Ausgabe 04 / 2007 - BankPraktiker
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PRAxISTIPPS<br />
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<strong>04</strong> / <strong>2007</strong> <strong>BankPraktiker</strong><br />
Beitrag<br />
Das Universalitätsprinzip der EuInsVO geht von nur noch einer einheitlichen Insolvenzverwaltung über das Vermögen<br />
des Schuldners unter Anwendung ausschließlich der Rechtsordnung aus, in deren Geltungsbereich der<br />
Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Wird ein Insolvenzverfahren in einem Staat<br />
der EU (außer Dänemark) eröffnet, muss es im gesamten Geltungsbereich der Verordnung anerkannt werden. Für<br />
deutsche Kreditinstitute bedeutet das, dass im Ausland abgewickelte Verfahren über das Vermögen ihrer Schuldner<br />
ihre anspruchsbegrenzende Wirkung dergestalt entfalten, dass die Forderungen endgültig abgeschrieben<br />
werden müssen.<br />
Auch wenn in England z.B. durch dingliche Verwertungen längere Fristen einzuhalten sind, erfolgt i.d.R. zwölf<br />
Monate nach Verfahrenseröffnung die Restschuldbefreiung. Ausgenommen hiervon sind im Wesentlichen nur<br />
Forderungen Forderungen von Gläubigern aus unerlaubter Handlung oder aufgrund Betrugs.<br />
Die Gründung einer englischen Limited kann für den deutschen Schuldner eine geeignete wirtschaftliche Plattform<br />
für die Zukunft sein. Angesichts der eingeschränkten Verfügungsgewalt des Schuldners während des Insolvenzverfahrens<br />
kommt eine Gesellschafterstellung in der Limited indes nicht infrage. Eine Treuhandlösung, nach<br />
der ein professioneller Treuhänder die Anteile für die Dauer des Verfahrens hält, würde eine unzulässige Umgehung<br />
darstellen. Nur wenn Vertrauensleute des Schuldners die Anteile wirtschaftlich eigenständig halten oder der<br />
Treuhänder für diese Vertrauensleute tätig wird, sind den Banken die Hände gebunden. Der Schuldner kann während<br />
der Verfahrensdauer Angestellter dieser Limited sein. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens kann er<br />
die Anteile übernehmen. Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung kann die in England gegründete Ltd. ohne Weiteres<br />
nach Deutschland verlegt werden, alternativ kommt die Errichtung einer Zweigniederlassung der Ltd. infrage.<br />
Beliebt Beliebt ist auch die Ltd. & Co. KG.<br />
Nur im Elsass und in Lothringen gilt in zeitlicher Hinsicht ein dem englischen Verfahren vergleichbares Insolvenzsystem.<br />
Die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens hängt von strengeren Kriterien ab als in England. Die<br />
französische Justiz knüpft hohe Anforderungen an den Tatbestand des Mittelpunkts der hauptsächlichen Schuldnerinteressen,<br />
der z.B. verneint werden kann, wenn es an Zwangsvollstreckungsmaßnahmen am neuen Schuldnerwohnsitz<br />
mangelt. Das gerichtliche Verfahren dauert im Elsass und in Lothringen etwas länger als in England, je<br />
nach Komplexität anderthalb Jahre und mehr.<br />
Banken sollten prüfen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des<br />
Kreditnehmers oder Mithaftenden im Ausland liegt oder leicht dorthin verlagert werden kann. Sodann ist die Einholung<br />
von Informationen zu der Frage geboten, welche Auswirkungen eine Insolvenzeröffnung in einem anderen<br />
Mitgliedsstaat der EU auf die eigene Gläubigerstellung hat. Ein englisches oder elsass-lothringisches Insolvenzverfahren<br />
kann nur dann angegriffen werden, wenn der Gläubigerbank im Verfahren der Nachweis gelingt,<br />
dass das ausländische Insolvenzgericht aufgrund fehlender Anwendbarkeit des ausländischen Insolvenzrechts<br />
nicht zuständig ist, etwa weil sich der Schuldner tatsächlich weitestgehend in Deutschland aufhält. Andernfalls<br />
bleibt nach englischem Recht zwar das englische Gericht zuständig, doch drohen dem unaufrichtigen Schuldner<br />
Beschränkungen, wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser vor oder während des Verfahrens schuldhafte<br />
Verstöße begangen hat. Dann kann das Gericht anordnen, dass dem Schuldner für einen Zeitraum von weiteren<br />
zwei bis fünfzehn Jahren die Beschränkungen der Insolvenz auferlegt werden.<br />
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Banken Banken sollten sorgfältig prüfen lassen, welche Auswirkungen ein EU-Insolvenzverfahren auf deren Gläubigerstellung<br />
haben und wie es ggf. erfolgreich angegriffen werden kann. Möglicherweise lenken Schuldner bei drohendem<br />
Scheitern der Auslandsinsolvenz bei der Schuldenregulierung gegenüber der kreativen und flexiblen<br />
Bank ein. Dies kann immer noch „billiger“ sein als ein deutsches Insolvenzverfahren.<br />
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