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Kunsthaus Zürich Zürcher Kunstgesellschaft Jahresbericht 2010

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Hinweise auf Neuerwerbungen<br />

HENDRICK TERBRUGGHEN<br />

«VERKÜNDIGUNG MARIAE»<br />

Suchen wir nach den Ursprüngen der Blüte der holländischen<br />

Malerei des 17. Jahrhunderts, müssen<br />

wir uns zunächst nach Haarlem wenden, der alten<br />

Hauptstadt der Provinz, wo sich um 1600 eine manieristische<br />

Maler-Akademie zusammenfand, deren<br />

Schüler um 1620 den neuartigen tonigen Realismus<br />

von Frans Hals, Jan van Goyens, Pieter Claesz und<br />

der befreundeten Genremaler entwickelten. Das<br />

ist alles ganz bekannt und in unserer Sammlung in<br />

schönen Beispielen vertreten. Für die weitere Entwicklung<br />

aber ebenso wichtig wurde, was gleichzeitig<br />

im ehemaligen geistlichen Zentrum der nördlichen<br />

Niederlande, der Bischofstadt Utrecht geschah: die<br />

Vermittlung der Kunst Caravaggios durch drei im<br />

Charakter ganz unterschiedliche Maler, die in Rom<br />

von dessen Stil geprägt wurden und sich nach ihrer<br />

Rückkehr gegenseitig mannigfach anregten. Gerrit<br />

van Honthorst (1592–1652, in Italien 1610–1620) war<br />

der Gewandteste, der bald einen eigenen, gepflegten,<br />

aber etwas spannungsarmen Stil ausformte und<br />

schon in Rom für seine Nachtszenen berühmt wurde<br />

und bedeutende Aufträge erhielt. Dirck van Baburen<br />

(um 1594/95–1624, in Italien um 1615–1620/21) muss<br />

nach Massgabe seines ungemein flotten Pinsels und<br />

seines Erfindungsreichtums, insbesondere von Halbfiguren<br />

munterer Musikanten und draller Szenen,<br />

der extrovertiert Lebensfreudigste gewesen sein.<br />

Die «Befreiung Petri» von Matthias Stom im <strong>Kunsthaus</strong><br />

kombiniert die Kunst der beiden Meister perfekt:<br />

eine Komposition Honthorsts wird gestrafft in einer<br />

Baburen eng verwandten malerischen Behandlung<br />

ausgeführt. Der begabteste und interessanteste der<br />

drei aber war der älteste, Hendrick Terbrugghen (Den<br />

Haag (?) 1588 –Utrecht 1629, in Italien um 1607–1614)<br />

und im Gegensatz zu seinen Kollegen ein «Problematiker»<br />

und «Spätzünder». Abgesehen von einer eher<br />

beiläufigen Halbfigur von 1616 stammt sein erstes<br />

datiertes Werk erst von 1619, eine «Anbetung der<br />

Könige», ein merkwürdiges, aus einer Komposition<br />

Dürers entwickeltes Gemälde, das ihn aber bereits als<br />

einen Koloristen ersten Ranges ausweist. Doch erst<br />

die Rückkehr seiner Kollegen aus Rom 1620/21 scheinen<br />

seine schöpferischen Energien richtig entfesselt<br />

zu haben: Anstelle komplex altdeutsch elaborierter<br />

ganzfiguriger Historien treten knapp und flüssig komponierte<br />

Halbfiguren, allein oder in Gruppen. 1<br />

Besonders die Ankunft Baburens, wohl im Herbst<br />

1620 oder im Frühling 1621, scheint ihn beflügelt zu<br />

haben: Plötzlich zählt man fünf datierte Gemälde, zu<br />

denen noch drei Pendants dazuzurechnen sind. Jetzt<br />

malt er die beiden Flöte spielenden Jünglinge der<br />

Kasseler Galerie, seine bekanntesten Bilder, besonders<br />

der Knabe mit dem blau-weiss gestreiften Ärmel<br />

und dem verschatteten Gesicht im verlorenen Profil.<br />

Er bildet die direkte Antwort auf ein gleichartiges<br />

Bild Baburens, in dem der Flötist aber den Betrachter<br />

frontal anblickt. Damit setzt die Produktion solch<br />

musizierender oder singender Halbfiguren in Phantasiekostümen<br />

ein, die ziemlich genau die Hälfte seines<br />

nur etwa neunzig Gemälde umfassenden Werkes ausmachen,<br />

entstanden in den zehn Jahren vor seinem<br />

frühen Tod 1629. 2<br />

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