Kunsthaus Zürich Zürcher Kunstgesellschaft Jahresbericht 2010

Kunsthaus Zürich Zürcher Kunstgesellschaft Jahresbericht 2010 Kunsthaus Zürich Zürcher Kunstgesellschaft Jahresbericht 2010

11.12.2012 Aufrufe

28 Grafische Sammlung Der Beginn des Berichtsjahres markierte das Ende des Landis &Gyr-Stipendiums von Kuratorin Mirjam Varadinis in Berlin. Im Februar 2010 nahm sie ihre Arbeit am Kunsthaus voller Elan und neuer Ideen wieder auf. Als Erstes stand die Neubesetzung der wissenschaftlichen Assistenz in der Grafischen Sammlung auf dem Plan. Diese Stelle ist als Volontariat zur Einführung in die Museumspraxis konzipiert und wird alle zwei Jahre neu ausgeschrieben. Der Vertrag von Laura Mahlstein, die das Team der Grafischen Sammlung seit 2008 tatkräftig unterstützt hatte, lief per Ende April aus, und es musste eine Nachfolgerin gefunden werden. Nach Abschluss ihrer Tätigkeit am Kunsthaus konzentriert sich Frau Mahlstein nun auf ihre Doktorarbeit, für die sie mit einem Nationalfondsstipendium ausgezeichnet wurde. Dazu gratulieren wir ihr und wünschen für die Fertigstellung der Dissertation alles Gute! Gleichzeitig möchten wir uns nochmals ganz herzlich für die geleistete Arbeit bedanken. Seit April 2010 ist nun die junge Kunsthistorikerin Milena Oehy als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei uns tätig. Sie hat sich in kürzester Zeit in ihren vielseitigen und anspruchsvollen Tätigkeitsbereich eingearbeitet und unterstützt die Grafische Sammlung bei Leihanfragen, Besuchen im Studiensaal und der Inventarisierung von Ankäufen. Sie betreut ebenfalls die Fotosammlung und übernimmt neben der Inventarisierung von Ankäufen auch die Bearbeitung der Leihgesuche aus diesem Bereich. Neben den personellen Veränderungen gibt es auch aus der Sammlung wieder einiges zu berichten. Bestehende Schwerpunkte konnten weiter gestärkt werden, z.B. durch die Erwerbung der frühen Litho- grafie von Dieter Roth, «Nuss» (1953). Ebenso erfuhr der Bestand der Sigmar-Polke-Grafiken eine schöne Ergänzung durch die vierteilige Suite «Danneckers Hausgecko» (2009). Die Serigrafien und Lithografien auf beflocktem Strukturpapier mit Eidechsenhautprägung zeugen einmal mehr von der Experimentierfreudigkeit des Künstlers, der im Berichtsjahr leider verstorben ist. Wir möchten die Gelegenheit nutzen und an dieser Stelle nochmals dieses einzigartigen Künstlers gedenken, der in vielfältiger Weise mit Zürich und dem Kunsthaus verbunden war. AuchimBereichderjungenzeitgenössischenKunst wurden neue Werke angekauft. So hat das Kunsthaus Zürich als erstes Museum in der Schweiz zwei grossformatige Zeichnungen der Berliner Künstlerin Jorinde Voigt (*1977) erworben. Die aus dem Jahre 2009 stammenden Werke «Symphonic Area, Var[iationen] 15 und 16» sind Teil einer 27-teiligen Serie und stehen beispielhaft für das Schaffen der jungen Künstlerin. In ihren grossformatigen Zeichnungen notiert Jorinde Voigt – meist auf dem Blatt liegend –partiturartig Geräusche und Phänomene unserer Welt. Die zeichnerisch sehr aufwändigen Anordnungen sind eine Mischung aus spröder Ernsthaftigkeit und verspielter Absurdität und thematisieren so unterschiedliche Erscheinungen wie Windrichtungen und Temperaturverläufe, Flugbahnen eines Adlers, Impulsfelder von Popsongs oder Aktionsstudien von zwei, die sich küssen. Von der jungen Schweizer Künstlerin Julia Steiner (*1982) wurde das Künstlerbuch «Ausser Atem» (2010) angekauft. Dieses entstand im Steindruckatelier Wolfensberger, Zürich, das jungen Künstlerinnen und Künstlern in den letzten Jahren immer wieder Gele-

genheit bot, mit druckgrafischen Techniken zu experimentieren und Lithografien zu produzieren –unter der kundigen Leitung von Thomy Wolfensberger, der den Kunstschaffenden stets mit Rat und Tat zur Seite steht. Die umfangreiche Sammlung von Künstlerbüchern konnte zudem durch die beiden Ankäufe John Stezaker «The Bridge» (2010) und Loris Gréaud «Cellar Door» (2010) erweitert werden. Zuwachs erhielt die Grafische Sammlung auch durch eine grosszügige Schenkung: Wir durften von dem in Breslau geborenen, an der Hochschule der Bildenden Künste Berlin sowie an der Staatlichen Akademie Stuttgart ausgebildeten Siegmund Hahn (1937– 2009) das vollständige grafische Werk als Geschenk entgegennehmen. Es umfasst 192 Radierungen meist landschaftlichen Inhalts, die von 1974 bis 1981 im Eigenverlag in kleinen Auflagen erschienen sind. Motive aus Wirklichkeit, Traum und Phantasie verschmelzen zu italianisierenden Parkanlagen, hypertrophen Uferlandschaften oder Allegorien mit vermenschlichten Insekten, z.B. «Ein Stich gegen die Trägheit». Milena Oehy hat das Konvolut vollständig inventarisiert und erschlossen. Im Berichtsjahr war die Grafische Sammlung in die Vorbereitung und Umsetzung der Ausstellung «Bilderwahl» involviert. Im Zentrum der Präsentation stand diesmal die Skulptur «Metamorphose I(Beuys/Hase)» von Markus Raetz (*1941). Die Gastkuratorin Jeannette Weiss entschied sich, das von den Mitgliedern der Zürcher Kunstgesellschaft gewählte Werk mit verschiedenen Arbeiten aus den umfassenden Beständen der Grafischen Sammlung zu ergänzen und diese in einen Dialog mit jungen zeitgenössischen Positionen zu stellen. Das übergeordnete Thema der Ausstellung war «Metamorphose …heute!» (siehe dazu auch S. 24). Entsprechend war auch das Video «Eben» (1987) von Markus Raetz in die Ausstellung integriert. Video Video spielte eine wichtige Rolle im Berichtsjahr, und zwar auf Ausstellungs- wie auch auf Sammlungsebene. Für die Ausstellung «Adrian Paci – Motion Picture(s)» (s. S. 23) entstand eine neue Videoarbeit mit dem Titel «Electric Blue» (2010). Diese wurde vom Kunsthaus Zürich zusammen mit dem Kunsthaus Graz, wo die Arbeit ebenfalls gezeigt wurde, coproduziert und für die Sammlung angekauft. Kuratorin Mirjam Varadinis, die bei der Produktion des Videos eng mit dem Künstler zusammenarbeitete, hat darin sogar einen kurzen Gastauftritt –inder Rolle einer albanischen Mutter. Ebenfalls als Neuproduktion für eine Ausstellung entstand die Arbeit «Tracking Happiness» (2009) des rumänischen Künstlers Mircea Cantor (*1977). Das Video wurde für die gleichnamige Ausstellung im Herbst 2009 hier am Kunsthaus produziert (siehe dazu auch Jahresbericht 2009) und nun im Berichtsjahr für die Sammlung angekauft. In «Flooded McDonald’s» inszeniert die dänische Künstlergruppe Superflex ebenso perfekt wie ironisch unterhaltsam den Lauf der Dinge in einer von eindringendem Wasser gefluteten Fastfood-Imbissstube, eine zu allerlei bedenklichen Gedanken einladende «allégorie réelle». Die Videosammlung konnte aber nicht nur durch Neuerwerbungen weiter gestärkt, sondern auch durch Präsentationen der Bestände einem weiteren Publikum bekannt gemacht werden. So wurde anlässlich des «Tag der offenen Tür», der zum 100-jährigen Bestehen des Kunsthauses am 14. April stattfand, ein Screening mit Videos aus der Kunsthaus-Sammlung gezeigt. Das von Mirjam Varadinis mit Unterstützung von Dr. Ursula Perucchi-Petri zusammengestellte Programm umfasste Werke von den Pionieren der Videokunst bis heute und stiess beim Publikum auf grosses Interesse. Ebenfalls zum 100-Jahr-Jubiläum wurde die Videosammlung als Gast bei den Winterthurer Kurzfilmtagen eingeladen. Für diese Gelegenheit wählten Mirjam Varadinis und Nicola Ruffo zeitgenössische Videos aus der Kunsthaus-Sammlung aus, die in den letzten Jahren angekauft wurden. Das Screening wurde zweimal gezeigt, am 13. und 14.11. 2010. 29

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Grafische Sammlung<br />

Der Beginn des Berichtsjahres markierte das Ende des<br />

Landis &Gyr-Stipendiums von Kuratorin Mirjam Varadinis<br />

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am <strong>Kunsthaus</strong> voller Elan und neuer Ideen wieder auf.<br />

Als Erstes stand die Neubesetzung der wissenschaftlichen<br />

Assistenz in der Grafischen Sammlung auf dem<br />

Plan. Diese Stelle ist als Volontariat zur Einführung in<br />

die Museumspraxis konzipiert und wird alle zwei Jahre<br />

neu ausgeschrieben. Der Vertrag von Laura Mahlstein,<br />

die das Team der Grafischen Sammlung seit 2008 tatkräftig<br />

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Abschluss ihrer Tätigkeit am <strong>Kunsthaus</strong> konzentriert<br />

sich Frau Mahlstein nun auf ihre Doktorarbeit, für die<br />

sie mit einem Nationalfondsstipendium ausgezeichnet<br />

wurde. Dazu gratulieren wir ihr und wünschen für die<br />

Fertigstellung der Dissertation alles Gute! Gleichzeitig<br />

möchten wir uns nochmals ganz herzlich für die<br />

geleistete Arbeit bedanken.<br />

Seit April <strong>2010</strong> ist nun die junge Kunsthistorikerin<br />

Milena Oehy als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei<br />

uns tätig. Sie hat sich in kürzester Zeit in ihren vielseitigen<br />

und anspruchsvollen Tätigkeitsbereich eingearbeitet<br />

und unterstützt die Grafische Sammlung<br />

bei Leihanfragen, Besuchen im Studiensaal und der<br />

Inventarisierung von Ankäufen. Sie betreut ebenfalls<br />

die Fotosammlung und übernimmt neben der Inventarisierung<br />

von Ankäufen auch die Bearbeitung der<br />

Leihgesuche aus diesem Bereich.<br />

Neben den personellen Veränderungen gibt es<br />

auch aus der Sammlung wieder einiges zu berichten.<br />

Bestehende Schwerpunkte konnten weiter gestärkt<br />

werden, z.B. durch die Erwerbung der frühen Litho-<br />

grafie von Dieter Roth, «Nuss» (1953). Ebenso erfuhr<br />

der Bestand der Sigmar-Polke-Grafiken eine schöne<br />

Ergänzung durch die vierteilige Suite «Danneckers<br />

Hausgecko» (2009). Die Serigrafien und Lithografien<br />

auf beflocktem Strukturpapier mit Eidechsenhautprägung<br />

zeugen einmal mehr von der Experimentierfreudigkeit<br />

des Künstlers, der im Berichtsjahr leider verstorben<br />

ist. Wir möchten die Gelegenheit nutzen und<br />

an dieser Stelle nochmals dieses einzigartigen Künstlers<br />

gedenken, der in vielfältiger Weise mit <strong>Zürich</strong> und<br />

dem <strong>Kunsthaus</strong> verbunden war.<br />

AuchimBereichderjungenzeitgenössischenKunst<br />

wurden neue Werke angekauft. So hat das <strong>Kunsthaus</strong><br />

<strong>Zürich</strong> als erstes Museum in der Schweiz zwei grossformatige<br />

Zeichnungen der Berliner Künstlerin Jorinde<br />

Voigt (*1977) erworben. Die aus dem Jahre 2009 stammenden<br />

Werke «Symphonic Area, Var[iationen] 15 und<br />

16» sind Teil einer 27-teiligen Serie und stehen beispielhaft<br />

für das Schaffen der jungen Künstlerin. In ihren<br />

grossformatigen Zeichnungen notiert Jorinde Voigt –<br />

meist auf dem Blatt liegend –partiturartig Geräusche<br />

und Phänomene unserer Welt. Die zeichnerisch sehr<br />

aufwändigen Anordnungen sind eine Mischung aus<br />

spröder Ernsthaftigkeit und verspielter Absurdität und<br />

thematisieren so unterschiedliche Erscheinungen wie<br />

Windrichtungen und Temperaturverläufe, Flugbahnen<br />

eines Adlers, Impulsfelder von Popsongs oder Aktionsstudien<br />

von zwei, die sich küssen.<br />

Von der jungen Schweizer Künstlerin Julia Steiner<br />

(*1982) wurde das Künstlerbuch «Ausser Atem»<br />

(<strong>2010</strong>) angekauft. Dieses entstand im Steindruckatelier<br />

Wolfensberger, <strong>Zürich</strong>, das jungen Künstlerinnen und<br />

Künstlern in den letzten Jahren immer wieder Gele-

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