Ausgabe 04 / 2007 - BankPraktiker
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Beitrag<br />
» Auch wenn in<br />
England etwa durch<br />
dingliche Verwertungen<br />
längere<br />
Fristen Fristen zu berück-<br />
sichtigen sind,<br />
erfolgt i.d.R. zwölf<br />
Monate nach Verfahrenseröffnung<br />
die<br />
Restschuldbefreiung<br />
(Discharge). «<br />
6 Nach Tschauner, a.a.O. (Fn. 1), S. 360, können in<br />
England oder Irland bei außergerichtlicher Abwicklung<br />
Verfahren sogar in 2-3 Monaten erledigt<br />
werden.<br />
7 Rs. C-167/01 „Inspire Art“.<br />
8 Zu Einzelheiten Korts/Korts in: BP 2005 S.32 und<br />
Korts in: Handbuch Gesellschaftsrecht für das<br />
Firmenkundengeschäft, 2006, S. 191 ff und S.<br />
478 ff.<br />
230 <strong>04</strong> / <strong>2007</strong> <strong>BankPraktiker</strong><br />
stehen. Sachlich zuständig ist der High Court<br />
in London oder aber ein Country Court, der<br />
eine Insolvenzabteilung unterhält. Vonseiten<br />
des Gerichts ist der Official Receiver zuständig,<br />
der das Verfahren überwacht, die Insolvenzmasse<br />
treuhänderisch verwaltet, bis ein Insolvency<br />
Practitioner als Verwalter eingesetzt ist<br />
und im Übrigen die Gläubiger unterrichtet. Der<br />
Verwalter wird vom Gericht zur Verteilung des<br />
Schuldnervermögens und Befriedigung der<br />
Gläubiger beauftragt. Das Insolvenzverfahren<br />
bedarf eines Eigen- oder Fremdantrags (Petition).<br />
Auch nach der englischen Insolvenzanordnung<br />
besteht eine uneingeschränkte Auskunfts-<br />
und Wahrheitspflicht des Schuldners.<br />
Verfahrensunterstützend sind Formulare zu<br />
verwenden, die in englischer Sprache auszufüllen<br />
sind. Ergänzend ist eine Vermögensaufstellung<br />
beizufügen, die sowohl Vermögen als<br />
auch Verbindlichkeiten nach Grund und Höhe<br />
erschöpfend beinhaltet. Entsprechende Urkunden<br />
als Belege der einzelnen Positionen sind<br />
als Anlagen beizufügen. Da die Amtssprache<br />
Englisch ist, sind sämtliche Unterlagen in die<br />
englische Sprache zu übersetzen. Die Richtigkeit<br />
und Vollständigkeit der Insolvenzerklärung<br />
nebst Anlagen sind vom Schuldner<br />
vor dem zuständigen Gerichtsbeamten oder<br />
einem dortigen Rechtsanwalt zu beeiden. Die<br />
Gläubiger werden sodann aufgefordert, ihre<br />
Forderungen in der Gerichtssprache förmlich<br />
geltend zu machen. Der Official Receiver<br />
informiert die Gläubiger über die Masse unter<br />
Berücksichtigung der Verfahrenskosten. Auch<br />
wenn in England etwa durch dingliche Verwertungen<br />
längere Fristen zu berücksichtigen sind,<br />
erfolgt i.d.R. zwölf Monate nach Verfahrenseröffnung<br />
die Restschuldbefreiung (Discharge) 6 .<br />
Ausgenommen hiervon sind im Wesentlichen<br />
nur Forderungen von Gläubigern aus unerlaubter<br />
Handlung oder aufgrund Betrugs.<br />
2. Die Rolle der englischen Limited<br />
Nicht selten wird von deutschen Schuldnern,<br />
die Restschuldbefreiung in England suchen<br />
und demzufolge ein Anstellungsverhältnis<br />
vorweisen müssen, eine englische Limited als<br />
Plattform für die neue wirtschaftliche Existenz<br />
gewählt. Aufgrund der Entscheidung des EuGH<br />
vom 30.09.2003 7 muss eine Gesellschaft, die in<br />
einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union<br />
errichtet wurde, in jedem anderen Mitgliedsstaat<br />
als rechtsfähig anerkannt werden. Ange-<br />
sichts der vorstehenden Ausführungen im Hinblick<br />
auf die eingeschränkte Verfügungsgewalt<br />
des Schuldners während des Insolvenzverfahrens<br />
kommt eine Gesellschafterstellung des<br />
Schuldners nicht in Betracht. Die Treuhandlösung,<br />
nach der ein professioneller Treuhänder<br />
die Anteile für die Dauer des Verfahrens<br />
hält, würde eine unzulässige Umgehung darstellen.<br />
Daher halten entweder Vertrauensleute<br />
des Schuldners die Anteile wirtschaftlich<br />
eigenständig oder der Treuhänder wird<br />
für diese tätig. Der Schuldner kann während<br />
der Verfahrensdauer Angestellter der Limited<br />
sein. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens<br />
können die Anteile (Share certificates)<br />
dann übernommen werden.<br />
Auch wenn die Gründungskosten äußerst überschaubar<br />
sind, sind die weiteren Pflichten nicht<br />
unerheblich, und zwar hinsichtlich der Buchführung<br />
kommen eine jährliche Abschlussprüfung<br />
und Vorlage nach UK-GAAP, darüber<br />
hinaus ein jährlicher Geschäftsbericht und<br />
ein Auditor’s report, jeweils nebst Anlagen, in<br />
Betracht 8 .<br />
Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung kann die<br />
in England gegründete Ltd. ohne Weiteres nach<br />
Deutschland verlegt werden, alternativ kommt<br />
die Errichtung einer Zweigniederlassung der<br />
Ltd. infrage. Beliebt ist auch die Ltd. & Co. KG.<br />
3. Insolvenz im Elsass oder in Lothringen<br />
Nur in diesen Departements Frankreichs gilt<br />
in zeitlicher Hinsicht ein dem englischen<br />
Verfahren vergleichbares Insolvenzsystem.<br />
Hier muss der Schuldner mindestens sechs<br />
Monate zuvor nachweislich seinen ausschließlichen<br />
Wohnsitz genommen haben. Der Antrag<br />
(Demande de procédure de redressement judiciaire)<br />
ist bei der für den Schuldnerwohnsitz<br />
örtlich zuständigen Zivilkammer (Chambre<br />
civile) des Tribunal de grande instance einzureichen.<br />
Da Amtssprache Französisch ist, sind<br />
das Vermögensverzeichnis (Liste de pièces)<br />
und sämtliche Anlagen (Urkunden wie Schuldtitel,<br />
Darlehensverträge, Forderungsaufstellungen)<br />
von einem beim Insolvenzgericht<br />
zugelassenen vereidigten Übersetzer zu übersetzen.<br />
Auch wenn kein Anwaltszwang besteht,<br />
ist entsprechender Beistand ratsam. Die Entscheidung<br />
über die Eröffnung des Verfahrens<br />
hängt von strengeren Kriterien ab als in Eng-