafür<br />
einzusetzen und mit unseren Kindern<br />
nach Möglichkeiten zu suchen.<br />
Selbständigkeit – drei Tipps<br />
• Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass<br />
Sie da sind. Anstatt die Hausaufgaben<br />
alleine im Zimmer zu erledigen,<br />
könnten Sie das Kind einladen,<br />
gemeinsam zu arbeiten.<br />
Zeigen Sie Ihrem Kind, auch während<br />
es spielt, ab und zu, dass Sie<br />
da sind – ohne sich aufzudrängen.<br />
• Lassen Sie Ihr Kind deutlich spüren,<br />
dass Sie sich freuen, wenn es<br />
etwas selbständig versucht. Gestehen<br />
Sie ihm seinen Stolz zu und<br />
gehen Sie entspannt mit dem Re -<br />
sultat um.<br />
• Gewähren Sie Ihrem Kind genügend<br />
Freiräume. Im unbeobachteten<br />
und unstrukturierten Spiel<br />
kann es sich ausprobieren und<br />
entdecken.<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
Das Leben geniessen.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>53
Erziehung & Schule<br />
Bangen um die Mutter<br />
Erkrankt ein Elternteil schwer, helfen minderjährige Kinder oft mit<br />
bei der Pflege. Wie gehen Jugendliche mit der Herausforderung um?<br />
Text: Sarah King Bilder: Mara Truog / 13 Photo<br />
54 54 <br />
März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Erziehung & Schule<br />
Giulia ist 16 Jahre<br />
alt, als ihre Mutter<br />
erkrankt. Plötzlich<br />
findet sie sich in der<br />
Erwachsenenrolle<br />
wieder. Davon<br />
will sie berichten.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi März <strong>2017</strong>55
Erziehung & Schule<br />
Giulia schaut konzentriert<br />
auf die Strasse.<br />
«Als meine Mutter an<br />
Krebs erkrankte, war<br />
ich 16, aber ich wurde<br />
sehr schnell 17.» Heute ist Giulia 18.<br />
Sie parkiert den Wagen vor ihrem<br />
Elternhaus in Thalwil. Niemand ist<br />
zu Hause. Seit zwei Wochen arbeitet<br />
Giulias Mutter wieder 100 Prozent.<br />
«Seit Anfang Dezember 2016 ist<br />
Mami offiziell gesund. Dabei hatte<br />
ich Angst, dass sie meinen 18. Ge <br />
burtstag nicht erleben wird.»<br />
Mit dieser Angst ist Giulia nicht<br />
alleine. Basierend auf US-amerikanischen<br />
Statistiken sind in westlichen<br />
Industrieländern bis zu 15<br />
Prozent der minderjährigen Kinder<br />
von körperlich kranken Eltern<br />
betroffen. Etwa 200 000 Kinder sind<br />
es in Österreich, Deutschland und<br />
der Schweiz unter Berücksichtigung<br />
nur krebskranker Eltern. Rechnet<br />
man zu den Kindern aller körperlich<br />
kranken Eltern auch diejenigen psychisch<br />
kranker dazu, dürfte die Zahl<br />
der Betroffenen höher sein. Laut<br />
Agnes Leu, Professorin an der Kalaidos<br />
FH, Departement Gesundheit,<br />
in Zürich, zählen viele dieser Kinder<br />
zu den «Young Carers»: Kinder, die<br />
ein erkranktes Familienmitglied<br />
pflegen (siehe Interview Seite 58).<br />
Dies tun sie nicht selten auf Kosten<br />
ihrer Ausbildung und Freizeit.<br />
Wie gehen Jugendliche wie Giulia<br />
mit dieser Belastung um? Und vor<br />
allem: Wer versteht ihr Leiden?<br />
Januar 2015, Spital Wollishofen,<br />
Aufwachraum: Die 16-jährige Giulia<br />
tritt ans Bett ihrer Mutter. «Eine<br />
kleine Operation», wurde Giulia<br />
zuvor informiert. «Nur zwei Zysten<br />
entfernen.» Die Operation sei gut<br />
Bis zu 15 Prozent der<br />
minderjährigen Kinder sind<br />
«Young Careres»: Sie pflegen<br />
ein krankes Familienmitglied.<br />
verlaufen, aber man habe der Mutter<br />
neben den Zysten auch den Blinddarm<br />
entfernt, erfährt Giulia. Sie<br />
wird stutzig.<br />
Die Mutter nimmt ihre Hand,<br />
bekundet ihre Liebe. Da wird Giulia<br />
ohnmächtig. Sie mag es danach lange<br />
nicht, wenn jemand ihre Hand<br />
hält.<br />
Im Februar 2015, sechs Tage vor<br />
Giulias 17. Geburtstag, erhält ihre<br />
Mutter schliesslich die Diagnose:<br />
Blinddarmkrebs. Für Giulia beginnt<br />
ein Leben «wie auf einer Achterbahn».<br />
Dem Alltag kam die Normalität<br />
abhanden und Giulia die grosse<br />
kindliche Illusion, dass Eltern un <br />
zerstörbar sind. Sie sah zu, wie sich<br />
ihre Mutter «von einem kerngesunden<br />
Menschen» in jemanden verwandelte,<br />
«der aussieht, als würde er<br />
sterben».<br />
«Habe ich Mami gesagt, dass ich<br />
sie gerne habe?» Das wurde Giulias<br />
dringende Frage beim täglichen Spitalbesuch.<br />
Ihr Alltag änderte sich radikal<br />
«Jugendliche sind über die Medien<br />
laufend mit dem Tod konfrontiert,<br />
aber stets aus sicherer Distanz», sagt<br />
der Psychiater Alain Di Gallo, Direktor<br />
der Kinder- und Jugendpsychiatrischen<br />
Klinik Basel. «Werden sie<br />
nun mit der schweren Er krankung<br />
eines Elternteils konfrontiert, kommt<br />
es zu einem Einbruch der Endlichkeit,<br />
was existenzielle Fragen aufwirft.»<br />
Giulias Fragen betrafen nicht nur<br />
die Existenz im Sinne von Leben<br />
und Tod. Durch die Krankheit der<br />
Mutter veränderte sich ihr Alltag<br />
radikal. Statt Schulaufgaben erledigte<br />
sie zu Hause den Haushalt. Statt<br />
ihren Brieffreunden zu antworten,<br />
gab sie Bekannten und Verwandten<br />
telefonisch Auskunft über das Befinden<br />
der Mutter. Das ist kein unbekanntes<br />
Phänomen, wie Agnes Leu<br />
weiss: «Unsere Forschung zeigt, dass<br />
sich Jugendliche als Kommunikationsstelle<br />
fühlen, die alles triagiert,<br />
sortiert. Jeder ruft sie an – vom Arzt<br />
bis zum entfernten Bekannten. Das<br />
ist zeitaufwendig und belastend.»<br />
Die Belastung fiel in einen Zeitraum,<br />
der für Jugendliche ohnehin<br />
ein Kraftakt ist. «Ausser vielleicht<br />
bei der Geburt und beim Tod sind<br />
die physiologischen und psychischen<br />
Ansprüche an einen Menschen<br />
nie grösser als während der<br />
Adoleszenz», sagt August Flammer.<br />
Der inzwischen emeritierte Professor<br />
für Entwicklungspsychologie an<br />
der Universität Bern hat Jugendliche<br />
über Jahre erforscht. «Freundschaften,<br />
Ausbildung, Lebensstil, Aussehen,<br />
Sexualität, die Ablösung von<br />
den Eltern – das alles ist ein enormer<br />
Aufwand für die Heranwachsenden.»<br />
Die zusätzliche Belastung zehrte<br />
an Giulias Kräften. Sie zog die Konsequenzen,<br />
pausierte mit der Fernmatur<br />
und stellte Hobbys ein. Als<br />
ihre Mutter nach sechs Wochen aus<br />
dem Spital nach Hause entlassen<br />
wurde, wehrten sich Vater und<br />
Tochter. Zu gross war ihre Angst,<br />
dass sie der Aufgabe nicht gewachsen<br />
sein würden. «Ich fühlte mich<br />
verantwortlich für meine Mutter, die<br />
eben noch im Sterben gelegen hatte.<br />
Mein Vater redete mit dem Arzt<br />
über eine Rehabilitationsklinik. Dieser<br />
fand aber, Mami sei jung und zu<br />
Hause besser aufgehoben. Die Familie<br />
sei ja noch da. Wir redeten mit<br />
Mami. Auch sie bestand darauf,<br />
nach Hause zu kommen. Bei ihren<br />
Freunden stiessen wir auf Unverständnis.<br />
So kam Mami heim. Wir<br />
freuten uns nicht.»<br />
Giulia hält inne, als warte sie ab,<br />
welche Reaktion auf ihre Worte<br />
folgt. Auf einem Möbel hinter ihr<br />
lächelt sie zusammen mit ihren<br />
56
Giulia fühlte sich<br />
während der<br />
Krankheit ihrer<br />
Mutter oft allein.<br />
Bei ihrem Kater<br />
hat sie Trost<br />
gefunden.<br />
Eltern aus einem Bilderrahmen.<br />
Eine Momentaufnahme der Harmonie,<br />
bevor die Krankheit ausbrach.<br />
«Familien können an dieser Situation<br />
wachsen», schreibt der Kinderund<br />
Jugendpsychiater Georg Romer<br />
in einem Fachartikel. Sie könnten<br />
aber auch vorübergehend oder ganz<br />
zusammenbrechen.<br />
Giulias Mutter kam nach Hause.<br />
Die Familie hielt den Veränderungen<br />
stand. Vorübergehend zu <br />
sammengebrochen ist Giulias Verständnis<br />
der Rollenverteilung. «Am<br />
Anfang machte ich den Haushalt,<br />
unterstützte Mami, wenn sie<br />
Schmerzen hatte, schaute, dass sie<br />
nichts ass, was ihr schaden könnte.<br />
Als ich ihr mal das Brot strich, erinnerte<br />
ich mich an ein Bild aus dem<br />
Internet: Eine Mutter trägt ihr Kind<br />
auf dem Arm, hält es später an der<br />
Hand und wenn sie eine alte Frau ist,<br />
hält das Kind die Mutter. Da wusste<br />
ich: Es ist zu früh. Mein Mami ist<br />
noch nicht alt.» Von «Parentifizierung»<br />
spricht die Fachwelt, wenn<br />
Übernehmen Kinder die Rolle<br />
der Eltern, sprechen Experten<br />
von einer «Parentifizierung».<br />
Kinder die Elternrolle übernehmen.<br />
Dieses Phänomen beobachtet Alain<br />
Di Gallo in seiner Praxis häufig.<br />
Bedenklich sei das besonders dann,<br />
«wenn das Kind nach kurzer Zeit<br />
nicht wieder in seine Rolle zurückschlüpft».<br />
Wichtig sei vor allem, dass<br />
das Kind reden könne und An <br />
sprechpersonen habe, denn >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>57
«Kinder halten sich<br />
aus Angst und<br />
Scham verborgen»<br />
Erkranken Eltern schwer, sind ihre<br />
Kinder mitbetroffen. Sie helfen<br />
mit bei der Pflege, im Haushalt<br />
und bei der Betreuung jüngerer<br />
Geschwister. Wie viele Kinder in der<br />
Schweiz in der Unterstützerrolle<br />
sind, will Agnes Leu von Careum<br />
Forschung sichtbar machen.<br />
Interview: Sarah King<br />
Frau Leu, seit vier Jahren erforschen Sie<br />
Kinder, die ihre schwerkranken Eltern pflegen<br />
– sogenannte «Young Carers».<br />
In unserer Forschung berücksichtigen<br />
wir Kinder, Jugendliche und junge<br />
Erwachsene unter 25 Jahre. Sie übernehmen<br />
regelmässig Pflegeaufgaben für ein<br />
physisch oder psychisch erkranktes<br />
Familienmitglied – dies entweder über<br />
viele Jahre hinweg oder kurz und intensiv,<br />
zum Beispiel in einer Palliativsituation,<br />
wenn ein Elternteil stirbt. In den<br />
meisten Fällen kümmern sich diese<br />
Kinder um Eltern (50%), weniger häufig<br />
sind es Geschwister (30%) oder Grosseltern<br />
(3–4%). Oft werden diese Kinder<br />
zu wenig wahrgenommen. Dabei kann<br />
ihre Belastung so gross sein, dass ihr<br />
eigenes Wohl darunter leidet.<br />
In einem Teilprojekt befragten Sie Fachpersonen<br />
aus den Bereichen Bildung,<br />
Gesundheit und Soziales. Was können<br />
diese zum Thema beitragen?<br />
Wir wissen aus internationaler Forschung:<br />
Wenn Fachpersonen nicht sensibilisiert<br />
sind, können sie die jungen<br />
Leute nicht identifizieren. Das liegt nicht<br />
nur daran, dass sich betroffene Kinder<br />
aus Angst vor den Konsequenzen verstecken,<br />
sondern auch an unserem patientenorientierten<br />
System: Ärzte wissen<br />
oft nicht, wie viele Kinder ihre Patienten<br />
haben, wie alt sie sind oder was sie tun.<br />
Kinder kranker Eltern hören oft, was sie<br />
tun sollen, aber selten die Frage: «Wie<br />
geht es dir?» Diese kleine Frage könnte<br />
so viel verändern. Wir möchten, dass<br />
Fachpersonen die betroffenen Kinder<br />
wahrnehmen.<br />
Wie viele Kinder übernehmen in der<br />
Schweiz eine Unterstützerrolle?<br />
Bisherige Zahlen beruhen auf Schätzungen.<br />
Eigentlich können wir nur sagen:<br />
Wir haben das Phänomen in der<br />
Schweiz. Repräsentative Zahlen existieren<br />
noch nicht. Ich versuchte erfolglos<br />
herauszufinden, wie viele junge Menschen<br />
in einer Familie leben, in der ein<br />
Familienmitglied erkrankt ist. Nun starten<br />
wir diesen Frühling eine vom<br />
Schweizerischen Nationalfonds finanzierte<br />
nationale und repräsentative Studie.<br />
In über 700 Schulen aus drei Sprachregionen<br />
befragen wir etwa 12 000<br />
Schülerinnen und Schüler zu diesem<br />
Thema. Die obligatorische Schule ist der<br />
einzige Ort, wo Kinder sein müssen. So<br />
erhoffen wir möglichst alle betroffenen<br />
Kinder zu erfassen.<br />
Wenn sich Kinder kranker Eltern verstecken<br />
– tun sie das nicht auch in einem<br />
Fragebogen?<br />
Kinder halten sich verborgen aus Angst<br />
und Scham. Gerade zwischen 11- und<br />
14-jährig wollen sie gleich sein wie andere<br />
Gleichaltrige – ebenso cool sein, ausgehen<br />
oder denselben Sport treiben. In<br />
diesem Alter fällt es ihnen schwer, zuzugeben,<br />
dass sie zu Hause einen Angehörigen<br />
pflegen. Manche Kinder sind sich<br />
auch nicht bewusst, dass ihre Familiensituation<br />
aussergewöhnlich ist. Deshalb<br />
befragen wir alle Kinder anonymisiert<br />
mit einem standardisierten Fragebogen<br />
58 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Erziehung & Schule<br />
Kinder von kranken Eltern<br />
halten sich aus Angst und<br />
Scham oft verborgen.<br />
Giulia hat<br />
Brieffreunde in<br />
der ganzen Welt.<br />
Sie bat sie, ihrer<br />
kranken Mutter<br />
zu schreiben.<br />
– so müssen sich die Betroffenen nicht<br />
zu erkennen geben.<br />
Was ist das Ziel Ihrer Forschung?<br />
Wir streben Chancengleichheit für die<br />
jungen Leute in Ausbildung an. Einerseits<br />
braucht es Praxisinstrumente, um<br />
die betroffenen Kinder identifizieren zu<br />
können, andererseits wollen wir verlässliche<br />
Unterstützungsmassnahmen erarbeiten.<br />
Dazu gehören ganz simple Netzwerkkarten<br />
für Fachpersonen oder eine<br />
To-do-Liste für junge Menschen. Eine<br />
17-jährige Frau übernahm zum Beispiel<br />
nach Anleitung des Hausarztes die Insulinspritzen<br />
bei ihrem im Sterben liegenden<br />
Vater. Bei einer dieser Injektionen<br />
starb ihr Vater. Der Hausarzt war nicht<br />
erreichbar. Für sie war das traumatisch.<br />
Wir wollen verhindern, dass Kindern<br />
solche Aufgaben übertragen werden.<br />
Und sie müssen wissen, wie sie im Notfall<br />
reagieren können. Auch für Lehrer<br />
möchten wir Instrumente bieten, wie sie<br />
betroffene Kinder in ihrer Klasse erkennen<br />
können. Diese Kinder werden zum<br />
Teil gemobbt – sogar vom Lehrer, weil<br />
er nicht realisiert, warum das Kind so<br />
anders ist.<br />
Was sind für Sie die bisher wichtigsten<br />
Resultate?<br />
Es gibt auch in der Schweiz Kinder und<br />
Jugendliche, die Ausbildung und Pflegerolle<br />
zusammen vereinbaren müssen.<br />
Die Studien zeigen, dass sie oft eine<br />
wichtige Vermittlungsrolle zwischen<br />
allen involvierten Personen einnehmen.<br />
Sie informieren zwar, dürfen aber bei<br />
Entscheidungen nicht mitreden. In den<br />
persönlichen Interviews erfuhren wir<br />
ausserdem, dass viele dieser Kinder gerne<br />
eine fortführende Schule machen<br />
würden. Oft ist das aus verschiedenen<br />
Gründen nicht möglich. Es zeigte sich<br />
aber auch eine erstaunliche Tatsache:<br />
Viele dieser jungen Leute können auf<br />
eine gute Art mit der Situation umgehen<br />
und sind sehr leistungsfähig.<br />
Agnes Leu<br />
ist Professorin an der Kalaidos<br />
Fachhochschule, Departement Gesundheit,<br />
Zürich. Seit 2012 erforscht sie «Young<br />
Carers» und leitet das Forschungsprogramm<br />
«learn and care». Mehr zu den<br />
Forschungsprojekten und -ergebnissen ist zu<br />
finden unter www.careum.ch > Forschung ><br />
Young Carers.<br />
>>> nicht selten werde es in seiner<br />
Verantwortungsübernahme<br />
wenig beachtet. «Alles dreht sich um<br />
die erkrankte Person. Für das Leiden<br />
der Kinder herrscht wenig Verständnis.»<br />
«Hat ein Elternteil von dir Krebs<br />
und du wünschst dir, mit anderen<br />
Jugendlichen, die in der gleichen<br />
Situation sind, zu reden?» – Mit diesen<br />
Worten suchte Giulia im Sommer<br />
2015 Verständnis. Das Selbsthilfezentrum<br />
in Zürich unterstützte<br />
sie dabei. Auch in verschiedenen<br />
Arztpraxen legte Giulia einen Flyer<br />
auf. Reaktion? Keine. Das erstaunt<br />
nicht. Trotz vermehrter Aufklärungsarbeit<br />
sind körperliche und<br />
besonders psychische Krankheiten<br />
in der Familie ein verschwiegenes<br />
Thema. «Kinder von kranken Eltern<br />
verstecken sich», weiss Agnes Leu<br />
aus ihrer Forschung. «Sie dürfen<br />
oder wollen nicht reden. Manche<br />
realisieren auch nicht, dass sie in<br />
einer ausserordentlichen Situation<br />
sind.»<br />
Vom Vater fühlt sie sich verstanden<br />
Giulia versteckte sich nicht und fühlte<br />
sich doch übersehen: «Freunde<br />
meiner Eltern und Ärzte nahmen<br />
mich nicht mehr als Tochter wahr,<br />
sondern betrachteten mich als Pflegepersonal<br />
oder als Kind, das nichts<br />
versteht.» Als Fernmaturandin fragten<br />
auch keine Lehrer nach ihr. Vom<br />
Vater hingegen fühlte sie sich verstanden:<br />
«Wir wurden Verbündete,<br />
weil wir dieselben Bilder vor Augen<br />
hatten.» Der Vater war es auch, der<br />
Giulia zu einer Therapie motivierte.<br />
Die Therapeutin war es, die Giulia<br />
darin bestärkte, eine Haushaltshilfe<br />
einzufordern. Aber etwas Wesentliches<br />
fehlte dennoch: die Gleichaltrigen.<br />
«Auf der Suche nach ihrer Identität<br />
suchen Jugendliche alternative<br />
Lebensräume», sagt August Flammer.<br />
«Sie tauschen sich aus mit<br />
Gleichaltrigen, vergleichen, horchen<br />
in sich hinein. Für Mädchen ist die<br />
beste Freundin die wichtigste Be <br />
zugsperson. Mit ihr tauscht man<br />
In times aus und verbringt man am<br />
meisten Zeit. Diese Zeit fehlt<br />
Jugendlichen, die zu Hause stark be <br />
ansprucht werden.<br />
Dezember 2016: Giulia schlendert<br />
mit einem Freund Richtung<br />
Sihlcity. Jonas. Die beiden kennen<br />
sich seit der 1. Sekundarstufe. Nein,<br />
sie seien kein Paar. «Früher mal»,<br />
lacht Giulia. «Aber wir haben abgemacht,<br />
dass wir beste Freunde bleiben.»<br />
Beste Freunde klauen bisweilen<br />
ein kaputtes Velo, wenn ihre Hilfe<br />
gefragt ist. «Eines Nachts kam mein<br />
Vater ins Zimmer und sagte, >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>59
Erziehung & Schule<br />
Kinder kranker Eltern müssen<br />
über alles reden können und<br />
alles fragen dürfen. Sie<br />
brauchen ehrliche Antworten.<br />
>>> er müsse nochmals ins Spital.<br />
Mami musste auf die Intensivstation<br />
verlegt werden. Ich rief Jonas an, um<br />
nicht allein zu sein. Er wohnt 25<br />
Fussminuten entfernt.» – «Das dauerte<br />
mir zu lange, so schnappte ich<br />
mir auf dem Weg ein kaputtes Velo<br />
und stand nach einer Minute vor<br />
Giulias Tür», sagt der 19-Jährige. Er<br />
fand seine Freundin sprachlos vor.<br />
«Ich spürte nur ihre Angst. Oder<br />
eher ein Bangen um etwas. Extremer<br />
als die Angst um das eigene Leben.»<br />
Der beste Freund ist es also, der<br />
dem Gefühl Kinder kranker Eltern<br />
einen Namen gibt: Sie bangen.<br />
Ein Jahr lang blieb Giulia zu Hause<br />
und leistete ihrer Mutter Gesellschaft.<br />
Sie redeten, schauten TV<br />
oder gingen spazieren. Als ihre Mutter<br />
in die Physiotherapie ging, löste<br />
Giulia ein Abo im selben Fitnesscenter.<br />
«Ich wollte Mami nicht alleine<br />
lassen.» Jonas sah zu, wie sich seine<br />
Freundin immer mehr von ihren<br />
Freunden zurückzog. Berechtigt, wie<br />
Giulia damals dachte: «Zum Teil verstanden<br />
mich Gleichaltrige nicht<br />
mehr. Ass ich zum Beispiel während<br />
der Grippesaison Pancakes nicht mit<br />
blossen Händen, galt ich als Tussi.<br />
Wäre ich aber krank geworden, hätte<br />
ich Mami nicht besuchen können.<br />
Manche fanden auch, dass ich Fakten<br />
ohne Empfindung erzähle. Solche<br />
Kommentare helfen mir nicht,<br />
mich zu öffnen.»<br />
Was hilft denn? Das weiss Alain<br />
Di Gallo: «Eine offene Atmosphäre.<br />
Kinder kranker Eltern sollen über<br />
alles reden und alles fragen dürfen.<br />
Sie brauchen ehrliche Antworten.<br />
Wenn man nichts tabuisiert und<br />
offen mit ihnen spricht, sind sie mit<br />
ihren Gefühlen nicht alleine. Bei<br />
Jugendlichen muss man aber auch<br />
respektieren, dass sie nicht immer<br />
über alles reden wollen. Sie sind oft<br />
mit sich selbst in Auseinandersetzung.<br />
Wenn hingegen Eltern erkranken,<br />
alle traurig sind und erstarren,<br />
dann ist es wichtig, Jugendliche<br />
direkt darauf anzusprechen.»<br />
Normal ist der Alltag noch nicht<br />
Was Alain Di Gallo aus seiner Praxiserfahrung<br />
weiss, setzte Jonas in -<br />
tui tiv um. «Giulia redete selten über<br />
ihre Sorgen. Ich stellte dann die Fragen<br />
so, dass sie Antwort geben musste.<br />
Nicht ja, nein, sondern spezifisch.<br />
So, wie es wirklich ist.»<br />
Und wie ist es heute wirklich?<br />
Giulia denkt nach. «Mami ist wieder<br />
gesund. Aber einen normalen Alltag<br />
gibt es noch nicht. Ich habe Mühe,<br />
einfach wieder Tochter zu sein.<br />
Manchmal sind unsere Rollen noch<br />
verschoben. So auch mein Zeitgefühl.<br />
Ich erledige die Dinge nicht<br />
mehr so schnell wie früher.» Jonas<br />
ist optimistischer. «Sie geht wieder<br />
mehr mit Kolleginnen ins Kino. Und<br />
die Erfahrung hat sie erwachsener<br />
gemacht: Sie will Probleme klären.<br />
Eigentlich ist es so, als käme die alte<br />
Giulia zurück. Aber mit Update.»<br />
Giulia nickt. «Ich bin unabhängiger<br />
und verantwortungsbewusster. Fahre<br />
ich Auto, spiele ich nicht mit meinem<br />
Leben. Ich streite auch weniger<br />
mit meinen Eltern.»<br />
Von «Entwicklungssprung»<br />
spricht August Flammer, wenn Kinder<br />
früher Verantwortung übernehmen<br />
als Gleichaltrige. Analog zur<br />
körperlichen Frühreife bestehe zum<br />
Beispiel das Risiko, dass psychisch<br />
frühentwickelte Kinder bei Kollegen<br />
anecken. Dafür werde die Selbständigkeit<br />
gefördert. «Gleichzeitig leidet<br />
aber möglicherweise die Entwicklung<br />
in anderen Bereichen – in<br />
der Bildung oder im Berufsentscheid.»<br />
Der Berufsentscheid ist für<br />
Giulia noch fern. «Zuerst muss ich<br />
wissen, wer ich bin. Das ist nicht so<br />
einfach.»<br />
Die Entwicklung kann «springen»,<br />
stillstehen, aber auch rückläufig<br />
sein, wie Alain Di Gallo erklärt.<br />
«Vor allem bei kleineren Kindern ist<br />
eine Regression auf eine frühere<br />
Altersstufe in einer belastenden Situation<br />
eine normale Reaktion. So hat<br />
zum Beispiel ein 7-jähriges Kind<br />
alleine im Bett plötzlich Angst.»<br />
Damit verschaffe es sich Zuwendung.<br />
Alain Di Gallo sieht den Nutzen:<br />
«Reculer pour mieux sauter.»<br />
Etwas zurückweichen, um mit mehr<br />
Anlauf springen zu können, so die<br />
sinngemässe Übersetzung.<br />
Giulia ist mitten im Sprung. Bald<br />
wird sie 19. Auf ihrem Schreibtisch<br />
stapeln sich Bücher. Sie will aufholen,<br />
was sie in der Schule verpasst<br />
hat. Daneben redet sie weiter über<br />
das Erlebte – in Blogs und anderen<br />
Medien.<br />
Ihre Botschaft: «Es ist wichtig,<br />
dass man redet.» Nicht nur für sich<br />
selbst. Sondern «damit sich andere<br />
nicht alleine fühlen».
Publireportage<br />
Der BMW 2er<br />
Gran Tourer bietet<br />
Platz für alle –<br />
und für alles.<br />
BMW 2er Gran Tourer<br />
Auf die Grösse kommt es an<br />
Raus aus dem Haus, rein in den Van: Der BMW 2er Gran Tourer macht Lust auf Action.<br />
Wenn es sein muss, kann das Familienauto aber auch ganz vernünftig sein.<br />
Nebel, Kälte, Januarloch: Die letzten Wochen<br />
haben gute Ausreden geboten, ein bisschen<br />
länger zu schlafen oder mehr Serien zu schauen.<br />
Doch jetzt ist die Zeit gekommen, um wieder<br />
raus an die frische Luft zu gehen – sei es<br />
für ein letztes Ski-Erlebnis in den Bergen oder<br />
eine erste Wanderung.<br />
Der BMW 2er Gran Tourer ist für all das<br />
wie geschaffen. Denn dieser Allrad-Van steht<br />
nicht nur für Vernunft; das erfolgreiche Familienauto<br />
hat sich auch den Fahrspass gross auf<br />
die Haube geschrieben. Schliesslich ist der Alleskönner<br />
aus München ein echter BMW.<br />
Sportlichkeit ist für ihn Pflicht – das dynamisches<br />
Fahrverhalten, der Doppelauspuff, der<br />
elegante Hüftschwung an den Flanken oder<br />
die Sportlenkung verraten seine DNA.<br />
Der BMW 2er GT ist aber auch ein gutes<br />
Beispiel dafür, dass es manchmal eben doch<br />
auf die Grösse ankommt. Denn er bietet Platz<br />
für alle – und für (fast) alles. Nicht nur, weil<br />
sich hinten eine dritte Sitzreihe hochklappen<br />
lässt und er so bis zu 7 Personen Platz bietet.<br />
Auch weil der Kofferraum selbst für einen<br />
grossen Kinderwagen samt Unmengen von<br />
Spielsachen geräumig genug ist, bei umgeklapptem<br />
Beifahrersitz Objekte von bis zu 2,60<br />
Meter Länge ins Auto passen und man die<br />
Rückbank um 13 Zentimeter verschieben<br />
kann. Damit lässt sich entweder der Laderaum<br />
so optimieren, dass von der Ski-Ausrüstung bis<br />
zur Hiking Gear garantiert alles reinpasst.<br />
Oder man kann damit den Fond so umbauen,<br />
dass auch Erwachsene bequem reisen.<br />
Seine grosszügigen Masse machen den<br />
BMW 2er GT zum perfekten Familienauto –<br />
und trotzdem wirkt er nicht wie ein Transporter,<br />
sondern wie ein moderner Van. Das merkt<br />
man, wenn man drinsitzt – oder wenn man<br />
Kindersitze montiert. Denn im Gegensatz zum<br />
Active Tourer passen bei diesem BMW 2er drei<br />
Sitze auf die Rückbank. Wer einen praktischen<br />
Allrounder für den Alltag mit Kindern sucht<br />
und trotzdem nicht auf den BMW typischen<br />
Komfort und die Sportlichkeit verzichten will,<br />
liegt mit diesem Auto goldrichtig.<br />
Dass der 2er Gran Tourer auch bei der Sicherheit<br />
mit seinen diversen Assistenzsystemen<br />
oder dem intelligenten Notruf für In- und<br />
Ausland vorne mitfährt, versteht sich bei<br />
BMW von selbst. Und mit seinem Verbrauch<br />
im umweltfreundlichen ECO PRO-Modus von<br />
nur 5 Liter auf 100 Kilometer schont er die<br />
Umwelt. Mit Ausreden wird’s bei diesem Auto<br />
also schwierig – besonders, weil das aktuelle<br />
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Argument für eine Probefahrt liefert.<br />
www.bmw.ch<br />
BMW 218d xDrive<br />
Gran Tourer<br />
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2,0-Liter-Vierzylinder motor, 150 PS,<br />
6-Gang-Handschaltgetriebe,<br />
intelligentes Allrad system xDrive<br />
Fahrwerte<br />
0 – 100 km/h in 8,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit<br />
205 km/h<br />
Masse<br />
4556 Mm (L), 1800 Mm (B), 1608 Mm (H)<br />
Gewicht<br />
1605 kg<br />
Laderaum<br />
645 bis 1905 Liter<br />
Verbrauch<br />
4,9 – 5,1 l/100 km, 128 – 133g CO2/km<br />
Preis<br />
ab 34’800 Franken (unverbindliche<br />
Preisempfehlung)
Erziehung & Schule<br />
Auf den Lehrer kommt es an<br />
Was macht einen guten Lehrer aus? Ist es die Freude am Beruf und die Leidenschaft für<br />
die Vermittlung von Wissen? Sein pädagogisches Können? Oder ist ein guter Lehrer vor<br />
allem eine starke Persönlichkeit mit einer wichtigen Vorbildfunktion? Text: Christine Staehelin<br />
«Das Vertrauen in die<br />
Schule und den Beruf des<br />
Lehrers schwindet.»<br />
Christine Staehelin, M.A., ist<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin in der<br />
Pädagogischen Arbeitsstelle LCH,<br />
Primarlehrerin und Mutter zweier Söhne.<br />
Wenn Sie an Ihre<br />
eigene Schulzeit<br />
zurückdenken:<br />
Erinnern<br />
Sie sich an eine<br />
gute Lehrerin, einen guten Lehrer?<br />
Was hat sie oder ihn ausgezeichnet?<br />
Warum haben Sie seinen Unterricht<br />
gern besucht? Warum taucht gerade<br />
dieser oder jener Lehrer* in Ihrer<br />
Erinnerung auf?<br />
Ich habe eine kleine Umfrage in<br />
meinem Bekanntenkreis gemacht<br />
Ein guter Lehrer ist in der Lage,<br />
Dinge so zu erklären,<br />
dass sie verstanden werden.<br />
und genau diese Fragen gestellt. Das<br />
waren die Antworten:<br />
• An erster Stelle wurde das gros se<br />
Wissen des Lehrers ge nannt, seine<br />
Liebe und Begeisterung für<br />
das eigene Fach und seine Fähigkeit,<br />
dieselbe Be geisterung für die<br />
Sache bei den Schülerinnen und<br />
Schülern zu wecken und ihnen<br />
da mit neue Perspektiven zu er -<br />
öffnen.<br />
• Mehrfach positiv erwähnt wurden<br />
Lehrer, denen es ge lingt, mit<br />
ihren Schülerinnen und Schülern<br />
in die Welt des Wissens einzutauchen<br />
und deren Bedeutsamkeit<br />
und Schönheit aufzuzeigen.<br />
• Im Weiteren wurde das Interesse<br />
des Lehrers an der Vermittlung<br />
des Wissens angeführt, sein<br />
Bestreben, dieses verständlich<br />
und damit das Lehren und Lernen<br />
zum zentralen Element des<br />
Unterrichts zu machen. Das<br />
be deutet gleichzeitig, dass er an<br />
die Lern- und Begeisterungsfähigkeit<br />
seiner Schülerinnen<br />
und Schüler glauben muss. Lernen<br />
ist immer mit Herausforderungen<br />
verbunden. Der Lehrer<br />
muss darauf vertrauen, dass seine<br />
Schülerinnen und Schüler das<br />
lernen können, was er ihnen vermitteln<br />
will.<br />
• Ein Lehrer muss in der Lage sein,<br />
Sachverhalte so zu erklären, dass<br />
sie verstanden werden – und<br />
zwar immer wieder von Neuem.<br />
Das heisst nichts anderes, als dass<br />
er seine Schülerinnen und Schüler<br />
ernst nimmt, dass er Interesse<br />
zeigt für sie, dass es ihm wichtig<br />
ist, sich gemeinsam einer Sache<br />
zu widmen. Lehrer müssen ihre<br />
Schüler und Schülerinnen sehen,<br />
erkennen und verstehen und<br />
ihnen die Möglichkeit geben, sich<br />
selbst einzubringen, denn Lehren<br />
und Lernen finden immer in der<br />
Wechselseitigkeit der Beziehungen<br />
zwischen dem Lehrer, den<br />
Schülern und Schülerinnen sowie<br />
der Sache statt.<br />
• Lehrer dürfen Ecken und Kanten<br />
haben und auch manchmal etwas<br />
eigenwillig auftreten, aber sie<br />
sollten gerecht, geduldig, verständnis-<br />
und humorvoll sein.<br />
Und sie müssen zeigen, dass sie<br />
ihren Beruf lieben. Lehrer sind<br />
Vorbilder, nicht nur hinsichtlich<br />
ihres Weltbezugs und ihrer Freude<br />
an der Sache und am Unterrichten,<br />
sondern auch als Persönlichkeit.<br />
Wer bereit ist, sich<br />
immer wieder von Neuem auf<br />
seine Gegenüber einzulassen,<br />
sich immer wieder von Neuem<br />
für Themen und Inhalte zu<br />
begeistern, zeigt damit eine<br />
gewisse Leidenschaft für die Welt<br />
– und gibt diese weiter an die<br />
nächste Generation.<br />
Die Resultate meiner nicht repräsentativen<br />
Umfrage werden von der<br />
Forschung gestützt: «Auf den Lehrer,<br />
die Lehrerin kommt es an!», lautet<br />
das zentrale Ergebnis der viel beachteten<br />
Hattie-Studie aus dem Jahr<br />
2009, die auf einer Analyse von 800<br />
Metastudien und damit auf der Be -<br />
62 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Lehrer dürfen Ecken und Kanten<br />
haben. Aber sie sollten geduldig,<br />
fair und humorvoll sein.<br />
fragung von 250 Millionen Schülerinnen<br />
und Schülern beruht.<br />
Was heisst das nun in einer Zeit,<br />
in der auch die Fähigkeiten der Lehrer<br />
zunehmend kompetenztheoretisch<br />
gefasst und damit vermeintlich<br />
messbar werden? Was passiert mit<br />
den wichtigen Lehrertugenden wie<br />
Geduld, Verlässlichkeit, Vertrauen,<br />
Beständigkeit und Heiterkeit, die<br />
sich kompetenztheoretisch nicht<br />
fassen lassen? Was geschieht mit der<br />
Begeisterung für die Sache und für<br />
die Welt, wenn diese nicht mehr<br />
durch Lehrer verkörpert, sondern<br />
nur noch durch Bücher oder im<br />
Internet abgebildet werden?<br />
Die laufenden Reformen im Bildungssystem<br />
verweisen auf ein<br />
schwindendes Vertrauen in diese<br />
öffentliche Institution und letztlich<br />
auch in die Lehrerinnen und Lehrer.<br />
Wie liesse sich sonst erklären, dass<br />
auf Innovation statt auf Tradition,<br />
auf Expertokratie statt auf Erfahrungswissen<br />
gesetzt wird?<br />
Gleichzeitig verweist die Politik<br />
in diesen ungewissen Zeiten häufig<br />
auf die Bedeutung der Bildung als<br />
wichtigste Ressource für die<br />
Zukunft. Aber auf welche Bildung<br />
mit welchem Inhalt? Wie lässt sie<br />
sich noch beschreiben, wenn sie<br />
immer wieder neu erfunden wird?<br />
Und welche Ziele soll die Bildung,<br />
welche letztlich auf geteiltem Wissen<br />
basiert, haben, wenn Individualisierungstendenzen<br />
das gesellschaftliche<br />
Leben prägen?<br />
Wenn wir nicht wissen, ob morgen<br />
noch gilt, was heute bedeutsam<br />
ist? Wenn unklar wird, was Wissen<br />
überhaupt noch für eine Bedeutung<br />
hat in einer Zeit, in welcher der<br />
Begriff postfaktisch zum Wort des<br />
Jahres 2016 gekürt wird?<br />
Diese Fragen verweisen darauf,<br />
wie wichtig es ist, sich vertieft mit<br />
der Bedeutung der Bildung und mit<br />
ihren Zielen und Inhalten auseinanderzusetzen.<br />
Und da die Vermittlung<br />
von Bildung – die nicht nur<br />
Wissensvermittlung, sondern auch<br />
die Einstellungen und Haltungen<br />
zum Wissen, Orientierung und<br />
Reflexion meint – an Schulen immer<br />
noch in erster Linie über die Lehrer<br />
stattfindet, muss auch vertieft über<br />
die Bedeutung der Lehrer nachgedacht<br />
werden.<br />
Wer wird sich später noch an die<br />
guten Lehrer erinnern können,<br />
wenn der Beruf des Lehrers zunehmend<br />
bedrängt und beschnitten<br />
wird? An all jene, die ihre Leidenschaft<br />
für die Welt weitergaben und<br />
damit wissbegierige, verantwortungsvolle<br />
und mündige Schülerinnen<br />
und Schüler bildeten – eine<br />
hoffnungsvolle nächste Generation<br />
gerade in schwierigen Zeiten.<br />
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Es ist immer die weibliche und die<br />
männliche Form gemeint.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
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individuelle Nebenkosten<br />
gemäss Internet.
Do sier<br />
Do sier<br />
Entspa nung.<br />
«Ehrlich auf den Punkt gebracht»<br />
«Ich wünsche mir beim Thema<br />
Sexualität mehr Vielfalt»<br />
(Dossier «Sexualität», Heft 12/2016 / 1/<strong>2017</strong>)<br />
Bild: Linnea Lar son / plainpicture<br />
10 Dezember 2016 / Januar <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Wenn die<br />
Sexualität<br />
erwacht<br />
Erforschen Kinder die Welt, gehört der eigene Körper dazu. Doch<br />
viele Eltern wissen nicht, wie sie der erwachenden Sexualität<br />
ihrer Kinder begegnen so len. Keinesfa ls mit Schweigen, raten<br />
Experten. Ein entspannter Umgang mit Sex und eine frühe<br />
Aufklärung begünstigen die körperliche Entwicklung der Kinder.<br />
Text: Claudia Marinka und Claudia Landolt<br />
Bilder: Linnea Larsson, Sian Davey, Ruth Erdt<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember 2016 / Januar <strong>2017</strong> 1<br />
Sehr geehrte Fritz+Fränzi-Redaktion<br />
In Ihrer Dezember-Ausgabe geht es um Sexualität und Sexualerziehung.<br />
Was mir auffällt, wenn es in Ihrem Heft um dieses<br />
Thema geht, ist eine gewisse Einseitigkeit. Dies im Gegensatz zu<br />
anderen Themen, bei denen Sie Experten zu Wort kommen<br />
lassen, die der gesellschaftlichen Vielfalt, der Unterschiedlichkeit<br />
von Eltern und ihren Standpunkten Rechnung tragen.<br />
Wenn Sie fast ausschliesslich Bruno Wermut oder andere<br />
Vertreter der sogenannten «Sexualpädagogik der Vielfalt» zu Wort<br />
kommen lassen, klingt das für mich eben gerade nicht nach<br />
Vielfalt, sondern nach einseitiger Beeinflussung von Eltern. Es<br />
gibt auch im Bereich der Sexualerziehung noch andere Ansätze,<br />
die bedenkenswert sind und deshalb zu Wort kommen sollten.<br />
Als Mutter von vier Kindern (der Jüngste ist 16 Jahre alt)<br />
geben mir Bruno Wermuts Ratschläge zu denken. Kürzlich<br />
beantwortete er in einem Interview die Frage eines Jugendlichen,<br />
der sich Sorgen machte, weil sein Penis schmerzt, wenn er<br />
masturbiert (drei Mal pro Tag). Wermut empfahl Gleitcrème,<br />
redete von «Pimmel» und fand es unproblematisch, wenn<br />
Jugendliche so viel masturbieren. (Uns Eltern wird in schulischen<br />
Elternabenden gesagt, wir sollten Kindern gegenüber für die<br />
Geschlechtsorgane die fachlich korrekten Ausdrücke verwenden.)<br />
In Ihrem Heft sagt Bruno Wermut, Eltern sollten ihren Kindern<br />
die eigenen Anschauungen nicht «überstülpen». Weshalb nicht?<br />
In anderen Bereichen tun wir das ja auch. Daraus besteht doch<br />
Erziehung. Ich beeinflusse mein Kind zum Beispiel sehr stark<br />
dahingehend, dass es auch Menschen anderer Hautfarbe<br />
respektvoll behandeln soll. Weshalb um alles in der Welt soll ich<br />
meinem Kind beim wichtigen Thema Sexualität nicht das ans<br />
Herz legen, was ich für langfristig zielführend und der gesunden<br />
sexuellen Entwicklung förderlich halte?<br />
Kinder und Jugendliche erwarten von Eltern Orientierung und<br />
konkrete Hilfestellungen für ihre Lebensgestaltung. Dass viele der<br />
von Ihnen positiv «beworbenen» Sexualpädagogen Teenager<br />
ermutigen, im Sexuellen auszuprobieren, worauf sie Lust haben<br />
(«Hauptsache, ihr verhütet und beide sind einverstanden»),<br />
empfinde ich als fahrlässig und wichtige Fakten ignorierend.<br />
Ich würde mich freuen, wenn Sie auch andere, ganzheitlichere und<br />
beziehungsorientiertere Ansätze zu Wort kommen lassen.<br />
Mir als Mutter, Elterncoach und Präventionsfachfrau ist<br />
wichtig, dass Teenager Sexualität als Beziehungsgeschehen<br />
verstehen, das ganzheitlich in die Persönlichkeit integriert ist.<br />
Regula Lehmann (per Mail)<br />
Geschäftsführerin «Elterninitiative Sexualerziehung», Kursleiterin,<br />
Elterncoach und Autorin von «Sexualerziehung? Familiensache!»<br />
«Bin geschockt»<br />
(«Eine Chance für<br />
Mohamed», Heft 2/<strong>2017</strong>)<br />
Sehr geehrte Frau Hartmann<br />
Erziehung & Schule<br />
Eine Chance<br />
für Mohamed<br />
Ob man ans Gymnasium kommt oder nicht, entscheidet die Herkunft. Das ist leider<br />
auch in der Schweiz noch immer so. Das Programm ChagALL so l für mehr<br />
Chancengleichheit sorgen. Junge, begabte Migrantinnen und Migranten werden<br />
dabei für eine höhere Schullaufbahn fit gemacht. Eine Erfolgsgeschichte.<br />
Text: Evelin Hartma n Bilder: Roshan Adihe ty / 13 Photo<br />
52<br />
Februar <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Erziehung & Schule<br />
Für eine be sere<br />
Konzentration:<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Februar <strong>2017</strong> 53<br />
Ich war geschockt, als ich Ihren Artikel gelesen habe mit<br />
dem Titel «Eine Chance für Mohamed». Haben wir<br />
nicht schon genug fremde Leute in unserem Land,<br />
müssen wir diese dann noch zu den Obrigkeiten<br />
unserer Kinder heranzüchten? Dieser Integrationskult<br />
macht viele Menschen und vor allem mich traurig, dass<br />
wir unser Land durch diese Leute zerstören lassen.<br />
Das Schlimmste bei diesen Flüchtlingen und<br />
Eingewanderten ist, dass sie da bleiben und ihren Kult<br />
uns aufzwingen wollen. Zum Glück gibt es Menschen<br />
wie Donald Trump, die für das eigene Land einstehen.<br />
Ich arbeite daran, meinen Kindern beizubringen, dass<br />
dieser Integrationszwang nicht gut ist.<br />
Marco Specker (per Mail)<br />
Mohamed (rechts)<br />
und die anderen<br />
Teilnehmer lernen<br />
Übungen zur<br />
64 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Do sier<br />
Do sier<br />
Leserbriefe<br />
«Kein einfaches Thema»<br />
(Dossier «Sexualität», Heft 12/2016 / 1/<strong>2017</strong>)<br />
«Fühl mich verstanden»<br />
(Dossier «Die Lüge von der<br />
Vereinbarkeit», Heft 11/2016)<br />
Die Lüge von<br />
der Vereinbarkeit<br />
Wer Kinder hat und Ka riere machen möchte, zahlt einen hohen<br />
Preis – besonders als Frau. Mü te reiben sich auf zwischen<br />
Familie und Beruf. Denn die viel zitierte Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf bedeutet vor a lem eins: ganz viel Stress.<br />
Eine Entmystifizierung. Text: Siby le Stillhart Bilder: Jan von Ho leben<br />
10 November 2016 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November 2016 1<br />
Ich gratuliere euch zur Ausgabe «Sexualität». Kein einfaches<br />
Thema. Gut umgesetzt und aus den verschiedensten<br />
Perspektiven betrachtet.<br />
Marc Bodmer (per Mail)<br />
Ich reagiere selten schriftlich auf Artikel, aber diesmal muss es<br />
gesagt sein: ein Dankeschön von Herzen für den Artikel «Die<br />
Lüge von der Vereinbarkeit» und den Text «Kinderhaben: das<br />
grösste Glück – der grösste Stress».<br />
Tatsachen werden ehrlich, ungeschönt, lebensnah auf den<br />
Punkt gebracht. Ich erkenne mich mit einem weinenden und<br />
einem lachenden Auge wieder. Das macht mir meine Sache<br />
nicht leichter und nicht schwerer, aber ich fühle mich<br />
verstanden. Und das reicht mir auch schon.<br />
Dominique Im Hof (per Mail)<br />
Schreiben Sie uns!<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut?<br />
Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns<br />
wissen! Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch<br />
oder Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich.<br />
Und natürlich auch über Twitter: @fritzundfraenzi<br />
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Hustensaft, Badesalz, Räuchermischungen: Legal Highs werden Substanzen<br />
genannt, die auch für Jugendliche frei erhältlich sind. Harmlos sind sie<br />
aufgrund ihrer Wirkstoffe aber keineswegs, warnen Suchtexperten. Was Eltern über<br />
die neuen Modedrogen wissen sollten. Text: Susanna Steimer Miller<br />
frei in verschiedenen Apotheken,<br />
um nicht aufzufallen. Heute ist die<br />
Jugendliche süchtig nach dem Hustensirup<br />
und möchte davon wegkommen,<br />
weil sie immer wieder an<br />
Albträumen leidet.<br />
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Seit einigen Jahren beobachten Apotheker<br />
vor allem in städtischen<br />
Gebieten, dass sich Jugendliche mit<br />
Hustenmitteln, die Dext ro me thorphan<br />
oder Codein enthalten, berauschen<br />
wollen. Valeria Rauseo, stellvertretende<br />
Geschäftsführerin der<br />
Olympia-Apotheke am Stauffacher,<br />
erzählt: «Vor allem am Freitag fragen<br />
bei uns Jugendliche, aber auch Er <br />
wachsene nach codeinhaltigen Hustensirups<br />
oder -tropfen, um sich fürs<br />
Wochenende einzudecken.» Die<br />
jüngsten Jugendlichen schätzt die<br />
Apothekerin auf 13 Jahre. Bei einem<br />
Preis von 7.30 Franken pro Fläschchen<br />
ist der Trip für die meisten<br />
Jugendlichen erschwinglich.<br />
Die Wirkung von Codein kann<br />
von Gelassenheit, Unbeschwertheit,<br />
Euphorie, Aufgeregtheit bis hin zu<br />
einer Steigerung des Selbstbewusst<br />
Ein Trend, der zunimmt:<br />
Jugendliche berauschen<br />
sich mit Hustenmitteln.<br />
Mit 14 Jahren probierte<br />
es Lea*<br />
zum ersten Mal<br />
aus. Sie ging zum<br />
Medikamentenschrank<br />
im Badezimmer ihrer<br />
Eltern und schluckte Hustensirup<br />
mit dem psychoaktiven Wirkstoff<br />
Dextromethorphan (DXM), nicht<br />
etwa, weil sie erkältet war, sondern<br />
um auszuprobieren, wie es sich an <br />
fühlt, high zu sein. Die eingenommene<br />
Menge lag weit über der in der<br />
Packungsbeilage empfohlenen Do <br />
sierung.<br />
Die Oberstufenschülerin be <br />
schreibt ihren ersten Trip: «Ich hatte<br />
das Gefühl, ich könnte fliegen. Die<br />
Schwerkraft war wie ausgeschaltet.<br />
Gleichzeitig war ich total verwirrt<br />
und konnte mich auf nichts mehr<br />
konzentrieren. Ich hörte und sah<br />
Dinge, die nicht da waren.»<br />
Obwohl es ihr während ihres<br />
Trips speiübel wurde, wiederholte<br />
die Jugendliche das Experiment<br />
immer wieder. Am Anfang alle paar<br />
Wochen, später mehrmals wöchentlich<br />
mit zunehmender Dosis. Den<br />
Hustensirup besorgte sie sich rezeptseins<br />
reichen. Manche Jugendliche<br />
mischen die Hustentropfen mit<br />
Süssgetränken wie Sprite und weiteren<br />
Medikamenten. Diese Mischungen<br />
werden auch Texas Tea, Sizzurp<br />
oder Purple Drank genannt.<br />
Thilo Beck, Chefarzt Psychiatrie<br />
beim Zentrum für Suchtmedizin<br />
Arud in Zürich, erzählt: «Diese po <br />
tenziell gefährlichen Cocktails werden<br />
von amerikanischen Rappern in<br />
Musikvideos verherrlicht.» Der<br />
Fachmann weiss, dass Jugendliche,<br />
die solche Hustenpräparate am<br />
Wochenende auf Partys nutzen,<br />
meist nicht süchtig danach sind.<br />
Beck warnt jedoch davor, dass die<br />
Opiate Codein und Dextromethorphan<br />
bei regelmässiger Einnahme<br />
süchtig machen können, und plä<br />
66 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
diert dafür, Jugendliche adäquat<br />
über Wirkung und Gefahren zu<br />
informieren. Als besonders pro ble <br />
ma tisch be urteilt er die Interaktion<br />
mit anderen Substanzen, etwa Alkohol:<br />
«Diese Kombination erhöht das<br />
Risiko für eine Vergiftung.»<br />
Über www.know-drugs.ch können<br />
Eltern und Jugendliche das<br />
Info-Set «Drugs – just say know»<br />
bestellen, das aus einem Faltprospekt<br />
mit allgemeinen Informationen<br />
und 24 Karten be steht, die über<br />
mehr als 30 psychoaktive Substanzen<br />
informieren. Bisher wurde das<br />
Set bereits über 50 000 Mal angefordert.<br />
In Zürich (www.safeparty.ch/<br />
wo-wird-getestet.html) und Bern<br />
(www.raveitsafe.ch/angebot/dib)<br />
haben Jugendliche die Möglichkeit,<br />
Substanzen anonym und kostenlos<br />
testen zu lassen.<br />
Nur noch auf Rezept<br />
Cornelia Reichert, Oberärztin bei<br />
Tox Info Suisse, ist überzeugt, dass<br />
Jugendliche die Risiken von Medikamenten<br />
unterschätzen. Sie erklärt:<br />
«Hustensirup ist günstig und vielerorts<br />
rezeptfrei erhältlich. Je nach<br />
Dosierung kann Codein eine starke<br />
Abnahme der Atemfrequenz verursachen<br />
und im Extremfall sogar zu<br />
einem Koma oder zum Tod führen.<br />
Dextromethorphan kann zusätzlich<br />
noch zu Agitation, Halluzinationen<br />
und epileptischen Krampfanfällen<br />
führen.» Die Olympia-Apotheke hat<br />
gehandelt und gibt den an sich frei<br />
verkäuflichen Hustensirup nur noch<br />
bei Reizhusten auf Rezept ab, wenn<br />
ein Verdacht auf nicht verschreibungsgemässen<br />
Gebrauch besteht.<br />
Valeria Rauseo wirft ein: «Allerdings<br />
gehen manche Jugendliche so weit,<br />
dass sie Rezepte fälschen, um an den<br />
Sirup zu gelangen.»<br />
Tox Info Suisse erhält immer wieder<br />
Anfragen zu neuartigen Drogen<br />
mit psychoaktiver Wirkung. Diese<br />
sogenannten Legal Highs, Designerdrogen<br />
oder Research Chemicals<br />
werden vor allem im Internet unter<br />
so harmlos klingenden Namen wie<br />
Badesalz, Spice, Räuchermischung<br />
oder Raumlufterfrischer angeboten<br />
– oft noch mit dem Hinweis «not for<br />
human consumption» (nicht für die<br />
Konsumation durch Menschen).<br />
Legal Highs enthalten oft Substanzen<br />
aus der medizinischen Forschung,<br />
synthetisch hergestellte<br />
Wirkstoffe, die ähnlich wie Cannabis,<br />
Kokain, Amphetamine oder<br />
LSD wirken. Die Substanzen stammen<br />
meist aus China, werden in<br />
Osteuropa konfektioniert und in<br />
peppig aufgemachten kleinen Päckchen<br />
übers Netz relativ günstig verkauft.<br />
Oft fehlen Angaben zu den<br />
Inhaltsstoffen oder sie entsprechen<br />
nicht dem tatsächlichen Inhalt – wer<br />
sie bestellt, kauft eine Wundertüte<br />
und spielt Russisches Roulette.<br />
Diese Substanzen beurteilt Cornelia<br />
Reichert als potenziell sehr ge <br />
fährlich, weil Erfahrungen mit den<br />
Hunderten von Wirkstoffen fehlten:<br />
«Eine genaue Risikoeinschätzug bei<br />
einer Überdosierung ist deshalb<br />
äusserst schwierig.»<br />
Die Gesetzeslage<br />
Legal Highs, die gemäss Thilo Beck<br />
in der Schweiz nicht sehr populär<br />
sind und eher von älteren Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen ausprobiert<br />
werden, können am Anfang<br />
Glücksgefühle hervorrufen, oft aber<br />
auch zu schweren Psychosen wie<br />
zum Beispiel Halluzinationen führen.<br />
Die Wirkung ist unberechenbar.<br />
Betroffene können je nach Substanz,<br />
Dosis, Begleitumständen und eigener<br />
psychischer Verfassung sehr<br />
aggressiv werden. In den USA sind<br />
einige Fälle beschrieben, in denen<br />
Jugendliche, die vermutlich zuvor<br />
Legal Highs konsumiert hatten,<br />
Amok gelaufen sind, Selbstmord<br />
begangen oder sich selbst verstümmelt<br />
haben.<br />
Legal Highs gibt es in unzähligen<br />
Variationen. Damit die Substanzen<br />
nicht unter das Betäubungsmittelgesetz<br />
fallen, spielen die Hersteller mit<br />
dem Gesetzgeber Katz und >>><br />
Bei einer Kombination von<br />
Alkohol und Hustenpräparaten<br />
droht Vergiftungsgefahr!<br />
Finger weg von Suchtmitteln – das können<br />
Eltern tun<br />
• Legen Sie möglichst früh in der Kindheit die<br />
Basis für eine gute Beziehung zu Ihrem Kind.<br />
Ein durch Respekt und Vertrauen geprägtes<br />
Verhältnis erleichtert es, auch in schwierigen<br />
Situationen im Gespräch zu bleiben.<br />
• Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass Sie da sind.<br />
Das gibt Kindern und Jugendlichen Halt.<br />
• Fragen Sie nach und zeigen Sie Interesse an<br />
dem, was Ihr Kind in seiner Freizeit tut. Dabei<br />
geht es nicht um Kontrolle.<br />
• Schaffen Sie eine Beziehung, die auf<br />
gegenseitigem Vertrauen und Offenheit für die<br />
Sichtweise des Gegenübers aufbaut. So schaffen<br />
Sie eine Atmosphäre, in der Ihr Kind Ihnen eher<br />
mitteilt, was es in der Freizeit tut.<br />
• Bleiben Sie offen für Gespräche und insistieren<br />
Sie, wenn Sie sich Sorgen machen.<br />
• Wenn Sie das Gefühl haben, nicht mehr an Ihren<br />
Sohn oder Ihre Tochter heranzukommen, suchen<br />
Sie dennoch immer wieder das Gespräch.<br />
• Wenn Sie nicht weiterkommen, wenden Sie sich<br />
an eine Erziehungs- und Jugendberatungsstelle.<br />
• Lassen Sie zu, dass Ihr Kind Freundschaften<br />
pflegt und ausgeht – schaffen Sie fürs Ausgehen<br />
am Abend einen klaren Rahmen (wann, wie<br />
häufig und bis um welche Uhrzeit darf unser<br />
Sohn / unsere Tochter in den Ausgang).<br />
• Wenn Jugendliche abends weggehen, sollten Sie<br />
immer wissen, wohin Ihr Kind geht, mit wem und<br />
wie es nach Hause kommt.<br />
• Besprechen Sie vorab die Konsequenzen, wenn<br />
sich Ihr Kind nicht an die Regeln hält.<br />
• Thematisieren Sie mit Ihrem Kind den Umgang<br />
mit psycho aktiven Substanzen.<br />
Quelle und weitere Informationen:<br />
www.suchtschweiz.ch/eltern<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>67
Ernährung & Gesundheit<br />
>>> Maus und verändern die Drogen<br />
laufend. «Um dem zu begegnen,<br />
können diese neuen Drogen in<br />
einem beschleunigten Verfahren<br />
zeitnah der Betäubungsmittelgesetzgebung<br />
unterstellt werden. Teilweise<br />
werden auch Gruppen unterstellt,<br />
die mögliche neue Substanzen be <br />
reits einschliessen», erklärt Danièle<br />
Bersier, Mediensprecherin beim<br />
Schweizerischen Heilmittelinstitut<br />
Swissmedic. Viele Legal Highs sind<br />
also nicht legal und werden vom<br />
Zoll beschlagnahmt.<br />
Eltern sollten gegenüber<br />
Kindern ihre Haltung zu<br />
Drogen klar kommunizieren.<br />
Die meisten Jugendlichen, die psychoaktive<br />
Substanzen konsumieren,<br />
tun dies aus Neugier und gehen nicht<br />
zu einem regelmässigen Konsum<br />
über. Monique Portner-Helfer von<br />
Sucht Schweiz sagt dazu: «Einen<br />
einmaligen Probierkonsum sollten<br />
Eltern nicht dramatisieren. Wichtig<br />
ist, dass sie mit den betroffenen<br />
Jugendlichen nachdrücklich über<br />
die Risiken sprechen und ihre Haltung<br />
klar kommunizieren.»<br />
Anja Lischer von der Jugendberatung<br />
Streetwork, die auch die<br />
Webseite Safeparty.ch betreibt, rät<br />
Eltern, offen zuzuhören und nicht<br />
gleich mit Anschuldigungen oder<br />
Mahnungen zu kommen. «Wenn<br />
man den Konsum von Drogen und<br />
die Drogen selber nur schlechtredet,<br />
kann es schnell passieren, dass Konsumierende<br />
einem nicht mehr zuhören<br />
und einen nicht ernst nehmen.»<br />
Eltern sollten sich gut informieren<br />
Für Konsumierende sei der Drogenkonsum<br />
auch mit positiven Eigenschaften<br />
verbunden, sagt Lischer.<br />
Deshalb sollten sich Eltern auch nach<br />
diesen erkundigen und diese ernst<br />
nehmen. Hilfreich für ein Gespräch<br />
sei auch, wenn sich die Eltern gut<br />
über die Wirkungen, Risiken und<br />
Nebenwirkungen der Substanzen<br />
informieren. Sie sollen ihrem Kind<br />
ruhig auch sagen, dass sie sich Sor<br />
Unsere<br />
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gen machen und ihnen viel daran<br />
liegt, dass es ihm gut geht.<br />
Anja Lischer ergänzt: «Am besten<br />
ist es, wenn die Eltern in klaren Ich-<br />
Botschaften sprechen.» Also «ich<br />
mache mir Sorgen um dich» oder<br />
«ich beobachte, dass du Drogen ausprobierst»<br />
anstatt «warum schluckst<br />
du das Zeug?!». Für solche Gespräche<br />
müssen sich Eltern viel Zeit nehmen,<br />
aktiv zuhören und in erster<br />
Linie auf die Gefühle reagieren. Statt<br />
die eigenen Befürchtungen darzustellen,<br />
beschreiben die Eltern besser<br />
das Verhalten ihres Kindes, ohne<br />
es zu bewerten (z. B. «ich merke,<br />
dass du wütend bist»).<br />
Wenn Jugendliche mehrmalig<br />
oder regelmässig potenziell schädigende<br />
Substanzen konsumieren,<br />
empfiehlt Monique Portner-Helfer<br />
den Umständen, die dazu beigetragen<br />
haben (z. B. Gruppendruck) auf<br />
den Grund zu gehen: Was steckt hinter<br />
dem Konsum? Was ist diesbezüglich<br />
zu tun? Wenn es den Betroffenen<br />
schwerfällt, den Konsum zu<br />
stoppen, oder wenn Jugendliche<br />
nicht zu einer Veränderung bereit<br />
sind, ist es wichtig, Fachpersonen<br />
beizuziehen. Sucht- und Jugendberatungsstellen<br />
können Eltern und<br />
Jugendlichen in solchen Situationen<br />
weiterhelfen.<br />
>>><br />
* Name von der Redaktion geändert<br />
Susanna<br />
Steimer Miller<br />
ist Chefredaktorin des Elternratgebers<br />
«Baby & Kleinkind» und schreibt als Autorin<br />
über Gesundheits- und Ernährungsthemen.<br />
Eltern sollten ein Vorbild sein<br />
Rund 160 000 Menschen in der Schweiz<br />
sind von Schlaf- und Beruhigungsmitteln<br />
abhängig und über 60 000 nehmen täglich<br />
oder fast täglich starke Schmerzmittel ein.<br />
Die Suchtgefahr ist bei Medikamenten auf<br />
der Basis von Benzodiazepinen oder<br />
benzodiazepinähnlichen Stoffen sowie<br />
bei Opiaten besonders gross. Jugendliche<br />
sind von Medikamentensucht nur<br />
selten betroffen. Etwa 0,1 Prozent der<br />
Jugendlichen verwenden regelmässig<br />
Schlaf- und Beruhigungsmittel. Dennoch<br />
müssen sich Eltern bewusst sein, dass<br />
ihr Umgang mit Medikamenten für ihr<br />
Kind prägend ist. Wenn Kinder ihre Eltern<br />
oft beim Schlucken von Medikamenten<br />
beobachten oder bei kleinen Beschwerden<br />
sofort welche erhalten, erhöht sich ihr<br />
Risiko, dass sie später als Erwachsene<br />
rasch und häufig zu Medikamenten greifen.<br />
Immer da, wo Zahlen sind.<br />
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März <strong>2017</strong>69
Digital & Medial<br />
VR-Brillen<br />
auf Kindergesichtern?<br />
Eine Welt, die nur virtuell existiert, in der man sich aber bewegen, die man erfahren<br />
und erfühlen kann: Das ist Virtual Reality. Immer häufiger entdecken auch<br />
Jugendliche diese neue Technologie. Mit sogenannten VR-Brillen tauchen sie in<br />
fiktive Welten ein und erleben Sinneseindrücke wie Geräusche und Berührungen.<br />
Aber nicht nur Augenärzte warnen vor den Folgen. Text: Stephan Petersen<br />
Die virtuelle Realität<br />
fühlt sich echt an,<br />
manchmal zu echt.<br />
Das mussten die Tester<br />
des Kletterspiels<br />
The Climb erfahren. Immer wieder<br />
rissen sich die Spieler nach einem<br />
virtuellen Absturz in der Steilwand<br />
die VR-Brillen vom Kopf und rannten<br />
zum WC, um sich zu übergeben.<br />
Erst nach mehreren Versionen<br />
konnten die Game-Entwickler das<br />
Problem entschärfen. Nun erleben<br />
die Spieler den freien Fall lediglich<br />
einige Augenblicke lang, dann wird<br />
der Bildschirm schwarz. Doch das<br />
Beispiel zeigt: VR-Brillen sind nicht<br />
frei von Ne benwirkungen. Und<br />
Übelkeit ist nicht die einzige.<br />
Was sind VR-Brillen?<br />
Fangen wir von vorne an: Was sind<br />
VR-Brillen eigentlich? Die Abkürzung<br />
VR bedeutet Virtual Reality,<br />
also Virtuelle Realität. VR-Brillen<br />
projizieren Bilder auf einen augennahen<br />
Bildschirm. Seitlich sind sie<br />
meistens geschlossen, so dass der<br />
Träger visuell komplett von der realen<br />
Welt abgeschnitten ist. Ziel ist es,<br />
künstlich erzeugte 3D-Welten so<br />
realistisch und glaubhaft wie möglich<br />
dazustellen.<br />
Der Nutzer taucht voll in eine andere<br />
Realität ab. Sensoren auf der Brille<br />
registrieren die Kopfbewegungen<br />
des Nutzers. Schaut man in der Realität<br />
nach links, dreht man sich auch<br />
in der virtuellen Welt nach links.<br />
Einige VR-Brillen funktionieren mit<br />
Gestensteuerung, andere benötigen<br />
zusätzliche Hardware, etwa in Form<br />
eines Controllers.<br />
Trockene Augen und Kurzsichtigkeit<br />
Da die aktuellen VR-Brillen noch<br />
nicht lange auf dem Markt sind, gibt<br />
es nur wenige Untersuchungen zu<br />
ihrer Wirkung. Bisherige Studien<br />
deuten allerdings darauf hin, dass<br />
VR-Brillen bei Kindern zu Kurzsichtigkeit<br />
führen könnten.<br />
Der Londoner Augenchirurg<br />
David Allamby sagt hierzu: «Eltern<br />
und jüngere Menschen sollten sich<br />
der Risiken bewusst sein. Mit VR<br />
wird es möglicherweise immer mehr<br />
Menschen geben, die an einem<br />
Mangel an Tageslicht leiden – etwas,<br />
das sich auf das natürliche Wachstum<br />
unserer Augen auswirkt und zu<br />
Kurzsichtigkeit beziehungsweise<br />
Myopie führen kann.»<br />
Ausserdem halte, sagt David<br />
Allam by, die virtuelle Realität die<br />
Augen davon ab, Objekte auf weite<br />
Untersuchungen deuten<br />
darauf hin, dass VR-Brillen<br />
bei Kindern zu Kurzsichtigkeit<br />
führen können.<br />
Entfernung zu fokussieren. Auch<br />
das könne Kurzsichtigkeit zur Folge<br />
haben. Ein weiterer unangenehmer<br />
Nebeneffekt sei, dass Spieler in der<br />
virtuellen Realität zu wenig blinzeln.<br />
Dies führe zu trockenen Augen und<br />
könne auf Dauer schmerzhaft werden.<br />
Zudem sind die neurologischen<br />
Langzeitfolgen noch nicht abzusehen.<br />
Was passiert, wenn sich Menschen<br />
regelmässig in der virtuellen<br />
Realität aufhalten? Die ersten Nutzer<br />
sind daher je nach Standpunkt Pioniere<br />
oder Versuchskaninchen.<br />
Auch die Hersteller von VR-Brillen<br />
können die Folgen nicht ab -<br />
schätzen und empfehlen eine Nutzung<br />
für Spieler erst ab 13 Jahren.<br />
Zudem warnen sie vor der eingangs<br />
beschriebenen Motion Sickness be -<br />
ziehungsweise Kinetose, bei der<br />
neben Übelkeit auch noch andere<br />
Bild: iStockphoto<br />
70 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dank VR-Brille in<br />
der Kletterwand<br />
statt im<br />
Wohnzimmer.<br />
Symptome wie Schwindel und Kopfschmerzen<br />
auftreten können.<br />
Zur Motion Sickness kommt es,<br />
wenn die Sinnesorgane widersprüchliche<br />
Informationen erhalten.<br />
Beim Spiel The Climb sagen die<br />
Augen dem Spieler, dass er abstürzt.<br />
Der Körper nimmt jedoch keine Be <br />
wegung wahr. Aus dem gleichen<br />
Grund wird vielen Menschen<br />
schlecht, wenn sie während einer<br />
Autofahrt lesen.<br />
Unter den VR-Gamern klagen<br />
mehr als 50 Prozent über Übelkeit,<br />
Schwindel oder Kopfschmerzen<br />
nach einem Ausflug in die virtuelle<br />
Realität. Teilweise be richten sie auch<br />
von einer schnell eintretenden mentalen<br />
Erschöpfung. Untersuchungen<br />
kommen übrigens zu dem Ergebnis,<br />
dass Kinder am anfälligsten für<br />
Motion Sickness sind.<br />
Ob die Entwicklungsstudios das<br />
Problem der Kinetose in den Griff<br />
bekommen? Steve Baker, der mehr<br />
als 25 Jahre Erfahrung im Bereich<br />
militärische Flugsimulationen und<br />
virtuelle Realität aufweist, macht<br />
sich keine Hoffnungen: «Ich glaube<br />
nicht daran, dass es ein System für<br />
virtuelle Realität gibt, das zum einen<br />
die Erfahrung bietet, zum anderen<br />
nicht bei den meisten zu Übelkeit<br />
führt.»<br />
Gesteigertes Mittendrin-Gefühl<br />
Das Mittendrin-Gefühl im Game ist<br />
mit der fortgeschrittenen Technik<br />
viel intensiver als bei einem normalen<br />
Game. Noch vermag niemand<br />
abzuschätzen, welche psychischen<br />
Folgen dieses gesteigerte Abtauchen<br />
in Spiele haben kann. Bereits jetzt<br />
verfügen Games über ein nicht zu<br />
unterschätzendes Sucht- und Fluchtpotenzial.<br />
Statt Alltagssorgen und<br />
Routine erlebt der Spieler im Game<br />
Abenteuer und Ab wechslung – er ist<br />
Held und Hauptdarsteller. Zu Erfolgen<br />
und Belohnungen kommt man<br />
hier einfacher als in der Schule oder<br />
im Sport.<br />
Der Zusammenhang von Gewalt<br />
und Games ist seit vielen Jahren ein<br />
kontroverses und intensiv beforschtes<br />
Thema. «Vor dem Hintergrund<br />
der beeindruckenden Daten >>><br />
Hersteller von VR-Brillen<br />
empfehlen eine Nutzung für<br />
Spieler erst ab 13 Jahren.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>71
Digital & Medial<br />
Trockene Augen, Kopfschmerzen,<br />
Übelkeit: VR-Brillen sind nicht<br />
frei von Nebenwirkungen.<br />
>>> lage darf die Erkenntnis als<br />
empirisch gut gesichert gelten, dass<br />
Gewaltspiele zu erhöhtem aggressivem<br />
Verhalten bei Kindern und<br />
Jugendlichen beitragen können»,<br />
sagt hierzu Martina Zemp, Psychologin<br />
an der Universität Zürich.<br />
Offene Fragen<br />
Welche Auswirkungen hat es, wenn<br />
das Mittendrin-Gefühl dank der<br />
VR-Brille noch intensiver ist? Was<br />
geschieht im Kopf eines Menschen,<br />
wenn er in einem Actionspiel wie<br />
GTA den Computerfiguren nicht nur<br />
mittels Controller das virtuelle<br />
Lebenslicht ausbläst, sondern in der<br />
virtuellen Welt das Gefühl hat, sich<br />
mitten im Geschehen zu befinden,<br />
und die Charaktere mit der Gestensteuerung,<br />
also den eigenen Händen,<br />
virtuell tötet?<br />
Die Verantwortlichen bei PEGI,<br />
dem europaweiten Alters-Einstufungssystem,<br />
denken wegen des<br />
starken Mittendrin-Gefühls über<br />
eine neue Inhaltsbeurteilung für<br />
VR-Spiele nach. Bei der deutschen<br />
Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle<br />
(USK) hat man bereits reagiert.<br />
Dort werden VR-Spiele meist höher<br />
eingestuft. So gibt es etwa ein Spiel,<br />
in dem man als Tiefseetaucher in<br />
einem Käfig unter Wasser sitzt und<br />
von einem Hai attackiert wird – die<br />
«normale» Version erhielt USK 12,<br />
die VR-Version USK 16.<br />
Ob das ausreicht? Da die Technik<br />
so neu ist und es noch keine Langzeituntersuchungen<br />
gibt, wird sicher<br />
immer wieder Diskus sionsbedarf<br />
bestehen – in der Branche wie in den<br />
Familien.<br />
>>><br />
Entscheidungs-Argumente<br />
auf einen Blick<br />
• VR-Brillen sind der neue Trend<br />
beim Gaming und erlauben<br />
ein nie dagewesenes<br />
Mittendrin-Gefühl.<br />
• Es gibt keine langfristigen<br />
Untersuchungen über mögliche<br />
körperliche und psychische<br />
Folgen.<br />
• Bekannte Nebenwirkungen sind<br />
Übelkeit, Kopfschmerzen und<br />
trockene Augen; Ärzte rechnen<br />
mit einem erhöhten Risiko für<br />
Kurzsichtigkeit.<br />
• Die Altersempfehlungen der<br />
Hersteller für eine Nutzung der<br />
VR-Brillen liegen bei 13 Jahren.<br />
• VR-Spiele erhalten oft eine<br />
höhere Alterseinstufung als<br />
die «normalen» Versionen.<br />
Laden und starten<br />
sie die Fritz+Fränzi-<br />
App und folgen Sie dem<br />
Link in die 360-Grad-Unterwasserwelt,<br />
um einen Eindruck von der<br />
Virtual Reality zu bekommen.<br />
Tipp: Mobilgerät bewegen<br />
und sich umsehen!<br />
Stephan Peterson<br />
ist studierter Historiker und freier Journalist.<br />
Zu seinen Themen gehören unter anderem<br />
Videospiele und Familie. Er ist Vater zweier<br />
Kinder im Alter von sieben und elf Jahren.<br />
72 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Publireportage<br />
Action und Chillen:<br />
bei Reka ist beides<br />
möglich.<br />
Reka-Ferien mit Teenies?<br />
Und ob! Biken auf dem Pumptrack, Grillen im Teens Club,<br />
Chillen am Strand … Reka-Feriendörfer bieten Abwechslung<br />
für Teenager und Erwachsene. Von Julia Scheidegger<br />
«Blackbox» heisst der Teil im Jugendraum<br />
des Reka-Feriendorfs Zinal, wo man richtig<br />
chillen kann. Vorne trifft man sich zum<br />
Töggele, Billard oder Ping Pong spielen.<br />
In der Lounge im oberen Stock gönnt sich<br />
die ältere Generation ein Glas Wein.<br />
Draussen sorgt der Bike-Pumptrack für<br />
Nervenkitzel. Am Kletterfelsen können<br />
sich angehende Bergsteiger üben. Das<br />
Feriendorf steht denn auch unter dem<br />
Motto «Majestätische Bergwelt».<br />
Im Teens Club trifft man sich zum Kochen<br />
oder Grillen. Er ist fester Bestandteil<br />
des Familienprogramms, das alle Reka-Feriendörfer<br />
anbieten.<br />
Gletscher, Schlucht & Adrenalin<br />
Das Reka-Feriendorf Blatten-Belalp liegt<br />
am Rande des UNESCO Weltnaturerbes<br />
Jungfrau-Aletsch. Eines der Highlights ist<br />
die 124 m lange Hängebrücke, die in<br />
80 m Höhe vor dem Grossen Aletschgletscher<br />
über die Massaschlucht führt:<br />
Adrenalin pur! Der Freizeitpark Hexenkessel<br />
bietet einen Seilpark mit einfachen bis<br />
hin zu spektakulären Parcours. Das top-<br />
moderne Reka-Feriendorf hat einen grossen<br />
Aussenteerplatz mit Rampen, Street<br />
Soccer Toren und Basketball Korb, Scooter<br />
werden gratis verliehen. Im Hallenbad<br />
und im Fitnessraum kann man ganz schön<br />
Kalorien verbrennen.<br />
Sonne, Meer & Dolce Vita<br />
Das Reka-Ferienresort Golfo del Sole liegt<br />
direkt am feinsandigen Strand, rund 3 km<br />
nördlich der toskanischen Stadt Follonica.<br />
Zum Resort gehören eine Tennis- und eine<br />
Surfschule, Velo- und Bikevermietung sowie<br />
diverse Restaurants und Bars. Zusätzliches<br />
Plus: Hotelservice in den Bungalows<br />
und Ferienwohnungen (gegen<br />
Gebühr), nummerierte Liegestühle mit-<br />
Sonnenschirm am Strand und geführte<br />
Biketouren während bestimmter Wochen.<br />
Informationen und Buchung<br />
unter www.reka.ch<br />
oder <strong>03</strong>1 329 66 99<br />
(Montag bis Freitag, 8 – 17 Uhr)
Digital & Medial<br />
Therapie im Chatroom?<br />
Der Klient, sein Problem, der Therapeut und vielleicht noch eine Couch – diese bekannte<br />
Konstellation ist heute längst nicht mehr die Regel. Das ständige Vor-dem-Bildschirm-<br />
Sitzen ist ein Grund, warum Jugendliche eine Therapie brauchen. Aber es kann auch<br />
Teil der Lösung sein. Viele Therapeuten holen die Jugendlichen heute dort ab,<br />
wo sie sind: online. Die psychoanalytische Sozialarbeiterin Sylvia Künstler über Risiken<br />
und Chancen. Interview: Kathrin Blum<br />
Frau Künstler, aus dem Alltag von<br />
Jugendlichen sind neue Medien nicht<br />
mehr wegzudenken. Wie wirkt sich das<br />
auf Ihren Arbeitsalltag aus?<br />
Es ist ein riesiges Problem, wenn wir<br />
eine Jugendgruppe vor uns haben<br />
und alle ihre Smartphones zücken.<br />
Alle müssen nur «ganz schnell, ganz<br />
kurz»… Wenn man ihnen ihr Telefon<br />
wegnimmt, ist das im übertragenen<br />
Sinne gesprochen so, wie<br />
wenn man ihnen die Hand oder ein<br />
Bein amputieren würde. Das Handy<br />
hat eine immense Bedeutung<br />
bekommen, das «In-Kontakt-Sein<br />
mit der Welt» ist für die Jugendlichen<br />
essenziell.<br />
Selbst wenn sich die Jugendlichen<br />
gerade in einer sozialtherapeutischen<br />
Sitzung befinden?<br />
Ja – und manchmal vielleicht auch<br />
gerade dann. Es kann natürlich auch<br />
eine Art sein, den Kontakt zu uns zu<br />
«Mitten in der Sitzung wird<br />
das Smartphone gezückt.<br />
Und dann nimmt ein Freund<br />
virtuell teil.»<br />
vermeiden oder uns die Kontaktaufnahme<br />
zumindest zu erschweren.<br />
Die Klienten teilen uns auch etwas<br />
mit, wenn sie den Kontakt zu anderen<br />
suchen, wenn eigentlich wir zu<br />
ihnen Kontakt aufnehmen möchten.<br />
Hin und wieder kommt es vor, dass<br />
wir nicht nur zu zweit in einer Einzelstunde<br />
sind, sondern dass per<br />
Internet oder Handy von den Jugendlichen<br />
noch jemand dazugeholt<br />
wird. Nimmt ein Jugendlicher jemanden<br />
(virtuell) mit in die Therapie,<br />
fragen wir uns: Warum macht<br />
er das? Was will uns der Klient damit<br />
mitteilen? Es ist möglich, dass dadurch<br />
ein Problem in die Stunde<br />
mitgebracht wird, über das der Jugendliche<br />
nicht sprechen kann. So<br />
macht er es dennoch zum Thema.<br />
Sehen Sie neue Medien in der Psychotherapie<br />
eher als Chance oder Risiko?<br />
Mal sind sie Risiko, mal Chance. Wir<br />
sehen beispielsweise junge Menschen<br />
mit autistischen Störungen,<br />
die aus der Welt fallen, weil sie es<br />
nicht schaffen, zu anderen Kontakt<br />
aufzunehmen oder gar Beziehungen<br />
aufzubauen – zumindest nicht, wenn<br />
ihnen diese anderen gegenübersitzen.<br />
Für sie kann es eine grosse<br />
Chance sein, im Netz virtuelle<br />
Freundschaften zu schliessen. Und<br />
diese Freundschaften können durchaus<br />
sehr intensiv sein. Ich erinnere<br />
mich da an eine Klientin, die<br />
Freundschaft geschlossen hat zu<br />
einer Frau in Moskau. Sie haben<br />
täglich telefoniert, geskypt oder<br />
gechattet, waren füreinander da,<br />
wenn eine in Not war. Das war eine<br />
echte Freundschaft. Aber die junge<br />
Frau hätte diesen Kontakt ohne die<br />
räumliche Distanz nicht ausgehalten.<br />
Für Autisten sind neue Medien<br />
und soziale Netzwerke eine grosse<br />
Chance, in Beziehungen zu treten.<br />
Werden allerdings alle anderen Beziehungen<br />
durch Freundschaften im<br />
Netz ersetzt, kann das durchaus auch<br />
für autistische Menschen zum Problem<br />
werden. Ausserdem gibt es die<br />
dunklen Seiten, etwa die ganzen<br />
Mobbinggeschichten. Neue Medien<br />
sind extrem ambivalent.<br />
Viele Jugendliche verbringen mehrere<br />
Stunden täglich in der virtuellen Welt.<br />
Wann stellt sich die Frage nach der<br />
Internetsucht?<br />
Da müssen wir differenzieren. Exzessive<br />
Computernutzung wird oft<br />
als Problem betrachtet. Übersehen<br />
darf man dabei nicht, dass diese oft<br />
nur die Folge eines anderen Problems<br />
ist. Sozusagen das Sym ptom.<br />
Wenn beispielsweise ein Jugendli-<br />
74 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
cher antriebslos ist, eine Depression<br />
entwickelt, verbringt er deshalb<br />
möglicherweise viel Zeit vor dem<br />
Bildschirm, weil er es nicht mehr<br />
schafft, rauszugehen. Und vor dem<br />
Bildschirm vergeht die Zeit einfach<br />
schneller. Viele versinken völlig in<br />
dieser anderen Welt. Man muss sehr<br />
genau hinschauen, ob die Computersucht<br />
nicht andere Pro bleme verdeckt<br />
und nur die Oberfläche darstellt.<br />
Vielen dieser Pa tienten, die auf<br />
den ersten Blick computersüchtig<br />
scheinen, fällt es in der Klinik nicht<br />
schwer, dort zu verzichten. Durch<br />
die Therapie und den Kontakt zu<br />
anderen Jugendlichen mit ähnlichen<br />
oder gleichen Problemen brauchen<br />
sie den Computer nicht mehr.<br />
Wann sollten sich Eltern Sorgen<br />
machen?<br />
Es gibt ein paar klare Grenzlinien.<br />
Die Zahl der Stunden, die jemand<br />
vor dem Computer sitzt, ist allerdings<br />
wenig ausschlaggebend. Entscheidender<br />
sind die Fragen: Verlieren<br />
Jugendliche normale Bezüge?<br />
Gehen sie in die Schule, in Vereine,<br />
treffen sie reale Freunde? Wenn sie<br />
andere, alltägliche Dinge nicht vernachlässigen,<br />
sitzen sie zwar vielleicht<br />
zu lange am Computer, sind<br />
aber nicht krankhaft süchtig. Sobald<br />
ein Leistungsabfall eintritt, ein<br />
Rückzug oder eine Veränderung im<br />
Sozialverhalten, sind das Warnzeichen,<br />
die man ernst nehmen und<br />
denen man auf den Grund gehen<br />
sollte.<br />
Ist es nicht auch ein Warnzeichen,<br />
wenn Jugendliche sich dem ganzen<br />
Soziale-Netzwerke-Hype verweigern?<br />
Mädchen und Jungen stellen sich<br />
ausserhalb ihrer Jugendkultur, wenn<br />
sie neue Medien ablehnen. Sie begeben<br />
sich dadurch nicht selten in die<br />
Einsamkeit. Denn das Smartphone<br />
ist durchaus auch Bezugspunkt. Oft<br />
sitzen Jugendliche zu dritt über<br />
einem Bildschirm und zeigen sich<br />
Sachen. Computer und Handy<br />
haben ja auch interaktive Elemente.<br />
Wenn die Jugendlichen sich aber<br />
sonst nicht aus ihren sozialen Kon<br />
takten zurückziehen, würde ich es<br />
nicht als Warnzeichen sehen.<br />
Und wie gehen Sie nun in der Sitzung<br />
vor, wenn das Smartphone stört?<br />
Verbieten Sie das Gerät?<br />
Mit radikalen Einschränkungen tun<br />
wir uns schwer. Und, wie gesagt,<br />
Jugendliche mit Aspergersyndrom<br />
sind mitunter auf dieses Medium<br />
angewiesen. Es ist ihr Zugang zur<br />
Welt. Deshalb lassen wir es gerade<br />
bei ihnen zu. Und nicht nur das. Wir<br />
versuchen, genau darüber in Kontakt<br />
zu kommen. Es gibt junge Menschen,<br />
die erzählen beispielsweise<br />
von ihren Computerspielen und was<br />
sie da machen. Wir versuchen, neutral<br />
und interessiert zuzuhören –<br />
und nicht gleich zu wettern: blödes<br />
Ballerspiel. Oder es gibt die Jugendlichen,<br />
die nicht über ihr Problem<br />
sprechen können und es deshalb<br />
«verpacken», indem sie von einem<br />
Freund oder einer Freundin erzählen,<br />
die gerade eine Nachricht geschrieben<br />
hat. In der geht es eben<br />
um den Konflikt, der den Klienten<br />
gerade selbst beschäftigt. In der virtuellen<br />
Welt entstehen Gruppen,<br />
Freundschaften, Konflikte – genau<br />
wie im realen Leben. Das müssen wir<br />
nutzen. Ich habe das Internet tatsächlich<br />
schon als Brücke erlebt.<br />
Computer und Handy bieten uns als<br />
Therapeuten die Möglichkeit, mit<br />
den Jugendlichen in Kontakt zu treten.<br />
Das kann durchaus in einem<br />
Chatroom sein.<br />
Haben Sie schon mit Klienten<br />
gechattet?<br />
Ja. Mit einer Klientin habe ich mich<br />
regelmässig im Chatroom verabredet,<br />
um dort die sozialtherapeutischen<br />
Einzelstunden mit ihr zu halten.<br />
Ihre Schwierigkeiten >>><br />
«Im Internet fällt es manchen<br />
Jugendlichen leichter,<br />
Beziehungen und Vertrauen<br />
aufzubauen.»<br />
Erste Hilfe für Jugendliche im Internet<br />
• Die neuen Kommunikationswege nutzen, um<br />
Jugendlichen zu helfen, möchte die Plattform<br />
JugendNotmail. Für die in Berlin ansässige<br />
Online-Beratung arbeiten ehrenamtlich über<br />
100 Psychologen und Sozialpädagogen – 365<br />
Tage im Jahr. Auffällig: Mindestens 360 Mails<br />
kamen 2015 aus der Schweiz. In den Anfragen<br />
geht es um Depressionen, Selbstverletzung,<br />
Missbrauch, Suizidgedanken, Essstörungen.<br />
«Neben der Einzelberatung können sich die<br />
hilfesuchenden Jugendlichen im Forum und<br />
den monatlichen Themenchats austauschen»,<br />
so Sprecherin Amelie Schwierholz. Sie betont:<br />
«Die Beratung kann keine Therapie ersetzen.»<br />
Erweise sich eine als nötig, vermittelten die<br />
Mitarbeiter den Jugendlichen weiter.<br />
• www.u25-schweiz.ch ist eine kostenlose und<br />
anonyme Online-Hilfe für Jugendliche – von<br />
Jugendlichen mit spezieller Ausbildung. Die<br />
Berater sind zwischen 17 und 25 Jahre alt,<br />
hinter ihnen stehen Sozialarbeiter und<br />
Psychologen. Angesprochen werden sollen<br />
Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 25<br />
Jahren mit Suizidgedanken. Träger dieses<br />
Projekts ist der Verein Lebe! in Winterthur.<br />
• Auch viele Stellen, die bisher eher angerufen<br />
wurden, beraten heute Chat, SMS oder Mail:<br />
Die Dar gebotene Hand (www.143.ch), Das<br />
Sorgentelefon (das-sorgentelefon.com)<br />
und die Jugendberatung von Pro Juventute<br />
(www.147.ch).<br />
Laden und<br />
starten Sie die<br />
Fritz+Fränzi-App<br />
und lesen Sie online ein<br />
Originalprotokoll einer<br />
Chat-Beratung.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>75
«Auch ich habe mehr Zeit,<br />
die Dinge so zu formulieren,<br />
dass sie nicht verletzen.»<br />
>>> konnten schriftlich und doch<br />
im direkten Kontakt mit ihr «besprochen»<br />
werden. Etwas, das im konkreten<br />
Miteinander schwer möglich<br />
war. Auch mir fiel es manchmal<br />
leichter, potenziell kränkende Dinge<br />
so zu formulieren, dass sie sie nicht<br />
verletzten. Ein Chat hat im Gegensatz<br />
zu anderem Schriftverkehr den<br />
Vorteil, dass man fast ohne Verzögerung<br />
auf das Gegenüber eingehen<br />
und doch kurz über das Geschriebene<br />
nachdenken kann. Besagte Klientin<br />
konnte im Chat Dinge in Worte<br />
fassen und eine innere Nähe zulassen,<br />
was im direkten Kontakt eben<br />
gerade nicht gelang. Generell können<br />
manche Klienten bedrohliche,<br />
schmerzhafte Dinge besser ansprechen,<br />
wenn es «beiläufig» passiert<br />
und man dem Gegenüber nicht in<br />
die Augen schauen muss.<br />
Sie sagen von sich selbst, dass Sie<br />
neuen Medien offen gegenüberstehen.<br />
Als Kind der 60er-Jahre sind Sie allerdings<br />
nicht mit dem Internet gross<br />
geworden. Ist es für Ihre Generation<br />
schwierig, die sogenannten Digital<br />
Natives zu verstehen?<br />
Es stimmt natürlich, dass ich da in<br />
der Position der Lernenden bin und<br />
mir manchmal sogar Zwölfjährige<br />
am Computer etwas Neues zeigen<br />
können. Dass sich Kinder und<br />
Jugendliche eine ganz neue Welt<br />
erschlossen haben, die uns fremd ist,<br />
ist durchaus eine Herausforderung.<br />
Aber eine, die wir meistern können,<br />
wenn wir offen und neugierig sind<br />
und bleiben.<br />
>>><br />
Eine Brücke<br />
zurück zu den<br />
Menschen<br />
Ellen Ringier über<br />
Familienregeln.<br />
Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />
die Stiftung Elternsein.<br />
Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />
Zur Person<br />
Sylvia Künstler arbeitet in Tübingen als<br />
psychoanalytische Sozialarbeiterin. Sie hat<br />
zwei erwachsene Kinder, die das Internet<br />
intensiv nutzen. Sie selbst ist weder bei<br />
Twitter noch bei Facebook aktiv, nutzt das<br />
World-Wide-Web allerdings täglich, um sich<br />
zu informieren und zu kommunizieren.<br />
Kathrin Blum<br />
aus Freiburg arbeitet festangestellt als<br />
Redaktorin bei einer Tageszeitung und<br />
freiberuflich für verschiedene Medien. Die<br />
33-Jährige fürchtet, dass es nicht mehr allzu<br />
lange dauert, bis ihre Töchter (dreieinhalb<br />
und zwei Jahre alt) sich für neue Medien<br />
interessieren.<br />
Zu Weihnachten bekamen mein Mann und ich<br />
ein ungewöhnliches Geschenk von einem jungen<br />
Mann, dem Partner einer unserer Töchter: ein<br />
Bild, unsere beiden Enkel mit Bleistift und Kohle<br />
auf Papier gezeichnet, eine wunderschöne<br />
Erinnerung an die beiden Kleinkinder.<br />
Weihnachten ist vorbei und ich überlege, wo<br />
und wie ich dieses Bild, das immerhin eine halbe<br />
Plakatgrösse hat, rahmen lassen soll. Ich lege das<br />
Blatt auf den Tisch, betrachte die beiden Enkel,<br />
wie sie spielend am Boden kauern, ganz offensichtlich<br />
in spielerischem Kontakt miteinander.<br />
Reden können die beiden noch nicht richtig, und<br />
so werden sie sich wohl lautmalerisch verstanden<br />
haben.<br />
Und dann werde ich gewahr, dass der Hintergrund<br />
des Bildes aus einem ganz fein geschriebenen<br />
Text in Grossbuchstaben besteht, zuoberst<br />
lese ich: FAMILY RULES.<br />
Bild:Maurice Haas / 13 Photo<br />
76 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Stiftung Elternsein<br />
Zum besseren Verständnis dessen, was ich sagen<br />
will, muss ich hier noch anmerken, dass ich Mitte<br />
60, der junge Mann Mitte 20 ist. Was also will<br />
mich ein 26-Jähriger an «Familienregeln» lehren?<br />
Lesen Sie selber:<br />
HELP EACH OTHER<br />
ALWAYS TELL THE TRUTH<br />
SHARE<br />
DO YOUR BEST<br />
PAY WITH HUGS AND KISSES<br />
LISTEN TO YOUR PARENTS<br />
LAUGH AT YOURSELF<br />
SAY I LOVE YOU<br />
TRY NEW THINGS<br />
BE THANKFUL<br />
SHOW COMPASSION<br />
BE HAPPY<br />
LOVE EACH OTHER<br />
DREAM BIG<br />
RESPECT ONE ANOTHER<br />
LAUGH OUT LOUD<br />
KEEP YOUR PROMISES<br />
SAY PLEASE AND THANK YOU<br />
USE KIND WORDS<br />
KNOW YOU ARE LOVED *<br />
Während meine Gedankenwelt zusehends von<br />
den politischen Verhältnissen innerhalb und<br />
ausserhalb meines Landes bestimmt wird, während<br />
ich mich nächtelang gedanklich damit quäle,<br />
dass sich kaum einer darum kümmert, dass<br />
das «Weltethos», wie Prof. Dr. Hans Küng dieses<br />
so anschaulich beschrieben hat, vor die Hunde<br />
geht. Das supranationale Organ, die UNO, welche<br />
zur Aufgabe hätte, Menschenrechten zum Durchbruch<br />
zu verhelfen, droht zu einem zahnlosen<br />
Papiertiger zu verkommen. Die prägenden Stichworte<br />
dieses Jahrzehnts heissen Krieg und Kriegsflüchtlinge.<br />
Populisten machen sich allenthalben<br />
beliebt, zumindest dort, wo Wähler das Vertrauen<br />
in ihre «ordentlichen» Regierungen verloren<br />
haben.<br />
Während all dies geschieht, gelingt es einem<br />
jungen Mann, mir mittels eines Weihnachtsgeschenks,<br />
das weder eine Marke noch einen Preis<br />
hat, eine Brücke zu bauen! Eine gedankliche<br />
Brücke, die mich zurück zu den Menschen führt,<br />
die mir am meisten bedeuten, die ich liebe: meine<br />
Familie. Ich spiele Ihnen, liebe Leserinnen<br />
und Leser, eine Brücke weiter, die in diesem Kontext<br />
FAMILY RULES heisst.<br />
Auf deren Namen kommt es mir nicht an,<br />
sondern auf die Möglichkeit, mittels weniger<br />
Regeln einen direkten Weg ins Herz der eigenen<br />
Familie, der Kinder (zurück) zu finden, das<br />
«Kleine und Feine» im Leben einer Familie nicht<br />
für das «Grosse und Ganze» aufs Spiel zu setzen!<br />
Natürlich habe ich, wie Sie auch, diese und<br />
viele andere Regeln verinnerlicht. Sie sind ein<br />
Teil von mir. Und doch weiss ich, dass kein Tag<br />
vergangen ist, an dem ich die Regeln nicht gebrochen<br />
habe.<br />
Zu müde, um ein Bobo wirklich mitzufühlen<br />
oder über einen Scherz meiner Kinder zu lachen.<br />
Zu viele Sorgen, um meiner Liebe Ausdruck zu<br />
verleihen oder mich auch nur aufrichtig dankbar<br />
zu zeigen. Keine Zeit, etwas Neues spielerisch<br />
umzusetzen oder – allzu oft – ein Versprechen<br />
einzuhalten.<br />
Ich kann die Liste beliebig lang werden lassen<br />
…<br />
Meine Kinder sind nun, wie der junge Maler,<br />
junge Erwachsene und junge Eltern. Ich wünsche<br />
ihnen und allen jungen Menschen, dass sie jederzeit<br />
die Kraft haben werden, über die Brücke von<br />
den Eltern zu den Kindern zu gehen.<br />
* Helft einander – sag immer die Wahrheit – teile – gib<br />
dein Bestes – sag es mit Umarmungen und Küssen –<br />
hör auf deine Eltern – lach über dich – sag es mit<br />
Liebe – probier Neues aus – sei dankbar – zeig Mitgefühl<br />
– sei glücklich – liebt einander – hab grosse Träume<br />
- respektier den anderen – lach laut – halt deine<br />
Versprechen – sag Bitte und Danke – sag nette Dinge<br />
– sei dir gewiss, dass du geliebt wirst<br />
STIFTUNG ELTERNSEIN<br />
«Eltern werden ist nicht schwer,<br />
Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />
Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />
Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein an. Sie<br />
richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern und<br />
Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen Eltern,<br />
Kindern, Lehrern und die Vernetzung der eltern- und<br />
erziehungsrelevanten Organisationen in der deutschsprachigen<br />
Schweiz. Die Stiftung Elternsein gibt das Schweizer<br />
ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus. www.elternsein.ch<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>77
Digital & Medial<br />
Halten Sie den<br />
Streit aus!<br />
Digitale Medien führen immer wieder zu Streit.<br />
Mit dem ersten Smartphone Ihres Kindes<br />
bekommen Sie oft endlose Debatten gratis<br />
dazu. Und das ist gut so. Lesen Sie hier wieso.<br />
Text: Michael In Albon<br />
Bild: Swisscom<br />
Der Vater einer 13-Jährigen<br />
trifft den Nerv<br />
vieler Familien,<br />
wenn er sagt: «Ei-<br />
gentlich verstehe ich<br />
mich mit meiner Tochter super –<br />
wenn das Thema Handy nicht wäre.»<br />
Denn ständig gibt es Auseinandersetzungen<br />
um die Nutzung der Bildschirmgeräte.<br />
Selbst bei den grundlegendsten<br />
Regeln wie etwa der<br />
Medienzeit.<br />
Eine Stunde sind 60 Minuten,<br />
sollte man meinen. Wann jedoch so<br />
eine Stunde beginnt und wann sie<br />
endet, ist keineswegs eindeutig.<br />
Gehört etwa das YouTube-Tutorial<br />
über Bruchrechnen dazu? – «Das ist<br />
ja Lernen.» Oder das Sportpanorama<br />
– «Das willst ja eigentlich du<br />
schauen». Und was ist mit den<br />
Minuten, in denen Ihr Kind zwischendurch,<br />
während seiner Me -<br />
dienzeit, auf die Toilette muss? Das<br />
gilt es auszuhandeln.<br />
Streiten macht unabhängig<br />
Solche Diskussionen drücken auf die<br />
Stimmung, hören nicht auf – und<br />
sind anstrengend. Denn trotz klarer<br />
Regeln und Abmachungen versuchen<br />
Kinder und Jugendliche immer<br />
wieder, längere Nutzungszeiten herauszuschlagen.<br />
Häufig argumentieren<br />
sie damit, dass alle anderen ihre<br />
Geräte viel länger nutzen dürfen –<br />
alle Freunde, alle Klassenkameraden,<br />
ja die ganze Welt! Das ermüdet,<br />
frustriert und ist normal. Vor allem<br />
aber ist es positiv. Halten Sie als<br />
Eltern den Streit aus – gerade mit<br />
Teenagern. Er gehört zu ihrer Entwicklung.<br />
Schwierig ist dabei, dass<br />
Sie in einem konstruktiven Dialog<br />
bleiben.<br />
Das heisst: Lassen Sie Ihr Kind<br />
seinen Standpunkt vertreten und<br />
legen Sie Ihren dar. So lernen Teenager<br />
argumentieren und entwickeln<br />
ein gesundes Selbstbewusstsein.<br />
Dieses stärkt sie; vor allem um dem<br />
Gruppendruck von Gleichaltrigen<br />
standzuhalten. Jugendliche, die sich<br />
häufig fundierte Streitgespräche mit<br />
ihren Eltern liefern, sind weniger<br />
anfällig für negative Einflüsse. Sie<br />
entwickeln zu Hause eine gesunde<br />
Selbständigkeit, die sich auf die<br />
Beziehung mit Gleichaltrigen überträgt.<br />
Legen Sie also Ihre Erfahrungen<br />
dar, pochen Sie auf das Einhalten<br />
von Regeln und scheuen Sie den<br />
Konflikt mit Ihrem Kind nicht. Aber<br />
streiten Sie richtig: Streiten Sie um<br />
die Sache, nicht um die Beziehung.<br />
Überzeugen Sie mit sachlichen<br />
Argumenten; vermeiden Sie Dauer-<br />
monologe oder Beschimpfungen.<br />
Und lassen Sie Ihre Teenager ihre<br />
Argumente vorbringen. Denken Sie<br />
nun, diese strengere Haltung lässt<br />
Kindern und Jugendlichen weniger<br />
Freiräume? Bedenken Sie: Diese<br />
Haltung vermittelt Ihren Kindern<br />
gleichzeitig Orientierung und<br />
schützt sie vor Überforderung.<br />
Denn Kinder, die sich im Schutz<br />
einer funktionierenden Familie auseinandersetzen<br />
können, haben die<br />
besseren Chancen, sich ihr Erwachsenwerden<br />
zu «erstreiten». Dabei<br />
kann es ruhig mal heftiger zur Sache<br />
gehen.<br />
Michael In Albon<br />
Michael In Albon ist Beauftragter<br />
Jugendmedienschutz und Experte<br />
Medienkompetenz von Swisscom.<br />
Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />
Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />
digitalen Medien im Familienalltag.<br />
swisscom.ch/medienstark<br />
78 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Diese Anspannung aller Anwesenden, wenn eine<br />
Mutter auf dem Spielplatz mit «Ich zähle bis drei!» droht<br />
und schon bei zwei angelangt ist ...<br />
Tweet von @FrauVanSass<br />
Bilder: iStockphoto, ZVG<br />
Medienkompetenz-Tipp:<br />
Der Umgang mit Fake News<br />
Falsch- oder Hass-Meldungen zu<br />
erkennen, ist schon für Erwachsene<br />
nicht einfach. Spielen Sie mit Ihren<br />
Kindern deshalb die Tipps auf hass-imnetz.info/toolskennen<br />
durch. Wie man<br />
Bilder auf Manipulation überprüft,<br />
erfährt man auf hass-im-netz.info/<br />
bilderchecken. Falschmeldungen, die bereits bekannt sind, werden auf<br />
mimikama.at oder auf hoaxmap.org aufgelistet. Und damit diese Listen<br />
auch aktuell bleiben, melden Sie gefundene Falschinhalte. Wie das geht,<br />
erfahren Sie auf no-hate-speech.de/melden. Auf hass-im-netz.info/<br />
melden gibt es gleich ein entsprechendes Formular.<br />
Wenn das Herz<br />
überquillt …<br />
Die erste Liebe ist zauberhaft –<br />
und unfassbar kompliziert. Das<br />
erfährt auch Sophie, als sie mit<br />
ihrem Vater in eine neue Stadt<br />
zieht. Sie ist sauer auf das Leben und auf<br />
der Suche nach sich selbst. Dann verändert ein Kuss mit<br />
der besten Freundin alles. Ein unaufgeregter wunderschöner<br />
Liebesroman für Mädchen ab 14 Jahren – und zwar<br />
ganz egal, ob ihr Herz für Jungen oder Mädchen schlägt.<br />
Anne Freytag: Den Mund voll ungesagter Dinge. Heyne,<br />
<strong>2017</strong>. 400 Seiten, Taschenbuch ca. 20 Fr., E-Book 14 Fr.<br />
Wickersofa<br />
Longo Kunststoffgeflecht<br />
schwarz,<br />
Kissen Stoff beige,<br />
Gestell Metall,<br />
inkl. Schutzhülle,<br />
140 x 76 x 95 cm,<br />
Liegefläche:<br />
124 x 184 cm<br />
498.-<br />
Partyzelt<br />
Casablanca Stoff navyblau oder grün,<br />
Gestell Aluminium, faltbar, inkl. Tragtasche,<br />
300 x 300 cm<br />
UV-Schutz 50+<br />
Wickergarnitur<br />
Saigon Kunststoffgeflecht grau,<br />
59.-<br />
Kissen Stoff grau, Wurfkissen Stoff<br />
türkis gemustert, Gestell Aluminium,<br />
LIEFERUNG<br />
BORDSTEINKANTE<br />
Garnitur: 210/270 x 65 x 90 cm,<br />
998.-<br />
Salontisch: 110 x 27 x 55 cm<br />
99.-<br />
Seitenwand<br />
Casablanca 2er-Set 29.-<br />
Schaukelstuhl<br />
Rocking Chair<br />
Textilene schwarz, Gestell<br />
Metall alufarben, Belastbarkeit<br />
max. 100 kg, 150 x 80 cm<br />
99.-<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>79<br />
Riesenauswahl. Immer. Günstig.<br />
ottos.ch
Service<br />
Vielen Dank<br />
an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />
Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsoren<br />
Dr. iur. Ellen Ringier<br />
Walter Haefner Stiftung<br />
Credit Suisse AG<br />
Rozalia Stiftung<br />
UBS AG<br />
Werner Dessauer Stiftung<br />
UBS AG<br />
Impressum<br />
17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />
Herausgeber<br />
Stiftung Elternsein,<br />
Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />
www.elternsein.ch<br />
Präsidentin des Stiftungsrates:<br />
Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />
Tel. 044 400 33 11<br />
(Stiftung Elternsein)<br />
Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />
ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />
Redaktion<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />
n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />
Verlag<br />
Fritz+Fränzi,<br />
Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />
Tel. 044 277 72 62,<br />
info@fritzundfraenzi.ch,<br />
verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />
www.fritzundfraenzi.ch<br />
Business Development & Marketing<br />
Leiter: Tobias Winterberg,<br />
t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />
Anzeigen<br />
Administration: Dominique Binder,<br />
d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 277 72 62<br />
Art Direction/Produktion<br />
Partner & Partner, Winterthur<br />
Bildredaktion<br />
13 Photo AG, Zürich<br />
Korrektorat<br />
Brunner Medien AG, Kriens<br />
Auflage<br />
(WEMF/SW-beglaubigt 2016)<br />
total verbreitet 101 725<br />
davon verkauft 18 572<br />
Preis<br />
Jahresabonnement Fr. 68.–<br />
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Institut für Familienforschung und -beratung<br />
der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />
und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />
Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation / Forum<br />
Bildung / Elternnotruf / Pro Juventute /<br />
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik<br />
Zürich / Schweizerisches Institut für Kinderund<br />
Jugendmedien<br />
Stiftungspartner<br />
Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />
Zürich / Schweizerische Vereinigung der<br />
Elternorganisationen / Marie-Meierhofer-Institut<br />
für das Kind / Schule und Elternhaus Schweiz /<br />
Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter<br />
und Väter SVAMV / Kinderlobby Schweiz /<br />
kibesuisse Verband Kinderbetreuung Schweiz<br />
Jetzt<br />
gewinnen!<br />
März-Verlosung<br />
Fritz+Fränzi verlost …<br />
im Wert von je Fr. 79.–<br />
10 × 1 Familienticket (2 Erw. / 2 Kinder) für den Familytrail<br />
Helfen macht Spass!<br />
Eine spannende Schnitzeljagd durch Zürich, Bern oder<br />
Basel erleben und dabei noch anderen helfen? Das sind<br />
die Familytrails von World Vision Schweiz und Foxtrail.<br />
Mit Spiel und Spass knifflige Rätsel lösen und dabei die<br />
Stadt sowie die Arbeit eines Kinderhilfswerks mit neuen<br />
Augen entdecken. Die Schnitzeljagd nimmt Ihre ganze<br />
Familie mit auf eine Reise zu Menschen in fernen Ländern.<br />
Sie möchten dabei sein?<br />
Bilder: ZVG<br />
Mehr unter: www.familytrail.ch<br />
Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/verlosung<br />
Teilnahmeschluss: 5. April <strong>2017</strong>. Teilnahme per SMS: Stichwort FF WV ZH oder<br />
FF WV BS oder FF WV BE an 959 senden (30 Rp./SMS)
Buchtipps<br />
dtv, Reihe<br />
Hanser, <strong>2017</strong>,<br />
Fr. 17.90,<br />
ab 12 Jahren.<br />
Hilfe! Ich will hier<br />
raus!<br />
Als Oma Cordula<br />
behauptet, im<br />
Garten sei ein<br />
Schatz versteckt,<br />
zieht erst nur<br />
Henrik mit der Schaufel los. Doch<br />
bald gräbt die ganze Stadt … Eine<br />
verrückte Geschichte mit originellen<br />
Figuren.<br />
Dressler, 2014, Fr. 17.90,<br />
ab 8 Jahren<br />
Ob Holly und ihre Brüder oder Sam und<br />
Dave, ob Henrik oder die Mississippi-<br />
Bande: Sie alle haben auf ihrer<br />
Schatzsuche viel Optimismus und eine<br />
Portion Glück nötig.<br />
Auf der Suche nach dem Schatz<br />
Eine Insel für uns allein<br />
Die Mississippi-<br />
Bande. Wie wir mit<br />
drei Dollar reich<br />
wurden<br />
Beim Angeln finden<br />
Te Trois und seine<br />
Freunde drei Dollar –<br />
in Louisiana um 1900 ein Vermögen!<br />
Der Italiener Davide Morosinotto<br />
spinnt daraus eine Abenteuergeschichte<br />
im Geiste Tom Sawyers.<br />
Thienemann, <strong>2017</strong>, Fr. 21.90,<br />
ab 10 Jahren<br />
Bilder: ZVG<br />
Drei Geschwister ohne<br />
Eltern und ein verstecktes<br />
Erbe: beste<br />
Voraussetzungen für<br />
eine abenteuerliche<br />
Schatzsuche! Die britische Autorin<br />
Sally Nicholls lässt in ihrem neusten<br />
Roman die zwölfjährige Holly<br />
erzählen, die mit ihren zwei Brüdern<br />
in London lebt. Der Älteste,<br />
Jonathan, war beim Tod der Mutter<br />
achtzehn und be kam das Sorgerecht<br />
für seine Ge schwister. Die drei halten<br />
fest zu sammen.<br />
Doch den Tierarzt für das kranke<br />
Kaninchen können die drei nicht<br />
alleine bezahlen. Da erfahren sie,<br />
dass ihre verstorbene Tante ihnen<br />
einen gros sen Teil des Vermögens<br />
vermacht hat – nur: Kein Mensch<br />
weiss, wo sie die Koffer mit den<br />
Papieren und dem Schmuck versteckt<br />
hat. Zum Glück gehen Jonathan<br />
und Holly im Londoner<br />
«Maker Space» ein und aus. In dieser<br />
offenen Werkstatt tragen alle<br />
gerne mit ihren Fertigkeiten zur<br />
Lösung des Rätsels bei: Da werden<br />
Fotos analysiert, Schlösser geknackt,<br />
das Internet mobilisiert – und bald<br />
ist klar: die Schatzsuche führt auf<br />
die Orkney-Inseln, was Jonathan<br />
gar nicht begeistert. Doch Holly ist<br />
Feuer und Flamme: Aufgeben liegt<br />
jetzt nicht drin! Und ihre Hartnäckigkeit<br />
wird belohnt …<br />
Von wegen heute gibt es keine<br />
echten Abenteuer mehr! Von den<br />
Erlebnissen, die durch das Internet<br />
und das Teilen von Wissen und<br />
Können erst möglich sind, erzählt<br />
dieser erfrischende Roman.<br />
Sally Nicholls<br />
wurde 1983<br />
geboren. Die<br />
britische Kinderund<br />
Jugendbuchautorin<br />
schrieb<br />
mit 23 Jahren<br />
ihren Debütroman.<br />
Sam und Dave<br />
graben ein Loch<br />
Dass Sam und<br />
Dave ein Loch<br />
graben, ist auf den<br />
Bildern deutlich<br />
zu sehen. Ebenso<br />
deutlich wird,<br />
dass sie den Diamanten dabei immer<br />
haarscharf verpassen! Grosser<br />
Bilderbuchspass von Mac Barnett<br />
und Jon Klassen.<br />
NordSüd, 2015, Fr. 21.90,<br />
ab 4 Jahren<br />
Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />
Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />
Instituts für Kinder- und<br />
Jugendmedien SIKJM.<br />
Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />
weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2017</strong>81
Eine Frage – drei Meinungen<br />
Unsere Tochter, 9, hat Angst vor Dieben. Ich erkläre ihr, dass da, wo wir<br />
wohnen, keine Diebe seien. Das ist aber gelogen. Wenn ich ihr nun sage,<br />
es gebe zwar Diebe, aber die könnten uns nichts stehlen, weil wir starke<br />
Türen haben, sorgt sie sich weiterhin. Wissen Sie einen Rat?<br />
Gregor, 51, Altstätten<br />
Nicole Althaus<br />
Schön wärs, man könnte den<br />
geliebten Kleinen alle Ängste<br />
nehmen, sie luftdicht verschliessen<br />
und mit dem Müll<br />
entsorgen. Doch die Angst<br />
gehört zum Leben. So wie die<br />
Freude und die Trauer. Sagen<br />
Sie Ihrer Tochter das. Und<br />
dass Angst die Menschen<br />
lehrt, aufzupassen. Schliessen Sie abends gemeinsam<br />
die Tür zu und wenn nötig die Fensterläden. Und dann<br />
singen und kochen Sie zusammen und zeigen, dass<br />
man mit der Angst gut leben kann.<br />
Tonia von Gunten<br />
Wie gehen Sie heute mit<br />
Ihren eigenen Ängsten um?<br />
Und wie war es als Kind für<br />
Sie? Sprechen Sie mit Ihrer<br />
Tochter: «Ich habe heute keine<br />
Angst mehr vor Dieben.<br />
Doch du machst dir Sorgen.<br />
Sage es mir bitte, wenn du<br />
selber eine gute Idee gegen<br />
diese Angst hast, okay?» Als Kind lernt man den<br />
Umgang mit der eigenen Angst am besten, indem man<br />
erlebt, dass dieses Gefühl zum grossen Ganzen im<br />
Leben mit dazugehört und alle Menschen hin und<br />
wieder solche Gefühle erleben.<br />
Peter Schneider<br />
Ich fürchte, die Sorge können<br />
Sie ihr kaum abnehmen. Sie<br />
müssen Ihrerseits aber auch<br />
nicht befürchten, die Angst<br />
vor Dieben würde darum zu<br />
einem ständigen Begleiter im<br />
Leben Ihrer Tochter. Kinder<br />
sind hilfloser als Erwachsene;<br />
sie verfügen auch nicht über<br />
die relativierende Wurschtigkeit, die uns Erwachsenen<br />
den Alltag erleichtert. Sie haben mehr Zeit, sich in ihre<br />
Ängste zu vertiefen und sie mit allerlei Fantasien auszuschmücken.<br />
(Dasselbe gilt oft auch für alte Menschen.)<br />
Im Alter Ihrer Tochter haben Kinder auch den Glauben<br />
verloren, dass ihre Eltern sie vor allem schützen können.<br />
Das ergibt eine Neigung zur Hilflosigkeit, auf die<br />
man beruhigend reagieren sollte, die man aber eben<br />
auch nicht ausmerzen kann.<br />
Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin und<br />
Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag».<br />
Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir eltern» und<br />
hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.ch» initiiert<br />
und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei<br />
Kindern, 16 und 12.<br />
Tonia von Gunten, 43, ist Elterncoach, Pädagogin<br />
und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />
Programm, das frische Energie in die Familien<br />
bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />
stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />
und Mutter von zwei Kindern, 10 und 7.<br />
Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />
Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />
andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />
für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />
ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />
der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />
erwachsenen Sohnes.<br />
Haben Sie auch eine Frage?<br />
Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />
82 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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und des Fürstentums Liechtenstein. Alle Preisangaben verstehen sich inkl. MWST.
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** Inkl. MERCEDES-SWISS-INTEGRAL (3 Jahre Garantie und 10 Jahre Gratis-Service, beides bis 100 000 km – es gilt das zuerst Erreichte). 5,9 l/100 km (Benzinäquivalent: 6,67 l/100 km), 154 g CO 2<br />
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(Durchschnitt aller verkauften Neuwagen: 134 g CO 2<br />
/km), Energieeffizienz-Kategorie: E. Leasingbeispiel: Laufzeit: 48 Monate, Laufleistung: 10 000 km/Jahr, eff. Jahreszinssatz: 2,94%, 1. grosse Rate:<br />
CHF 11 000.–, Leasingrate ab dem 2. Monat: CHF 399.–. Ein Angebot der Mercedes-Benz Financial Services Schweiz AG. Vollkaskoversicherung obligatorisch. Eine Kreditvergabe ist verboten, falls<br />
diese zu einer Überschuldung des Leasingnehmers führen kann. Angebot gültig bis 30.6.<strong>2017</strong>. Immatrikulation bis 30.9.<strong>2017</strong>.<br />
Abgebildetes Modell: V-Klasse 220 d TREND, lang, mit Sonderausstattungen (Dachreling, eloxiert, LED Intelligent Light System), Barkaufpreis: CHF 52 948.–, 5,9 l/100 km (Benzinäquivalent: 6,67 l/100 km),<br />
154 g CO 2<br />
/km, Energieeffizienz-Kategorie: E. Leasingbeispiel: Laufzeit: 48 Monate, Laufleistung: 10 000 km/Jahr, eff. Jahreszinssatz: 2,94%, 1. grosse Rate: CHF 11 600.–, Leasingrate ab dem 2. Monat:<br />
CHF 429.–. Angebot gültig bis 30.6.<strong>2017</strong>. Immatrikulation bis 30.9.<strong>2017</strong>. Unverbindliche Preisempfehlung. Änderungen vorbehalten. Nur bei teilnehmenden Händlern.<br />
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